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HARTMUT KÜHNE

Karl May und E. v. T.


Im Frühjahr 1968 erschien in Bamberg der 72. Band von »Karl Mays Gesammelten Werken«; er enthält Frühtexte aus der Redakteurzeit bei Münchmeyer. Damals, 1875 - 77, hatte Karl May drei Zeitschriften gegründet, von denen besonders »Schacht und Hütte« - das ist auch der Titel des 72. Bandes - eine größere Beachtung verdient. Außer Traktaten und insbesondere den »Geographischen Predigten«, belehrenden Arbeiten also, befinden sich in jenem May-Band auch einige belletristische Beiträge, darunter die Novelle »Wanda«, als deren frühestes Erscheinungsjahr 1875 bekannt ist, von der aber May selber (»Ein Schundverlag und seine Helfershelfer« S. 279) behauptet, sie sei bereits zu Anfang der sechziger Jahre geschrieben. Vor allem aber finden sich drei Erzählungen dort, die früher ohne Verfasserangabe erschienen waren. Und von diesen nun fesselte mich sofort nach dem ersten Durchlesen die »Fundgrube Vater Abraham« - eine »Erzählung aus dem Bergmannsleben«, die als einzigen Hinweis auf ihren Autor am Schluß die Initialen »E.v.T.« trägt.

Die wenigen »inneren Gründe«, von denen die kurzen Begleitworte (Bd. 72, S. 494) sprechen und die eine Autorschaft durch Karl May belegen sollten, vermochten mich nicht zu überzeugen; mir kam die Erzählung gänzlich unmayisch vor. Es ist da von »verruchten Vorhaben« die Rede, da »zog die Mutter sie jener nach«, »indes Ferdinand sich bloß verwunderte«, während ein anderer »sich angeredet fand« und als Antwort etwas »versetzt«. Das alles sind Wendungen, die dem Mayschen Stil fremd sind; und da Karl Mays Werke wohl mehr oder weniger als Ergebnisse unbewußter Formgebung entstanden sind, - ein Vorgang, den Heinz Stolte (»Der Volksschriftsteller Karl May«, S.105 ff.) als »wild schaffende Gesetzlichkeit« bezeichnet - , schien es mir ausge-


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schlossen, daß ein Schriftsteller zur gleichen Zeit eine derart, man darf wohl sagen, konfuse Kolportage wie die »Wanda« und daneben ein stilistisch so einheitliches und wohlgelungenes Opus wie die »Fundgrube Vater Abraham« habe schreiben können. Ich untersuchte den »Fundgrube«-Text daraufhin nach weiteren Einzelheiten und verglich ihn mit weiteren Erzählungen aus der gleichen frühen Zeit, um meine anfängliche bloße Empfindung nunmehr exakt zu untermauern.

Es scheint mir eigentlich unwichtig, heute noch von diesen Dingen zu sprechen. Aber da diese Art der Beweisführung in der May-Forschung bisher ein Novum war, zum anderen in der textkritischen Arbeit möglicherweise eine Bedeutung besitzt, die über den konkreten Anlaß hinausgeht, so mögen die Ergebnisse meiner Stilvergleiche hier immerhin angedeutet werden.

Ich fand, daß in der direkten Rede die gesprochenen Sätze durchweg doppelt so lang sind wie bei Karl May. Ich fand, daß in der »Fundgrube« die direkte Rede sehr viel häufiger eingekleidet wird (»sagte er« etc.); solche Einkleidung findet sich in der »Fundgrube« doppelt so häufig wie in »Wanda«: dort bei 80%, hier nur bei 40% aller direkten Reden, und in anderen frühen Erzählungen war das Ergebnis stets niedriger: »Der Gitano«: 40%; »Die Fastnachtsnarren«: 25%; »Inn-nu-woh«: 50%; »Old Firehand«: 30%. Ich fand, daß in anderen May-Erzählungen die Personen durch ihre Sprache charakterisiert sind: sie reden sächsisch wie Hobble-Frank, blumenreich wie Halef, stilisiert wie Winnetou oder Kauderwelsch wie Quimbo und Massa Bob; immer jedenfalls merkt man schon an der Sprache, wer gerade redet; während dagegen in der »Fundgrube« alle Personen in der gleichen Weise sprechen. Ich fand ferner, daß in der »Fundgrube« die direkte Rede häufig von dem neutralen Wort »sagte er« begleitet wird (es kommt bei 312 direkten Reden 87mal vor), während Karl May sich darin sehr viel abwechslungsreicher zeigt. In »Wandas taucht diese Wendung bei 973 direkten Reden nur 15mal auf. Dagegen benutzt May mit Vorliebe Verben, denen zugleich noch weitere Aussagen innewohnen: »erklang es an ihr Ohr«, »erschallte die Baßstimme«, »knurrte er«, »schimpfte er«, »wollte er wissen«, »wandte er sich an sie«, »schnitt er ihm die Rede ab«. In der »Fundgrube« fand ich solche Bildungen wohl auch, doch waren sie dort weit in der Minderzahl. Andere Worte dagegen wie »versetzte er«


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(10mal in der »Fundgrube«) waren mir aus authentischen May-Texten überhaupt nicht bekannt. Ich fand sie seitdem gelegentlich in den Münchmeyer-Romanen, aber auch dort äußerst selten. In der Fischer-Fassung des »Verlorenen Sohns« (3113 Seiten) fand ich es ein einzigesmal, und im ersten Band »Waldröschen« konnte ich mich überzeugen, daß dieses »versetzen« erst durch den Bearbeiter Staberow hineingelangt ist.

Das Ergebnis meiner Untersuchungen ließ mich zu der Behauptung gelangen, die »Fundgrube Vater Abraham« habe einen anderen, und zwar höchst qualifizierten Autor gehabt. Da ich jedoch auf meine Abhandlung in der ersten Runde der Diskussion kein sehr ermutigendes Echo empfing, räumte ich die Möglichkeit ein, Karl May käme als Bearbeiter in Betracht. Immerhin standen meinen guten Gründen gegen Mays Autorschaft doch auch einige Indizien entgegen; einige Szenenmodelle, Wort-Assoziationen u. ä. Und so verfaßte ich einen weiteren Aufsatz, in dem ich zwar festhielt an der Meinung »nicht von May«, aber nun von der Bearbeitung sprach. Ich will dabei auch erwähnen, daß ich eigens zum Zweck der Genauigkeit nach Bamberg zum Karl-May-Verlag reiste, um die Texte wenigstens auch im Original geprüft zu haben. Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, daß die Novelle »Wanda« in der Fassung des Bandes 72 gegenüber dem Original erheblich bearbeitet ist, (wovon meine Beweisführung allerdings kaum tangiert wurde), die »Fundgrube« dagegen war dankenswerterweise so gut wie »unberührt« geblieben. Der zweite Aufsatz, betitelt »Waldläufer und Fundgrube«, gelangte in die Hände des May-Forschers Manfred Hecker. Und da Herr Hecker zufällig in Burgstädt zu Hause ist, das dem Dorf Taura benachbart liegt, und da Herr Hecker außerdem große heimatkundliche Kenntnisse besitzt, konnte er in den Initialen E.v.T., die auf den Verfasser der »Fundgrube« hindeuten, den Schriftstellernamen »Elfried von Taura« erkennen. Seine unverzügliche Nachforschung bei der Deutschen Bücherei zu Leipzig erbrachte folgende Hinweise:

DIE FUNDGRUBE VATER ABRAHAM von August Peters (Elfried von Taura), enthalten in: Elfried von Taura (A. Peters), ERZGEBIRGISCHE GESCHICHTEN, 2 Bände, Hannover, Rümpler 1858, 2 Bl., 259 S., 2 Bl., 235 S., sowie Elfried von Taura (August Peters), ERZGEBIRGISCHE ERZÄHLUNGEN, Volksausgabe, herausgeg. von Friedrich Hermann Löscher, Annaberg: Graser, 1910. XII, 122 S.


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Damit aber war der Beweis erbracht: Die Erzählung »Fundgrube Vater Abraham« ist keineswegs ein Frühwerk von Karl May, sondern sie stammt von dem Schriftsteller August Peters, der seine Werke unter dem Namen Elfried von Taura veröffentlicht hat.

Im folgenden nun will ich zusammenfassen, was ich über die Person dieses Autors ermitteln konnte.

