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HERMANN WOHLGSCHAFT


»Ich könnte eine ganze Menge meiner Gegner vernichten.«
Zum Brief Karl Mays an Adolf Schriefer





Mays etwas eigenartiger Brief vom 2. Januar 1909 an Adolf Schriefer, wiedergegeben in diesem Jahrbuch, blieb bisher unentdeckt.1 Zur Person des Adressaten fand ich in der May-Literatur nur spärliche Hinweise:2 Dr. Adolf Schriefer (1881-1955) war Rechtsanwalt und wohnte in München. Zum Ehepaar May hatte er seit 1906, durch einen Besuch in Radebeul, Kontakt. Darüber hinaus kann zu Schriefer nur wenig gesagt werden. Immerhin: Drei Schriefer-Briefe an Karl bzw. Karl und Klara May (aus den Jahren 1907 und 1910),3 ein Brief Klara Mays an Dr. Schriefer (1911) sowie fünf Postkarten an Schriefer,4 ebenfalls aus Klara Mays Feder (1906-1911), sind erhalten geblieben.5 Aus diesem Material geht hervor: 1906/07 war Schriefer noch Student der Jurisprudenz in Erlangen bzw. München. Zum Zeitpunkt des May-Briefes war er als Dr. jur. Rechtspraktikant in Landshut. Spätestens 1910 wurde er tätig in München, zunächst noch als Rechtspraktikant, wenig später als Anwalt.

   Was sein Verhältnis zu May betrifft, wissen wir nur: Er gehörte zum Verehrerkreis Karl Mays, schwärmte ziemlich naiv für unseren Autor und entrüstete sich über dessen Gegner, Hermann Cardauns insbesondere. Daß er May nach dem Charlottenburger Gerichtsurteil (12. April 1910) juristisch, zumindest durch Ratschläge, unterstützen wollte, ist anzunehmen;6 daß er May in einem seiner Prozesse, 1910 oder später, verteidigt hat, ist allerdings nicht belegt.7

   Mit Sicherheit gab es außer den oben vorgelegten weitere, heute verschollene, Briefe von Schriefer an Karl May oder das Ehepaar May. Ferner steht fest, daß Schriefer von Klara May, öfters oder gelegentlich, Presseberichte über die Auseinandersetzungen des Schriftstellers mit seinen Gegnern erhielt. Daß May auch selbst - vor und nach der Jahreswende 1908/09 - weitere Briefe an Schriefer verfaßte, ist natürlich nicht auszuschließen. Denkbar wäre aber auch: Klara schickte Zeitungsartikel, und der vielbeschäftigte Autor unterschrieb nur mit herzlichen Grüßen. Wie auch immer, Schriefers Briefe und der Brief bzw. die Postkarten Klara Mays lassen die Annahme zu: Zwischen Schriefer und dem Ehepaar May bestand eine nicht besonders enge, aber doch wohl freundliche Beziehung.


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Keine Überbewertung


Mays Zeilen vom 2. Januar 1909 nehmen Bezug auf einen Brief Adolf Schriefers, der - nach Auskunft von Lothar Schmid - im ehemaligen Archiv des Karl-May-Verlags nicht zu finden ist und wahrscheinlich verlorenging.8 Der Deutung des May-Briefes sind damit Grenzen gesetzt. Es ist nicht unproblematisch, einen Text zu interpretieren, der mit einem anderen, nicht mehr greifbaren Text korreliert. Zumindest die Briefstellen, die eine genauere Kenntnis der Lebensgeschichte Schriefers voraussetzen oder sich unmittelbar auf den vorausgehenden Brief beziehen, können nicht vollständig geklärt werden.

   Zum Inhalt des May-Briefes: Sensationelles erfahren wir nicht. Interessant ist dieser Brief aber schon, nicht zuletzt wegen der ›Selbstoffenbarungen‹ des Verfassers. Fast die gesamte Thematik und Problematik der letzten Lebensdekade Karl Mays wird auf engstem Raum angedeutet. Der Zwiespalt, die Ambivalenz, die Brüchigkeit dieser Jahre werden zum einen verschleiert und mystifiziert; zum anderen wird die Misere grell und dramatisch erhellt und teilweise aufgedeckt.

   Gewiß, im wesentlichen enthalten Mays Zeilen für die Forschung nichts umwerfend Neues. Gleichwohl: drastische Formulierungen fallen auf. Und einige Sach-Fragen stellen sich auch, vor allem zum dritten und vierten Absatz des Briefes: Stimmt das mit den 50,000 Mark? Wann und warum hatte Klara May den Verlust ihres ganzen Vermögen(s) an einem einzigen Tage zu beklagen? Fühlte sich May seinen Verwandten gegenüber tatsächlich so sehr verpflichtet, wie der Brief es nahelegt? Wie bescheiden waren Mays Einkünfte in den Jahren 1907 bis 1909? Inwiefern war sein wichtigster Geldgeber auf besondere Nachsicht angewiesen? Und welches Material gegen seine Widersacher hatte May in den Händen?

   Mein spontanes Gefühl bei der Erstlektüre des Briefes: Unbehagen. Fürs erste Empfinden wirkt der Text - zur schwächeren Seite von Mays Charakter ja durchaus passend - sehr stark übertrieben, sehr großsprecherisch, zugleich aber jammervoll, haschend nach Mitleid und mitunter fast peinlich. Andere May-Kenner, denen ich den Brief vorlegte, äußerten sich in ähnlicher Weise, warnten aber in Anbetracht von Mays verzweifelter Seelenlage davor, die bedenklichen Untertöne einseitig herauszustellen.9

   Wie ist der Brief zu bewerten? Wie realitätsnah sind seine Aussagen? Was stimmt? Was stimmt nicht? Was stimmt nur zur Hälfte? Und vor allem: Was enthüllt der Text über Mays Persönlichkeit bzw. seine Gemütsverfassung zur Jahreswende 1908/09? Schauen wir uns, Punkt für Punkt, den Brief genauer an.


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Die giftige Hydra


Daß May nicht alles hatte, »was der Mensch begehrt«, trifft natürlich zu. Die ›Herzensruhe‹ mußte er, zeitweise zumindest, entbehren. Auf dem lebenslangen Entwicklungs- und Reifungsweg blieben ihm schwerste Erschütterungen, innere Krisen und äußere Kämpfe nicht erspart: Schon volle 10 Jahre währt der Kampf gegen mich ... Angesichts der immer heftiger und immer persönlicher werdenden Pressefehde seit 1899 ist dies gewiß keine Übertreibung. Die giftige Hydra bekommt immer neue Köpfe. Diese - in der Sekundärliteratur, bei Heinz Stolte z. B., wiederzufindende10 - Situationsbeschreibung ist durchaus treffend. Denn eine »uferlose und in zahllosen Nebenrinnsalen und Sumpfgewässern sich verästelnde Prozeßflut«11 drohte den Schriftsteller seit 1901 zu ersticken.

   Seine Hauptprozesse führte er gegen Pauline Münchmeyer, die Witwe des Dresdener Kolportage-Verlegers Heinrich Münchmeyer, und gegen Adalbert Fischer, den (1907 verstorbenen) neuen Besitzer des Münchmeyer-Verlags. Bei Münchmeyer waren 1882-88 Mays umfangreiche Trivialromane ›Waldröschen‹, ›Der verlorne Sohn‹ und andere pseudonym erschienen. Gegen den Willen des Autors brachte Fischer diese Romane unter Mays richtigem Namen seit 1901 neu auf den Markt. May prozessierte und - kam aus der Misere nicht wieder heraus.

   Der ursprüngliche Streitpunkt waren die Rechte des Autors an den Münchmeyer-Romanen. In dieser Hauptsache war May sehr wahrscheinlich im Recht.12 Ob er auch in den Neben-Streitpunkten (auf die ich hier nicht eingehen kann) sämtliche Aspekte richtig gesehen hat, ist eine ganz andere Frage. Hier muß differenziert gewertet werden. Daß er in allen Stücken gesiegt habe, erwies sich im nachhinein jedenfalls als großer Irrtum.13 Anfang 1909 aber konnte Karl May dies, dem damaligen, für ihn ja günstigen Stand der Dinge nach,14 durchaus glauben. Zu meinen, daß alles gut ausgehen werde, lag auch in seiner Natur. Er war, wie seine Dichtung belegt, viel eher ein Optimist als ein Pessimist.

Grund zur Leichtfertigkeit hatte May allerdings nicht: Im Verlauf seiner - gewonnenen - Abwehrprozesse war Mays Vorleben »nach jeglicher Richtung hin aufgedeckt worden, Berufene und Unberufene wühl(t)en in seinen persönlichen Verhältnissen«,15 und es bestand die Gefahr, daß alle Welt in verzerrter Form von diesen Dingen erfahren könnte. Ein Anderer hätte sich da schon längst eine Kugel durch den Kopf geschossen.



