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ECKEHARD KOCH


»Der Gitano ist ein gehetzter Hund«1
Karl May und die Zigeuner




»... Gitano, Zingaritto oder Zigeuner, mir Alles gleich. Du bist ein braver Junge, und da frage ich nicht, ob deine Mutte reine Gräfin oder ... eine Zigeunerin war.«
Karl May (1880)1

»Wir bitten das deutsche Volk: Nehmt uns auf in eure Brüderlichkeit ... Helft nicht nur in der weiten Welt, sondern auch dem Lazarus, der vor eurer Tür liegt.«
Appell der Zigeuner der Bundesrepublik zur ›Woche der Brüderlichkeit‹ (1963)2



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Karl May hat über die verschiedensten Völker und Stämme geschrieben; sein Werk umfaßt beinahe alle Kontinente und Länder. Aber während seine Darstellung der Indianer oder Araber und seine Parteinahme für sie weit berühmt geworden sind, entging es bisher der Forschung, daß er zu gewissen Zeiten auch der verfolgten und verachteten ›Fremdlinge‹ seiner eigenen Heimat gedachte, nämlich der Zigeuner. Da er bald sein Hauptaugenmerk den exotischen Schauplätzen der Welt zugewandt hat, sind seine frühen Schilderungen der Zigeuner in verschiedenen Werken kaum bekannt geworden. May hat sogar eine seiner ersten Erzählungen überhaupt den Zigeunern gewidmet. Zu Unrecht hat sich die Forschung und literarische Kritik dieser Geschichte bislang noch kaum angenommen.3 Das ›Abenteuer unter den Carlisten‹, ›Der Gitano‹, erschien schon 1875 und war neben der Novelle ›Wanda‹ die einzige, die May für das Wochenblatt ›Der Beobachter an der Elbe‹ verfaßte.4

   Der Inhalt ist schnell erzählt. Der Ich-Erzähler, als Deutscher Vertreter einer Handelsfirma, die an die Carlisten in Spanien Lieferungen geleistet, aber noch keine Zahlungen erhalten hat, befindet sich 1875 auf der Rückreise von seiner vergeblichen Mahn-Mission aus Spanien. Er hat sich einer Maultierkarawane angeschlossen, um auf Umwegen durchs Gebirge den Carlisten zu entgehen. Der Mulero, der Führer, ist


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ein Asturier von finsterem Aussehen (S. 823); unterwegs gesellen sich noch zwei Gitanos (Zigeuner) dazu, ein etwa 26jähriger Mann und ein etwa 18jähriges Mädchen, beide von außerordentlicher Schönheit und stolze(r), imponirende(r) Haltung (S. 823). Die Gruppe fällt einer Abteilung Carlisten in die Hände. Der Mulero tötet einen der Angreifer und soll dafür in Kürze gehenkt werden, während die Absicht besteht, den Gitano und den Erzähler als Spione vor ein Kriegsgericht zu stellen, das Mädchen aber in die ›Begleitung‹ des Carlisten-Offiziers zu übergeben. Eine zufällig dazustoßende Einheit spanischer Regierungssoldaten wird ebenfalls von den Carlisten überfallen, der sie befehligende Leutnant gefangengenommen. Doch nun wendet sich das Blatt. Dem Gitano, bereits gebunden, gelingt es, sich zu befreien, und das folgende Handgemenge zwischen den Carlisten und den Überfallenen endet für die letzteren glücklich, da ein weiterer Trupp Regierungssoldaten rechtzeitig zu Hilfe kommt. Nun stellt sich heraus, daß der Gitano in Wirklichkeit ein Offizier der Regierungstruppen ist - seine Begleiterin die Tochter eines spanischen Generals, die von Carlisten entführt worden war, um ein hohes Lösegeld zu erpressen. Der Gitano hatte sie befreit, als er - als Spion gefangen und zum Tode verurteilt - kurz vor der Exekution fliehen konnte. Am Ende steht die Überzeugung des Erzählers, der seine Reise unter besseren Vorzeichen fortsetzen kann, daß der Gitano seine schöne Gitano [sic] als besten Preis für die bewiesene Tapferkeit empfangen werde. (S. 828)

   Ganz befriedigt ist der Leser, wenn er mit der Lektüre der Erzählung fertig ist, allerdings nicht. Behutsam und geschickt verwischt Karl May im Laufe der Geschichte die Konturen, und am Schluß ist nicht mehr klar, ob die Gitanos wirklich Zigeuner sind oder nicht. Verbal bleibt der Erzähler weitgehend bei der Version, es handele sich um Gitanos, aber nebenbei mehrt er die Hinweise, daß es doch keine sind. Gleichzeitig hebt er die Zigeuner von der Stufe der verachteten Volksgruppe in den Rang des spanischen Adels: ein achtbarer literarischer Kunstgriff - und darüber hinaus stellt die Erzählung eine durchaus spannende und gut geschriebene ›Talentprobe‹ dar, die sich mit anderen Geschichten aus Mays früher Schaffensperiode durchaus vergleichen lassen kann.

   Sind also die Zigeuner in dieser Erzählung nur Staffage, literarischer Topos? Wenn wir das Abenteuer etwas näher betrachten, kommen wir der Antwort zumindest näher.


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Eines der ersten exotischen Abenteuer Mays spielt in Spanien. »Ihr sollt euch nicht die Hände blutig arbeiten; ich geh nach Spanien; ich hole Hilfe!«, hatte der junge May einst seinen Eltern erklärt5 - eine Frucht der Kolportage-Romane, die er jahrelang verschlungen hatte. Und nun, als eine Probe der unter dem Titel »Aus der Mappe eines Vielgereisten« in unserem »deutschen Familienblatte« veröffentlichten Abenteuer und Characterschilderungen, wie der Untertitel der Geschichte lautet, reist das ›Ich‹ zumindest literarisch tatsächlich nach Spanien und begegnet in dem Gitano einem jener Edlen, von denen May als Junge geschwärmt hatte. Dieses ›Ich‹, also der Erzähler, ist - wie in anderen frühen Erzählungen Mays - noch weit entfernt von dem späteren Helden und bleibt bei den Geschehnissen gegenüber dem Gitano im Hintergrund. Seine Rolle ist überwiegend die des Beobachters, der allenfalls ein paar Informationen weitergibt. Erst am Schluß kommt es anders: So wenig ich sonst kriegerische Geschicklichkeit besitze, das Beispiel des Gitano electrisirte mich und riß mich aus dem Gleichmuthe, welchen ich bisher bewahrt hatte. (S. 827) Er befreit den gefangenen Leutnant und wirft sich ins Kampfgetümmel. Aber: Trotz der vier Gefallenen kämpften wir doch gegen eine fünffache Uebermacht, und schon faßte ich den Entschluß, mich auf eines der angekoppelten Pferde zu werfen und auf demselben das Weite zu suchen (S. 827); einen Entschluß, an den Old Shatterhand später nicht einmal im Traume gedacht hätte. Aber zum Glück treffen ja die Regierungssoldaten ein und bringen die Rettung, und das ›Ich‹ erhält vom Gitano am Schluß noch einen Hengst als Andenken an das heutige Abenteuer (S. 828) und zum schnelleren Vorwärtskommen; beim Vater des Gitanos, dem der Erzähler Nachricht von diesem überbringen soll, würde er auch weitere Empfehlungen erhalten, die ihm vielleicht von Nutzen sein werden. (S. 828)

   Zwar ist der Gitano kein ›edler Räuber‹ à la Rinaldo Rinaldini, aber er wird als Zigeuner mit besonderer Exotik umgeben; und das ›handelsreisende Ich‹ auf vergeblicher Mission erhält durch ihn am Ende doch noch Unterstützung, beinahe so, wie es der junge May erträumte.

   Elemente Mayscher Jugendlektüre und -träume schlagen sich in dieser Erzählung ebenso nieder wie seine Erfahrungen mit den ›christlichen‹ Lehrern im Seminar Waldenburg oder später mit anderen ›Hütern von Recht und Ordnung‹. Gerade die Carlisten, die sich so sehr darauf berufen, die angestammten Rechte Sr. Majestät und unsere hochheilige Religion zu verteidigen (S. 825), erweisen sich als besonders brutal. Der Widerspruch zwischen Realität und Anspruch könnte be-


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züglich dieser angeblichen Wahrer des Christentums und der Traditionen kaum deutlicher konstruiert sein, als dies bei May der Fall ist. Auch in dieser kleinen Erzählung schrieb er sich manche bittere Erfahrung von der Seele; aber er konnte es unter dem Mantel der Exotik tun, der Auslagerung in ferne Gefilde. Sollte sich jemand betroffen fühlen, so konnte er sich rechtfertigen: er schrieb ja eine historische bzw. zeitgeschichtliche Erzählung.



3


Unter den Soldaten, die auf der Seite der spanischen Regierungstruppen gegen die Carlisten kämpften, befand sich auch der preußische Hauptmann A. Schmidt. Er fiel im Juni 1874 bei den vergeblichen Angriffen auf die in den Höhen von Estella verschanzten Carlisten diesen in die Hände. Viele gefangene Soldaten und 25 Offiziere, darunter Schmidt, wurden von den Carlisten im Anschluß an ihren Sieg erschossen, eine der unrühmlichsten Taten der Carlisten in den blutigen Kämpfen. Hatte May, als er eine seiner ersten Abenteuer-Erzählungen überhaupt nach Spanien verlegte, vielleicht das traurige Schicksal Schmidts vor Augen, das sicherlich in der deutschen Öffentlichkeit erhebliches Aufsehen erregt hatte? Von Anfang an suchte sich May bekanntlich bei seiner schriftstellerischen Laufbahn historische und zeitgeschichtliche Aufhänger, aktuelle Geschehnisse, mit denen er seine Erzählungen verknüpfte, um besonderes Interesse bei seiner Leserschaft zu finden und allmählich immer stärker den Anschein eigenen Erlebens zu erwecken.6

   Als der Erzähler ausruft: »Ich bin ein Deutscher und stehe unter dem Schutze meiner Regierung« und der Carlist ihm kaltschnäuzig antwortet: »Laßt Euch nicht auslachen! Wenn Eure Regierung Euch schützen soll, so müßt Ihr fein hübsch zu Hause bleiben und dürft Euch nicht in Gesellschaft von Mördern hier in den Bergen herumtreiben« (S. 824), kann man sich des eisigen Gefühls nicht erwehren, daß es vermutlich Hauptmann Schmidt ähnlich ergangen ist. Besonders zimperlich geht May in seiner Beurteilung mit den Carlisten denn auch nicht um. Das ›Ich‹ vermeidet die gewöhnliche ... Straße, weil es dort von Bandiero's (Carlisten) wimmelte; weiter unten werden diese als »Banditen des räuberischen Don Habenichts«, dieser selbst als edle(r) Ritter Don Quixote (S. 823) bezeichnet; die Carlisten ihrerseits disqualifizieren sich mit ihrem Verhalten in unerhörtem Maß. »Siehst Du denn nicht, daß wir Soldaten Seiner tapferen Majestät, des Königs Carlos sind und das Recht


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haben, Dich sofort über den Haufen zu schießen?« (S. 823) fragt der Offizier den aufgebrachten Mulero, der, nachdem er erst die Carlisten als Bandisto's bezeichnet und dann einen Soldaten getötet hatte, der ihn erschießen wollte, unter den gräßlichsten Mißhandlungen (S. 824) fortgeschafft wird. Der Offizier gibt Befehl, die Gefangenen, sollten sie sich rühren, sofort niederzuschießen; der gefangene Offizier wird schlichtweg als Spion bezeichnet und soll mit den übrigen aufgehenkt werden - an ein ehrenvolles Verhalten gegenüber gefangenen Offizieren ist gar nicht zu denken: »So,« sagte feindselig lachend der Colonel; »trotzdem auch wir die löbliche Eigenthümlichkeit haben, gefangenen Offizieren Achtung und Rücksicht zu erweisen, dürft doch Ihr auf so Etwas nicht rechnen...« (S. 826), und dem Gitano wird sofort gedroht, man werde ihn peitschen, damit er höflich werde, oder ihn gar ins Irrenhaus stecken, wo er dann den Helden spielen könne. So viel geballte Brutalität - ist das noch ›normal‹, ist hier May nicht vielmehr wieder einmal weit übers Ziel hinausgeschossen, um seinen Lesern genügend Schauer über den Rücken zu jagen?