A u g u s t P e t e r s kam am 4. März 1817 in Taura bei Chemnitz zur Welt, als Sohn Karl Gottlieb Peters', eines Strumpfwirkermeisters. Die Eltern waren schlichte Leute, arbeitsam und sparsam, denen niemand an »Einfalt der Sitten und Gottesfurcht gleichgekommen wäre« - wie Peters in seinen Jugenderinnerungen schreibt. Besonders der Vater war ein fleißiger und solider Mensch, der früh bis nachts arbeitete, meist dabei aber in strenger und mürrischer Laune. Im Jahre 1822 übersiedelte die Familie nach Marienberg. Peters besuchte dort die Elementarschule. Seine frühe Begabung äußerte sich in einem nicht zu bändigenden Wissenshunger, so daß er auf eigene Initiative sich einer Prüfung für das Lyceum, die ehemals bekannte lateinische Schule Marienberg, unterzog. Die Eigenmächtigkeit wurde vom Vater streng bestraft. August Peters geht in seinen Jugenderinnerungen auf diesen Gegenstand besonders ein. Der Vorfall war sicher bedeutungsvoll für sein ganzes Wirken und Wollen: Die erzieherische Härte, die ihre Wurzel in den Schranken seines sozialen Standes hatte und Peters' Drang zu geistiger Betätigung Fesseln setzte, löste später Reaktionen aus, die ihn über seine Zeit hinaus bedeutend gemacht haben: zunächst sein direktes politisches Engagement, später dann - auf sublimierter Ebene - sein dichterisch-erzählendes Werk, das die sozialkritischen Absichten stets erkennen läßt. Ein halbes Jahr später wurde dem Knaben die Erlaubnis dann doch erteilt.

Er kam in die Quarta, durcheilte aber rasch die anderen Klassen, so daß er mit dem elften Lebensjahr bereits die Sekunda besuchte. Peters' Wunsch war es zunächst, Geistlicher zu werden. Dieser Wunsch aber brachte ihm das Gespött der Mitschüler ein. Er liebte besonders die Fächer Völkerkunde und Geographie; dazu entwickelte er ein besonderes Talent zum Zeichnen. Überhaupt zeigte sich ein starker Hang zum Musischen: er sprach später noch von den Eindrücken, die das »Käthchen von Heilbronn« und der »Freischütz« in ihm hinterließen.


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Eine anhaltende Gewerbestockung und ein Krankenlager des Vaters ließen das Elternhaus verarmen. Es begann für August Peters eine unruhige Zeit. 1830 kehrte er dem Elternhaus den Rücken, um sich auf eigene Füße zu stellen. Er begab sich nach Dresden und wurde Schreiber bei einem Gemeindebeamten; nach dessen Tod suchte er sich die Stelle eines Kommis in einem Kaufmannsladen in Pirna. Im nächsten Jahr kehrte er auf Wunsch des Vaters nach Marienberg zurück. Er ging erneut zur Schule, wurde konfirmiert. Da wurde das Lyceum aufgehoben. Sein Vater arbeitete in einer Fabrik in Annaberg. Um sich zu ernähren, trat August in den Dienst eines Ratskopisten. Doch dann wanderte er nach Annaberg, um erneut zur Schule zu gehen. Wegen gewaltiger Wissenslücken wurde er in die Tertia zurückversetzt. Er lebte von Privatstunden. Der Vater fand inzwischen eine Stellung in Böhmen. In seinen Ferienwanderungen gelangte Peters nach Chemnitz, traf dort frühere Mitschüler und entschloß sich, die dortige Schule weiter zu besuchen. Aus Gründen, die er nicht näher mitteilt, gab es Händel mit einem Mitschüler, einem Patriziersohn, wodurch er sich die Gunst seines Rektors verscherzte. Dieser muß ein großer Pedant gewesen sein, der selbst in den Bestrebungen des Turnvaters Jahn etwas Staatsgefährdendes sah. In diese Zeit fallen Peters' erste poetische Versuche, die auch Beifall fanden. Er verfaßte sogar ein Trauerspiel in Versen, ein »lyrisch-romantisches Ungeheuer«, wie er selber sagte, das aber von einer dort gastierenden Schauspielertruppe als zu lang zurückgewiesen wurde. In dieser Zeit regten sich in ihm dogmatische Zweifel; er trat vom Studium der Theologie zurück, um sich der Jurisprudenz zuzuwenden. Die Gunst der Eltern verscherzte er sich zwar dadurch nicht gänzlich, aber er wurde fortan von der Mutter nicht mehr unterstützt. Er verdiente sich das tägliche Brot mühsam durch Chorsingen, durch Notenabschreiben, durch Privatstunden und durch das Leiten einer Fabrikschule: bei der Kattundruckerei Claus & Pflugbeil.

Da überredete ihn der Vater, dem Militär beizutreten. So kam er 1834 zur Artillerie. Wegen einer Augenschwäche jedoch trat er wieder zurück. Er beschäftigte sich als Forstsekretär, später als Brandkassensekretär. Er veröffentlichte ein Bändchen »Gedichte« in Gödsche's Verlag, Schneeberg. 1845 lebte er in Leipzig, wo er sich den Unterhalt zum Studium durch Schriftstellerei erwarb. Seine ersten Erzählungen erschie


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nen in den »Vaterlandsblättern«, in der »Sonne« und anderen Zeitungen. 1847 übernahm er in Berlin die Zeitung »Der Volksvertreter« Er verlobte sich mit einer Tänzerin. Sie wurde ihm untreu; er züchtigte den Nebenbuhler, einen Gardeleutnant, öffentlich; daraufhin mußte er aus Berlin fliehen.

1848 gelangte er nach Meißen, wo er das demokratische Wochenblatt »Die Barrikade« gründete. Hier lernte er Louise Otto kennen, die Tochter des Meißener Gerichtsdirektors. Louise Otto (1819 - 95), die sich später um die Emanzipation der Frau verdient gemacht hat, war bereits als Dichterin hervorgetreten. Ihre Romane »Ludwig der Kellner«, »Schloß und Fabrik« und »Kathinka« bilden wichtige Zeugnisse der sozialen Verhältnisse der Zeit. Außerdem hat sie für Robert Schumann an einem Opernlibretto gearbeitet.

August Peters engagierte sich politisch. In der Literatur wird er als gemäßigter Demokrat angesehen. Er trat als Redner und Führer für freiheitliche Bestrebungen auf. 1849 redigierte er in Marienberg die »Bergglocke«. Mit Freischaren zog er zum Dresdener Mai-Aufstand. Er langte dort zu spät an und mußte nach Süddeutschland fliehen. Dort wurde er als Führer badischer Aufständischer gefangen. Ein Krankenlager verschonte ihn vor dem Todesurteil. Sein Urteil lautete auf sechs Jahre Einzelhaft. Im Zellengefängnis Bruchsal fand die Verlobung mit Louise Otto statt. 1852 wurde Peters in Baden begnadigt, allerdings nur, um nach Sachsen ausgeliefert zu werden. Zunächst kam er in Untersuchungshaft nach Zöblitz. 1853 wurde er in das Zuchthaus Waldheim eingeliefert. Er durfte sich schriftstellerisch betätigen; der Verleger Keil (Herausgeber der berühmten »Gartenlaube«) erstattete seinen Arbeitsausfall. So arbeitete er für allerlei Familienzeitschriften: außer für die »Gartenlaube« auch für das »Familien-Journal«, die »Unterhaltungen am häuslichen Herde«, für den »Hannöverschen Kurier«, (der die preisgekrönte »Stille Mühle« enthält) und für die 1856 gegründete »Saxonia«, die mit der Erzählung »Die Fundgrube Vater Abraham« eröffnet wurde. All diese Veröffentlichungen trugen jetzt den Namen Elfried von Taura.

1856 wurde er begnadigt. Er gründete in Freiberg das Gewerbeblatt »Glückauf«. Zwei Jahre später heiratete er Louise Otto im Dom zu Meißen. Im gleichen Jahr erschienen im Verlag C. Rümpler, Hannover,


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seine »Erzgebirgischen Geschichten«, die 1860 unter anderem Titel auch bei Ludwig Nonne in Annaberg herausgekommen sein sollen (einschlägige Bibliographien geben hierüber jedoch keine Auskunft). Bei Nonne erschien weiterhin ein Reiseführer »Wanderung durch das Erzgebirge«, bei Hübner in Leipzig »Aus Heimat und Fremde« (Erzählungen). Peters übersiedelte nun nach Leipzig, wo er die Leitung des »Generalanzeigers« und später - zusammen mit seiner Gattin - die der »Mitteldeutschen Volkszeitung« übernahm.

Am 4. Juli 1864 ist August Peters gestorben. Posthume Würdigungen erschienen durch eine Ausgabe »In Sachsen und Böhmerland«, Sondershausen 1878, das »Glückauf-Jahrbuch« 1886 durch Hugo Rösch sowie eine Volksausgabe der Erzählungen 1910 durch Friedrich Hermann Löscher.