Die Münchmeyerei mit Cardauns an der Spitze


In vielen Selbstzeugnissen dieser Jahre, auch hier im Brief an Schriefer, nimmt May - nicht ganz ohne Berechtigung - ein »Gespinst von Fäden und Verbindungen« an, die »einzelne Gegner funktionell miteinander verknüp-


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fen und ein wahres Verschwörungsnetz ergeben«:16 Den Schundverlag und seine Helfershelfer,17 d. h. alle seine Gegner, die mit der ›Kolporteuse‹ Pauline Münchmeyer im Kampf gegen ihn verbündet waren, bezeichnete er als Münchmeyerei. Zu diesem Kreis gehörten Juristen wie Rechtsanwalt Gerlach, Staatsanwalt Seyfert und Untersuchungsrichter Larrass, aber auch (damals sehr bekannte und z. T. wirklich niederträchtige) Publizisten wie Paul Schumann, Ferdinand Avenarius und Rudolf Lebius.

   Aus der Sicht Karl Mays förderte auch der katholische Moralist und Antischundkämpfer Dr. Hermann Cardauns - als (1907 von dieser Position freilich zurückgetretener) Hauptredakteur der ›Kölnischen Volkszeitung‹ eine, zumindest in kirchlichen Kreisen, angesehene Persönlichkeit18 - den ›Schundverlag‹. Inwiefern? Wie oft schon erörtert wurde, griff Cardauns unseren Autor seit 1901 aufs heftigste an: wegen ›abgrundtief unsittlicher Stellen‹ in den Kolportageromanen. Seine Polemik zeugte von einer (schon für damalige und erst recht für heutige Begriffe) bemerkenswerten Prüderie. May setzte sich dadurch zur Wehr, daß er - möglicherweise zu Unrecht - die Verfasserschaft an den ›unsittlichen‹ Partien bestritt und behauptete, Heinrich Münchmeyer oder dessen Mitarbeiter hätten diese Passagen interpoliert.19 Cardauns nahm May diese Darstellung nie ab, und der Streit um die Authentizität von ›Waldröschen‹ usw. spielte in den Münchmeyer-Kontroversen eine nicht unwichtige Nebenrolle. An der Spitze der Münchmeyerei oder, anders gesagt, ›Im Zentrum der May-Hetze‹20 stand Cardauns insofern, als er May durch seine maßlosen Angriffe ins moralische Abseits zu drängen versuchte und dadurch - so sah es unser Autor in seiner Gegen-Polemik - die Sache des ›Schundverlags‹, d. h. der Mayschen Prozeßgegner, indirekt unterstützte.



›Theologische Lügen‹


Wie aus seinem Brief vom 9. 1. 1909 an den Regensburger Verleger Karl Pustet hervorgeht, fühlte sich May von Cardauns noch in anderer Hinsicht bedroht: Cardauns wolle ihn, den Verfasser frommer Geschichten, als irreligiös entlarven, als Antichrist, der gegen die katholische Glaubenslehre (schreibt).21

   Nun ich in allen Stücken gesiegt habe, kommt man mir jetzt mit theologischen Lügen. Es hat sich eine Clique gebildet, welche behauptet, ich verführe die Katholiken; ich verbreite Irrlehren. Dieser Passus könnte den Eindruck erwecken, als bestünden zwischen der Münchmeyerei mit Cardauns an der Spitze und der theologischen Kritik mancher Zeitgenossen an Mays literarischem Spätwerk geheimnisvolle, verschwörerische Zusammenhänge. Mays ausführliches Schreiben an Pustet bestätigt: In der Tat glaubte der Schriftsteller an konspirative Querverbindungen!22

   Es hat sich eine Clique gebildet, welche behauptet, ich verführe die Katho


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liken ... An Cardauns dürfte May hier gedacht haben, vor allem aber an die Presse-Attacken des Dresdener Hofkaplans Dr. Paul Rentschka (Ende 1908 im katholischen Zentrums-Blatt ›Germania‹).23 Dieser wandte sich gegen, wie er meinte, ›modernistische‹, die Religionsunterschiede verwischende bzw. die christliche Identität verfälschende Tendenzen in Mays, politisch und religionspsychologisch gesehen, sehr bemerkenswertem Roman ›Und Friede auf Erden!‹ (1901/04).24 Von theologischen Lügen würde ich im Blick auf Rentschka freilich nicht sprechen. Seine Kritik war weder verlogen noch böswillig. Sie war nur verfehlt, weil sie Mays Anliegen überhaupt nicht gerecht wurde.

   Rentschkas Polemik entsprang einer konservativen, eher ängstlichen, viel zu einseitig auf Verteidigung des traditionellen Glaubensverständnisses bedachten Gesinnung. Dasselbe gilt für die 1908/09 in privaten Äußerungen des katholischen ›Hausschatz‹-Redakteurs Dr. Otto Denk vorgebrachten theologischen Einwände gegen Mays symbolistischen, Anfang 1909 noch nicht abgeschlossenen Roman ›Der Mir von Dschinnistan‹.25 Mit dieser Erzählung war Denk überfordert. Die märchenhafte, visionäre, literarisch beachtenswerte, tiefenpsychologisch brisante, theologisch provozierende26 und im Grunde mystische Traumwelt des Mayschen Spätwerks konnte (oder wollte) er nicht verstehen. Wie May wohl richtig beobachtete, war ›Ardistan und Dschinnistan‹ für Otto Denk in der theologischen Substanz eine ›darwinistische‹ Häresie.27 Denks Vorwurf war unsinnig, denn mit Darwins Agnostizismus hat Mays Roman nun wirklich nichts zu tun. Wahrscheinlich war die Evolutionstheorie als solche für Denk schon eine Irrlehre. Von der christlichen Evolutionsidee, wie sie wenige Jahre später der Naturwissenschaftler und Theologe Pierre Teilhard de Chardin entwickelte,28 hatte Otto Denk, im Gegensatz zu Karl May, wohl kaum eine Vorahnung.

   Sich eine Kugel durch den Kopf zu schießen, dafür boten aber weder Rentschkas öffentliche Kritik noch Otto Denks private Bedenken einen vernünftigen Anlaß. Daß May Anfang 1909 von Suizid-Phantasien tatsächlich gequält wurde, muß aus dem Schriefer-Brief freilich nicht gefolgert werden. Mays Formulierung zeigt aber deutlich: Er fürchtete - auch (aber nicht nur) aus pekuniären Gründen - einen möglichen Sympathie-Verlust von seiten katholischer Leser. Darüber hinaus war es, wie ich an anderer Stelle erläutert habe,29 Mays großes, ja beinahe ›prophetisches‹ Anliegen, das christliche Daseinsverständnis in seinen literarischen Werken nicht zu verdunkeln, sondern im Gegenteil zu fördern und zu vertiefen. Von Rentschka und Denk als ›Modernist‹ (das hieß, auf dem Hintergrund des katholischen ›Literaturstreits‹,30 als ›Irrlehrer‹, als Feind des wahren Glaubens) verdächtigt zu werden, dies traf Karl May tatsächlich aufs schwerste. Zwischen May und Denk/Rentschka gab es Sach-Differenzen. May aber reagierte im Brief an Schriefer (der von theologischen Dingen wahrscheinlich nichts verstand) auf der Gefühls-Ebene: verletzt und beleidigt. Sein


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Aufschrei - theologische Lügen - war menschlich verständlich, am Kern der Sache aber ging er vorbei (oder traf ihn zumindest nicht ganz).

Außerdem: Mit der Münchmeyerei hatten Rentschka und Denk nach allem, was wir wissen, überhaupt nichts im Sinn. Mays Komplott-Theorie war, wie gesagt, nicht grundsätzlich falsch. Im Blick auf theologische Vorbehalte gegen Mays Poesie aber kann zwar von Unverständnis und Dogmatismus die Rede sein, vielleicht auch von Agitation,31 nicht aber von Lügen und Münchmeyerei.



Der ›Meineid‹


Anders verhält es sich mit der Meineidsgeschichte. In dieser Hinsicht war Mays Empörung ohne Abstriche angemessen. Gegen seine Darstellung ist meines Erachtens nichts einzuwenden. Die bekannten Fakten:32 Am 9. 1. 1907 hatte May den großen Prozeß (den Münchmeyer-Prozeß) in dritter und letzter Instanz gewonnen. Am 11. Februar mußte er vor dem Landgericht Dresden beschwören, daß seine Aussagen (zu den mündlich vereinbarten Bedingungen, die zur Niederschrift der umstrittenen Trivialromane geführt hatten) der Wahrheit entsprachen. Am 15. April erstattete der Münchmeyer-Anwalt Dr. Oskar Gerlach - ohne Beweismaterial - eine Anzeige gegen May ›und Genossen‹: »wegen Meineides bezw. Verleitung zum Meineide«.33 Am 12. Juli wurde die gerichtliche Voruntersuchung eröffnet. Am 9. November kam es zur ergebnislosen Haussuchung in der Villa ›Shatterhand‹. May war schockiert und dem Zusammenbruch nahe. Erst im August 1908 konnte er, aufgrund des Ermittlungsstandes, mit einer Einstellung des Verfahrens rechnen. Und erst am 26. Januar 1909, wenige Tage nach der Abfassung des Briefes an Schriefer, wurde May »außer Verfolgung gesetzt«: allerdings, der heute geltenden Rechtsauffassung zuwider, nur »mangels Beweises«.34

   Mit einer Anklage oder gar mit einer Verurteilung - und damit dem Zuchthaus - wird May, der sich unschuldig fühlte (und dies höchstwahrscheinlich auch war), zu keinem Zeitpunkt gerechnet haben. Doch allein schon die Verdächtigung mußte für ihn, das ist ihm natürlich zu glauben, fürchterlich gewesen sein. Die Zeilen an Schriefer verwundern in diesem Punkt nicht.