   Nun, May gibt hier ziemlich deutlich die Stimmung wieder, die in breiten Kreisen um diese Zeit gegen die Carlisten herrschte. Kurz vor den Kämpfen um Estella hatte der Carlisten-General den ›Krieg ohne Pardon‹ angekündigt - die Erschießung der Offiziere war nur die Folge davon; damit hatte er aber dem Carlisten-Aufstand ganz offiziell den Stempel der Barbarei aufgedrückt, wie es im zeitgenössischen ›Brockhaus‹ stand (Barbaren nennt der Mulero denn auch die Carlisten ganz direkt (S. 823)), sich und seiner Sache aber einen Bärendienst erwiesen: die europäischen Großmächte wandten sich endgültig der spanischen Regierung zu, erkannten die Madrider Regierung Serrano offiziell an und werteten sie damit moralisch auf. Da half auch nichts, daß der General in einem Manifest an die zivilisierten Nationen die Massenermordung der Gefangenen als Sühne für angebliche Gewalttaten der Regierungstruppen hinstellte. Mit der Zeit versiegten auch die Geldquellen für die Carlisten, die sie bei französischen Legitimisten, österreichischen Feudalen, einigen italienischen Fürsten und Jesuiten in Rom gehabt hatten.

   Der General, der die ›Barbarei‹ zu verantworten hatte, war Don Antonio Marques de Eraul Dorregaray, just jener General, den May gleich zu Anfang seiner Erzählung erwähnt. Und auch der andere General, auf der Seite der Regierungstruppen, den May nennt und - nun wird's interessant - dessen Tochter die Gitana in seiner Erzählung ist, nämlich General Jovellar, eigentlich Joaquín Jovella[´r] y Sole[´r], ist historisch. Es ist schon erstaunlich - je tiefer man dringt, desto mehr


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bekommt diese so unscheinbar anmutende Erzählung vom edlen Gitano Gewicht.

   Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der Carlisten-Kriege im einzelnen aufzuzeigen.7 Hintergründe waren in Erb- und Thronstreitigkeiten zu suchen, aber auch in vehementer Opposition gegen die in Spanien allmählich fortschreitende Liberalisierung. Die Basis der Aufstände bildete vor allem Nordspanien (Baskenland, Navarra), wo man um den Verlust von Kirchen und der fueros, der lokalen Freiheiten, fürchtete, und wo bei den strenggläubigen Katholiken Liberalismus mit Protestantismus und Französischer Revolution gleichgesetzt wurde. Streng klerikal und absolutistisch gesinnt, betonten die Carlisten die Werte der Tradition und suchten sie - ohne Erfolg - in zwei Kriegen (1833-40 und 1872-76) durchzusetzen. Don Carlos (1848-1909), als Karl VII. der 4. Prätendent der Carlisten, konnte anfangs entscheidende Erfolge verbuchen und fast ganz Nordspanien in seine Hand bringen. Noch im Februar 1875 errang er einen glänzenden Sieg, aber am 8. Juli desselben Jahres, also kurz bevor Mays Erzählung beginnt, wurde er bei Treviño geschlagen; von vielen Soldaten und Offizieren verlassen, ging er mit seinen letzten 200 Getreuen Ende Februar 1876 über die Grenze nach Frankreich. Über Paris begab er sich weiter nach London, mit ihm einer seiner treuesten Anhänger, General Dorregaray (ca. 1820-1882), der sich aber insgesamt gesehen nicht als glücklichste Wahl des Don Carlos herausgestellt hatte. Er hatte schon im ersten Carlisten-Krieg gegen die spanische Regierung gekämpft, aber danach die Fronten gewechselt - im Dienste der Regierung fiel er durch Tapferkeit, aber auch (als höherer Polizei-Beamter in Havanna 1866-68) durch Bestechlichkeit auf. Im Dienste von Don Carlos zeigte er sicher mehr Tatkraft und Unternehmungsgeist als die übrigen carlistischen Generale, abgesehen davon, daß er den Kriegsschauplatz am besten von allen kannte, aber seine Proklamation des ›Krieges ohne Pardon‹ bedeutete den Anfang vom Ende des Aufstandes, auch wenn sie sicher in Übereinstimmung mit Don Carlos erlassen wurde. In den Kämpfen von Estella wurde er verwundet; nach seiner Genesung übernahm er den Befehl über die Armee in Valencia, aber nun mußte er vor der Übermacht General Jovellars nach Navarra zurückweichen, von wo er schließlich nach Frankreich und England flüchtete.

   Jovellar8 (1819-1892) hatte ebenfalls ein bewegtes Leben hinter sich. Lange Zeit diente er als Befehlshaber auf Cuba (1842-51; 1873/74 und 1876/78), wo er 1878 den zehnjährigen blutigen Aufstand gegen die spanische Herrschaft siegreich beendete. Während des Carlisten-Krieges kommandierte er eine Armee und wurde sogar Kriegsminister, spä-


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ter brachte er es noch zum Generalgouverneur auf den Philippinen. May hat sich hiermit ganz sicher den bedeutendsten General der regulären spanischen Regierung für seine Erzählung ausgewählt. Die Gitana beförderte er zu seiner Tochter, zur Tochter unseres verdienten Generals, den Ihr [die Carlisten] haßt und fürchtet und ihn deßhalb durch den Raub seines Kindes schädigen wolltet (S. 828), was May wohl erst recht die Gunst der Leser eintrug, da über Militärs wie Jovellar mit Sicherheit zu Mays Zeiten viel in den Zeitungen zu lesen war, aus denen May vermutlich auch seine Informationen bezogen hat, die er geschickt in sein Abenteuer einfließen läßt.

   Man hat May von verschiedenen Seiten immer wieder die Zahl der in seinen Werken vorkommenden ›Leichen‹ vorgerechnet. Die Erzählung ›Der Gitano‹ zeigt abermals, daß May (leider!) durch die Realität gerechtfertigt, ja im Grunde sogar überboten worden ist.

   Für seine Leser war wahrscheinlich besonders spannend, zumindest hat es May sich so gedacht, daß er nicht etwa ›normale‹ Spanier in die Rolle seiner Helden schlüpfen ließ, sondern Zigeuner, die zu Mays Zeiten und vorher immer wieder romantisiert worden waren.



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Die Darstellung der Zigeuner im ›Gitano‹ ist überwiegend positiv; wo Negatives anklingt, macht May allerdings nicht immer deutlich, daß es sich dabei um Vorurteile handelt, sondern es gehört zu seiner Strategie, die Herkunft der vorgeblichen Zigeuner im Lauf der Erzählung zu verwischen. Unterwegs hatten sich uns zwei Gitani (Zigeuner) zugesellt, welche fast meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen ... Beide waren von außerordentlicher Schönheit und zeigten jene stolze, imponirende Haltung, durch welche sich der Bewohner Neukastiliens so außerordenlich [sic] empfiehlt. Ganz besonders fiel mir die achtungsvolle Sorglichkeit auf, welche der Gitano für seine Begleiterin zeigte und mit welcher er ihr den beschwerlichen Ritt auf dem steilen, holprigen Saumpfade zu erleichtern suchte. Wenn sein dunkles Auge forschend auf ihrem leichtgebräunten Angesichte ruhte, so antwortete ihm jedesmal ein leises Lächeln... (S. 823)

   An anderer Stelle wird gesagt: Der Gitano Spaniens ist ein stolzer Gesell, mit dem sich sein vagabundirender Verwandter in Ungarn nicht messen kann; aber in der Haltung, den Zügen, dem ganzen Wesen dieses jungen Mannes lag etwas so Distingirtes, so Achtunggebietendes, daß es mir schwer wurde, mir ihn als einen Angehörigen jenes Stammes zu den-


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ken, welcher zur ewigen Heimathlosigkeit verdammt zu sein scheint. (S. 823) Hier wird der Leser zum ersten Mal darauf hingewiesen, daß es sich beim Gitano möglicherweise doch nicht nur um einen Angehörigen der Zigeuner handeln mag.

   Das Auge des Carlisten-Offiziers gleitet mit verächtlichem Ausdrucke über die beiden Zigeuner (S. 824), und der gefangene Leutnant ruft mit Blick auf die Zigeuner (wenn auch nicht ehrlich gemeint, sondern aus List): »Wollt Ihr mich wirklich zu solcher Gesellschaft verurtheilen?« »Geht nur immer zu! Sie ist ehrenwerth genug für einen Mann, dem die Kugel bestimmt ist.« (S. 825) Dabei fällt dem Erzähler die Ähnlichkeit zwischen dem Leutnant und dem Gitano auf - wieder ein Hinweis darauf, daß der ›Gitano‹ doch nicht von Zigeunern abstammt.

   Durch sein tapferes Verhalten, vor allem bei der Verteidigung der Gitana und im Kampf um die Befreiung, hebt sich der Gitano hervor. Erstaunt blickte der Offizier den jungen Mann an, welcher vor ihm stand, nicht als befinde er sich in Fesseln und gehöre einem zurückgesetzten Volksstamme an, sondern als sei er hier Herr und Gebieter... (S. 827). Und als er besiegt ist, ruft er: »Ein Offizier nimmt keinen Pardon von einem Zigeuner«, worauf der Gitano merkwürdigerweise bestätigt: »Das ist wahr; aber von dem Lieutenant Milio de Algora könnt Ihr ihn nehmen. Ist Milio de Algora (bei Alcora fand übrigens 1875 eine Schlacht statt, bei der General Dorregaray ein zweites Mal verwundet wurde) ein Gitano? Noch zweifelhafter wird die Abstammung, als er zu der Gitana sagt: »Hier, Donna Elvira, stelle ich Euch meinen Bruder Ramirez vor ... Er hat lange Zeit in Granade, dem Paradiese der Zigeuner gestanden und wird meiner Ansicht beistimmen, daß er heut die schönste der Gitano's begrüßen darf.« Diese erklärt: »... und ich bitte, Euch mit Euren Bruder zu vereinen, um die arme, flüchtige Zingarietta (Zigeunermädchen) zu ihren Eltern zu bringen...« (S. 828) Damit bleibt es allerdings dabei: die Tochter des Generals ist offenbar eine Zigeunerin. Anders bezüglich des Gitano: Als er dem Mulero Entschädigung bietet, blickt dieser (e)rstaunt und zweifelnd ... den Zigeuner an. Es war ihm unbegreiflich, daß er, der arme Gitano, so sprechen konnte. (S. 828) Und als ihm gesagt wird, daß der Zigeuner aus dem Geschlecht der Algora stamme, faßt er sich an den Kopf: »Aber wie konnte ich nur so dumm sein und Euch für einen Gitano halten. Diego, hast Du schon einmal eine solche Unklugheit an Deinem Freunde ... bemerkt?« (S. 828) Damit scheint die nicht-zigeunerische Herkunft des Gitano erwiesen, aber seine Begleiterin, die Tochter des Generals, wird noch im letzten Satz der Erzählung als Gitana bezeichnet. Am Ende bleibt die Herkunft der beiden Gitanos also offen.


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   May ist bei seiner Verschiebung der Abstammung seiner Helden der literarischen Tradition treu geblieben. In der Novelle ›Carmen‹ von Prosper Merimee (1846), Vorlage für die 1875 in Paris uraufgeführte Oper von Georges Bizet, ist die Hauptgestalt Carmen auch keine echte Zigeunerin, aber da sie bei Zigeunern aufwuchs und in ihren Traditionen erzogen wurde, erscheint sie um so mysteriöser. Und in der ›exemplarischen Novelle‹ ›La Gitanilla‹ von Miguel de Cervantes (1613) stellt sich ebenfalls heraus, daß das Zigeunermädchen Preciosa in Wirklichkeit eine im Kindesalter geraubte Adlige ist; ihr jugendlicher Verehrer, der unter den Zigeunern lebt, um Preciosas Liebe zu gewinnen, und dabei zu einem der ihren wird, ist auch ein adliger Nicht-Zigeuner. Weiter unten wird auf die literarische Tradition und ihre Spuren in Mays Werk noch näher einzugehen sein.

   Daß May ausgerechnet spanische Gitanos zu Hauptfiguren seiner Erzählung machte, hat aber sicher noch andere Gründe: sie unterschieden sich stark (wie May es auch andeutet) von den übrigen Zigeunern, sowohl in ihren Dialekten wie auch in ihrem Äußeren. Sie stellten etwas Besonderes dar, und um ihre Herkunft hat man sich im letzten Jahrhundert vielfach gestritten.9 Die These, daß sie von den Guanchen, den Ureinwohnern der Kanarischen Inseln, abstammten, kann man zwar getrost fallen lassen, aber dennoch ist mit ihrer Herkunft manches Rätsel verbunden. Offenbar wanderten sie nicht über Europa nach Spanien ein, sondern über Afrika, und das Wort ›Gitano‹ ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine Entstellung des Wortes ›Egyptanes‹ - sie kamen tatsächlich aus Ägypten und sind seit Mitte des 15. Jahrhunderts in Spanien nachgewiesen (ihre ursprüngliche Heimat war natürlich wie bei den anderen Zigeunern auch Indien). In Spanien vermehrten sie sich sehr stark und standen in sehr schlechtem Ruf. Ihr vagabundierendes Leben führte zu verschiedenen Versuchen, sie seßhaft zu machen; Ausweisungsbefehle wechselten mit Anweisungen, sie in Dörfer zu zwingen; dazu kamen Berufsverbote und Verfolgungen; zu gewissen Zeiten waren sie für vogelfrei erklärt, und ihre Muttersprache wurde verboten. Am ›schwarzen Mittwoch‹ der spanischen Geschichte, am 20. 7. 1749, wurden alle greifbaren Gitanos zusammengetrieben, um sie zu vernichten - 9000 bis 12000 Personen sollen damals getötet worden sein.10 Erst 1783 besserte sich die Politik, aber viele Gitanos verließen das Land und wanderten nach Südamerika aus, obwohl sie - wie die meisten Zigeuner - das Meer verabscheuten.