Ob Karl May und August Peters einander gekannt haben, konnte ich im Lauf meiner Untersuchungen nicht ermitteln. Doch ein Zitat aus Max Dittrichs »Karl May und seine Schriften« (Dresden 1904) zeigt, daß E.v.T. im Freundeskreis Karl Mays kein ganz Unbekannter war. Es heißt dort auf S. 56, wo der Verfasser von Mays »Erzgebirgischen Dorfgeschichten« spricht: »Sie verdienen in der sächsischen volkskundlichen Literatur meiner Meinung nach den gleichen Ehrenplatz wie diejenigen des politischen Dulders Elfried von Taura recte August Peters ... «

Wir wissen, daß Karl May sich manchesmal von anderen literarischen Werken hat anregen lassen zu eigener Gestaltung (Vgl. Ges. Werke Bd. 71 S. 6; KMJB 1922 S. 197 ff; 1932 S. 484 ff; 1933 S. 191 ff). So wird die Frage interessieren, ob eine Verwandtschaft besteht zwischen den Erzgebirgischen Geschichten Elfried von Tauras und denen Karl Mays.

Die Ausgabe von 1858 enthält die folgenden Erzählungen:

»Bretschneiderfritz« (I, 3 - 55)
»Die Fundgrube Vater Abraham« (I, 59 - 188)
»Der Gimpelkönig« (I, 191 - 259)
»Eine Häuerfamilie« (II, 3 - 53)
»Ein Sohn« (II, 57 - 107)
»Pater Joseph« (II, 111 - 173)
»Forsthaus und Huthaus« (II, 177 - 235)


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Außerdem befindet sich in der »Saxonia« fortsetzungsweise in sechs verschiedenen Lieferungen auf den Seiten 161 - 366, etwa gleichlang mit der »Fundgrube«, die »erzgebirgische Dorfgeschichte« mit dem Titel »Vor hundert Jahren« - sowie auf den Seiten 414 - 416 eine Kurznovelle »Ein gemeiner Soldat«, die jedoch für das erzgebirgische Milieu nicht typisch ist. Durch kurze Inhaltsangaben mag sich der Leser einen Eindruck machen:

B r e t s c h n e i d e r f r i t z
Der Bretschneiderfritz, so geheißen, weil er in einer Sägemühle beschäftigt ist, liebt Concordia, das Mündel seines Brotherrn; aber er wagt nicht, zu ihr von Liebe zu reden, auch dann nicht, als im benachbarten Forsthaus ein junger Mann angestellt wird: ein lustiger Kauz, der dem Mädchen sogleich schöne Augen macht. Fritz bittet den Müller um Fürsprache, worauf dieser als Gegenleistung einen Baumdiebstahl im Staatsforst verlangt. Concordia hat dieses Gespräch belauscht. Sie ist durch Fritzens mangelnde Courage und des Müllers rücksichtslosen Geschäftssinn verärgert und nun um so leichter bereit, sich mit dem leichtsinnigen Forstgehilfen einzulassen. Und da begeht Fritz den Holzdiebstahl. Der Täter wird nicht gefunden. Nach einiger Zeit läßt des Forstgehilfen Aufmerksamkeit wieder nach. Anstatt aufzupassen, verbringt er eine ganze Nacht bei Concordia. Der zweite Holzdiebstahl findet statt. Nun geht es um die Existenz des Forstgehilfen. Concordia weiß und verrät, wo das Holz zu finden ist: nämlich in einem versteckten Schuppen des Sägemüllers. Doch dieser angesehene Mann wird nicht verdächtigt. Der Bretschneiderfritz und ein weiterer Gehilfe erhalten drei Jahre Arbeitshaus: nach geltendem Recht die höchstmögliche Strafe, da man - wie es heißt - endlich ein Exempel statuieren will. Im Arbeitshaus bekommt Fritz von Concordia einen traurigen Brief, der ihm »ihren Zustand« andeutet - natürlich hat der leichtlebige Verführer sich längst aus dem Staub gemacht - , und sie bittet um Verzeihung.

Nach zwei Jahren wird Fritz begnadigt. Aber die Wiederaufnahme in die Dorfgemeinschaft vermag er nicht zu erreichen. Nicht des Deliktes wegen - denn alle Dorfgenossen haben Ähnliches getan - sondern weil er »bestraft« ist, gilt er als Gezeichneter und Ausgestoßener. Nur Concordia, mit ihrem vaterlosen Kind ebenfalls gezeichnet und ausgestoßen, nimmt ihn bei sich auf.

Die beiden heiraten. Aber das Bewußtsein der pharisäerhaften, verlogenen Umwelt zehrt an ihrem Lebenswillen: Concordia und ihr Knäblein werden von einem Fieber dahingerafft. Als eine Feuersbrunst das Haus einer armen Witwe niederbrennt, rettet ihr Fritz das letzte, was sie besitzt: ihre Ziege. Dabei verliert er selber das Leben. Sein Erbe aber, der Tagelöhner, der mit ihm seinerzeit die Strafe geteilt hat, verkauft Haus, Feld und Ziege und geht mit dem Erlös nach Amerika.

D e r G i m p e l k ö n i g
An der Grenze vom Erzgebirge zum Voigtland endet fast jeder Dorfname auf » - - - - grün«. Das deutet auf den Ort, wo der Vogelsteller den Vogelherd angelegt hat. Und Vogelsteller ist - namentlich im Dorf Wellersgrün - fast ein jeder. Gottfried Unger aber ist der König unter ihnen. Abends sitzt er gewöhnlich mit seinen Dorfgenossen zusammen. Stets kommt der »Rußbutten-Lobel« hinzu, die wandelnde


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Dorfzeitung. Auch heute weiß er eine Neuigkeit zu berichten, nämlich daß der Sacher-Heinrich aus der Fremde zurückgekehrt ist. Hannel, die Tochter des »Gimpelkönigs«, wird durch diese Nachricht besonders bewegt.

In der Schenke sitzt der Sacher-Heinrich und erzählt den Dorfbewohnern von seiner Reise. Als man ihn einlädt, sich wieder des Vogelstellens zu befleißigen, lehnt er ab. Er berichtet ein Reiseerlebnis, wie man ihn im badischen Raum für einen Revolutionär gehalten und in das Gefängnis gesteckt habe. Und da sei ihm bewußt geworden, was der Verlust der Freiheit bedeute. Dann berichtet er von Plantagen, die von Raupen zerfressen seien, weil die Menschen zuvor die Vögel vertrieben hatten. So gern ihn die Landleute in ihrer Mitte wieder aufgenommen hätten: als er derlei Weisheiten von sich gibt, kommt es zwischen den alten, leidenschaftlichen Vogelstellern und dem jungen Volk zum Handgemenge.

Auf dem Tanzsaal stehen sich Hannel und Heinrich gegenüber. Der Leser erfährt, wie sie zueinander finden. Da ist aber der Kunz-Müller, der das Mädchen selber gern hat; und der zeigt dem Vater sofort an, daß die Tochter es mit dem Heinrich habe, so daß der Gimpelkönig seine Tochter wieder nach Hause holt. Am nächsten Tag erhält er zugleich zwei Brautwerbungen. Zwar hat der Kunz-Müller keinerlei Aussichten, aber auch der Sacher-Heinrich wird auf ungewisse Zeit vertröstet.

Da greift der Rußbutten-Lobel in die Geschicke ein. Heinrich baut sich einen Vogelherd. Er fängt die schönsten Gimpel weit und breit. Der bisherige Gimpelkönig hat kein Glück mehr, weil der Lobel ihm die Lockbeeren mit einer Flüssigkeit getränkt hat. Heinrich hat einem seiner Gimpel das Singen beigebracht. Der Ungermeister bangt um seinen Ruf. Lobel erzählt ihm von »verhexten« Lockbeeren, die Heinrich benutzte. Da fordert der Alte seine Tochter auf, solche Lockbeeren zu besorgen. Das tut sie gar zu gern, und als ihm Heinrich gar einen seiner dressierten Gimpel zum Geschenk anbietet, um seine Freundschaft zu erwerben, da wird ihm das Herz weich. Und so wird Heinrich sein Schwiegersohn. Es kommt soweit, daß dieser sein erzieherisches Werk weiterführt, nur behutsamer und mit mehr Mäßigung, und später weiß der Alte selber nicht mehr, daß es einst in Wellersgrün einen Gimpelkönig gegeben hatte.

E i n e H ä u e r f a m i l i e
Der fleißige, aber schuldlos verarmte Häuer Rümmler weiß nicht, wie er seine Kinder ernähren soll. Die Tochter Christel will in der Grenzstadt Spitzen verkaufen. Dabei wird sie von den Grenzern erwischt. Der Waldmüller kommt und will Christel überreden, bei ihm Haushälterin zu werden, damit er sich dem Mädchen ungestört nähern kann. Christel denkt an ihren »Geigenfranz«, der aus der Lehre beim Waldmüller in die Fremde entlaufen ist. Der Vater Rümmler kehrt mit einem Rehbock heim, den er sich erwildert hat. Der Waldmüller hat es gesehen und kann den Häuer nun erpressen: Zuchthaus oder Freiheit für Rümmler. Daraufhin folgt Christel dem Waldmüller.

Einen Tag später kehrt der Geigenfranz aus der Fremde zurück. Christel trifft mit ihm zusammen. Er hat ein kleines Vermögen mitgebracht, womit er aus der Not helfen könnte. Aber nun kann Christel ihm nicht mehr frei in die Augen sehen ...