Klaras Vermögen


Erstaunlich aber ist der Hinweis auf die Ehefrau Klara, die an einem einzigen Tage ihr ganzes Vermögen verloren (hat) und hierzu noch 50,000 Mark schaffen (soll), für die man sie verantwortlich macht! Das ist eine bisher unbekannte Erklärung. Lothar Schmid gibt die Auskunft: »Über Klara Mays


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Vermögensverlust, der vielleicht das eine oder andere geerbte Plöhn-Grundstück betraf, wissen wir nichts.«35

   Merkwürdigerweise erwähnt Klara May in ihrem Tagebuch, bei den Einträgen von Ende 1908 und Anfang 1909, von solchen Verlusten kein Wort. Auch an anderen Stellen fand ich nichts dergleichen. 50 000 Mark, zur damaligen Zeit auch für wohlhabende Leute eine horrende Summe, wären eine Notiz in dem von Klara sehr fleißig geführten Tagebuch doch sicherlich wert gewesen. Sollte May in diesem Falle maßlos übertrieben oder schlichtweg geflunkert haben?

   Ende 1908 hatte der Schriftsteller mit seinem Rechtsanwalt Rudolf Bernstein - dessen (umfangreicher?) Briefwechsel mit May bisher nur in winzigen Auszügen publiziert werden konnte - aus geschäftlichen Gründen gebrochen. Klara zitiert im Tagebuch (Ende 1908) den May nahestehenden Rechtsanwalt Franz Rudolf Netcke: »Bernstein sei noch verwirrter als wir denken.« Und am 1. 5. 1911, in ihrem Brief an Dr. Schriefer, meinte Klara im Rückblick auf Bernstein: »Der böseste Conflikt war noch die Sache mit unserem eigenen Anwalt.« Hier dürfte ein Zusammenhang mit zu hohen Geld-Forderungen (im Jahre 1908) bestehen. Aber Klara? Was hatte sie damit zu tun? Bernstein vertrat Karl May und könnte allenfalls diesen finanziell geschädigt haben. Warum und von wem also sollte Mays Ehefrau für 50 000 Mark verantwortlich gemacht worden sein?

   Freilich: Wenn May die erheblichen Einbußen der Ehefrau Klara nur einfach ›erfunden‹, wenn er die 50,000 Mark usw. stracks ›aus der Luft gegriffen‹ hätte (was dem Gesamtverhalten Mays in den Jahren nach 1900 widersprechen würde) - welche Veranlassung könnte zu diesem ›Ausrutscher‹ geführt haben? Ulrich Schmids Kommentar: Es dürfte sich »um eine stark übertreibende Aussage Mays handeln, die sicher irgendeine reale Grundlage hat, sich bei genauerem Zusehen aber ganz anders darstellt als May sie schildert.«36

   Eine mögliche Spur könnte Fritz Maschkes Bemerkung sein: »Emma hatte Richard Plöhn 36 000 M geliehen und nach dessen Tod auch Klaras Mutter 5500 M zur Aufbewahrung übergeben. Sie verlangte das Geld nicht zurück, zumal es ja die verwitwete Klara auch nicht hätte zurückzahlen können. Klara stellte ihr aber ein Testament aus, das ihr die durch Hausbesitz gedeckte Schuld von 40 000 M sichern sollte.«37

   Wenn Klara tatsächlich, wie May schrieb, ihr Vermögen verloren hat, dann wäre ja auch die Absicherung der Schuld gegenüber Emma weggefallen. Aber vorerst bleibt es dabei: Über Klaras Vermögensverlust wissen wir nichts.



Die Verwandtschaft


Teilweise rätselhaft wirken auch die moralischen Verpflichtungen, die May im Blick auf seine Verwandtschaft herausstellte. Ich habe drei alte Schwe-


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stern mit zusammen 12 Kindern und über 50 Enkeln ... alle blutarm ... Traf das so zu? ›Drei‹ alte Schwestern hatte May 1909 nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch Christiane Wilhelmine Schöne (1844-1932) und Karoline Wilhelmine Selbmann (1849-1945), beide in Ernstthal. Christiane Wilhelmine und ihr Ehemann Julius Ferdinand Schöne hatten drei Töchter (Ella, Fanni, Magdalene) und zwei Söhne (Theodor und Willy), die alle ein hohes Alter erreichten.38 Karoline heiratete einen Witwer (Carl Heinrich Selbmann) mit vier Kindern; später bekam sie von ihrem Mann noch fünf eigene Kinder, von denen eines frühzeitig starb.39 Eine ältere, allerdings schon längst verstorbene, Schwester Mays, Auguste Wilhelmine Hoppe (1837-1880), hatte fünf Söhne und drei Töchter hinterlassen.40 Wenn May von zusammen 12 Kindern seiner drei Schwestern schrieb, so würde dies stimmen, wenn die Selbmann-Kinder aus erster Ehe nicht mitgezählt wurden und von den acht Hoppe-Kindern im Jahre 1909 nur noch drei lebten. (Andernfalls hätte May nicht über-, sondern untertrieben.) Da die Nichten und Neffen Karl Mays wieder Nachkommen hatten, konnte von über 50 Enkeln wohl zutreffend die Rede sein. Daß alle im Vergleich zu ihrem Bruder, Onkel oder Großonkel blutarm waren, dürfte, wenn man diese Ausdrucksweise nicht preßt, wohl ebenfalls stimmen. Denn Mays Verwandte stammten, wie dieser selbst, aus bescheidensten Verhältnissen.

   Was hatte May in früheren Jahren für seine Verwandten getan? Bekannt sind u. a. die folgenden Fakten:41 1883 finanzierte er die Hebammen-Ausbildung seiner Schwester Karoline. Deren Töchterchen Clara (›Lottel‹) nahm er von November 1891 bis August 1892 bei sich auf; ein längerer Verbleib scheiterte am Verhalten Emmas, der ersten Ehefrau. Seine Nichte Ella Schöne (1878-1982) dürfte May besonders gemocht haben. Er lud sie gerne nach Radebeul ein und wollte sie, laut Auskunft der Nachkommen, adoptieren (was vor allem der Vater nicht zuließ).42 Insgesamt ist anzunehmen, daß May, der ja auch seine Eltern unterstützt hatte und auch sonst als wohltätig galt, seine Verwandten nicht im Stich lassen wollte. »Es dürfte nach dem Fortgang der kleinen Lottel gewesen sein, daß Karl May vor allem der kinderreichen Familie seiner Schwester Karoline durch Geldzuwendungen behilflich sein wollte. Aber gerade an Karoline Selbmann hatte Emma schon seit 1883 keine gute Erinnerung. (...) So gab es jedesmal Schwierigkeiten, wenn Karl Geld nach Ernstthal überweisen, Emma aber nicht zustimmen wollte.«43 Dementsprechend schrieb May am 21. 3. 1894 an seinen Verleger Fehsenfeld: Ich habe Ihnen mitgetheilt, daß ich arme Verwandte unterstütze, was meine Frau nicht will. Ich bin also gezwungen, zuweilen eine Einnahme oder Ausgabe vor ihr geheim zu halten. Ein Mann hat ja überhaupt oft Ausgaben, für welche die Frau kein Verständnis hat ...44

Mays Verhältnis zu seinen Schwestern war allerdings, aus von ihm nur vage angedeuteten Gründen, ziemlich gespannt. 1897 klagte er in einem Brief an seinen Schwager Heinrich Selbmann: Hätten meine Verwandten sich seit dem Tode meiner Mutter so gegen mich und meine Frau verhalten,


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wie es sich zwischen braven, treuen und aufrichtigen Geschwistern geziemt, so stünde es heute ganz anders. Im Blick auf seine guten finanziellen Verhältnisse meinte er im selben Brief: Ich erzähle das nicht, um groß zu tun, sondern um zu zeigen, was ich Euch alles von meinem Überflusse hätte schicken können, wenn wir einig wären ... Ich bin neugierig, ob die Schwestern usw. einmal im Leben klug und verständig sein werden.45

   Am 24. 12. 1905 schrieb May an Adele Einsle, daß er sowohl körperlich als auch geistig und seelisch schon längst nicht mehr zu denen gehöre, die noch heut so fälschlich behaupten, ich sei mit ihnen verwandt. Den Eltern war ich es, die aber sind todt. Den Kindern wäre ich es; ich habe aber keine; für die Uebrigen bin ich ein nachsichtiger, gütiger Bekannter, weiter nichts! - - -46



Zahllose Bettelbriefe


Daß sich diese, sehr kühle, Einstellung in den folgenden Jahren gemildert hat und May sich seiner Verwandtschaft 1908/09 und später wieder stärker verbunden fühlte, ist keineswegs unwahrscheinlich. Der Brief an Schriefer ist nicht das einzige Dokument, das diese Vermutung nahelegt.47

   Hat der ›reiche Onkel‹ aus Radebeul-Dresden seine Verwandten in Hohenstein-Ernstthal finanziell unterstützt? Jedenfalls werden Unterstützungen an die beiden Schwestern geflossen sein, die ja auch im Testament bedacht werden.48 Im Brief an Schriefer nennt May keine Unterstützungs-Summe. Was er schreibt, kann also nicht falsch sein; aber wirkt es, wenn der Leser an 60 Verwandte denkt, nicht ungebührlich aufgeblasen?