    Die Männer unter den Gitanos sind zumeist schlank und gut gewachsen; die Zigeunerinnen selbst sind offenbar nicht immer so schön, wie man es von ihnen im Gedenken an Carmen, Flamenco usw. vermutet,


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aber was die schönen anbelangt, gelten sie in ihrer Wahl ihres Liebhabers als sehr anspruchsvoll. Dafür zeigen sie ihm außerordentliche Anhänglichkeit und schlagen sich mit ihm durch jede Gefahr. Umgekehrt können die Gitanas auch von ihren Männern jede Hilfe erhalten, wie überhaupt die Hilfsbereitschaft untereinander bei den Gitanos besonders wertgehalten wird. Insofern hat May das Verhältnis zwischen Gitano und Gitana richtig getroffen. Allerdings läßt sich folgende Beschreibung der Gitanos mit seiner Schilderung weniger in Einklang bringen: »Ihre Gesichter haben einen dunklen, braunen Teint, immer dunkler als der der Einwohner, mit denen sie leben. Ihre Augen, diese merkwürdig schrägen, großen und schwarzen Augen, sind von dichten Wimpern umschattet. Ihr Blick kann mit dem eines Raubtieres verglichen werden; man nimmt in ihm zugleich Mut und Ängstlichkeit wahr und er verrät auf diese Weise den Charakter des Volkes, das zugleich schlau und frech ist, immer aber Prügel fürchtet.«11 Eher ist Mays Schilderung des Gitano vergleichbar mit Cervantes' Sätzen in ›Gitanilla‹: »Unsern Mut fesseln weder Stricke, noch schüchtern ihn Fußblöcke ein, noch ersticken ihn Daumenschrauben, noch bändigt ihn der Pranger.«12 Der französische Baron Charles Davillier, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine ›Reise durch Spanien‹ unternahm, notierte: »Die Zigeunerfrauen sind schlank, geschmeidig und verstehen es, sich auf eine unnachahmliche Art in den Hüften zu wiegen. Einige sind von auffallender Schönheit, mit großen, schräggestellten Augen und schelmischem Blick, pechschwarzem Haar und Zähnen so weiß wie Elfenbein.«13 Noch heute herrscht in Spanien die Ansicht, die auch aus dem Verhalten von Mays Gitano spricht, daß ein Zigeuner seine Frau verteidigen müsse, notfalls bis in den Tod.14

   Durch einen literarischen Kunstgriff hat May in seiner Erzählung die Konturen der Herkunft seiner Zigeunerhelden verwischt. Seine sich darauf beziehenden Hinweise wurden in dieser Ausführlichkeit zitiert, weil sie insgesamt ein Bild von seiner Vorstellung von den Zigeunern zeichnen. Es zeigt sich, daß er die zigeunerische Abstammung nicht negativ bewertet; er hat allem Anschein nach versucht, die Zigeuner aufzuwerten, sie den Nicht-Zigeunern gleichzustellen. Aus dem einfachen Gitano wird ein tapferer Offizier (noch dazu aus altem Adelsgeschlecht, was zu Mays Zeit noch erheblichen Wert hatte); die Zingarietta erweist sich als Tochter eines Generals. Während sich diese Metamorphose vollzieht, verändert sich auch der Erzähler: vom stillen Beobachter zum mehr oder minder entschlossenen Mitstreiter. Vertreter einer verachteten Volksgruppe werden den übrigen Gruppen ebenbürtig, das ›Ich‹ wird parallel dazu den anderen Helden gleichwertig. May


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stellt sich auf die Seite der Verachteten. Indem er sie ›emporhebt‹, hebt er auch sich, analog, wie es schon einmal bezüglich seiner Darstellung der Apachen geschildert wurde.15 Er nimmt Partei für die Verachteten, weil er sich selbst verachtet fühlte; und er verschiebt die literarische Auseinandersetzung mit seinen persönlichen Problemen ins Exotische. Ist nicht zuletzt der ›Gitano‹ ein Symbol dafür?! - Der Gitano schenkt am Schluß der Erzählung dem ›Ich‹ einen wertvollen Hengst für den Weiterritt. Unwillkürlich erinnert man sich der Situation: Swallow ... spitzte die kleinen Ohren, in der etwa zeitgleich entstandenen zweiten Erzählung ›Aus der Mappe eines Vielgereisten‹, »Old Firehand‹,16 die in noch ferneren exotischen Gefilden angesiedelt ist: das Erzähler-Ich besteigt das Pferd der Exotik: Pegasus beginnt sich ins Phantasie-Reich aufzuschwingen. - Hat nicht auch dieser Erzähler seinen Hengst geschenkt bekommen - von Winnetou?

   Mag sein, daß hiermit in Mays Erzählung zu viel hineininterpretiert wird. Aber sicher hätte May seinen Ohren und Augen nicht getraut, wenn er schon damals erfahren hätte, was kurz vor dem Ersten Weltkrieg als Theorie auftauchte: Der Marquis de Baroncelli, der mit vielen Gitanos in der Provence Freundschaft pflegte, fand große Ähnlichkeiten zwischen ihnen und den nordamerikanischen Indianern, speziell den Sioux und Irokesen. Auch Buffalo Bill Cody, den er zu den Wallfahrten der Zigeuner in die Provence einlud, entdeckte die Analogien. Und Baroncelli stellte die Theorie auf, daß Fellachen, Basken, Gitanos und Indianer alle dergleichen Abstammung seien.17 Natürlich war das nur Spekulation und Dichtung, aber May hätte sie 1875 bestimmt gefallen ...



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Im Verlauf der Zeit hat May seine Abenteuer in exotischere Gegenden verlegt; die Zigeuner spielten in seinen späteren Reiseerzählungen überhaupt keine Rolle mehr, sieht man von ein paar kurzen Hinweisen ab.

   In seinem ›historischen Roman‹ ›Der beiden Quitzows letzte Fahrten‹ ist von dem fremden Volke (den Zigeunern) die Rede, »welches aus Egypten oder Indien zu uns gekommen ist und allerlei geheimes Wesen treibt«: »... wenn sie ein Pferd lähmen wollen ... stechen (sie) ihm eine Nadel in den Fuß.« In diesem Fall haben die Übeltäter - nicht notwendigerweise Zigeuner - die Nadel in den Fuß des Pferdes gestochen, um einem hübschen Fräulein das Entkommen ganz unmöglich zu


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machen.18 Viele Jahre später erwähnt May diesen Trick der Zigeuner noch einmal, nämlich in seinem Reiseerlebnis ›In den Schluchten des Balkan‹: »Zigeuner pflegen zuweilen dieses Mittel anzuwenden. Findet man die Nadel nicht, so hält man das Pferd für unheilbar und verschleudert es.«19

   Tatsächlich spielten Pferde bei den Zigeunern eine bedeutende Rolle, was z. B. darin zum Ausdruck kam, daß sie niemals einem anderen wünschten, er möge glücklich leben, sondern zu ihm sagten: »Ihre Pferde mögen lange leben.«20 Und May vermerkt auch ganz richtig: »Ich habe davon gehört, daß die Zigeuner oft die besten Pferdeschmiede sind.«21 Vielfach wurde das Pferd zum geheiligten Tier, und es war mit Sicherheit der beste Freund des Zigeuners, das von ihm so gut behandelt wurde wie ein menschliches Wesen: ein Zigeuner ohne Pferd sei, so hieß es, kein echter Zigeuner. Andererseits war der Zigeuner auch ein derber Roßtäuscher, und das Pferd war ihm beliebtes Handelsobjekt. Mit großer Kunst und vielen Tricks pflegten die Zigeuner Pferde vor dem Verkauf zu ›frisieren‹;22 aus müden Gäulen machten sie mit vielerlei Kniffen feurige Rosse, und kaum einen gab es, der nicht von ihnen über's Ohr gehauen wurde. Sie machten angeblich auch Vieh scheinkrank, um es dann zu heilen,23 und daß sie auch beim Pferdekauf Tricks anwandten, um das begehrte Tier ›wertloser‹ zu machen, so daß es, wie May schreibt, verschleudert wurde, liegt nahe - May ist hier sicher keinem Vorurteil aufgesessen.

   In ›Der Ölprinz‹ findet man dagegen die Bemerkung: ... so wie hier in Deutschland die Müßiggänger nach einem Zigeunerlager laufen ...,24 die darauf hindeutet, daß bei den Leuten die Meinung herrschte, dort gäbe es stets etwas Außergewöhnliches zu sehen. Interessanter ist folgende Stelle, die ein typisches Vorurteil gegen die Zigeuner wiedergibt, das bis zum heutigen Tag nicht verschwunden ist: In der Erzählung ›Der Kutb‹, in der eine Kindesentführung eine wesentliche Rolle spielt, heißt es: »Von Zigeunern hat man gehört, daß sie Kinder rauben, von Beduinen aber nicht.«25 Viel früher hat May diesem Vorurteil in einem seiner Romane direkt widersprochen: »Aber sage mir vorher, ob es wahr ist, daß die Zigeuner so schlimme Leute sind. Die Tanten sagen, daß sie sogar Kinder stehlen. » »Nein, das ist nicht wahr. Die Zigeuner sind so arm, daß sie froh sind, wenn sie gar keine Kinder haben. Und wenn einmal Einer etwas Böses thut, so sind die Andern doch nicht schuld daran.«26 Die Handlung in diesem und in anderen Frühwerken Mays, in denen Zigeuner teilweise sogar eine zentrale Rolle spielen, läuft dieser Aussage allerdings konträr; hier wimmelt es nur so von Kindesvertauschungen und Kindesrauben, aus denen diese Erzählun-


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gen einen Teil ihrer Spannung, ihrer Geheimnisse und Rätsel, ihres Zaubers und ihrer Exotik, kurzum ihres Kolportagehaften, beziehen.

   Sowohl in dem ›Kolportage‹-Roman ›Der Weg zum Glück‹27 wie auch im ›Waldröschen‹28 hat May den Zigeunern eine wichtige Rolle zugeschrieben, und er lieferte in summa ein Bild dieser Volksgruppe, wie es um diese Zeit verbreitet war und sich selbst in damals erscheinenden Enzyklopädien widerspiegelte.29



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In ›Der Weg zum Glück‹ begegnen wir dem an körperlichen und geistigen Gaben reichen Naturburschen Fex, wohl einer wunschtraumhaft erhöhten Selbstdarstellung Mays, wie auch die Ähnlichkeit seiner Beschreibung (S. 152) mit der des jungen May erweist.30 Er heißt eigentlich Curty von Gulijan und erfährt erst im Lauf der Geschichte von seiner adligen Abstammung. Seine Leidenschaft gehört der Musik, dem Violinspiel, und wenn er auch anfangs Knechtsdienste verrichten muß, so wird aus ihm schließlich mit Hilfe König Ludwigs II. ein gefeierter Musiker. Fex nun - und das wird gerade dadurch interessant, daß er eine Maysche Selbstspiegelung darstellt - ist unter den verachteten Zigeunern aufgewachsen, über die denn auch der Leser nicht sonderlich positiv informiert wird: »Vagabunden sinds« (S .1306), heißt es an einer Stelle noch harmlos; an anderer kommt es krasser: »Die Zigeuner mausen doch wohl alle?« »Alle! Das ist ihnen angeboren. Der Zigeuner hält eben den Diebstuhl nicht für ein Verbrechen, sondern einfach für ein Vergnügen, welches sich der Kluge macht, den Dummen zu übervortheilen.« (S. 1496) - »Der Zigeuner hat keine Brüder. Er liebt nur Den, von dem er Liebe erhält, und er haßt selbst seinen Bruder, wenn dieser es verdient.« (S. 1494)