Franz will Christel aus der Mühle holen. Sie ist nicht aufzufinden. Da erhält er von ihr einen Brief, in dem sie von der Welt Abschied nimmt. Kurz darauf wird ihre Leiche gefunden. Franz erkennt die Zusammenhänge. Er tötet den Waldmüller und entflieht.


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Natürlich muß Christel, die schlimme Selbstmörderin, außerhalb des Friedhofs begraben werden, während man den Waldmüller in geweihter Erde beisetzt, wie es einem ehrlichen Christenmenschen geziemt. Auf einem Monument sind seine christlichen Tugenden verzeichnet.

E i n S o h n
In Marienberg lebt eine wohlhabende Bevölkerung. Unter den Schülern der lateinischen Schule ragt der Praefectus des Singechors, Friedrich Rost, hervor. Er besitzt eine wunderschöne Stimme, und ein Dresdener Hofrat will sogleich die Protektion übernehmen, um den jungen Mann zum Opernsänger ausbilden zu lassen. So sehr der Gedanke lockt: Friedrich weiß, daß seine verwitwete Mutter dies nicht gutheißen wird.

Der Rektor der Schule hofft auf seinen guten Einfluß. Er spricht mit der Mutter. Doch diese hat in ihrer Einfalt allerlei Bedenken: Vorurteile gegen den Stand des Komödianten. Ihr Ziel ist, daß ihr Sohn Schulmeister werde. Doch es gelingt dem Rektor, sie zu überreden und ihre Einwilligung zu erlangen.

Friedrich bereitet seine Abreise vor und sitzt mit den Mitschülern zum letztenmal beisammen. Und dann geht er in einer melancholischen Anwandlung zum Grab des Vaters, um auch dort Abschied zu nehmen. Da findet er seine Mutter, inbrünstig im Gebet versunken. Er fühlt und versteht, und »es erlischt das faustische Feuer in ihm«. Er ändert seinen Entschluß und bleibt zu Hause. Der Rektor zürnt zwar anfangs, doch bald wendet er dem Jüngling sein Wohlwollen wieder zu. Und so wird aus Friedrich Rost ein Schulmann - unbekannt in der Welt der Künstler. Die Welt hat's kaum gemerkt, aber der Herr der Welt hat's in sein Buch geschrieben neben all den stillen, unbelohnten Verdiensten unbekannter Menschen, die für andere lebten und duldeten.

P a t e r J o s e p h
Das Städtchen Fichtelsroda liegt zu gleichen Teilen im protestantischen Sachsen wie im katholischen Böhmen und wird nur durch einen Grenzbach getrennt. Der Kaplan Pater Joseph hat als Prediger und als Seelsorger großen Erfolg. Sonntags ist seine Kirche stets voll, und zwar von Menschen beider Konfessionen. Und der Bevölkerung geht es gut, die Leute stehen sich gegenseitig Gevatter, als habe es eine Reformation nie gegeben. Aber der orthodoxe Pastor der Lutherischen Kirche muß vor einem leeren Haus predigen. Und so ist ihm der »Freigeist« von da drüben ein Dorn im Auge.

Pater Joseph verkehrt im Haus des Schichtmeisters. Und eines Tages muß er feststellen, daß er die achtzehnjährige Tochter Resi liebt. Um dieser unerlaubten Regung Herr zu werden, nimmt er Urlaub und reist zu seinem Freund.

Aber er verzehrt sich vor Sehnsucht immer mehr. Er entschließt sich daher, entweder in ein Kloster zu gehen oder aber den geistlichen Stand zu verlassen und das Mädchen zu heiraten.

Die katholische Resi ist dem Pater mehr in einer kindlichen Weise zugetan. Sie l i e b t einen ganz anderen: den Sohn des evangelischen Bürgermeisters, Rudolf Müller. Und als dieser - kurz vor der Rückkehr des Kaplans - im Städtchen eintrifft, gibt es eine stürmisch-innige Begrüßung.

Im evangelischen Bürgermeisterhaus ist man für die Wahl des Sohnes aufgeschlossen, ganz im Gegensatz zu den Schichtmeistersleuten.


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Der Kaplan kehrt zurück. Er sieht von neuem die liebliche Gestalt, und sein Entschluß steht fest. Inzwischen wird Rudolf von Resis Eltern zurückgewiesen.

Auf einem Spaziergang treffen sich die beiden Männer, innerlich erregt aus ganz verschiedenen Gründen. Joseph erfährt, daß die Resi den anderen liebt. Dennoch ist er entschlossen, es auf eine Entscheidung ankommen zu lassen. Da erfährt er durch einen Brief von seinem Freund, daß ihm ein Disziplinarverfahren drohe.

Der Kaplan besucht Resi abermals. Die Mutter hofft, er werde dem Mädchen gehörig Bescheid geben. Doch der Kaplan sagt zu ihr das große Wort: wenn sie wirklich liebe, so werde sie die Eltern um des Geliebten willen verlassen. Und dann spricht er seine Werbung aus. Aber Resi erklärt, sie wolle um alles in der Welt ihren Rudolf nicht verlassen. In diesem Augenblick kommen Rudolf und die Eltern des Mädchens hinzu. Es entsteht ein furchtbarer Streit. Und da zeigt Pater Joseph seine menschliche Größe. Er verzichtet für sich selbst: er macht sich zum Anwalt des jungen Paares und segnet es.

Der Kaplan erhält nun eine weitere Mahnung des Freundes. Doch er flieht nicht. Und so wird er eines Tages in einer schwarzen Kutsche von schwarzgekleideten Männern abgeholt. Erst Jahre später erfährt das junge Paar von jenem Freund, daß der Pater Joseph im Himmel sei ...

F o r s t h a u s u n d H u t h a u s
Der junge Oberförster Karl vom Schönthaler Staatsforst ist weithin beliebt und geachtet. Zu seinen Freunden zählt besonders die Bergmannsfamilie Walther mit zehn Kindern; die Mutter ist krank und der Vater schon selber »bergfertig«. Kürzlich hat Karl sich verlobt mit Diana, der Tochter eines Kammerrates, die als strahlende Schönheit und reiche Erbin gleichermaßen begehrt ist. Karl will andere teilhaben lassen an seinem Glück. So meldet er im Huthaus Walther seine Verlobung, lädt seine Freunde zu einem Schmaus ein und geht ins Nachbardorf, wo er Freibier für alle spendiert und am künftigen Sonntag beim Laubtanz seine Braut vorstellen will.

Der alte Kammerrat ist dem jungen Mann sehr gewogen. Die Mutter dagegen besitzt einen unfeinen Hochmut, der sich leider auch auf die Tochter vererbt hat. Zum Laubtanzfest will sie nur widerwillig mitgehen. Karl reitet mit der Braut in der Dunkelheit aus. Da begegnen sie der vierzehnjährigen Bergmannstochter, die gerade eines Unglücksfalles wegen den Arzt holen will und zugleich einen Brief besorgen soll. Karl ist beritten und kann ihr leicht die weiten Wege abnehmen. Seine Braut schmollt ihm darob, worauf er ihr ein »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!« nachruft.

Wenige Tage danach bittet er Diana, der Hutmannsfamilie einen Korb mit Lebensmitteln zu bringen - gleich einer Barmherzigen Schwester. Die Braut läßt sich wegen Unpäßlichkeit entschuldigen und schickt eine alte Magd. Karl besucht sie sogleich. Leicht erkennt er die Ausrede. Es sind Gäste da; und als diese das Haus verlassen haben, fallen die Gastgeber sogleich in übler Nachrede über sie her. Karl verläßt peinlich berührt die Familie.

In der Dunkelheit findet er einen Ohnmächtigen am Weg liegen. Eine Passantin beschäftigt sich mit ihm. Es ist Käthchen, die älteste Tochter des Hutmanns, die aus der Stadt gekommen ist und ihre Stellung aufgegeben hat, um im Haus die Wirtschaft zu übernehmen. Beide bringen den Unbekannten zunächst ins Huthaus. Die Haltung des Mädchens bleibt nicht ohne Eindruck auf Karl. »Was hätte Diana wohl an ihrer Stelle getan?« fragt er sich. Er bemerkt, daß er durch solche Gedanken in


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einen Zwiespalt gerät, und beschließt, das Huthaus nicht wieder zu betreten, solange das Mädchen dort ist.