   Es sollte nicht übersehen werden: Nach Auskunft von Lothar Schmid49 bekam der Schriftsteller, auch in der letzten Lebensdekade, sehr viele Bettelbriefe von zahlreichen Verwandten und sonstigen armen Leuten. In vielen Fällen hat May im Rahmen seiner Möglichkeiten geholfen. So betrachtet könnte der Brief an Dr. Schriefer zutreffend spiegeln, daß Karl May sich von den oft überzogenen und nicht erfüllbaren Wünschen seiner Verwandten bedrängt fühlte.

   Natürlich wäre es interessant zu wissen, mit welchen konkreten Summen (oder sonstigen Geschenken) May welche Personen - regelmäßig oder in Einzelfällen - unterstützt hat. Dies annähernd zu klären, wäre wohl möglich, würde aber, so Lothar Schmid, eine sehr aufwendige Nachforschung im ehemaligen Archiv des Karl-May-Verlags erfordern.



Mays Einkommen


Mit Recht betonte May, daß seine Einnahmen nicht so riesig waren, wie die Gegner es behaupteten. Um Mißgunst zu schüren und Stimmung zu machen gegen den Schriftsteller, hatte Lebius in einem seiner ›Enthüllungs‹-


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Artikel (1904)50 verbreitet, May beziehe ein Jahreseinkommen von 160 000 Mark. Selbst wenn man die in finanzieller Hinsicht für May erfolgreichsten Jahre 1896-99 heranzieht, wird keine annähernd so hohe Summe herauskommen.

   Frühestens seit 1892 konnte May, aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Freiburger Verleger Ernst Fehsenfeld, als wohlhabend gelten. Seine zunehmend wichtigste Geldquelle wurden die ›Gesammelten Reiseromane‹, die seit 1892 bei Fehsenfeld erschienen. 1893 zahlte Fehsenfeld an May insgesamt 9000 Mark.51 Die Brutto-Beträge, die May natürlich versteuern mußte (die Steuern waren damals freilich niedriger als heute), steigerten sich und kulminierten 1896 mit 63 500 Mark. Dann sanken die Fehsenfeld-Einkünfte, erreichten 1901 einen Tiefpunkt mit 14 000 Mark, stiegen an auf 32 000 Mark (1904) und fielen wieder zurück auf 26 000 Mark (1905) und 20 000 Mark (1906). Für 1907ff. gibt es zwar keine entsprechenden Zahlungsnachweise; angesichts der beträchtlichen Auflagenhöhen jedoch und angesichts des Nachtrags zum Verlags-Vertrag (wonach »Herr Dr. May das Honorar für jede Auflage von fünftausend Exemplaren im Voraus zu erhalten hat«52) müßten die Fehsenfeld-Bezüge deutlich gestiegen sein auf ca. 43 000 Mark (1907) und 45 000 Mark (1908).53 Hinzu kamen vergleichsweise geringe Honorare für Mays bei der ›Union Deutsche Verlagsgesellschaft‹ publizierte ›Jugendromane‹ und das bei Pustet erschienene Spätwerk ›Der Mir von Dschinnistan‹: aus Stuttgart bezog May 1907 knapp 2000 Mark und 1908 ca. 3000 Mark,54 aus Regensburg von Herbst 1907 bis Sommer 1909 insgesamt 4100 Mark.55 Mays durchschnittliches Monatseinkommen in den Jahren 1907 und 1908 müßte also auf ca. 4000 Mark anzusetzen sein.

Das Jahr 1909 brachte eine nochmalige, fast sprunghafte, Steigerung der Auflagenhöhen bei Fehsenfeld.56 1910 aber folgte der Rückgang und 1911 dann der Einbruch: Mays Jahreseinkünfte müßten gesunken sein auf ca. 35 000 Mark (1910) und knapp 13 000 Mark (1911).57



Spekulationen


Zurück zu den Jahren ab 1907: Im Juli 1907, angesichts des drohenden Meineidsverfahrens, hatte May verständlicherweise Angst gehabt, in die Armut seiner Jugendjahre zurückzusinken.58 Um die Jahreswende 1908/09 war diese Angst zwar nicht mehr begründet; aber wenn wir bedenken, daß May infolge der Prozeßlawine sehr bedeutende Ausgaben hatte,59 kann er seine wirtschaftliche Lage durchaus als bescheiden empfunden haben. Auch die Amerika- und London-Reisen (4. 9. bis Anfang Dezember 1908) hatten ja Geld gekostet.60 Zudem stellt sich die Frage: Waren aufgrund von Umständen, die in meiner Berechnung vernachlässigt wurden, Mays Einnahmen aus Freiburg, Stuttgart und Regensburg im Jahre 1908 deutlich geringer als insgesamt ca. 50 000 Mark?


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   Welcher Geldgeber war infolge falscher, unüberlegter Spekulationen auf Mays Nachsicht angewiesen? Natürlich bezieht sich diese Bemerkung auf Fehsenfeld. Freilich - eine »ganz falsche Sicht der Dinge« durch May vermutet hier Walther Ilmer: »Die blaue illustrierte Ausgabe der Reiseerzählungen erzielte keinen guten Absatz; May, der höhere Honorare erwartet hatte und sowieso unter dem Sinken der Verkaufszahlen der regulären grünen Bände litt, gab in Gedanken kurzerhand Fehsenfeld die Schuld. (...) Er hätte aber natürlich zunächst einmal bedenken müssen, daß die von ihm selber veranlaßte Ausstattung der grünen Bände mit Deckelbildern von Sascha Schneider (ab 1904) den Verkauf keineswegs gefördert hatte.«61 Ob die Schneider-Bilder (die Fehsenfeld ohnehin nur für Teilauflagen verwendete) den Verkaufserfolg der grünen Bände wesentlich beeinflußten, scheint mir fraglich und zweifelhaft. Es steht aber fest: Wegen des immer schlechter werdenden Geschäftsganges verzichtete May im Oktober 1910 auf einen beachtlichen Teil seines Honorars.62 Auf Mays Nachsicht angewiesen war der Verleger indessen schon früher. Denn 1907 bis 1909 gab es übermäßige Druckauflagen der Reiseerzählungen. Vielleicht hatte Fehsenfeld nach 1907 nicht mehr pünktlich gezahlt: »(...) der Verlag geriet zweifellos in schwere Bedrängnis, als er zum einen umfangreiche Nachdrucke für alle Ausgaben finanzieren und die Honorare im voraus entrichten mußte, zum anderen aber erhebliche Umsatzrückgänge zu verzeichnen hatte, die gewiß als Folge der schlimmen öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Karl May und seinen Gegnern angesehen werden müssen.«63



Feindesliebe


Die verstärkten Angriffe seiner Gegner, in erster Linie des Pressebanditen Lebius, hatten Mays schon seit 1899 beschädigtes Ansehen in der Öffentlichkeit noch weiter lädiert.64 Zorn und Wut, Haß und Gedanken an Rache wären in dieser Situation schon verständlich gewesen. An Schriefer aber richtete May den Appell: Ich bitte Sie dringend: Lassen Sie den Gedanken an Rache fallen.

   Das paßt zur Einstellung des Autors Karl May, wie wir sie im Erzählwerk oft finden. Die Rache bzw. der Rache-Verzicht ist in Mays Romanen ein wichtiges Motiv.65 Und auch im wirklichen Leben wollte sich May, als Christ, wohl nicht an seinen Gegnern rächen. Die Bergpredigt Jesu (vor allem Mt 5, 22ff.) wird im Brief an Schriefer nicht ausdrücklich zitiert; sie dürfte aber im Hintergrund stehen, wenn es heißt: Die Rache ist nicht nur gegen die göttliche, sondern auch gegen die menschliche Natur. Sie bringt gradezu Schande vor Gott und den Menschen!!! !!! !!! !