   »Ausdauernde und geregelte Beschäftigung sind dem Z. ein Greuel; Nichtsthun sein wahres Element«, weiß der ›Brockhaus‹ 1887 zu berichten:31 »Darum lebt er lieber von fremder Arbeit als von eigener, legt sich auf allerhand Betrug und Täuschereien, wie z. B. im Roßhandel ...; auch auf Diebstahl, jedoch zumeist nur den kleinen, weil minder gefahrbringend.« Und bei ›Pierer‹ 1879 liest es sich so: »Bewundernswerth sind seine Selbstbeherrschung in Bezug auf Geheimhaltung seiner Gesinnungen u. Absichten, seine Gewalt über Mine und Geberde, sowie sein Nachahmungstalent. Obgleich Furcht u. Feigheit ihn beherrschen, wird er leicht frech u. unverschämt, unter Umständen aber gleich wieder höflich u. sogar kriechend. Er ist sehr begehrlicher Natur, üppig u. verschwenderisch, aber auch der größten Entbehrungen


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fähig. Tabak u. Spirituosen liebt er leidenschaftlich; selbst die Weiber u. Kinder rauchen. Außerdem sind Arbeitsscheu u. Faulheit, Leichtsinn, Lügenhaftigkeit u. Grausamkeit seine gewöhnlichen Fehler, wogegen man ihnen Dankbarkeit u. Anhänglichkeit an Wohlthäter, eheliche Treue, überhaupt strenge geschlechtliche Sittlichkeit nachrühmt, obwohl letztere Eigenschaft auch wieder bestritten wird. Diebereien sollen sie nur im äußersten Nothfalle begehen. Vor schweren Verbrechen hüten sie sich. Kamen dergleichen zuweilen vor (bes. Brandstiftungen), so waren es stets nur Racheacte für erlittene Mißhandlung, Verfolgung, Schimpf ec., u. sie wurden in den allermeisten Fällen nur von entarteten Weibern ausgeübt. Es wird ihnen aber beharrlich nachgesagt, daß sie fremde Kinder stehlen, während sie ihre eigenen Kinder ohne Weiteres verhandeln, wenn ein gutes Stück Geld dabei zu verdienen ist.«32

   Verfolgt man Mays Roman, drängt sich der Eindruck auf, als habe May die hier geschilderten angeblichen Eigenschaften auf die beiden Zigeuner, denen er in einer Teilhandlung eine zentrale Rolle zuweist, überschrieben oder sie sogar auf sie aufgeteilt: die negativen auf Barko alias Usko, die positiveren, dabei aber doch zwiespältigen, auf dessen Bruder Jeschko:

   Ein magerer, abgetriebener Gaul hatte einen Wagen gezogen, wie sie bei sogenannten herumziehenden Künstlern gebräuchlich sind - die Leute pflegen gleich darinnen zu wohnen. Ein junger, ziemlich verlumpter Kerl führte das Pferd. Hinter dem Wagen schritt ein älterer Mann einher, welcher einen abgeschabten, ungarischen Schnürrock aus Sammet anhatte. Sein Gesicht war tief gebräunt und hatte den ausgesprochenen Zigeunertypus. Er beaufsichtigte zwei große, magere Ziegenböcke und mehrere ebenso magere Hunde, welche dem Wagen folgten. Das Ganze machte einen ziemlich herabgekommenen Eindruck. Außerdem gehört noch ein Bär zu der Fuhre, »welcher erstaunliche Kunststücke kann« und »so zahm wie ein Kanarienvogel (ist).« Der Zigeuner sagt von sich, er sei »Akrobat und Equilibrist«, d. h. »Künstler ... auf dem Seile und auch in andern Productionen.« (S. 735) So stellt May Jeschko vor, der direkt dem ›Brockhaus‹ oder dem ›Pierer‹ entnommen scheint, wo es heißt: »( ... ) und die geringen Habseligkeiten, wie Kochgeschirr und einiges kümmerliche Handwerkszeug, doch dazu häufig ein silberner Becher, werden durch ein schlechtes Pferd, durch einen Esel oder auf dem eigenen Rücken mitgeführt ( ... ) Indes treibt er vielfach auch leichte Gewerbe, wenngleich diese ihm und den Seinigen oft nur den Vorwand hergeben zu ungestümem Betteln oder sonstigen Erpressungen. Einige sind Gastwirte, Viehärzte, Schmiede, Kessel- und Pfan-


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nenflicker; andere fertigen verschiedenes Geräte von Holz, z. B. Löffel, Mulden, Tröge, Siebe u.s.w.; wieder andere ziehen als Affen- und Bärenführer oder als Gaukler umher ( ... )«33 Und ›Pierer‹: »Unsauberkeit u. zerlumptes Wesen, das die Z. gewöhnlich zeigen, hängt ebenfalls mit ihrer wandernden Lebensart zusammen ( ... ) Sporadisch finden sie sich ( ... ) ansässig in Siebenbürgen, Rumänien, Bulgarien ec., wobei aber die ärmeren Familien oder ein Theil derselben dem Wanderleben fröhnen ( ... ) Unter den Erwerbszweigen der Z. nimmt die Musik, für welche sie ein eigenthümliches Talent haben [so auch der Zigeuner-Zögling Fex! E. K.], die erste Stelle ein ( ... ); dann sind sie geschickt als Schmiede, bes. als Hufschmiede, Schlosser, Kesselflicker, Roßärzte, Seiltänzer, Kunstreiter ec.; auch treiben sie als Traumdeuter, Schatzgräber u. Wahrsager ihr Spiel u. verkaufen Geheimmittel gegen Viehseuchen, Mißernten u. Feuersgefahr.«34

   Jeschko stammt vom Balkan, wo er ein wanderlustiges Leben führt. Während sein älterer Bruder Barko, der sich später Usko nennt, bei Slatina seine Hütte hat und als Hirt bei den Heerden des Barons von Gulijanarbeitet, zieht Jeschko als Scheerenschleifer im Lande herum und verdient sich nebenbei durch allerhand Kunststücke und Productionen ein schönes Geld. Er kann nach den Verhältnissen, in denen ... (die) Zigeuner leben, für wohlhabend gelten. (S. 1496) Jeschko heiratet, aber seine Frau betrügt ihn mit seinem Bruder Barko, den May ausgesprochen unsympathisch schildert: Der Kerl schien einer jener Slavonier zu sein, wie sie als Drahtbinder und Blechhändler allüberall herumziehen. Er hatte enge Hosen an, einen kurzen Mantel übergeworfen und ein schmalkrämpiges Hütchen auf. Er trug eine Anzahl Töpfe, Tiegel, Reibeisen, Mausefallen und anderes Draht- und Blechgeschirr auf dem Rücken. Seine Haare hingen wirr und lang bis auf die Schultern herab, und sein Aussehen war so schmutzig und verwildert, daß man sich leicht vor ihm fürchten konnte. (S. 1281) Und an anderer Stelle: Usko liebte es nicht, zu arbeiten. Er gewann seinen Unterhalt auf eine ganz andere Weise und trug das Gewerbe eines Topfeinstrickers und Blechwaarenhändlers nur aus gewissen Gründen zur Schau. (S. 1306)

   Barko ist in verschiedene Verbrechen verstrickt. Daß er seinen Bruder betrügt, ist schlimm genug, aber er schreckt auch vor Kindsraub und Brandstiftung nicht zurück. Diese Untaten werden aber von May relativiert - die eigentlichen Bösewichter sind nämlich zwei deutsche Müller, und Barko ist allenfalls ein Helfershelfer dieser Verbrecher:

   Bei Slatina, wo Barko und Jeschko leben, steht das Schloß des Barons von Gulijan, zu dem auch zwei Mühlen gehören, betrieben vom Ober- und Untermüller. Diese verlieben sich beide in die Schloßherrin;


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der Obermüller, der der Baronin sogar eine Liebeserklärung macht, wird deswegen vom Baron zur Rede gestellt und geschlagen, worauf ihn der Müller ermordet. Diese feige Tat erlebt Jeschko mit, aber da er selbst als Wilddieb dem Müller bekannt ist, muß er das Geheimnis für sich behalten. Nach dem Mord überfallen die beiden Müller die Baronin und stehlen eine beträchtliche Summe Goldes aus der Schloßkasse. Barko als ihr Verbündeter zündet das Schloß an, um den Diebstahl zu vertuschen, und raubt den kleinen Baronssohn. Jeschkos Frau, d.h. Barkos Geliebte, die als Amme bei der Baronin gedient hat, nimmt das Kind zu sich und wird seine Ziehmutter. Die Baronin kommt bei der Feuersbrunst ums Leben. Nach langen Jahren schlägt den Müllern die Stunde der Rache: Jeschko, der seinem Bruder im Zorn die Nase einschlägt und später auf ihn schießt, bringt die Mörder mit Unterstützung deutscher Freunde zur Strecke. Er fühlte sich lange Zeit als Brudermörder, aber dann erfährt er, daß Barko den Anschlag überlebt hat (»Freilich bedarf es da einer ganz außerordentlichen Pflege. Aber die Zigeuner verstehen sich auf Wundbehandlung.« (S. 1501)). Jeschko führt Barko am Ende der Erzählung der gerechten Strafe zu.

   Das von Barko geraubte Kind, das von Jeschkos Frau aufgezogen wird, ist Fex. Er gibt sie selbst König Ludwig gegenüber als seine Mutter aus, obwohl er erkannt hat, daß sie nicht seine wirkliche Mutter ist: »Meine Muttern war weiß im Gesicht und hat Haare gehabt, wie ich so blond, und Augen wie der Himmel. Diese hier aber hab ich nicht anders als Südana genannt und bin mit ihr aus einer weiten Ferne herkommen.« (S. 234) Zu seinem Entsetzen hat Fex miterlebt, wie der Untermüller, der als Talmüller ein neues Leben angefangen hat, Südana ermordete, und bitter beklagt er, daß man ihr die geweihte Erde versagt habe, »weil sie eine Heidin gewesen ist, eine Zigeunerin. Darum ist sie eingescharrt worden da, wo sie verhungert und verfroren ist.« (S. 228) Noch die tote Südana ist schön: Es war eine Frau, welche wohl nicht über dreißig Jahre alt geworden war, aber doch älter erschien, denn ihre Züge zeigten den Typus der Zigeuner, deren Frauen ja bekanntlich sehr schnell altern. Sie hatte die braunen Hände unterhalb der Brust gefaltet, und ein seltener Reichthum schwarzen Haares floß ihr vom Scheidel über die Wangen herab bis faßt auf die Füße, sie einhüllend wie in einen Mantel. Eingehüllt war die Gestalt in ein altes Bettuch, welches oft geflickt war und trotzdem noch viele Risse und Löcher zeigte. (S. 227)

   »Die Z. haben ein orient. Äußere, sind von mittlerer Größe, dabei schlank und gewandt, und zeichnen sich durch schwarzbraune oder olivenähnliche Hautfarbe, blendendweiße Zähne, kohlschwarze Haare und blitzende Augen aus«, weiß der ›Brockhaus‹35 zu berichten, und


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›Pierer‹ konstatiert: »Ihrem Äußeren nach sind sie von mittlerer Größe, schlankem, wohlgebildetem Körperbau, die Männer durchschnittlich schöner als das weibliche Geschlecht, bei dem wirkliche Schönheit allerdings nicht ganz selten ist, aber fast nur bei dem unverheiratheten Theil gefunden wird. Haar u. Bart sind glänzend schwarz, die Haut olivenfarben, die Lippen fein geformt, die Augen dunkel u. feurig. Die Frauen entwickeln sich schnell und verblühen auch ebenso bald ( ... )«36

   Fex heiratet am Ende Paula, die Tochter des Talmüllers, wie sich der Untermüller zur Verbergung seiner Vergangenheit genannt hat; er trägt mit dazu bei, die Verbrecher zu entlarven, und wird selbst, wie schon erwähnt, am Ende ein gefeierter Musiker - fast möchte man sagen, damit wird er - als Nicht-Zigeuner, aber von Zigeunern erzogen - schließlich sogar noch ein ›echter Zigeuner‹: »Zur Musik«, heißt es im ›Brockhaus‹, »zeigen sie die ungewöhnlichste Anlage und spielen oft nur einmal Gehörtes mit großer Präcision nach ( ... ) Ungarn und die Donaufürstentümer zählen (die letztern aus der ansässigen Klasse, welche Vatrassi heißt) unter den Z. mehrere ausgezeichnete Virtuosen, besonders für Nationalmelodien und für Tanzmusik, welche auf den Bällen sehr gesucht ist und selbst in Berlin und London Anerkennung gefunden hat.«37

   So hat May zwar - wie die Gegenüberstellung der Zitate zeigt - das Bild umgesetzt, das seine Zeit von den Zigeunern hatte, er vermittelt die ›Informationen‹, die über dieses Volk im Umlauf waren, und er zeichnet sie gemäß diesen Vorstellungen, Wahrheiten und Halbwahrheiten und Vorurteilen recht zwiespältig. Doch wird der negative Eindruck, den er erzeugt, wettgemacht durch die Quintessenz: Die eigentlichen Übeltäter und Verbrecher sind Deutsche, ein ›relativ ehrbarer‹ Zigeuner hilft bei ihrer Entlarvung, und der geraubte Fex hält seine Zigeuner-›Mutter‹ in hohen Ehren; sein Aufwachsen bei diesem Volk gereichte ihm nicht zum Nachteil, eher im Gegenteil. Ob Mays Leser diese Fingerzeige richtig aufgenommen und gedeutet haben, bleibe dahingestellt; wahrscheinlich sind sie lediglich der Kolportage-Atmosphäre seines Romans verfallen.