Der Fremde ist ein ehemaliger Schauspieler. Deshalb war er von seinen Eltern verstoßen worden. Wie es der Zufall will: Er ist der Bruder der Kammerrätin. Er kommt indes nicht etwa, um das ihm zustehende Erbe einzuklagen, sondern um ein Asyl für seinen Lebensabend zu erbitten. Karl stellt die Bekanntschaft her; man verhält sich sehr zurückhaltend, bezeichnet den Onkel als Landstreicher und ist um den Ruf der Familie besorgt. Karl nimmt sich entschieden des Fremden an und fordert von seiner Braut, ihre hartherzige Mutter zu verlassen. Diana jedoch löst die Verlobung; der Onkel wird mit einer Summe abgefunden. Darauf schließt sich Karl der Hutmannsfamilie an; er verbindet sich mit Käthchen. Diana heiratet einen Leutnant, dessen Schulden den Kammerrat in Verzweiflung bringen; die Kammerrätin stirbt, und ihr Witwer muß später das Gnadenbrot seines Schwagers essen.

V o r h u n d e r t J a h r e n
Theophilus Hinkel, ein dreißigjähriger Kandidat des Predigtamtes, begibt sich nach dem Dorf Kühnheide, um dort den kranken Pastor zu vertreten. In Marienberg kehrt er zuvor bei seinem Vetter ein. Dieser heißt Gottfried H. und ist dort Akzis-(Zoll-)Inspektor und Stadtrichter. Sein Justizsinn kennt als einziges Mittel zur Wahrheitserforschung die damals übliche Tortur. Theophilus dagegen ist ganz anderer Ansicht. Im Gefängnis habe er den »Bastel«, den schlimmsten Räuber in der Umgegend, gesehen. Viermal habe der die Tortur bestanden, ohne die ihm vorgeworfenen Verbrechen zu gestehen; und Theophilus hat allen Anlaß zu glauben, daß Bastel keineswegs »gebessert« die Anstalt verlassen werde. Er hält es lieber mit einer verstehenden Nächstenliebe, von der er sich größere Erfolge verspricht. Wiewohl sein Vetter ihn warnt vor der absoluten Unmoral und den täglichen Übergriffen einer verwahrlosten Bevölkerung, läßt Theophilus sich nicht beirren. Da wird eine junge Frau hereingeführt: die Dore aus Kühnheide, die beim Paschen ertappt worden war. Sie lebt in schlimmsten Verhältnissen, weil sie einen blinden Vater und fünf Kinder (ein uneheliches und vier verwaiste ihrer Schwester) zu versorgen hat. Theophilus zahlt anstandslos ihre Strafe, damit sie sogleich frei komme.

Er macht sich auf den Weg und verirrt sich. In einer Mühle wärmt er sich auf und erhält einen Imbiß. Unterdes wird ihm sein Pferd gestohlen. Als er noch ratlos im Zimmer sitzt, wird unter großem Geschrei von zwei Knechten die »Kühnheider Hexe« hereingeführt. Es ist Dore, die das Vieh der Müllersleute behext haben soll. Wieder nimmt sich Theophilus der jungen Frau an.

Dore begleitet ihn auf seinem Weg nach Kühnheide. Bei ihrer Wohnung wird er genötigt einzukehren. Es klopft an die Tür: draußen stehen vier finstere Gestalten, die auf den jungen Geistlichen offenbar sehr eifersüchtig sind. Sie wollen eine Antwort auf ihre Bewerbung haben, weil sie wissen, daß der »Bastel« bald aus dem Gefängnis zurückkehren wird.

Dore hat noch einen Weg vor sich. Sie geht nach dem Schwesterdorf Rübenau. Dort sitzen in einem Blockhaus zwei Männer. Einer ist der Schneider Tröger; er war es, der Theophilus das Pferd gestohlen hatte. Der andere ist der berüchtigte Bastel, soeben aus dem Gefängnis zurückgekehrt; es hat ihn nicht besser gemacht. Im Gegenteil: Jetzt, da er ein »Meister« ist, soll seine »Arbeit« erst recht losgehen. Und nun steht Dore vor der Tür. Sie weiß, daß Tröger das Pferd gestohlen hat, und bittet ihn, es zurückzugeben. Ihre Haltung ist nicht ohne Einfluß auf sein Gemüt. Auch er hält in diesem


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Gespräch um ihre Hand an, weil er glaubt, ihr Einfluß mache ihn zu einem besseren Menschen. Er will sie nach Haus begleiten. Bastel hat dies Gespräch belauscht. Voller Eifersucht verfolgt er nun die beiden.

In einem Brief teilt Theophilus seiner Gönnerin, der Gräfin S., seine Erlebnisse mit. Besonders ergreifend darin sind seine Schilderungen der allgemeinen Armut. Er will seinen Brief durch Dore besorgen lassen; bei dieser Gelegenheit erfährt er ihre Geschichte: Dore war die Tochter des früheren Schulmeisters in Kühnheide. Doch dieser verdiente so wenig zum Leben, daß er sich aufs Wildern verlegen mußte. Die älteste Schwester Dores ließ sich mit einem Wildschützen ein; sie mußte ihn heiraten. Der neue Pfarrer wollte indes die Schande nicht dulden; der Schulmeister mußte seinen Dienst verlassen und ins Zuchthaus. Dadurch starb die Mutter. Der Schwager nahm sich der Kinder an, doch sie starben alle an den Blattern; nur Dore und die älteste Schwester überlebten. Dore wurde älter. Die Männer bedrängten sie. Sie entfloh diesem Leben, indem sie nach Marienberg ging, um im Haushalt zu arbeiten. Dort geriet sie in die Familie des Akzis-Inspektors. Sie lernte einen jungen Studenten der Theologie kennen und lieben. Auch hier geschah das Unvermeidliche. Als sie ihm ihren »Zustand« offenbarte, wollte er lieber sterben als - der Schande wegen - dem Studium entsagen. Darauf versprach ihm Dore, die Schande ganz allein auf sich zu nehmen und den Namen des Vaters niemals preiszugeben. Die Herrschaft wartete nun so lange ab, bis sich ihr Zustand nicht mehr verheimlichen ließ, und stieß sie mit Schimpf aus dem Hause. Und da Dore den Vater nicht verriet, wurde sie dem Gericht als Dirne überliefert und einer Kirchenbuße unterworfen. Später wurde der Schwager auf der Pirsch erschossen, die Schwester starb vor Schreck, der Vater erblindete. Danach kam ein Kamerad des Schwagers ins Haus: der Bastel. Der nahm sich der Hinterbliebenen selbstlos an. Er trug Dore seine Hand an, doch sie schlug sie aus. Es kamen auch die früheren Bewerber wieder, darunter vier Brüder; sie meinten, das Mädchen sei jetzt wohlfeiler geworden. Da geschah es, daß der Vater ihres Kindes - von seinem Gewissen getrieben - kam und auch um ihre Hand anhielt. Die vier Brüder wurden Zeugen des Gesprächs. Nun wußten sie, was keine staatliche Tortur ihr hatte abringen können: wer der Vater ihres Kindes war. Und so drohten sie, ihn zu verraten und damit sein und Dores Lebensglück zu verhindern. Da sie alle mit dem Gesetz in Konflikt lebten, hätte Dore sie ihrerseits verraten können. Doch dazu war sie zu anständig. Und es blieb dabei: sie wies den Einzigen zurück, den sie liebte und mit dem sie hätte glücklich werden können. So war sie einsam geblieben. Theophilus ist erschüttert. Er sieht eine Möglichkeit, ihr Leben zu bessern, wenn er sie bei der Gutsherrin, seiner Gönnerin, unterbringen kann. Nun also befördert Dore ihm den Brief an die Gräfin.

Sechs Wochen später wird Theophilus von Dore zu einer Beichte gerufen. Der ihn ruft, ist der Schneider Tröger. Er berichtet aus seinem Leben: Durch die Verhältnisse war er gezwungen gewesen, sich durch unrecht Gut zu unterhalten. Nun habe er die Predigten des neuen Magisters gehört und daher beschlossen, ein einst gestohlenes Abendmahlsgerät zurückzugeben. Tröger verabschiedet sich. Draußen im Gebüsch sitzen die vier Brüder mit Bastel. Voll Neid und Mißgunst und die Situation falsch einschätzend, beschließen sie, Dore zur Witwe zu machen, bevor sie überhaupt verheiratet ist. Sie ermorden den Schneider. Die Justiz stellt ihre Nachforschungen vergeblich an. Doch Dore ahnt die Zusammenhänge. Durch List entlockt sie dem jüngsten Bruder den Hergang der Tat, und so kann die Gerechtigkeit nun ihren Lauf nehmen.


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Theophilus gelingt es nun, Dore bessere Lebensumstände zu bereiten. Doch erst, als das große Axiom Theophils, daß Verständnis und Liebe das A und O der Sittlichkeit und Wohlfahrt seien, zur allgemeinen Geltung gelangt, als die Kirche Hand in Hand mit der Schule jahrzehntelang energisch in diesem Sinn gewirkt hat, schwindet von jenen Räuberdörfern der Makel, der so lange auf ihnen ruhte.