   Mitunter nun freilich verlor Karl May den Bezug zur Wirklichkeit: Räche ich mich? Ich könnte eine ganze Menge meiner Gegner vernichten. ... Ich thue es nicht. Es ist nicht edel. Wie rührend! Aber hatte May denn tatsächlich Ma-


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terial ... in den Händen, das er aus Gründen christlicher Feindesliebe nicht verwendete? Ich könnte eine ganze Menge meiner Gegner vernichten. Das wirkt so ›apokalyptisch‹, und das klingt nach Old Shatterhand.66 Pures Wunschdenken oder eine Mischung aus Fiktionen und Übertreibungen wird wohl dahinterstecken.

   Seine Schwester Wilhelmine Schöne freilich setzte May spätestens am 4. August 1910 als ›Privatdetektivin‹ ein.67 Ulrich Schmid hält es überhaupt für »sicher, daß die Mays Material und, wenn man so will, Dossiers über die Gegner gesammelt haben; nicht zuletzt dazu dienten ja viele der umfangreichen Korrespondenzen, die Material zulieferten«.68 Schmid denkt z. B. an Zeitungsartikel, die manche Briefpartner/innen Karl und Klara May zusandten. Gegen Lebius oder andere Widersacher des Schriftstellers verwendbare Informationen enthielten diese Artikel aber gewiß nicht. Wenn May geglaubt haben sollte, seine Gegner mit solchem ›Material‹ vernichten zu können, so dürfte sich diese Annahme auf Illusionen und pure Fiktionen gestützt haben.



Die Überlebensstrategie


Mays Wunschdenken war ambivalent, war Flucht aus der Wirklichkeit und zugleich eine Hauptquelle der Zuversicht, der Lebenslust und der schöpferischen Energie. Zu den oft verspotteten Besonderheiten des ›Phänomens Karl May‹ gehört in erster Linie die Identifizierung mit dem literarischen Ich. May hatte sich eine ›zweite Identität‹ erschrieben, die alle Vorzüge und sämtliche Fähigkeiten in sich vereinigen sollte, die es in der Realität Karl Mays natürlich nicht gab und die es grundsätzlich unter irdischen Bedingungen nicht geben kann. Wie Roxin bemerkte, meldete sich dieses fiktive Ich auch im Brief an Schriefer zu Wort: »Das Faszinierende an dem Brief« liege gerade »darin, wie der Text plötzlich aus dem realen Alltag in das literarische Phantasiereich Mays hinübergleitet. May hat erst ganz nüchtern seine Misere und seine Sorgen geschildert. Mit einem Male wird das alles ganz unbedeutend. Denn er könnte, was eben nur Mays literarisches, nicht sein empirisches Ich konnte, alle seine Feinde vernichten und tut dies nur aus christlicher Nächstenliebe nicht. Diese Rettung in die Fiktion ist nicht nur schaffenspsychologisch ›hochinteressant‹ - im Grunde sind alle Alterswerke, und nicht nur sie, solche Fluchtbewegungen aus der Realität -, sie zeigt auch, wie Mays Bewußtseinslage immer zwischen der Anschauung der tatsächlichen Gegebenheiten und ihrer phantastischen Überhöhung schwankte.«69

   Aus philosophischer oder, vielleicht mehr noch, aus pastoralpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Sicht ist diese Art von ›Bewußtseinslage‹ bzw. ›Konfliktbewältigung‹ gewiß interessant, aber doch keineswegs unbedenklich.70 Im Sonderfalle unseres Dichters freilich werden wir mit


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Roxin festhalten müssen, daß er »wohl gar nicht hätte leben können, wenn er nicht in der Lage gewesen wäre, auf solche Weise alles Leid der Erde hinter sich zu lassen.«71



... in Binden und Bandagen


Vollständig ignorieren läßt sich die irdische Wirklichkeit allerdings auch von Dichtern nicht. Keine Fiktionen, keine Phantasieprodukte, sondern unausweichliche, poetisch aber doch wieder ausgeschmückte und in typischer May-Manier überhöhte Tatsachen waren z. B. die Erkrankung des Schriftstellers und der chirurgische Eingriff in Dresden.

   Schon am 31. 12. 1908 hat Klara darüber an Schriefer geschrieben. May nun bestätigt: Ich hatte mir auf meiner Studienreise durch Amerika eine Verletzung zugezogen ... Es wurde mir kurz vor Weihnacht ein großes Stück Fleisch aus der Brust geschnitten. Nun sitze ich in Binden und Bandagen bis an den Hals und kann ... nur unter Schmerzen schreiben. Ganz dasselbe schrieb May, fast im gleichen Wortlaut, auch in Briefen an Friedrich Ernst Fehsenfeld (20. 12. 1908),72 an Paul Rentschka (22. 12. 1908),73 an Karl Pustet (31. 12. 1908),74 an Prinzessin Wiltrud von Bayern (18. 4. 1909)75 und, wer weiß, auch sonst noch an »alle möglichen Leute«.76

   Daß May vor Weihnachten 1908 in einer Dresdener Klinik operiert wurde, ist dokumentiert. Wie der mit May befreundete Psychiater Dr. Paul Adolf Näcke am 1. Januar 1909 an Klara May schrieb, hat Geheimrat Dr. Friedrich Hänel, ein Vetter Frau Näckes, den Eingriff vorgenommen.77 Die Operation fand am 17. 12. 1908 statt; nach dem heutigen Kenntnisstand hat es sich »um einen zwar schmerzhaften, ansonsten aber ungefährlichen Abszess« gehandelt.78 Prinzessin Wiltrud freilich notierte am 11. Dezember 1909 in ihrem (noch nicht veröffentlichten) Tagebuch: May habe ihr »brieflich oder mündlich« mitgeteilt, daß er 1908 »von einem Siux (...) mit Lanze verwundet worden« sei.79 Sollte May, noch 1909, tatsächlich solche - an die ›Pseudologia phantastica‹ der 1890er Jahre gemahnende - Stories zum besten gegeben haben? Oder hat die, etwas naive, Prinzessin eine scherzhafte Bemerkung des Dichters für bare Münze genommen?80 In Mays schriftlichen Äußerungen, soweit wir sie kennen, finden sich der Sioux-Indianer und seine Lanze jedenfalls nicht.



Zusammenfassende Wertung


Mays Brief an Schriefer enthält eine Menge ›Nachrichten‹. Fast alle diese Nachrichten sind mehrschichtig. Der Kommunikationstheorie des Psychologen Schulz von Thun zufolge enthält überhaupt jede Mitteilung »stets viele Botschaften gleichzeitig. (...) Daß jede Nachricht ein ganzes Paket mit


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vielen Botschaften ist, macht den Vorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation so kompliziert und störanfällig, aber auch so aufregend und spannend.«81

   Schulz von Thun unterscheidet vier, meist eng miteinander verknüpfte und u. U. verwechselbare, Mitteilungs-Ebenen: die (richtige oder falsche, vollständige oder lückenhafte, klare oder mystifizierende)  S a c h i n f o r m a t i o n; die (explizite oder implizite, gewollte oder ungewollte)  S e l b s t o f f e n b a r u n g  des Senders; die (vertraute oder distanzierte, stimmige oder gestörte)  B e z i e h u n g  zwischen Sender und Empfänger; den (stärkeren oder schwächeren, offenen oder versteckten, bewußten oder unbewußten)  A p p e l l, der vielen Nachrichten zugrunde liegt. Nach diesen Kriterien lassen sich Sentenzen wie Ich habe Sorgen, über Sorgen! Und meine Gegner bereiten mir Qual über Qual! - aber auch die anderen Partien im Brief Karl Mays - recht gut analysieren.



- Die Sachebene


Wenn wir die 50,000 Mark und die noch ungeklärte Frage nach Klaras Vermögen ausklammern, ergibt sich, rein sachlich gesehen, der Befund: Fast sämtliche Aussagen Mays stimmen überein mit den bekannten Fakten, die in der Sekundärliteratur schon oft untersucht und kommentiert wurden. In der Tat hatte May allen Grund zu der Klage: Ich habe Sorgen, über Sorgen! In der Aufzählung der Dinge, die (ihn) drücken, schildert er, von wenigen Ausrutschern abgesehen, den Sachverhalt durchaus richtig. Subjektiv gefärbt, in mancher Hinsicht geschönt und bisweilen verzerrt wirkt seine Darstellung aber doch. Leicht erkennbar neigt er zum Übertreiben und Dramatisieren, zur Selbsttäuschung (Ich könnte eine ganze Menge meiner Gegner vernichten), zur Fehleinschätzung der Lage (in allen Stücken hat er gesiegt), zur selektiven Wahrnehmung der Wirklichkeit (Der Staatsanwalt hat meine völlige Schuldlosigkeit zugeben müssen).