   In einem früheren Lieferungsroman hat May die Rolle der Zigeuner sogar noch geheimnisvoller dargestellt, nämlich im ›Waldröschen‹. Aber bevor darüber ein paar Worte gesagt werden, müssen an dieser Stelle einige Hinweise auf die Zigeuner selbst, auf ihre Geschichte und Kultur gegeben werden, wobei spezielle Einzelheiten weiter unten im Zusammenhang mit Mays Schilderungen noch zur Sprache kommen werden.


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Als ich vor ein paar Jahren einen Vortrag über die merkwürdige Freundschaft hielt, die sich vielfach zwischen deutschen Immigranten in Nordamerika und dort ansässigen Indianerstämmen, vor allem während der Kolonialzeit, entwickelte, und dabei auch auf die Grausamkeiten der Weißen den ›Rothäuten‹ gegenüber zu sprechen kam, wurde mir von einer Zuhörerin entgegnet, die Deutschen hätten ›ihre Indianer‹ in den Zigeunern gehabt. Ich wies das, abgesehen von der Verfolgung der Zigeuner unter den Nationalsozialisten im Dritten Reich, insgesamt als nicht zutreffend zurück. Tatsächlich lehrt aber die Geschichte, daß der Hinweis aus dem Auditorium - bei allen unzweifelhaften Unterschieden - so unberechtigt nicht war. Natürlich waren die Zigeuner im Gegensatz zu den Indianern ›Zugewanderte‹, und es gab auch keine Zigeuner-Aufstände in der Art wie Indianerkriege. Aber die Zigeuner sind auch in Deutschland - jahrhundertelang - heftigen Verfolgungen ausgesetzt gewesen, und die Versuche, sie zu zivilisieren, gemahnen an die Zwangsseßhaftmachung der Indianer einschließlich aller ›sozialen‹ Maßnahmen, von denen das Wegnehmen von Kindern, um diese an die weiße, europäische Lebensweise zu gewöhnen, sie europäisch zu erziehen, nur ein Beispiel ist, das Indianer wie Zigeuner gleichermaßen traf. Und auch heute sollte man nicht nur mit dem Finger auf die Amerikaner deuten und ihre Politik den einstigen Herren des Landes gegenüber anklagen, sondern man sollte sich auch die Mühe machen, die Lebensweise und Schicksale von Zigeunern in der Bundesrepublik von heute zu studieren, um sie als Volk zu verstehen und sich ggf. für sie einzusetzen, da sie noch immer - wie zu Mays Zeiten - zu den Verachteten zählen, auch wenn es rein juristisch gesehen keine Diskriminierung mehr gibt.38

   Von Soest, der an verschiedenen Stellen die Situation der Zigeuner mit der der Indianer vergleicht, meint sogar: »Es bleibt abzuwarten, ob unter den sich verändernden Bedingungen in der Bundesrepublik, statt des seiner Normen und Traditionen entfremdeten, alkoholkranken Indianers nicht (e)in seiner Normen und Traditionen entfremdeter, alkoholkranker Zigeuner entsteht.«39 Und das jüngst erschienene, anrührende und anklagende Buch von Luise Rinser weist in eine ähnliche Richtung.40

   Es kann im vorgegebenen Rahmen natürlich nicht einmal annähernd der Versuch gemacht werden, der Geschichte und Kultur der Zigeuner gerecht zu werden. Hierzu muß auf die Spezialliteratur verwiesen werden.41 Für die Darstellung des Bildes, das Karl May von den Zigeunern


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entwarf, kommt es ohnehin mehr darauf an, es mit Informationen oder Vorstellungen zu vergleichen, die zu seiner Zeit verbreitet waren.

   Sicher nachgewiesen ist die indische Herkunft der Zigeuner, nachdem früher lange davon ausgegangen worden war, daß sie aus Ägypten stammten. Zur Erklärung, woher das Wort ›Zigeuner‹ kommt und was es bedeutet, gibt es verschiedene Hypothesen. Am wahrscheinlichsten ist, daß es von ›acigane‹ abstammt, einem bulgarischen Wort, das über eine Abwandlung im Ungarischen ins Deutsche übernommen wurde. Das Wort ›acigane‹ geht seinerseits auf das volkstümlich-griechische ›atsinganoi‹ zurück, womit ursprünglich im byzantinischen Reich eine westkleinasiatische Sekte der ›Unberührbaren‹ bezeichnet wurde.

   Anthropologisch sind die Zigeuner mit den Dravida und Mon-Khmer verwandt. Ihre ›rassischen‹ Züge weisen auf Indien als Herkunftsland, ebenso ihr wohl u. a. vom indischen Kastensystem herrührendes umfangreiches Normen- und Tabusystem bezüglich des Zusammenlebens und der Hygienebestimmungen und vor allem ihre Sprache. Letztere wurde in den Ländern, in denen sich die Zigeuner bei ihren Wanderungen auflhielten, im Wortklang und Lehngut verändert, so daß umgekehrt Art und Reichtum an entlehnten Wörtern Rückschlüsse auf Herkunft und Wanderwege der einzelnen Zigeunerstämme zulassen. Außerdem werden nach dem Bestand an Lehnwörtern auch die Dialekte der Zigeuner eingeteilt: in die Sinti-Dialekte (mitteleuropäisch), Romani- (ungarisch) und Louwara- bzw. Kalderaschi- oder walachischen Dialekte mit rumänischem Ursprung.

   In Ostmitteleuropa traten die ersten Zigeuner wohl als Folge des Mongolensturmes auf (ca. 1260). Rund 60 Jahre später fand man sie auf Kreta als Höhlenbewohner. Ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts kamen Zigeuner nach Deutschland. Etwa hundert Jahre später (1501) wurden ihnen bemerkenswerterweise in Litauen Privilegien eingeräumt, aber schon von 1549 datiert der Beginn ihrer Vertreibung von dort. Über Polen wurden sie nach Rußland und in die Ukraine abgedrängt. Schon Anfang des 16. Jahrhunderts wurden die Zigeuner aus Württemberg vertrieben und in Spanien und in den Niederlanden verfolgt. Im 17. Jahrhundert und noch in einem Edikt 1701 (Leopold I.) wurden die Zigeuner für vogelfrei erklärt; 1760 veranstaltete man in der Pfalz noch Treibjagden auf sie.

   Der Wandel kam mit der Auflklärung. Friedrich der Große und Maria Theresia, auch Katharina II. in Rußland und Karl III. in Spanien bemühten sich um die Seßhaftmachung, Erziehung und Zivilisierung der Zigeuner (Zieh-Gauner machten Deutsche im 18. Jahrhundert ironisch daraus). Zwar versuchte man zu Anfang des 19. Jahrhunderts


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vielfach auch noch mit polizeistaatlichen Methoden die ›Zigeunerplage einzudämmen‹, aber u. a. im Zuge der verstärkten Zigeunerforschung und unter dem Einfluß der Darstellung der Zigeuner in der Literatur der Romantik entwickelte sich, vor allem in kirchlichen Kreisen, eine Zigeunerseelsorge und -fürsorge, um der sichtbar zunehmenden Verelendung der Zigeuner zu begegnen. Doch neuere preußische Wohnsitzgesetze (1842) führten zu ihrer neuerlichen Vertreibung und Verfolgung; allerdings wurden die Zeiten für sie eigentlich erst mit dem heraufziehenden 20. Jahrhundert wieder wirklich schlecht: seit 1899 wurden ›Zigeuner-Nachrichtendienste‹ eingeführt; der traurige Höhepunkt wurde mit der nationalsozialistischen Verfolgung erreicht, der in Mitteleuropa 80 000 und insgesamt zwischen 250 000 und 500 000 Zigeuner zum Opfer gefallen sind.

   Heute gibt es insgesamt 5 bis 6 Millionen Zigeuner, davon über 3 Millionen in Europa (rund 40-50 000 in der Bundesrepublik, 800000 in Spanien). Ihre traditionellen Handwerke und Berufe - sie waren Schmiede, Kunsthandwerker, Spielleute, Musiker, Straßensänger, Bärenführer, Pferdehändler, Löffelschnitzer, Messinggießer, Gelegenheitsarbeiter, Schuster, Holzschnitzer, Goldwäscher, Siebmacher u.v.a. - haben sich bisweilen in Stammesnamen niedergeschlagen. In Deutschland findet man vor allem Sinti (der Name leitet sich wohl von Sindh, einer pakistanischen Provinz, ab), die auch in Böhmen, Mähren, Österreich, Frankreich und Italien verbreitet sind. Neuerdings sind auch viele Roma (d. h. ›Mensch‹) nach Deutschland gekommen. Über ihre Lage heutzutage urteilt von Soest:

   »Zusammenfassend läßt sich die Situation der Zigeuner in der BRD in der Periode des Wiederaufbaus und des ›Wirtschaftswunders‹ wie folgt charakterisieren:

1. Zerfall der inneren Stammesstrukturen, des Normen- und Tabusystems, schwindende Autorität der Sprecher.

2. Entzug der ökonomischen Basis durch fortschreitende Industrialisierung, zunehmende Konzentration in Handel und Gewerbe [die Versuche, vom Roß- zum Schrotthändler zu werden, sind genugsam bekannt und kolportiert worden. E. K.].

3. Nach Aussage von Zigeunern sind durch die Zahlung von Wiedergutmachungsgeldern Besitzende und Besitzlose geschaffen worden; dies habe den Stammeszusammenhalt noch stärker zerstört.

4. Auf Grund der zerstörten wirtschaftlichen Grundlage müssen Hilfen nach dem BSHG [Bundessozialhilfegesetz] in Anspruch genommen werden. Die Verdrängung von der Landstraße in die Obdachlosensiedlungen der Städte ist die Folge. Dadurch ist es der traditionellen Sozial-


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arbeit möglich, in die Stammesgefüge einzubrechen. Die Wertvorstellungen der Zigeuner werden in Frage gestellt.

5. Damit einher geht die zunehmende Beeinflussung der Zigeuner durch das Kulturgut der Seßhaften: Rundfunk und insbesondere das Fernsehen, aber auch die Schule bzw. Sonderschule und die dort vermittelten Wert- und Kulturvorstellungen fördern zusätzlich die Zerstörung des sozio-kulturellen Eigenlebens.«42

   Die jahrhundertelange Verfolgung dieser Minderheit hatte zu einem starken Zusammenhalt der Zigeuner in einzelnen kleinen Stammesverbänden geführt, deren Angehörige durch Sprache und Normensystem verbunden waren. Diese Aufsplitterung, begünstigt durch ihre Absonderung, wirkt bis heute nach; sie hat auch einen übergreifenden Zusammenschloß der Zigeuner zur Vertretung ihrer Rechte erschwert. Erst 1971 wurde der Welt-Roma-Kongreß gegründet, und noch zehn Jahre dauerte es bis zur Gründung des ›Zentralverbandes Deutscher Sinti und Roma‹. So wie ihre Traditionen ihr Leben noch heute bestimmen, wenn auch in Auflösung begriffen, so sehr wirken unter den ›gadsche‹, wie die Zigeuner uns nennen, was soviel wie Bauer oder Leibeigener bedeutet und auf unsere seßhafte Lebensweise abzielt, die Vorurteile über die Zigeuner nach,43 andererseits aber auch die idealisierende Darstellung in der deutschen Romantik, von der sich auch ein Abglanz in den Mayschen Werken findet.



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Zigeuner, Gitanos, spielen, wie schon angedeutet, eine geheimnisvolle, geheimbundartige Rolle in Mays, ›Waldröschen‹. Während ihre Vertreter im ›Weg zum Glück‹ - bei allem Kolportagehaften - doch noch ›realistischen‹ Anstrich haben, ist der Hauptvertreter oder vielmehr die Hauptvertreterin der Gitanos im ›Waldröschen‹ eine bizarre, mysteriöse, beinahe schon mythische Gestalt: Zarba, die Königin der Gitanos. Sie greift mehrfach in das Geschehen auf eine Weise ein, die es dem Leser schwermacht, sie in das den Roman bestimmende Rollenspiel von Gut und Böse, den allgemeinen Kampf gegen die Falschheit, die Lüge und das Verbrechen einerseits, den Kampf um die Liebe (S. 29) andererseits, einzuordnen.