Man darf nicht erwarten, daß durch einen dürren Handlungsabriß das Wesen des Dichters deutlich wird. Die stilistische Selbständigkeit Elfried von Tauras wurde bereits eingangs erwähnt. Sicher aber wird der Leser in den Handlungsabläufen eine Neigung zur Melancholie bemerkt haben, die Karl May fremd ist. Nur die Hälfte der Geschichten hat einen glücklichen Ausgang. Stets fühlt man beim Lesen eine moralisierende Tendenz; sie ist aber nicht wie ein Etikett aufgeheftet (wie in Mays Marienkalendergeschichten), sondern integriertes Handlungselement. Es drängen dich Vergleiche zu Büchner, Hebbel und Gerhart Hauptmann auf. Die Absicht des Dichters ist Zeitkritik, die aber über den sozialen Bereich hinausreicht. Am negativen Ausgang zeigt der Autor, wie anders die Geschichte hätte enden können, wenn... Darin ist er auch der Schillerschen Tragik nicht unähnlich. Die Personen durchlaufen einen Wandel. Zu Beginn der Erzählung stehen sie anders da als nachher. Auch darin unterscheiden sich die Erzählungen ganz wesentlich von Karl May. Dort sind die Charaktere und ihre Handlungen gleichsam vorprogrammiert: die Guten werden glücklich, die Bösen nehmen ein Ende mit Schrecken; nur selten einmal weicht May von diesem Schema ab. Er scheint uns vielmehr geprägt von Denkvorstellungen, die seiner Kenntnis des Alten Testaments und des Volksmärchens entsprechen. Darauf hat als erster Max Dittrich (KM und seine Schriften, S. 57) hingewiesen. So traurige Geschichten wie der »Bretschneiderfritz« sind bei May außerordentlich selten. Dagegen finden wir häufiger in positiven Geschichten tragische Geschicke enthalten; etwa das Ende Old Firehands in der Urfassung, das Schicksal Klekih-petras (Winnetou I) und der ganzen Winnetou-Familie (Bde. I u. III), das Ende Allan Marshals (Winnetou III), mehr noch die Schicksale des Buchbinders Heilmann und der Familie Beyer (beide im »Verlorenen Sohn«). Dabei ergibt sich die Tragik nicht aus den Charakteren, sondern es handelt sich stets um aufrechte Menschen, die zu Unrecht vom Schicksal getroffen sind. Im »Bretschneiderfritz« dagegen ist die


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Tragik mindestens in einer komplizierteren Charakteranlage der Beteiligten begründet: starke Sensibilität, gepaart mit Lebensuntüchtigkeit. Das wird besonders durch die Gegenüberstellung mit den leichtlebigen Figuren des Forstgehilfen und des Tagelöhners erkennbar. Im »Gimpelkönig« werden einige autobiographische Bezüge deutlich. Man liest die Anspielung auf den Entzug der Freiheit, »und ein Raub an diesem Gute, wider ein Geschöpf Gottes verübt, ist ein Frevel, schwarz wie der Mord«. Sehr viel weiter mag der Dichter gedacht haben, als er von der durch die Raupen zerfressenen Plantage spricht: »So rächt sich jetzt an den Kindern, was ihre Väter gesündigt haben.« Sogar der Revolutionär fehlt nicht, und seine eigene Haltung sieht der Erzähler aus der kritischen Distanz der reiferen Jahre als »rücksichtslos, wie immer jugendliche Verkünder ernster Wahrheiten« es sind.

In der »Häuerfamilie« finden wir die May-ähnliche unverschuldete Situationstragik. Wenn man von gewisser Ähnlichkeit mit Hebbels »Maria Magdalena« (deren Uraufführung 1846 in Leipzig August Peters nicht verborgen geblieben ist) absieht, wenn man fernerhin die literarische Fortentwicklung in Maupassants »Madame Baptiste« registriert, so könnte die Geschichte selber Pate gestanden haben bei Karl Mays »Verlorenem Sohn«. Dort wird im zweiten Band das Schicksal der Auguste Beyer erzählt, die in sozialer Abhängigkeit von Fritz Seidelmann ein Kind empfangen hat - ein Handlungsfaden übrigens, der von Karl May nicht zu Ende geführt worden ist. Darüberhinaus sind das Wildern, das Paschen von Spitzen, die Not der »blutarmen« Handwerker dem May-Leser hinlänglich vertraut. Die Tragik der Situation trifft hier, wie bei May, den Menschen ganz unverschuldet. Aber der Abschluß, die verbitterte ironische Feststellung, wie die Öffentlichkeit das Drama beendet, gleicht im Tenor dem »Bretschneiderfritz« ganz und gar: es ist abermals die Anklage gegen die Lieblosigkeit einer verlogenen, falschen Umwelt.

Auch »Ein Sohn« scheint Selbsterlebtes widerzuspiegeln. Peters' Hang zum Musischen ist aus der Lebensbeschreibung bekannt, ebenso seine Abkehr von der ursprünglich vorgesehenen Laufbahn als Geistlicher. Die Anklage gegen das Vorurteil gegenüber einer (zweifelhaften) künstlerischen Laufbahn dürfte sogar in manchen Kreisen unserer heutigen Gesellschaft noch relevant sein.


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Während die engstirnige Dogmatik in der vorigen Geschichte den sozialen Bereich anspricht, wird sie bei »Pater Joseph« in den geistlichen Bereich übertragen. Sie wird an zwei Kreisen deutlich: direkt an den katholischen Schichtmeistersleuten, und indirekt am eigentlichen Gegenspieler Josephs, der aber als handelnde Person nicht in Erscheinung tritt. Er, der orthodoxe lutherische Geistliche, wird am Anfang der Geschichte nur erwähnt, und der Leser spürt, daß jener den Kaplan um seine Erfolge beneidet. Seine Mitwirkung bei der Denunzierung wird nicht ausgesprochen, sie wird vom Leser hineingelegt werden müssen. Demgegenüber steht die helle Gestalt des Pater Joseph: ein wahrhaft nobler Charakter, dessen Glaubwürdigkeit sich zweimal erweist: in der Resonanz auf seine Predigten und im edlen Verzicht auf sein eigenes Glück. Und so sagt Elfried von Taura, was er sich unter wahrer Frömmigkeit vorstellt: nicht das Lehren dogmatischer Grundsätze, sondern tätige Nächstenliebe. Diese Grundforderung menschlicher Koexistenz verbindet ihn mit Karl May. Nur daß dieser sie einfacher formuliert hat.

In »Forsthaus und Huthaus« tritt an die Stelle des geistlichen Dogmatismus das ständische Vorurteil. Beurteilt man beide Erzählungen zusammen, so wird deutlich, daß August Peters' zeitkritische Beobachtungen über die sozialen Probleme hinausgehen. Beide Ansatzpunkte hat er vereinigt in der Saxonia-Geschichte »Vor hundert Jahren«. Hier gelingen ihm die Milieu-Schilderungen vielleicht am besten. Am Beispiel der Kirchenbuße für das »gefallene Mädchens zeigt er die Fragwürdigkeit einer orthodoxen Dogmatik. Dore kann ihr Verhältnis zu ihrem Herrgott erst ins reine bringen, als ihr ein glaubwürdiger Vertreter des Klerus begegnet, und zwar ein solcher, der für ihr Schicksal nicht hochmütigen Tadel, sondern mitmenschliches Verständnis zeigt. Auch der Unwert gewisser Behandlungsmethoden für Strafgefangene wird am weiteren Schicksal des Bastel gezeigt. Wie wir es schon von der »Fundgrube Vater Abraham« her kennen, sind auch alle anderen Geschichten reich an Sentenzen, die der Autor bald dem Erzähler in die Feder, bald den Personen in den Mund legt. Und noch eins ist allen Geschichten gemein: der Ruf nach Liebe und Verständnis für das Schicksal des Nächsten, ob es nun am guten oder am bösen Ende gezeigt wird. Diese Kunst aber, das Nachdenkliche mit der Handlung zu verbinden, trennt


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ihn mindestens von den frühen Werken Karl Mays, in denen sehr viel stärker das Abenteuerliche dominiert. Bei May reifte diese Fähigkeit allmählich heran (vgl. die Anmerkungen zum Neudruck des »Ölbrandes«), um dem Leser dann gehäuft erst im Spätwerk zu begegnen.