   Mit Roxin ist zu sagen: »Karl May war es nicht gegeben, das relative Recht auch seiner Gegner zu erkennen und gegen seine berechtigten Standpunkte und Interessen objektiv abzuwägen.«82 Der Brief an Schriefer zeigt diese ›Schlagseite‹ nicht weniger deutlich als viele andere Selbstzeugnisse Mays aus diesen Jahren.83



- Die Selbstoffenbarung


In der ›Großen Karl May-Biographie‹ schrieb ich zu Mays Gemütsverfassung um 1908/09: Er hatte »auch in diesen Jahren viel Kraft aus dem Glauben an Gottes Führung und Liebe geschöpft. (...) Von souveräner Gelassenheit war er, andrerseits, aber doch noch ziemlich entfernt. Zwischen Be-


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drücktheit und Übermut schwankte die Stimmung«.84 Der Brief an Schriefer bestätigt und illustriert diesen Befund. ›Hiob May‹85 präsentiert sich, nicht ohne Stolz, als gläubiger, tiefreligiöser Mensch. Sein Gottvertrauen (dessen Echtheit ich nie bezweifelte und auch jetzt nicht bezweifle) ist, wie der Brief penetrant unterstreicht, gänzlich ungebrochen; und sein guter Wille, im Leide, welches man zu tragen hat, still zu sein, ist eine subjektiv ehrliche Selbstoffenbarung. Was May allerdings, wie in zahlreichen anderen Briefen,86 auch hier wieder unfreiwillig verrät, ist jener Zwiespalt, jenes Hin und Her zwischen Jubel und Depression, jene Stimmungslabilität, die für ihn gerade auch im letzten Lebensjahrzehnt so bezeichnend war. Er verliert immer wieder das Augenmaß, rutscht ab ins Euphorische und zugleich ins Sentimentale.

   Milde gesagt, eine gewisse Selbstgerechtigkeit ist nicht zu übersehen. Mays guter Wille, im Leide ... still zu sein, hat mehrere Gesichter. Seine Demut, sein Gottvertrauen hindern ihn nicht daran, sich selbst zu bemitleiden und zugleich sich selbst zu bewundern, von sich selbst zutiefst ergriffen zu sein (Ich könnte eine ganze Menge meiner Gegner vernichten. ... Ich thue es nicht. Es ist nicht edel). Die Selbst-Bemitleidung und die Selbst-Überhebung verstärken sich wechselseitig. Ich habe Sorgen, über Sorgen! Und meine Gegner bereiten mir Qual über Qual! So jammert die Demut. Doch die Hybris feiert Triumphe: Der Staatsanwalt hat meine völlige Schuldlosigkeit zugeben müssen. Gewiß, schuldlos wird May in der ›Meineidsaffäre‹ ja durchaus gewesen sein. Aber in anderer Hinsicht stand er sich selbst doch im Wege, war keineswegs schuldlos an seiner Misere.87



- Die Beziehungsebene


Der Kommunikationstheorie zufolge geht »aus der Nachricht«, aus Mays Brief, »ferner hervor, wie der Sender zum Empfänger steht, was er von ihm hält«.88 Um diese Botschaft umfassend verstehen zu können, fehlen uns freilich die entsprechenden Voraussetzungen. Über die Hintergründe des Briefwechsels zwischen Schriefer und May wissen wir zu wenig. Nur ein einziger - der von May zitierte - Satz aus dem vorausgehenden Brief Adolf Schriefers ist uns bekannt. Schade, daß wir nicht wissen: Was wollte Schriefer von May? Womöglich Geld? Was hat ihn zuinnerst bewegt? Aus welchen Gründen hatte er Gedanken an Rache?89

   So viel läßt sich sagen: Auch und gerade auf der Beziehungsebene wirkt Mays Antwort-Brief eher befremdlich. Kein Wort des Dankes für Schriefers Zeilen; statt dessen, schon gleich zu Beginn, eine Kritik: Sie irren. Auf besonders hohe Wertschätzung Schriefers durch May läßt der vorliegende Brief, aufgrund des Gesamttenors, nicht schließen. Freilich, daß Karl May den Juristen nicht mochte, daß er ihn zurückwies und ablehnte, dies zu folgern ginge zu weit. Das gibt dieser eine Brief nicht her. Deutlich wird nur:


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Hier in diesem Brief nahm May die ›obere‹ Position ein; wo sie sich auf den Adressaten bezieht, wirkt Mays Botschaft allzu belehrend, gereizt und zurechtweisend.

   Selbst wenn (was ich annehme) Mays Beziehung zu Schriefer grundsätzlich positiv war, der Schriftsteller hielt den Rechtspraktikanten, im Brief vom 2. 1. 1909 jedenfalls, für einen Schwächling und kanzelte ihn ab: Sie würden nicht den zehnten Theil davon ertragen! Denn ich lese in Ihrem Briefe ja, daß schon eine einzige Person im Stande ist, Ihre ganze geistige und seelische Position zu erschüttern!

   Andererseits: In pathetischen und geradezu rührseligen Tönen klagte May seinem Briefpartner das eigene Leid. Dies setzt ja, so möchte man meinen, eine herzliche, auf wechselseitiges Vertrauen gegründete Beziehung voraus. Verstand also May sich, auf der Basis von Gleichrangigkeit, als Schriefers persönlicher Freund? Gewiß nicht. Oder verstand sich der Autor, analog zum Briefwechsel mit anderen jungen Leuten,90 Adolf Schriefer gegenüber als eine Art Seelsorger? Wohl auch nicht. Dafür ist der vorliegende Brief denn doch zu selbstbezogen. Wahrscheinlich fühlte May sich primär als der ›Meister‹, der den ›Jünger‹ zu tadeln hat. In jedem Fall gilt: Einem relativ jungen, eher noch unreifen und eher labilen Verehrer gegenüber hätte May nicht so jammern und nicht so auftrumpfen sollen.



- Der Appell


»Kaum etwas wird ›nur so‹ gesagt - fast alle Nachrichten haben die Funktion, auf den Empfänger  E i n f l u ß  z u  n e h m e n. (...) Die Nachricht dient also (auch) dazu, den Empfänger zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, zu denken oder zu fühlen.«91

   Manche Appelle sind schon der Form nach als solche erkennbar: Ich bitte Sie dringend: Lassen Sie den Gedanken an Rache fallen! Ihre Rache würde ... doppelt zerstörend auf Sie selbst zurückfallen. Neben dieser pastoralen Ermahnung dürften Mays Zeilen, indirekt, aber noch weitere Appelle ganz anderer Art enthalten. Der attackierte, unter den Angriffen leidende Schriftsteller war ein geplagter, tatsächlich verfolgter, fast zu Tode gehetzter Mann. Er appellierte an das Mitgefühl seiner ›Gemeinde‹, seiner Freunde und Leser. Auch im Brief an Schriefer warb Karl May für sich selbst, für seine Rechtspositionen.

   Zu bedenken ist ferner: May schrieb einen neuen Roman, sein ›eigentliches Werk‹, ›Ardistan und Dschinnistan‹. Er war sehr beschäftigt. Vielleicht wurde Schriefer ihm lästig. Vielleicht wollte May, ohne sich auf Schriefer, seine Nöte und Emotionen, einzulassen,92 nur sagen: ›Reiß dich zusammen und laß mich in Ruhe! Ich kann dir nicht helfen! Ich habe größere Sorgen als du! Mir geht es schlechter als dir! Ich schreibe aber doch!


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Nimm dir ein Beispiel an mir, an meinem Siegesmut, an meinem Gottvertrauen, an meiner Durchhaltekraft!‹

   Ich wäre an Schriefers Stelle nicht zufrieden gewesen mit Karl May.



Schlußbemerkung


»Von anderen Schriftstellern«, so Walther Ilmer, »würden wir uns abwenden, wenn wir sie von solcher Seite kennenlernten, wie May sie in jenem Brief offenbart. Ihm bleiben wir treu. Sind wir vielleicht genau so seltsame Menschen wie er (...)? Oder war er schlicht ein ›Ausnahmemensch‹, dessen sporadische Ausuferungen bestimmter Charakterzüge als Gegengewicht zur (...) schriftstellerischen Leistung zu sehen sind?«93

   Seine ›Entgleisungen‹ und seine Wunderlichkeiten nehmen wir May nicht übel. Warum? Im Brief an Schriefer zeigt er sich von der schwächeren Seite. Über derartige (für May sehr typische, durchaus interessante und insgesamt ja keineswegs unverzeihliche) ›Fehlleistungen‹ reicht das ›Phänomen Karl May‹ aber deutlich hinaus. Unser Autor hat, in der letzten Lebensdekade besonders, auch ganz andere Briefe geschrieben. Hier wendet er sich den Adressaten, Adele und Willy Einsle zum Beispiel, »vor allem als Mensch zu; und er tut dies in sehr sympathischer Weise, indem er nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellt, sondern auf die Bedürfnisse seiner Briefpartner wirklich eingeht. (...) In diesem privaten Briefwechsel (...) zeigt sich eine Facette seines Wesens, die das Persönlichkeitsbild Karl Mays bereichert; sie weicht von seinem öffentlichen Gebaren etwa in der ›Renommierzeit‹ (...) weit und in gewinnender Form ab.«94

   Von der besten Seite aber zeigt sich May in seinen Romanen, genauer: in geglückten Partien seiner Romane. In ›Ardistan und Dschinnistan‹, aber auch in anderen Büchern hat May etwas Großes geschaffen. Fragwürdigkeiten wie der Brief an Schriefer können seine Verdienste nicht schmälern.