   Die äußeren Geschehnisse sind rasch erzählt, wobei auf Einzelheiten des Romaninhalts hier nicht näher eingegangen werden kann.44 Als junges Mädchen ist Zarba wunderschön. Sie verfällt Gasparino Cortejo, einem der Hauptschurken in Mays Roman (S. 317ff.), der sie nicht


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nur für seine eigenen Leidenschaften ausbeutet, sondern noch zu einer Teufelei anstiftet, deren Tragweite sie allerdings erst im nachhinein erkennt. Sie verschafft Cortejo einen Liebestrank, der der Lehrerin Wilhelmi verabreicht wird, so daß es Cortejos Herrn, dem Herzog von Olsunna, gelingt, diese gegen ihren Willen zu verführen. Einen Selbstmordversuch im Anschluß an die Tat überlebt die Lehrerin dann mit Hilfe der Heilkünste Zarbas, die sie schließlich als Freundin betrachtet. - Zarba bringt einen Sohn zur Welt: Tombi, der später in Rheinswalden bei dem Oberförster Rodenstein als Waldhüter auftritt. Fräulein Wilhelmi (später Frau Sternau) bekommt ebenfalls einen Sohn, die Hauptgestalt des ganzen Romans, nämlich Dr. Karl Sternau.

   Trotz der Demütigung durch Cortejo bleibt Zarba mit ihm in seltsamer Weise verbunden. Immer wieder übernimmt sie für ihn unliebsame Arbeiten, dabei ihm und auch dem Herzog gegenüber auf Rache sinnend, der ihre Naivität und ihre Schönheit für sich und seine Begierde ausnutzte, nachdem sich Cortejo von ihr abgewandt hatte. Eine der größten Schurkereien versucht Cortejo mit Zarbas Hilfe durchzuführen: Er verlangt von ihr, daß sie mit ihren Gitanos den erkrankten Grafen Emanuel de Rodriganda-Sevilla entführen und umbringen soll. Ebenso soll auch Sternau sterben. Aber Zarba durchkreuzt insofern Cortejos Plan, als sie den Grafen nur entführt (auf einem Leuchtturm wird er eingesperrt), und auch Sternau geschieht nichts, er wird von Zarba seit ihrer engen Verbindung mit Fräulein Wilhelmi als ihr Schützling angesehen.

   Mit ihrer geplanten Rache gegen den Herzog von Olsunna kommt Zarba allerdings nicht zum Zuge. Ihm, der sich so sehr nach seinem Sohn sehnt, will sie bewußt verheimlichen, wer sein Sohn ist, um ihn am Ende seines Lebens, als er von Krankheit heimgesucht wird, damit schwer zu treffen. Aber diese Absicht wird dem Leser gegenüber als inhuman und unbarmherzig verurteilt; dem Herzog gelingt es, das Rätsel um seinen Sohn zu lösen, und der alte Graf wird aus dem Leuchtturm befreit (S. 778, 829 u.a.). Cortejo gegenüber kann Zarba allerdings ihren Triumph auskosten: Er war überzeugt, daß seine Widersacher umgekommen seien, aber noch vor ihm erfährt Zarba, daß diese Meinung falsch ist und damit sein Kartenhaus aus Lug und Betrug zusammenbrechen wird, und sie kann ihm mit diesen Informationen Angst und Entsetzen einflößen. Cortejo erkennt, daß Zarba alle seine Geheimnisse weiß, aber es gelingt ihm nicht mehr, seinen Plan, sie zu ermorden, auszuführen - sie entkommt (S. 2179-90).

   Natürlich finden sich im ›Waldröschen‹ auch immer wieder Hinweise auf die Zigeuner, z.B. im Zusammenhang mit Zarbas Verstoßung


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durch Cortejo: daß sie aus dem fernen Indien stammten; daß ihr Volk untergegangen sei, aber dereinst in alter Herrlichkeit neu entstehen würde; daß sie über ungeahnte Schätze und Macht verfügten, speziell die Königin des Stammes, eben Zarba, die u. a. auch die Kunst des Wahrsagens beherrscht. Andererseits werden sie als verachteter Stamm bezeichnet. Cortejo beleidigt Zarba, indem er ihr vorwirft, Zigeunerinnen seien nur Huren und Bettelkinder. Besonders makaber ist bei dem Handel zwischen Zarba und Cortejo, bei dem es um die gewünschte Ermordung des Grafen geht, die Preisliste für alle möglichen Aufträge, die von Tötung über Entführung und ›Jungen oder Mädchen zur Aufbewahrung geben‹ bis Graböffnen reichen (S. 151).

   Bemerkenswert ist die stolze Äußerung eines Gitano: »Müdigkeit? Hunger oder Durst?« fragte er. »Was ficht das den Gitano an.« (S. 2180), wenn man sie mit der Information im ›Brockhaus‹ von 1887 vergleicht: »Hunger und alle Unbill des Wetters erträgt der Z. durch frühe Gewöhnung leicht und bringt es doch dabei in Gesundheit oft zu einem sehr hohen Alter. Der freie Himmel, höchstens ein Baum, eine Höhle oder schnell aufgeworfene Erdhütte ( ... ) bilden das gewöhnliche Obdach ( ... )«45

   Das Verbrechen, dem ein Liebestrank von Zigeunern Vorschub leistet, hat in Mays Roman zentrale Bedeutung. Daß sich die Zigeuner auf Heilkräuter verstanden und andererseits auch Liebestränke zu bereiten wußten, ist keine Erfindung der Romantik, sondern hat seinen realen Hintergrund.46 Die Drabarni, die Kräuterfrau, spielte in der Magie der Zigeuner eine bedeutende Rolle. Zu ihr begaben sich auch Verliebte, um von ihr Rat und Tat - z. B. in Form eines Liebestranks - zu erhalten; letzterer sollte das angebetete Wesen zur Erwiderung der Liebe bewegen. Im wedischen Indien hieß das geheiligte Kraut oder Gras bemerkenswerterweise darbha - hat May hieraus den Namen Zarba gebildet? Es mag so sein, eine andere Lösung bezüglich der Herkunft dieses Namens ist aber, wie weiter unten beschrieben, wahrscheinlicher.

   »Barocke Allegorie manifestiert sich auf der Ebene der Kolportage: die Figuren sind allegorische Personen, die Tugend und Kraft oder Laster und Schwäche darstellen, jeweils ohne Zwischentöne, ohne Abstufungen. In den Typenreihen der Guten und der Bösen lassen sich die einzelnen Merkmale jeweils austauschen ( ... )«47 Das trifft nur für eine Person nicht zu: für Zarba, und Ueding bezeichnet sie denn auch mit Recht als eine der ambivalenten Figuren Mays. In der Tat gehört sie zu den ganz wenigen Gestalten im gesamten Werk Mays, die er überhaupt ambivalent gezeichnet hat. Der Leser steht vor einem Geheimnis: Hin-


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gebungsvoll, voller Liebe begegnet ihm die junge Zarba, deren Beschreibung übrigens Ähnlichkeit mit der Südanas in ›Der Weg zum Glück‹ aufweist; aus ihr wird ein häßliches altes Weib: War das wirklich jene Zarba, deren berauschende Schönheit solches Aufsehen erregt hatte? Falte legte sich an Falte, tief und breit, lederfarben und auch lederhart. Die Nase bog sich weit nach unten, die Zähne waren verschwunden, daher war die Mundgegend tief eingefallen ... Aber die Augen waren nicht alt geworden. Sie besaßen noch die ganze Gluth und Schärfe der Jugend; in ihnen konnte es noch leuchtend aufflammen, in Liebe oder in Haß... (S. 2180) Nicht nur häßlich ist Zarba geworden, auch listig und verschlagen, heimtückisch und rachsüchtig, aber im Grunde - dessen wird der Leser immer wieder gewiß - wirkt sie für ihren Schützling Sternau und für die ›gute Sache‹, die ›Guten‹ schlechthin. Als sie Sternaus Töchterchen, dem ›Waldröschen‹, begegnet, trat (sie) zu Röschen, legte ihr die Hände wie segnend auf das schöne Lockenköpfchen, und während sich ihre Augen emporrichteten, bewegten sich ihre Lippen wie im Gebete. Das Mädchen hob die Wimpern leise und blickte verstohlen zu der Alten empor. Und als sie dieselbe so warm und innig beten sah, war es ihr als ob sie jetzt nicht mehr häßlich aussehe, sondern lieb und gut, wenn auch ein wenig recht sehr alt. Dann nahm die Frau die Hand wieder zurück, beugte (sich) freundlich herab und ... sprach: »... Merk' auf, was ich Dir jetzt sage! Ich heiße Zarba und bin der Schutzgeist der Deinen, obgleich sie mich jetzt verkennen. Ich werde Euch erscheinen zu der Zeit, welche da ist für Euch die Stunde des Glücks, für Eure Widersacher aber die Stunde der Rache.« (S. 1166)

   Kaum eine andere Gestalt in Mays Werk wechselt so sehr die Fronten zwischen Gut und Böse wie Zarba; die Rolle als ›schützende Macht‹ spielt ihre Namensvetterin noch intensiver in einem der Vorläufer-Romane des ›Waldröschens‹, nämlich in ›Scepter und Hammer‹, dem eigentlichen ›Zigeuner-Roman‹ Karl Mays, dem wir etwas mehr Aufmerksamkeit schenken müssen als seinen - bezüglich der Zigeuner-Darstellung - Epigonen ›Waldröschen‹ und ›Der Weg zum Glück‹. Die Fortsetzung von ›Scepter und Hammer‹, nämlich ›Die Juweleninsel‹, nimmt zwar die Handlungsfäden wieder auf und bringt manches zum Ende, was in ›Scepter und Hammer‹ begann, ist aber bezüglich der Darstellung der Zigeuner nicht mehr so ergiebig.



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Bevor wir uns der eigentlichen Handlung des Romans und damit der Rolle Zarbas zuwenden, wollen wir erst betrachten, wie May die


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Zigeuner, ihre Geschichte, Kultur und Religion darin schildert, und seine Darstellung mit der ›Wirklichkeit‹ vergleichen.

   Gitanos sind es, die in Mays Erzählung die Zigeuner vertreten. »Der Gitano ist ein gehetzter Hund, der sich nur wehren kann, wenn er nicht nach dem Gesetze fragt«, sagt ein Zigeuner über sein Volk (Sc 89), er »hat keine Heimath und weiß, daß nur die Fremde ihm gehört.« (Sc 234) Wie wahr diese Aussage ist, hat die Geschichte der Zigeuner genugsam bewiesen. So wundert sich auch alle Welt, als der junge Herzog von Raumburg den Befehl ertheilt, eine Zigeunerbande in das ... [Wildgehege] aufzunehmen, ihr den nöthigen Aus- und Eingang zu gestatten und es nicht zu bemerken, wenn diese Leute zuweilen ein Wildpret für ihren eigenen Bedarf verwenden sollten. Diese sonderbare Ordre hatte böses Blut unter dem sämmtlichen Aufsichtspersonale hervorgerufen. Zigeuner im Wildgehege, welches sonst auch dem höchsten Staatsbeamten, dessen Ressort sich nicht auf die Forstwirthschaft erstreckte, verschlossen blieb! (Sc 225) Natürlich geht es dem Herzog dabei darum, die junge Zarba für sich zu gewinnen - aber davon später! May hat selbstverständlich recht - in historischen Zeiten duldete man Zigeuner in solcher Situation praktisch nie. Und als Zarba dem Herzog verfällt, werden die Gitanos »aus dem Lande gewiesen mit der Deutung, daß man kurzen Prozeß mit ... [ihnen] machen werde, falls ... [sie es sich] wieder beikommen ließen, die Grenze zu überschreiten.« (Sc 85)

   Das Zigeunerlager beschreibt May folgendermaßen: Der Knabe [der einen Rehrücken mit einer Miene brät, die ebensoviel Kennerschaft wie inneres Behagen ausdrückte] war nur halb bekleidet, und ebenso mangelhaft oder defekt zeigte sich die Umhüllung der andern Personen, welche in mancherlei Stellungen um das Feuer saßen oder lagen, um der Zubereitung des leckeren Bratens zuzuschauen. Sie alle zeigten jene unverkennbaren Züge, welche der Physiognomie des Zigeuners eigenthümlich sind, schienen jedoch trotz ihres mehr als anspruchslosen Äußeren nicht jenen nomadisirenden Horden anzugehören, welche Raub und Diebstahl als ihr eigentliches und einträglichstes Gewerbe betreiben. Auf dem Wagen saß auf einigen alten Betten - gewiß ein sehr ungewöhnlicher Luxus bei einer fahrenden Zigeunerbande - eine uralt scheinende Frau, jedenfalls die Vajdzina, und war beschäftigt, aus einigen verschlossenen und farblosen Fetzen irgend ein Kleidungsstück herzustellen, dessen Art und Zweck jedoch nicht zu erkennen war. Auf der Deichselgabel ruhte der Vajda, bald einen Blick auf die Alte werfend, bald die immer dunkler werdende Farbe des Rehrückens musternd und dabei aus einem kurzen Pfeifenstummel den Rauch eines Krautes ziehend, dessen Geruch eine Verwandtschaft mit der Kartoffel als sehr wahrscheinlich


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erscheinen ließ. Auch die Zigeunermutter rauchte, aber der Geruch ihres Tabaks war ein anderer. Es wäre vielleicht möglich gewesen, daß der feinste Kenner das Aroma dieser Sorte bewundert hätte. (Sc 211f.)