Für die Handlungsmotive selbst ergeben sich wenige Parallelen. Die auffallenden Ähnlichkeiten, die wir in der »Häuerfamilie« registrierten, können durchaus zufälliger Natur sein; ja, es scheint mir sicher, daß May die Buchausgabe nicht benutzte, wenn er sie in der frühen Zeit überhaupt gekannt hat. Da es in dieser Untersuchung auch um Karl May und seine möglichen Textquellen geht, sei an dieser Stelle ein weiteres Buch erwähnt, das mir bei den Vorarbeiten in die Hände fiel. Es handelt sich um »Erzgebirgische Dorfgeschichten« von Dr. August Wildenhahn, 2 Bde., Leipzig 1848 - 50, ein Buchtitel, der mehr als fünfzig Jahre später wörtlich bei Karl May wiederkehrt. Auch diese können als Textquellen kaum angesehen werden. Stil und Sprache erinnern stark an die Ausdrucksweise der Grimmschen Märchen, die Handlungen selbst sind an äußerem Geschehen recht arm und verlegen sich mehr aufs Innerliche: in dem Tenor etwa, wie aus einer hoffärtigen Bauerstochter eine biedere, fromme Ehefrau wird. In der Einfalt der Gedankengänge sind sie Taura unterlegen und dem Typus der »Marienkalender-Geschichten« Mays schon wieder ähnlich. Ich meine aber, daß Karl May solche Quellen nicht nötig hatte; und was das Volkskundliche angeht, so kannte May, der Erzgebirgler, seine Landsleute selber aufs beste. Dennoch sollte aber auch dieser Titel hier Erwähnung gefunden haben.

Nach all den Beobachtungen und Überlegungen darf man sicher die Behauptung aussprechen, daß eine Verwandtschaft zwischen den Erzgebirgischen Geschichten Elfried von Tauras und denen Karl Mays kaum besteht. Bevor die Frage nach einer Bearbeitung der »Fundgrube« durch Karl May untersucht wird, sei ein kurzer Vergleich der Fassung aus Band 72 mit dem Text der Zeitschrift »Schacht und Hütte« (im folgenden als S&H abgekürzt) vorangestellt. Da dem Leser die älteren Ausgaben nicht ohne weiteres zugänglich sind, wird stets nach Band 72 zitiert.

Die Fassung des Bandes 72 ist gegenüber dem Zeitschriftentext geringfügig bearbeitet, d. h. sie wurde behutsam der modernen Sprache


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angepaßt. Auf den ersten zwanzig Seiten der »Fundgrube« fand ich 53 Textvarianten gegenüber der Zeitschrift »Schacht und Hütte«; das bedeutet durchschnittlich etwa drei Abweichungen pro Seite. Die Änderungen betreffen: falsche Interpunktionszeichen wie Semikola und Doppelpunkte, deren inkonsequente Anwendung vereinheitlicht wurde (»Gut, ich danke«, sagte sie: »Und nicht wahr ...« - vgl. mit S. 513);

bisweilen wird das veraltete Relativpronomen »welcher« erneuert (»Da mußten selbst diejenigen hindurch, welche ...« - vgl. mit S. 503);

manchmal wird ein ganzes Wort weggelassen (» ... und wandte ihm ihr sonniges Gesicht mit den blauen, magnetischen Augen zu.« - vgl. mit S. 497);

oder es wird ein Wort durch ein anderes ersetzt (»Du kannst dir meine Seligkeit denken« - vgl. mit S. 514);

manchmal werden auch veraltete Vergangenheitsformen modernisiert (»... und wenn mir noch so weh um's Herze gewesen ...« - vgl. mit S. 496);

gelegentlich fällt ein ganzer Satz weg (»Ob die Schmerzensäußerungen, denen er sich überließ, echt von tiefem Grunde waren? Der weitereVerlauf der Geschichte wird es uns lehren.« - vgl. mit S.531);

oder es werden erläuternde Teilsätze hinzugefügt (die Zeile 15 auf S. 504 fehlt in allen älteren Texten).

Außerdem beginnt die Fassung in S&H auf S. 289 mit folgendem Vorspann:

Die alte Bergstadt Annaberg im sächsischen Erzgebirge hat in früherer Zeit einen weit stärkeren Bergbau betrieben, als gegenwärtig, wo neben diesem und der Spitzenklöppelei hauptsächlich die Crinolinenfabrikation in ihrer Blüthezeit viele, viele Menschenhände beschäftigte. Doch hat auch dieser letztere Erwerbszweig eine Wandlung erfahren, und wieder ist es das Klöppelfach, das im oberen Erzgebirge von Kindern und Frauen, ja auch von vielen Männerhänden gehandhabt wird, worauf die kunstvollsten Spitzenmuster hergestellt werden.

Die Zeit aber, in welcher unsere nachfolgende Geschichte handelt, liegt von der Gegenwart um mindestens 60 Jahre zurück; da aber möglicherweise Angehörige der darin handelnden Personen in den betreffenden Kreisen noch existiren dürften, so werden wir diesen veränderte Namen zulegen.


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Der soeben zitierte Vor-Absatz fehlt in den früheren Drucken und ist somit der einzige Text, der wahrscheinlich wirklich von Karl May stammt. Die Rückdatierung der Geschichte ist anachronistisch; sie steht im Widerspruch zu jüngeren Forschungsergebnissen, die sich in den Fußnoten des Bandes 72 niedergeschlagen haben. Diesem »Vorwort« folgt in der Zeitschrift - natürlich verteilt auf die verschiedenen Fortsetzungen der Hefte 3742 - der Text in der gleichen Reihenfolge, wie ihn auch Band 72 auf den Seiten 496 - 572 bringt.

Dennoch, und das ehrt den Bearbeiter, blieb die stilistische Einheitlichkeit erhalten; sonst wäre es nicht möglich gewesen, durch eben diese Einheitlichkeit den Text vom Werk Karl Mays exakt zu unterscheiden.

Zur Entstehungszeit von S&H hat es von der »Fundgrube« mindestens die Ausgabe in der »Saxonia« und die Rümpler-Buchausgabe gegeben. Beide Texte weichen geringfügig voneinander ab. Da die S&H-Fassung in einem solcher Fälle den Saxonia-Wortlaut bringt (siehe unten in den Textproben), so hat Karl May ganz offensichtlich diesen Text auch als Manuskript für seine Ausgabe benutzt.

Die deutlichste Abweichung zwischen May und Taura dagegen ist das Umstellen eines ganzen Kapitels. Die Einteilung bei Elfried von Taura (Saxonia- und Rümpler-Buchausgabe sind identisch) ist folgende:

1. (Kapitel) Saxonia Ss. 1 - 6
= S&H Kap. 2 = Band 72; Ss. 503 - 513

2. (Kapitel) Saxonia Ss. 6 - 9
= S&H Kap. 3 = Band 72; Ss. 514 - 519 unten

3. (Kapitel) Saxonia a): Ss. 9 - 12
= S&H Kap. 1 = Band 72; Ss. 496 - 502
Saxonia b): Ss. 12 - 14
= S&H Kap. 4 = Band 72; Ss. 519 unten - 523

4. (Kapitel) Saxonia Ss. 14 - 16; 47 - 48
= S&H Kap. 5 = Band 72; Ss. 524 - 531

5. (Kapitel) Saxonia Ss. 48 - 51
= S&H Kap. 6 = Band 72; Ss. 532 - 537

6. (Kapitel) Saxonia Ss. 51 - 55; 87 - 89
= S&H Kap. 7 = Band 72; Ss. 538 - 549, Zeile 5

7. (Kapitel) Saxonia Ss. 89 - 94
= S&H Kap. 8 = Band 72; Ss. 549 - 559, Zeile 27

8. (Kapitel) Saxonia Ss. 94; 126 - 131
= S&H Kap. 9 = Band 72; Ss. 559 - 572


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Karl May hat demnach das ganze Zwiegespräch Hedwig/Großvater aus seinem zeitlichen Zusammenhang herausgenommen und der eigentlichen Handlung vorangestellt. Zwei Gründe mögen ihn bewogen haben. In diesem Gespräch werden die handelnden Personen mit einer kurzen Charakterisierung dem Leser vorgestellt. Karl Mays Figuren charakterisieren sich in ihren Dialogen durch die Eigentümlichkeiten ihrer Sprache meist von selbst; in der vorliegenden Erzählung jedoch ist die Dialogsprache meist ziemlich gleichförmig. Karl May mag dies als Mangel empfunden haben und setzte daher das Gespräch gleichsam als Exposition an den Anfang. So wird dem Leser sogleich mitgeteilt (S. 500), wie er die Personen einzuordnen habe. Ein anderer Grund für die Umstellung dürfte Mays formales Empfinden sein. Möglicherweise hat ihn das Gespräch mit seinen Betrachtungen innerhalb des straffen Handlungsaufbaus gestört, und so setzte er den Text kurzerhand an den Anfang.

Im übrigen aber verfuhr May mit dem Text sehr gewissenhaft. Im ersten Viertel der »Fundgrube« fand ich zwischen »Saxonia« und S&H nur 8 Textvarianten.

Der Name des Gelbgießers (Micklich bei Karl May), lautet bei Taura stets Mickley. Die übrigen Varianten sind kaum zu systematisieren. Ich lasse einige Beispiele folgen, um zu zeigen, daß es sich stets auch um Nachlässigkeiten des Setzers und Korrektors handeln kann:

Band 72; S.496 Z.13:
»von ausnehmender Anmut, einer kleinen Gestalt, aber ...«
S&H: »ausnehmender Anmuth, eine kleine Gestalt, aber ...«
Sax.: »ausnehmender Anmuth. Eine kleine Gestalt, aber ...