   Was bleibt, ist das literarische Werk. Was bleibt, ist der ›göttliche Funke‹, der diese Werke beseelt. Was bleibt, sind die großen Themen, die ›Menschheitsfragen‹, die in Mays Poesie zur Anschauung kommen und - vorläufig, annähernd, märchenhaft - eine Antwort finden.


*


Herrn Dr. Günther Weishaupt danke ich für die Erlaubnis, Mays Brief an Schriefer zu veröffentlichen. Für sachdienliche Hinweise danke ich den Herren Volker Griese, Ralf Harder, Hansotto Hatzig, Walther Ilmer, Bernhard Kosciuszko, Claus Roxin und Ulrich Schmid. Besonderer Dank gilt ferner Herrn Lothar Schmid, der wichtige Auskünfte gab und die drei Schriefer-Briefe an May bzw. das Ehepaar May für die Wiedergabe im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft zur Verfügung stellte.


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1 Siehe oben S. 24-29. Das (relativ schlecht erhaltene, durch viele Hände gegangene, an mehreren Stellen zusammengeklebte) handschriftliche Original wurde 1985 bei einer Auktion (Firma Hartung u. Hartung, München) versteigert. 1999 kam es als Leihgabe in meine Hand.

2 Vgl. Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 30/1976, S. 2f. (Redaktions-Artikel); in diesem Artikel wird der Brief Klara Mays vom 1. 5. 1911 an Dr. Adolf Schriefer wiedergegeben. Daraus geht u. a. hervor, daß Schriefer 1911 Marie Hannes besuchte. Vgl. dazu: Leben im Schatten des Lichts. Marie Hannes und Karl May. Eine Dokumentation. Hrsg. von Hans-Dieter Steinmetz und Dieter Sudhoff. Bamberg 1997, S. 347 (Anm. 664).

3 Lothar Schmid stellte mir diese drei Schriefer-Briefe zur Verfügung.

4 Hansotto Hatzig (Brief vom 2. 4. 1999 an mich) verdanke ich den Hinweis auf dieses Material. Hatzig stellte mir den Klara-Brief und die Postkarten - mit Genehmigung des Besitzers, Dr. Gert Zech (Heidelberg) - in Kopie zur Verfügung.

5 Siehe oben S. 20-31.

6 Vgl. Schriefers Brief vom 19. 5. 1910 an Karl May.

7 Nach Aussage von Frau Dr. Edda Petri-Bean »soll Schriefer May in einem Prozeß verteidigt haben« (Redaktionsartikel, wie Anm. 2, S. 2).

8 Mündliche Auskunft von Lothar Schmid (16. 3. 1999); in einem Brief vom 22. 3. 1999 an mich wird bestätigt: »Ein offenbar 1908 von Schriefer geschriebener Brief befindet sich leider nicht in den Akten.«

9 »Dieser Karl May - - - immer wieder Eulenspiegel-und-Bramarbas-und-Hiob-und-›Edelmensch gefangen im Gestrüpp der selbst gesäten Dornen‹ zugleich ...« (Walther Ilmer, Brief vom 18. 2. 1999). »In seiner hyperbolischen Schreibart« sei der Brief »für den (wohl durchaus mit paranoiden Zügen behafteten) May dieser Phase typisch« (Ulrich Schmid, Brief vom 3. 4. 1999). Es sei zu »bedenken, daß May sich vielfach in einer verzweifelten Seelenlage befunden haben muß. Da kommt es schon mal zu solchen Ausbrüchen« (Claus Roxin, Brief vom 8. 5. 1999).

10 Vgl. z. B. Heinz Stolte: Der Volksschriftsteller Karl May. Beitrag zur literarischen Volkskunde. Bamberg 1979 (Reprint der Erstausgabe von 1936), S. 48.

11 Ulrich Schmid: Ein Vortrag zwischen den Fronten. Karl May im Augsburger Schießgrabensaal, 8. Dezember 1909. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1990. Husum 1990, S. 71-106 (75)

12 Vgl. Hermann Wohlgschaft: Große Karl-May-Biographie. Leben und Werk. Paderborn 1994, S. 396ff.

13 Vgl. ebd., S. 472ff. u. S. 531ff.

14 Vgl. ebd., S. 519.

15 Stolte: Der Volksschriftsteller Karl May, wie Anm. 10, S. 48

16 So Hans Wollschläger in: Karl May: Briefe an Karl Pustet und Otto Denk. Mit einer Einführung von Hans Wollschläger. In: Jb-KMG 1985. Husum 1985, S. 15-62 (17)

17 Vgl. Karl May: Ein Schundverlag. Ein Schundverlag und seine Helfershelfer. Prozeß-Schriften Bd. 2. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982.

18 Vgl. Christoph F. Lorenz: Hermann Cardauns - ein Leben für den politischen Katholizismus. In: Bernhard Kosciuszko: Im Zentrum der May-Hetze - Die Kölnische Volkszeitung. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 10. Ubstadt 1985, S. III-IX.

19 Vgl. Ralf Harder: Karl May und seine Münchmeyer-Romane. Eine Analyse zu Autorschaft und Datierung. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 19. Ubstadt 1996; Hermann Wohlgschaft: »Sie küßte ihn mit der Gluth eines treulosen Weibes«. Liebesgeschichten in Karl Mays Kolportageromanen. In: Jb-KMG 1998. Husum 1998, S. 253-92.

20 Kosciuszko, wie Anm. 18

21 May: Briefe an Pustet und Denk, wie Anm. 16, S. 45

22 Ebd., S. 39, 45, 56 u. 59f.


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23 Vgl. Paul Rentschka: Karl Mays Selbstenthüllung. Mit Einleitung und Anmerkungen von Ernst Seybold. In: Jb-KMG 1987. Husum 1987, S. 138-59; Karl May: Briefe an Paul Rentschka. Mit Einleitung und Anmerkungen von Ernst Seybold. In: Ebd., S. 160-71.

24 Vgl. Hermann Wohlgschaft: ›Und Friede auf Erden!‹ Eine theologische Interpretation. In: Jb-KMG 1989. Husum 1989, S. 101-45.

25 Vgl. May: Briefe an Pustet und Denk, wie Anm. 16, S. 30, 39, 45, 52f., 55ff. und 59f.

26 Vgl. Hermann Wohlgschaft: »Ich sah dann auch Gott selber kommen«. Theologisches zu ›Ardistan und Dschinnistan‹. In: Jb-KMG 1993. Husum 1993, S. 281-337.

27 Vgl. May: Briefe an Pustet und Denk, wie Anm. 16, S. 55: ... May tritt für den Darwinistischen Evolutionismus ein! Auch diesen letzteren Vorwurf hatte mir Herr Rath Denk ganz   w ö r t l i c h  so gemacht!

28 Teilhard de Chardin (1881-1955) hat nach gründlichen Vorstudien, u. a. in China, 1926 sein berühmtes, von der amtlichen Kirche lange Zeit als evolutionistische Häresie verdächtigtes Werk ›Le Milieu divin‹ (›Der göttliche Bereich‹) verfaßt. Nicht die literarische Form, um so mehr aber die Ideenwelt beider Werke (›Ardistan und Dschinnistan‹ und ›Der göttliche Bereich‹) ist durchaus vergleichbar.

29 Vgl. z. B. Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 597-746.

30 Vgl. ebd., S. 525ff., und Hermann Wohlgschaft: Mays Friede-Roman und die Lehre der Kirche. In: M-KMG 83/1990, S. 18-24.

31 May: Briefe an Pustet und Denk, wie Anm. 16, S. 59

32 Vgl. Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 472ff.

33 Nach Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Reprint der Ausgabe Berlin-Charlottenburg 1910. Mit einer Einführung von Jürgen Wehnert. Lütjenburg 1991, S. 77

34 Ebd., S. 117; dazu Claus Roxin in einem Brief vom 14. 6. 1999 an mich: »Nach der heute geltenden Unschuldsvermutung (Art. 6 II der Menschenrechtskonvention) muß May aber als unschuldig angesehen werden.«

35 Lothar Schmid: Brief, wie Anm. 8

36 Ulrich Schmid: Brief, wie Anm. 9

37 Fritz Maschke: Bausteine zur Klara-May-Biographie. In: Karl-May-Jahrbuch 1978. Hrsg. von Siegfried Augustin und Thomas Ostwald. Bamberg-Braunschweig 1978, S. 247-73 (259) - für den Hinweis danke ich Bernhard Kosciuszko.

38 Vgl. Gerhard Linkemeyer: Was heute noch möglich ist. Erinnerungen und Legenden aus Karl Mays Familie. In: M-KMG 66/1985, S. 3-26.