   Das Bild, das May entwirft, erscheint wie aus dem Leben gegriffen, vergleicht man es mit den Ausführungen im ›Brockhaus‹, wie sie oben zitiert wurden. Es gibt auch Anklänge an die Schilderung einer ›Zigeunerkolonie‹ in Deutschland: »Diese Wohnstätten in ihrer wilden, phantastischen Regellosigkeit, dem düsteren, wilden Terrain wundersam entsprechend - das sind die Zigeunerkolonien. Bald zeigen sich auch die mit bunten Lumpen behangenen Bewohner der Behausungen - ganz in dem kecken, regellosen, grotesken, wildpoetischen Gebaren, das die Zigeuner kennzeichnet. Da kauert, die Pfeife im zahnlosen Munde, eine alte Hexe vor einem Kessel, um dessen Feuer einige halbnackte Knaben und Mädchen faul auf dem Bauche liegen; nicht weit davon richtet ein schlanker, schöner, dunkelgesichtiger Mann mit scharfen, blitzenden Diebesaugen einen Pudel ab, drüben in jener Vertiefung wäscht ein kaum bekleidetes, prächtig gewachsenes junges Weib mit ungekämmten wirren Haaren ein rotes Tuch«,48 wobei der junge Mann an Katombo und das junge Weib an Zarba bei May - wenn auch nur entfernt - gemahnen. Auf jeden Fall ist Mays Darstellung um vieles positiver.

   An anderer Stelle beschreibt May einen Zigeuner so: Der Andere war eine kleine, schmächtige Figur. Er trug eine rote phrygische Mütze, unter welcher ein rabenschwarzes Haar in langen Locken hervorquoll. Sein hageres Gesicht war außerordentlich scharf geschnitten und zeigte jenen orientalischen Typus, welchen man besonders an den Zigeunern zu bemerken pflegt. Sein schwarzes, unruhiges Auge wanderte rastlos von einem Gegenstande zum andern, und jeder Zollbreit des ganzen Mannes zeigte jene Unruhe und Beweglichkeit, die dem wandernden Volke der Zigeuner zu eigen ist. Seine Kleidung war einfach ... (Sc 81f.)

   Mays Schilderung der Zigeuner entspricht, wie Vergleiche mit zeitgenössischen Berichten zeigen, im großen und ganzen der Wirklichkeit, ebenso sein Hinweis, daß Frauen dieses Stammes sehr schnell altern (Sc 14). An verschiedenen Stellen schiebt er auch Hinweise auf ihre Sitten und Gebräuche ein, wenngleich sie nur von allgemeiner Art sind. Katombo beruft sich auf seine Verlobung mit Zarba: »Wir sind Verlobte, und bald bist Du mein Weib. Du selbst hast es so gewollt, und die Vajdzina hat unsre Hände in einander gelegt ... Dein Herz hat an dem meinen geschlagen, Deine Lippe auf der meinigen geruht; wir haben zusammen gehungert und zusammen geschwelgt ...« (Sc 217f.)

   Die Verlobungsbräuche bei den einzelnen Zigeunerstämmen waren


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sehr unterschiedlich. Ehe ein sich liebendes Paar als verbunden angesehen wurde, mußten die beiden ›naschen‹, was bedeutete, daß sie einige Zeit zusammen die Sippe verlassen mußten. Oft dauerte eine Verlobung (Liebschaft) recht lange, und in manchen Stämmen waren auch freie Verbindungen zugelassen. Auch die Hochzeitszeremonie war bei den einzelnen Stämmen verschieden. Sie fand unter der Leitung des Stammeshäuptlings statt; bei einigen Stämmen mußten die jungen Leute nur einander die Hände reichen (vgl. May!), bei anderen mußte der Bräutigam auf den Knien bis vor die Füße des Häuptlings rutschen.49 Nach ›Pierer‹ erfolgt das Heiraten »vor dem Hauptmann, welcher aus einem irdenen Kruge einige Tropfen Wein auf die vor ihm knieenden Brautleute gießt, den Krug dann leert u. hoch in die Luft schleudert; in je mehr Scherben der Krug zerbricht, um so größer soll das Glück der Eheleute sein.«50

   Hören wir zu dem Komplex auch Clébert: »Die Zigeuner, die wir für eine gesetz- und grundsatzlose Horde zu halten geneigt sind, wenden ihre Moralvorschriften so streng an, daß wir gut daran täten, uns gelegentlich daran ein Beispiel zu nehmen. Unter ihnen wird, jedenfalls in unseren Breiten, sexuelle Enthaltsamkeit aufs strengste geübt. Gewisse Autoren einer pittoresken Literatur schildern bei jeder Gelegenheit die entsetzliche Promiskuität, in welcher Männer und Frauen, Väter und Töchter oder Brüder und Schwestern, miteinander leben. In Wirklichkeit gehören die das Geschlechtsleben regelnden Verbote dieser Nomaden zu den rigorosesten, die es gibt ( ... ) Auch die Treue der Gatten wird nachdrücklich verlangt.«51 - So entspricht Zarbas Verhalten, die Katombo um des Herzogs willen verläßt, eher dem Bild der ›pittoresken Literatur‹ und damit dem Bild von Zigeunern, das zu Mays Zeit kursierte; aber es wird im nachhinein gerechtfertigt: höhere Mächte hätten hier eingegriffen, da Katombo und Zarba Halbgeschwister sind. So kehrt durch die Hintertür bei May doch noch die ›Norm‹, das Tabu bezüglich des Geschlechtslebens wieder ein, und er hebt sich damit von der ›pittoresken Literatur‹ am Ende doch ab.

   Die musikalische Begabung der Zigeuner wird von May in diesem Roman nicht so sehr in den Vordergrund gerückt, dagegen die Dichtkunst: »Die Christen haben viele Dichter, aber Keiner von ihnen allen besitzt den schnellen, glänzenden Geist, der in Dir wohnt, Katombo«, sagt Zarba, und jener antwortet: »Mein Volk rühmt und preist mich als seinen besten Dichter ... « (Sc 216) Tatsächlich gab und gibt es unter den Zigeunern selbst nur wenige Literaten, von denen die meisten in der Sprache des ›Gastlandes‹ schreiben. Doch Überlieferungen, Märchen, Legenden, Sagen und auch Gedichte kennen die Zigeuner sehr viele,


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wobei aber die Gedichte »ohne strahlende Rhythmen und Reime« seien, »einfach, ( ... ) immer lebensnah und erschütternd.«52

   »Der Gitano darf keinen Willen haben als den seines Vajda und seiner Vajdzina« (Sc 233), erklärt Katombo und verweist damit auf die strengen Regeln im Zusammenleben der Zigeuner. Der Mann vertrat die Familie nach außen hin und bestimmte im Zusammenleben mit der Öffentlichkeit. Aber die Stellung der Frau war stark - sie herrschte in der Familie, und in der Großfamilie waren alte Zigeunerinnen (die ›Puri dai‹) von beträchtlichem Einfluß. Doch war die Gerichtsbarkeit selbst Männersache, sie oblag dem sogenannten Gerichtssprecher. Die Roma kannten das Zigeunergericht (Kris). Als eine der härtesten Strafen galt die Ausstoßung aus dem Stamm, in besonders schweren Fällen auf Lebenszeit. Sowohl Katombo als auch (später) Zarba wählen freiwillig diese Strafe und verlassen für lange Jahre ihr Volk. Bei ›Pierer‹ heißt es: »Jede Bande hat eine sog. Zi-Mut, immer die älteste Frau, ohne deren Genehmigung nichts vorgenommen werden darf. In der Familie führt der Ehemann eine unbedingte Herrschaft u. ihm überliefern Alle ihre Einnahmen.« Aber Zarba wird von May noch höher eingestuft: sie wird zur letzte(n) Königin der Zingaren (J 573) - eine beinahe mythische Gestalt. Religion und Mythos der Gitanos werden in Mays Roman an verschiedenen Stellen erwähnt, und es wird nun Zeit, sich ihnen zuzuwenden.



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»Das Volk der Brinjaaren und Lampadaaren hat Indien verlassen, weil Bhowannie, die Göttin, es ihm gebot. Es irrt im fremden Lande und hat weder Ruhe noch Rast, bis der Wunderbaum gefunden ist, an welchem es sich versammelt, um die Erde zu beherrschen.« (Sc 17) »Bhowannie ist die Göttin unseres Volkes« (Sc 84); sie ist »gerecht; sie vergilt auch das Gute, obgleich es niemals aus Liebe, sondern aus Eigennutz geschieht.« (Sc 116) Aber »Bhowannie ist [auch] die Göttin der Rache, sie sprach einst zu ... [Zarba], daß ... [sie] Vergeltung üben solle ... (Sc 668): »Bhowannie hat ihn [den Herzog von Raumburg] ereilt und gestürzt.« (Sc 669) Bhowannie nimmt auch die Zigeuner am Ende ihres Lebens auf: »Die Tochter der Brinjaaren hat keine bleibende Stätte, sie wandert, bis ihre Seele zu Bhowannie geht!« (Sc 673) Und so kommt es auch: »Alles geht - - die Sonne, die Sterne, die Jahre, die Tage, die Blume, der Mensch... (J 568) »Bhowannie ruft. ... Begrabe mich im Walde - unter Felsen und Tannen. lch versinke und


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verschwinde wie unser Volk, ohne Heimath, im Windesrauschen ... (J 573)

   Bemerkenswert ist Mays Angabe, daß Bhowannie auf Nossindambo wohne, »welches vom Volke der Christen Madagaskar genannt wird.« ... »Hoch droben im Ambohitsmenegebirge steht ihr Thron, und tief unter den Bergen von Befour schläft sie des Tages, um erst beim Beginn des Abends zu erscheinen ...« (Sc 214)

   Die Aussagen, die May hier macht, weisen über ›Pierer‹ weit hinaus, und suchen nach einer Sinngebung. Sehen wir sie uns genauer an:

   May erwähnt als Zigeunerstämme die Brinjaaren und Lampadaaren. Weder den umfangreichen Stammeslisten, die Clébert aufführt, noch denen, die sich bei Vossen finden, sind Stämme mit diesen Bezeichnungen zu entnehmen. Tatsächlich ist die Quelle anderswo zu suchen: die zahlreichste Gruppe der Zigeuner in Indien stellen die Bandschara dar, die über fast ganz Indien verstreut und in den 21 Bundesstaaten, in denen sie leben, unter verschiedenen synonymen Bezeichnungen zu finden sind - so auch unter den Namen Brinjari und Lambada. Amtlich haben die Bandscharas ihre Zugehörigkeit zu den Zigeunern erklärt und sind auch der Aktion der europäischen Zigeuner beigetreten.53 Wie May ausgerechnet auf diese Stammesnamen kam, bleibe dahingestellt.

   Bemerkenswert ist auch sein Hinweis auf die Suche der Zigeuner nach dem Wunderbaum. Tatsächlich spielte der Baum in den Kulten der Zigeuner eine bedeutende Rolle. Aus Anlaß des Georgtages, der mit dem wichtigsten Frühlingsfest der Zigeuner verbunden ist, wurde eine Weide gefällt und geschmückt. Außerdem haben sich »die Zigeuner ( ... ) den Kult der weiblichen Gottheit und dem Baum im Fest der Bibi bewahrt. Sie setzen diese Göttin nämlich ganz mit dem Baum gleich und wenden sich an den Baum, als ob er eine Gottheit wäre ( ... )«54 Die Zigeuner kannten weiterhin die Zeremonie der ›Vermählung der Bäume‹, wie sie auch in Indien verbreitet ist, und glaubten an den Baum der Wünsche und den Baum des Lebens. Auch wenn ein Hauptmann gewählt wurde, so wurde ihm nicht nur - das weiß ›Pierer‹ 1879 zu berichten - auf bekränztem Teller ein mit Wein gefüllter Krug überreicht, und sein Kopf wurde nicht nur mit einem dreieckigen Hut mit silberner Quaste als Zeichen der Würde bedeckt, sondern er mußte den Krug auch auf einen Zug leeren und dann in Scherben zertrümmern, ferner unverbrüchliche Bewahrung der Gesetze geloben und last, not least einen heiligen (!) Baum pflanzen.