Band72; S.497 Z.9; desgleichen auch Rümpler-Buchausgabe:
»... Gesicht mit den blauen Augen zu. Zwar ...«
S&H sowie Saxonia:
»Gesicht mit den blauen, magnetischen Augen zu. Zwar ...«

Band72; S. 500 Z. 34:
»und du bist das einzige Wesen ...«
S&H: »und bist du das einzige Wesen ...«
Sax.: »und doch bist du das einzige Wesen ...«

Band 72; S. 501 Z. 22:
»Erst als sein Sohn, der Student, der jetzige Doktor Meier, aus der Art schlug, und der alte Vater dem Obenaus und Nichtsnutz ...«
S&H: »Erst als sein Student aus der Art schlug, und der alte Vater dem Obennaus und Nirgendkann ...«


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Sax.: »Erst als sein Student aus der Art schlug und der alte Vater dem Oben'naus und Nirgendsan ...«

Band 72; S. 507 Z. 10:
»sein »Glückauf!« zu entbieten«
S&H und Sax.:
»sein Glückauf zu bieten ...«

Band 72; S. 510 Z. 31:
»Mit dem Erdschätzen ...«
S&H: »Mit den Erdschätzen ...«
Sax.: »Mit dem Erzschätzen ...«

Band 72; S. 522 Z. 25:
»Gib es mir zurück - oder ich nehme es mir!«
S&H: »Gieb es mir zurück!« drängte er - »oder ich ...«
Sax.: »Gieb, gieb es mir zurück!« drängte er - »oder ich ...«

Band 72; S. 531 unten:
»... echt von tiefem Grunde waren?«
S&H: »echt von tiefem Grunde waren? Der weitere Verlauf der Geschichte wird es uns lehren.«
Sax.: »echt von tiefem Grunde waren? Der weitere Verlauf dieser Geschichte wird es lehren.«

Band 72; S. 549 Z. 32:
Pistolen
S&H: Pistolen
Sax.: Terzerole

Die hier angeführten Beispiele stellen freilich nur eine Auswahl dar. Sie scheinen aber keineswegs repräsentativ zu sein für ein anderes Stilempfinden Mays; in diesem Fall hätte er wohl mehr geändert. Ein ungenauer Blick des Setzers vermag ebenso schnell ein Komma zum Punkt oder ein »d« in ein »z« zu verwandeln. Abgesehen von der Umstellung des Kapitels und der Änderung des Eigennamens dürfte eine Bearbeitung durch Karl May - die den Wert einer selbständigen Arbeit besäße - ausgeschlossen sein.

Stattdessen aber hat Karl May vom Saxonia-Text in ganz anderer Weise profitiert. Damit hat es folgende Bewandtnis. Die »Saxonia«, von der hier immer die Rede war, hat folgendes Titelblatt:

SAXONIA - Ein Magazin für Unterhaltung und Förderung praktischer Wissenschaften in Handel Industrie und Verkehr. Mit besonderer Rücksicht auf Sachsen. Erster Band. Leipzig. Verlag von Moritz Ruhl.

Der Verleger zeichnet zugleich als Redakteur verantwortlich. Die Druckerei hieß E. Blochmann und Sohn. In einem »Gruß an die Leser«, der mit dem »Neujahrstage 1856« datiert ist, verrät die Redaktion ihre


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Absicht, »zu erzählen von den Sitten und Gebräuchen fremder Völker und Länder, von den wunderbaren Lebensschicksalen einzelner Menschen und zu berichten, wie es draußen in der großen weiten Welt hergeht« und »daß Frohsinn und Heiterkeit einkehren durch unsere Worte«. Aber nicht nur Unterhaltung scheint die Absicht der Redaktion zu sein. Das Vorwort spricht vom »Ernst des Lebens; der Ernst, der seine Befriedigung in der Betrachtung und der Erkenntnis des weiten Reiches der Natur sucht. Darin wollen wir unseren Lesern mit Freuden beistehen, sei es nun, daß wir ihren Blick an dem weiten Himmelsgewölbe zurechtweisen und sie die Größe desselben und die göttliche Allmacht und Weisheit, die sich darin offenbart, erkennen lehren ... Welch reicher Stoff liegt da vor uns!« Darüberhinaus verspricht der Redakteur praktische Winke für den Alltag und verrät zugleich, an wen sich seine Zeitschrift wendet: »Keiner soll leer ausgehen ... für einen jeden wollen wir etwas bringen.«

Erinnert dies nicht unmittelbar an jene Stellen in »Mein Leben und Streben«, in denen Karl May von seinen ersten schriftstellerischen Plänen und der Redakteurzeit bei Münchmeyer spricht?

Dann wollte ich zu einem Genre greifen, welches im allgemeinsten Interesse steht und die größte Eindrucksfähigkeit besitzt, nämlich zur Reiseerzählung ... (S. 139) - Diese Blätter waren darauf berechnet, besonders die seelischen Bedürfnisse der Leser zu befriedigen und Sonnenschein in ihre Häuser und Herzen zu bringen ... (S. 184) - Ich will zwischen Wissenschaft und Leben vermitteln (S. 137) - Für wen sollten meine Bücher geschrieben sein? Ganz selbverständlich für das Volk, für das ganze Volk, nicht nur für einzelne Teile ... (S. 147).

Wenn nicht schon bei der Parallelität der Absichten der Gedanke gegenseitiger Abhängigkeit entsteht, so wird der Blick auf das Inhaltsverzeichnis ein übriges tun. Die »Saxonia« ist nicht etwa ein sozialistisches Tendenzblatt, sondern ein Bildungsbuch, ähnlich wie »Reclam, Praktisches Wissen«. Die einzelnen Lieferungen sind nur kenntlich an den Bogensignaturen und schließen oftmals mit der Spalte »Briefwechsel«; ein besonderer, stets wiederkehrender Zeitschriftenkopf ist nicht vorhanden. Auf den 932 Textseiten in Großoktav (14,5 x 20,4 cm) finden sich 16 Novellen und Erzählungen, darunter vier Beiträge von Louise Otto und drei von Elfried von Taura. Es gibt länder-


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und völkerkundliche Artikel wie »Die Jagd auf Löwen in Afrika« - »In einem Garten Arabiens« - »Aus dem Harem« - »Die Pelzjäger Amerikas« - »Der Golfstrom« - »Der Kanal durch die Landenge von Suez«, und es werden naturkundliche Themen populär-wissenschaftlich abgehandelt: »Mineralöl oder Photogen« - »Sachsens Steinkohlenlagerstätten in geognostischer Beziehung« - »Das Weltall« - »Die Schöpfung der Erde« - »Höfe, Nebensonnen und Nebenmonde«. Sicherlich haben Karl May diese Artikel angeregt, sicherlich hat er sich bei seinen kleinen Aufsätzen für »Schacht und Hütte« und besonders bei den »Geographischen Predigten« die »Saxonia« zum Vorbild genommen.

Beim Vergleich fällt dann freilich auf, wie anders May die Themen anpackt. Wenn auch das Vorwort der »Saxonia« die großen Erscheinungen der Natur in Beziehung setzt zur göttlichen Allmacht und Weisheit, so bieten die Beiträge - namentlich über das Weltall - doch nur eine nüchterne Darstellung des damaligen Standes der Wissenschaft. Karl May geht weit darüber hinaus. Die von ihm mitgeteilten Kenntnisse sind umfangreicher. Und dennoch nimmt er sie lediglich zum Anlaß, um über die Zusammenhänge mit dem Unendlichen zu reflektieren, so daß das Begleitwort in Band 72 (S. 314) mit Recht sagen konnte: »Ihr Sinn liegt - damals wie heute - nicht darin, nur zu belehren; ihr Zweck ist vielmehr: anzuregen - was aus der ganzen Form und Anlage deutlich wird - und so viele Gedanken wie möglich an die nimmer abreißende Kette der Betrachtungen zu fügen ...« Damit übertrifft May die »Saxonia«-Beiträge in einer ganz bestimmten Tendenz und bemüht sich um das, was die »Saxonia« eben nur im Vorwort verspricht: nämlich um die Überzeugung - wie er sich in den Geographischen Predigten« (Band 72 S. 319) ausdrückt - zu trachten nach dem »das droben ist«, nach dem »Reiche Gottes«, das weder Konfession noch Dogma, sondern nur das eine, große, allmächtige Gesetz der Liebe kennt, das alles erfüllt und alles bewegt, »soweit der Himmel reicht«.

Für die freundliche Unterstützung meiner Arbeit danke in den Herren Manfred Hecker, Burgstädt - Klaus Hoffmann, Dresden - Claus Roxin, Göttingen - Alfred Schneider, Hamburg - sowie dem Karl-May-Verlag, Bamberg, und der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Außer den erwähnten Werken diente mir als Quelle: Siegfried Siebert, Ein Romantiker wird Revolutionär (Dresden 1949).


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