39 Vgl. Fritz Maschke: Karl May und Emma Pollmer. Die Geschichte einer Ehe. Bamberg 1973, S. 45.

40 Ebd., S. 17

41 Vgl. Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 185 und S. 338ff.

42 Nach Linkemeyer, wie Anm. 38, S. 8

43 Maschke: Karl May und Emma Pollmer, wie Anm. 39, S. 56f.

44 Zit. nach ebd., S. 57

45 Zit. nach ebd., S. 56

46 Karl und Klara May: Briefwechsel mit Adele und Willy Einsle. In: Jb-KMG 1991. Husum 1991, S. 11-96 (56)

47 Weihnachten 1911 soll May an das Ehepaar Schöne Geld und Schmuck für den Christbaum geschickt haben.

48 In Mays Testament vom 8. 3. 1908 war verfügt, daß den beiden noch lebenden Schwestern bis zu deren Tode vierteljährlich je 150 Mark ... Unterstützung baar und pränumerando auszuzahlen seien. (Zit. nach Linkemeyer, wie Anm. 38, S. 11)

49 Lothar Schmid: Brief und mündliche Auskunft, wie Anm. 8

50 Vgl. Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 469.

51 Diese und die folgenden Zahlen sind entnommen aus: Roland Schmid: Fehsenfelds


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Karl-May-Ausgaben. In: Karl May: Freiburger Erstausgaben. Hrsg. von Roland Schmid. Bd. XXI: Satan und Ischariot II. Reprint Bamberg 1983, A3-A83 (A30).

52 Ebd. A10; vgl. A4-A7 (Verlags-Vertrag vom 17. 11. 1891) u. A10-A11 (Nachtrag vom 15. 11. 1895).

53 Vgl. ebd., A77f. (die Auflagehöhen für 1907/08), und ebd., A29: Ab 1907 erhielt May von Fehsenfeld ein Honorar von 50 Pfennig (zuvor 40 Pfennig) pro Band.

54 Vgl. ebd., A29f. (Mays Auflagen-Honorare für ›Bärenjäger‹ usw.) und A77f. (Neuauflagen der ›Union‹-Bände 1907/08).

55 Der ›Mir von Dschinnistan‹ hatte 2050 Manuskriptseiten; pro Seite erhielt May 2 Mark (vgl. May: Briefe an Pustet und Denk, wie Anm. 16, S. 46).

56 Vgl. Roland Schmid, wie Anm. 51, A79: 1909 wurden 125 000 May-Bände gedruckt; der Autor hatte also einen Honorar-Anspruch von 62 500 Mark. Die Mengen der Druckauflagen entsprachen (wie schon 1908) aber »durchaus nicht den Verkaufsziffern« (ebd., A83).

57 Vgl. ebd., A80f.

58 Vgl. Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 145, wo aus Mays Brief vom 23. 7. 1907 an Rudolf Bernstein zitiert wird: May habe erkannt, daß er seit längerer Zeit vom Kapitale lebe. Mir wird da himmelangst.

59 In welchem Ausmaße die Prozesse May finanziell belasteten, kann ich leider nicht präzisieren; die entsprechenden Unterlagen besitzt vermutlich der Karl-May-Verlag.

60 Zu der Amerika-Reise mit der daran anschließenden Reise nach London siehe jetzt die Dokumentation von Dieter Sudhoff: Karl May in Amerika. In: Karl May's Gesammelte Werke. Bd. 82: In fernen Zonen. Bamberg-Radebeul 1999, S. 233-427

61 Ilmer: Brief, wie Anm. 9

62 Vgl. Roland Schmid, wie Anm. 51, A32: May erklärte sich bereit, statt des Anfang 1907 vereinbarten Honorars von 50 Pfennig pro Buch sich mit je 35 Pfennig zu begnügen.

63 Ebd., A31

64 Vgl. Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 391ff. (zu den Angriffen Fedor Mamroths, Hermann Cardauns' u. a. in den Jahren 1899ff.) u. S. 471 (zu Lebius' Attacken im Jahre 1908).

65 Vgl. Wolfgang Hammer: Die Rache und ihre Überwindung als Zentralmotiv bei Karl May. In: Jb-KMG 1994. Husum 1994, S. 51-85; Oliver Gross: Old Shatterhands Glaube. Christentumsverständnis und Frömmigkeit Karl Mays in ausgewählten Reiseerzählungen. Materialien zum Werk Karl Mays, Bd. 1. Husum 1999. Nach Hatzig: Brief, wie Anm. 4, hat Gross »überzeugend belegt, daß May nur im Sinne hatte, Haß und Rache abzubauen. Das spiegelt sich in dem aufgefundenen Brief an Schriefer (...)«

66 Vgl. Roxin: Brief vom 8. 5. 1999, wie Anm. 9: »Die großen Gesten - er könne seine Gegner vernichten, tue dies aber aus Edelmut nicht - sind typische Old-Shatterhand-Attitüden und als solche bezeichnend und interessant. Sie stehen heute jenseits der Kritisierbarkeit; so war Karl May eben.«

67 Im Brief vom 4. 8. 1910 heißt es: Liebe Schwester! / Wenn in der Hohensteiner oder Ernstthaler Zeitung etwas über mich steht, so hebt sie für mich auf. Ich komme Montag. Bitte, sucht heimlich zu erfahren, ob Lebius jetzt wieder bei Krügel war oder ob Krügel in Berlin bei Lebius gewesen ist. Auch möchte ich gern wissen, welchen Advokaten Krügel bei der Verhandlung haben wird. Vielleicht weiß es Albani. / Herzlichen Gruß! / Dein Karl. (Faksimile in: Gerhard Klußmeier/Hainer Plaul: Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Hildesheim-Zürich-New York 21992, S. 261; zitiert bei Linkemeyer, wie Anm. 38, S. 22)

68 Ulrich Schmid: Brief, wie Anm. 9; zu verweisen ist z. B. auf: »Meine liebe Frau Ge-


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vatterin ...«. Die Korrespondenz der Mays mit Babette Hohl-Kopp. Einführung und Kommentar von Ulrich Schmid. In: Jb-KMG 1997. Husum 1997, S. 21-51.

69 Roxin: Brief vom 14. 6. 1999, wie Anm. 34

70 Zu der hier nur angedeuteten Gesamtproblematik ausführlich und prinzipiell: Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 26ff. (›Die Menschheitsfrage: Visionen und Träume - Trug oder Wahrheit?‹) und S. 317ff. (›Täuschung und Wahrheit‹).

71 Roxin: Brief vom 14. 6. 1999, wie Anm. 34, mit Bezug auf Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909, S. 1

72 Vgl. Sudhoff, wie Anm. 60, S. 412.

73 Vgl. May: Briefe an Rentschka, wie Anm. 23, S. 163.

74 Vgl. May: Briefe an Pustet und Denk, wie Anm. 16, S. 31.

75 Vgl. Karl May: Briefe an das bayerische Königshaus. In: Jb-KMG 1983. Husum 1983, S. 76-122 (113).

76 Wollschläger: Karl May, wie Anm. 58, S. 151f.

77 Vgl. Udo Kittler: »Ein Fall allerersten Ranges« II. In: M-KMG 90/1991, S. 16-23 (21).

78 Sudhoff, wie Anm. 60, S. 412

79 Prinzessin Wiltruds Tagebuch ist im Geheimen Hausarchiv des Hauses Wittelsbach in München verwahrt. Ulrich Schmid danke ich für die Erlaubnis, aus seiner Abschrift zu zitieren.

80 Vgl. Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 536 (Anm. 2).

81 Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek 1997, S. 26

82 Roxin: Brief vom 8. 5. 1999, wie Anm. 9

83 Am 3. 11. 1907 z. B. schrieb May an einen Redakteur: ... Ich bin so unendlich glücklich, Ihnen das gerichtliche Dokument meines endgültigen und vollständigen, ja, ich muß sagen, glänzenden Sieges zustellen zu können. Es ist hiermit durch das Königliche Landgericht Dresden erwiesen, daß ich zehn Jahre lang vollständig unschuldig gestäupt, gepeinigt, gemartert und gekreuzigt worden bin ...; zit. nach einem Auktionskatalog (1999) des Autographenhauses Stargardt, Marburg/Berlin.

84 Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 476

85 Vgl. Heinz Stolte: Hiob May. In: Jb-KMG 1985. Husum 1985, S. 63-84.

86 Vgl. z. B. May: Briefe an Pustet und Denk, wie Anm. 16, S. 19ff.

87 Vgl. Walther Ilmer: Karl May - Mensch und Schriftsteller. Tragik und Triumph. Husum 1992, S. 178ff., und Wohlgschaft: May-Biographie, wie Anm. 12, S. 369.

88 Schulz von Thun, wie Anm. 81, S. 27

89 Auch auf der Postkarte vom 31. 12. 1908 wird Schriefer, von Klara May, zum Rache-Verzicht gemahnt.

90 Vgl. z. B. Mays Briefwechsel mit Willy Einsle, wie Anm. 46, S. 21ff.

91 Schulz von Thun, wie Anm. 81, S. 29

92 Ich vermute das; beweisen kann ich es nicht, weil wir Schriefers Brief ja nicht kennen.

93 Ilmer: Brief, wie Anm. 9

94 Claus Roxin: Das einundzwanzigste Jahrbuch. In: Jb-KMG 1991. Husum 1991, S. 7-10 (7f.)




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