   In ihrer Religion paßten sich die Zigeuner gewöhnlich dem jeweiligen Gastland an, aber bewahrten sich dennoch ihre traditionellen Vor-


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stellungen. Sie glaubten an den großen Gott (baro dewel) und fürchteten den Teufel (beng) und die Totengeister (mule). In ihrer Mythologie war Raum für eine Fülle von Geistern, Feen, Dämonen und Gottheiten. Die Königin der Feen z. B. hieß nach ihrem Glauben Ana. Auffällig ist, »daß selbst unter den schon lange christianisierten, katholischen Zigeunern die sichtbare Rolle von Gottvater und erst recht die von Jesus Christus im Vergleich zur Verehrung der Jungfrau Maria weit in den Hintergrund tritt.«55 In den Wallfahrten der Zigeuner, z. B. nach Saintes-Maries-de-la-Mer in der Camargue, wo die Schwarze Sara verehrt wird, dokumentiert sich der Marienkult der Zigeuner; in der Verehrung von Frauen-Gottheiten wie Sara, Ana oder Bibi zeigt sich aber auch ihr indisches Erbe. Dabei wird Bibi vielfach als Schreckensgottheit (wie May auch Bhowannie als Rachegöttin bezeichnet) angesehen, die u. a. Krankheiten bringt. »Serbische Roma südlich von Belgrad stellen sich  B i b i  als eine dürre, knochige, große Frau vor ( ... ) mit langen schwarzen, ungekämmten Haaren, rotem Gewand und bloßen Füßen.«56 Man denke hier an die Beschreibung Zarbas; dabei sei auch bemerkt, daß die Puri dai, die weibliche Version des Häuptlings, die erwähnte alte Frau, die in der Großfamilie von erheblichem Einfluß war, mit Bibi (Tante) angesprochen wurde.57 May nennt die Häuptlinge der Zigeuner, wie schon zitiert, Vajda bzw. (weiblich) Vajdzina. Woher er diese Bezeichnung hat, konnte ich nicht feststellen; verwandt sind zumindest die Wörter ›Vataf‹, wie die Häuptlinge in Ost- und Mitteleuropa örtlich hießen, und ›Vitsa‹ (Stamm). Im allgemeinen war das zigeunerische Wort für Hauptmann ›Baro Sindo‹. Ebenso ist die Quelle für Mays Bezeichnung Bhowannie für die weibliche Gottheit der Zigeuner ein Rätsel. Das Wort ›Bibi‹ gibt - auch in Verbindung mit ›Ana‹ - dafür kaum etwas her. Vermutlich stammt das Wort aus derselben Quelle, aus der er auch die Namen der Zigeunerstämme Brinjaaren und Lampadaaren bezog; vielleicht gab es in diesem Bereich eine lokale Gottheit dieses Namens, zumal im vorigen Jahrhundert die Bezirkshauptstadt im Distrikt Hissar der britisch-indischen Provinz Pandschab eine (um 1890 immerhin ca. 35 000 Einwohner zählende) Stadt namens Bhiwani war.58

   Aber warum wohnt Bhowannie ausgerechnet auf Madagaskar? Hier fällt es nun wirklich sehr schwer, May zu folgen. Zwar sind Zigeuner nach Sibirien, Amerika, Südafrika, auf die Philippinen und sogar nach China ausgewandert, aber auf Madagaskar gab es zu Mays Zeit mit Sicherheit keine. Ist May hier einer Desinformation aus irgendwelcher kuriosen Literatur aufgesessen? Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann ist die folgende Gedankenkette nicht unplausibel und - in Anbe-


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tracht der Kenntnis darüber, wie May mit seinem angelesenen Wissen umging - auch nicht zu gewagt konstruiert:

   Bhowannie, die nach May erst nachts erwacht, tagsüber aber schläft, wird von ihm mit dieser Aussage indirekt mit der Mondgöttin gleichgesetzt. Das Kraut, das Zarba raucht, »kommt aus dem Morgenlande und wächst zwischen den heimathlichen Bergen der Brinjaaren. Dort an den Abhängen des Pandjköra [gemeint ist vermutlich der Pandschab! E. K. ] gehen die Jungfrauen, wenn der Mond das Herz des Krautes bestrahlt, beim Sternenscheine hinaus auf das Feld, um mit zarten Händen die Herzblätter einzusammeln, die man dann am großen Tage der Göttin zum Tempel bringt, damit der Geist der Zukunft auf sie niedersteige.« (Sc 114)

   Der Mond spielte in den Vorstellungen der Zigeuner eine wesentliche Rolle. Zwar hatte wohl im Kult die Sonne vor dem Mond den Vorrang, aber dem Mond kam vor allem eine magische Bedeutung im Zusammenhang mit dem Wetter zu, wobei der Glaube an die fruchtbar machende Wirkung des Mondes den Hintergrund bildete; diese Wirkung übte er angeblich nicht nur auf Pflanzen, sondern auch auf Frauen aus. Sterile Frauen sollten bei zunehmendem Mond Gras vom Grab einer am Kindbettfieber verstorbenen Mutter essen, glaubten rumänische Zigeuner.59 Bei den Kaldera-Zigeunern wurde der Mond als Glücksbringer angesehen; jeden Neumond begingen sie in der Weise wie die Christen das Neujahr. Offenbar »gehört diese Verehrung einer ›geheimgebliebenen‹ matriarchalischen Gesellschaftsordnung an, und nur Zigeuner, die reine Nomaden geblieben sind, widmen sich ihr noch.«60 Der Mond war also von zentraler Bedeutung bei den Zigeunern - und Madagaskar hieß bei den Arabern Dschesira-el-Komr, d. h. Mondinsel (Nossindambo wurde das Land von den Eingeborenen genannt, d. h. Insel der wilden Schweine); beide Bezeichnungen finden sich im ›Pierer‹. Aus ihr konnte May allerdings nichts über ein Ambohitsmenegebirge oder die Berge von Befour entnehmen. Erstere Bezeichnung ist jedenfalls authentisch - Orts- oder geographische Namen in der Art gibt es auf Madagaskar heute noch (z. B. Ambohimitsinjo, Ambohimanga),61 und Ambohimanga hieß auch eines der drei Reiche der einheimischen Merina auf Madagaskar (1787).62 Eine Bezeichnung, die an Befour gemahnt, habe ich jedoch in keiner von mir durchgesehenen Beschreibung gefunden. Aber das besagt am Ende nichts. Madagaskar wurde schon früh (1642) in französischen Besitz genommen; mit England gab es darüber langen Streit; und zeitweilig verloren die Franzosen Boden und Ansprüche wieder. Aber viele geographische Namen waren und sind französischen Ursprungs, z.B. auch


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der Name für die Piratenbucht ›Baie des Forbans‹ - und wenn schon ›Baie des Forbans‹, warum dann nicht auch direkt ›Befour‹?! Der Sekretär der (allerdings englischen) ›African Association‹, 1788 gegründet, die sich vor allem den Gebieten des heutigen Mali und Ober-Volta zuwandte, hieß im übrigen Henry Beaufoy,63 und gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstärkten die Engländer ihren Einfluß auf der Insel. In Südafrika wurde 1818 die Ortschaft Beaufort West gegründet, die sich zur größten Stadt in der Großen Karru in der südlichen Kapprovinz entwickelte. Vielleicht hat May aber den Namen auch einfach nur ›des Reimes wegen‹ erfunden, da er sich in Katambos Gedicht gut auf Natur u. ä. reimt.

   Die Assoziation zu Madagaskar vermittels des ›Mondes‹ wäre aber allein nicht ausreichend. Es kommt hinzu, daß das eingeborene Madagaskar-Reich der Howa im 19. Jahrhundert überwiegend von Königinnen beherrscht wurde: Ranavalo (auch: Ránaválona I.), die von 1828 bis 1861 regierte, Rabodo oder Rasoherina (1863-68), Romana oder Ranovala Majonka II. (auch: Ranavalona II.; bis 1883) und dann noch Ranavalona III. Während die erste alle Christen verfolgte und sich vehement gegen die Ausbreitung der Zivilisation wandte, trat Ranavalona II. 1869 mit vielen Edlen ihres Reiches zum Christentum über und öffnete der Zivilisation Tür und Tor. Madagaskar rückte gerade gegen Ende der 70er Jahre in die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit: 1877 wurden die Negersklaven von der Königin freigelassen. Zu dieser Zeit ging der Einfluß der Engländer wieder zurück, und viele Indizien sprachen für eine französische Invasion. Daher reorganisierte die Königin bzw. ihr fähiger Ehemann Rainilaiarivony 1879 die Armee. Aber die Insel kam dann doch 1883-85 endgültig unter französische Herrschaft.64

   Es scheint, als habe May, durch Zeitungsberichte seiner Zeit auf Madagaskar gestoßen, die Assoziation ›Mondinsel - Königinnenherrschaft‹ mit seinen Kenntnissen über die Glaubensvorstellungen der Zigeuner verquickt und daraus eine für seine Leser umso exotischere Version der Zigeuner-Religion und -Mythologie konstruiert. Wenn das so war und er nicht kolportagehaften Berichten über die Zigeuner dabei folgte, kann man die Umsetzung seines Wissens ins Reich der Phantasie nur ein weiteres Mal bewundern.



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Es war eine alte Frau. Sie ging vollständig barfuß, trug einen einzigen Rock von grellrother Farbe, um die Schultern einen gelben, arg be-


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schmutzten Ueberwurf und hatte ein blaues Tuch turbanartig um den Kopf geschlungen. Ihr Teint war tiefbraun; zahlreiche Runzeln durchfurchten ihr Gesicht, in welchem eine scharfe Nase über einem spitzen Kinne thronte, und ihre Gestalt lag gebeugt auf dem Stocke, auf den sie die beiden dürren Hände stützte. (Sc 14) Wie sehr hatte sich Zarba, denn um diese handelte es sich, gegenüber ihren jungen Jahren verändert, als sie so beschrieben werden konnte (fast meint man, für diese Schilderung Mays hätten die Zigeunermädchen-Gemälde von G. Vastag von 1873 und 1874 ein wenig Pate gestanden65): Sie mochte kaum siebzehn Jahre zählen, aber ihre Formen waren beinahe diejenigen eines vollendeten Weibes, schwellend und üppig und doch dabei so fein und zart, als hätte eine einzige Stunde einem kindlichen Körper die Vollkommenheiten der entwickelten Jungfrau verliehen. Ihr kleines Köpfchen vermochte kaum die Fülle des reichen Haares zu tragen, welches ihr in einem langen, dichten, blauschwarz schimmernden Strome über den Nacken herniederfloß; die ideale Stirn, etwas egyptisch vorstehend, das feine, kleine Näschen mit den leicht beweglichen, trotz der dunklen Gesichtsfarbe rosa angehauchten Nasenflügeln, der schwellende, kleine Mund, zwischen dessen Lippen zuweilen zwei Reihen blendender schmaler Zähnchen zu bemerken waren, das mit einem liebenswürdigen Grübchen versehene Kinn, alle diese Einzelheiten gaben ihrem Antlitze einen Ausdruck, welcher den Kenner weiblicher Schönheit entzücken mußte. Vor Allem aber war das Auge bewundernswerth ... (Sc 212)

   Aber das Schicksal meint es mit diesem herrlichen Geschöpf nicht besonders gut.66 Zarba liebt zwar Katombo, verfällt aber dem Herzog von Raumburg und wird von ihrer Mutter zusätzlich mit diesem verkuppelt, da sich die Alte davon Vorteile verspricht. Sie hofft, daß der junge Herzog Zarba heiratet und damit den Bund besiegelt, der ihr selbst verwehrt war. Der Vater des jetzigen Herzogs hatte nämlich die Vajdzina in ihrer Jugendblüte verführt, sie aber dann verstoßen; aus dieser Verbindung ging Katombo hervor, der bei den Zigeunern aufwächst und die junge Zarba, also seine Halbschwester, liebt. Aber der junge Raumburg denkt überhaupt nicht daran, Zarba zu heiraten. Er bringt ihre Mutter um, als diese ihn unter Druck setzt; Katombo kann fliehen, bevor er dasselbe Schicksal erleidet; und den Sohn, den Zarba von dem Herzog bekommt, den späteren Hauptmann von Wallroth, läßt er in einer Irrenanstalt als angeblich Wahnsinnigen verschwinden. Befreit wird letzterer von dem eigentlichen Helden des Romans, Dr. Max Brandauer, der mit Hilfe verschiedener Freunde und der Zigeuner den Herzog und seine Helfershelfer zur Strecke bringt. Der sterbende Raumburg gesteht am Ende ein weiteres Verbrechen: er hat


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Max Brandauer, den eigentlichen Thronfolger des fiktiven Reiches Norland, als Kleinkind geraubt und mit der Tochter der Fürstin von Sternburg vertauscht. Aber Zarba vertauschte daraufhin seinerzeit ihrerseits Max gegen den Sohn des Hofschmieds Brandauer. So ist der angebliche Schmiedesohn Max der eigentliche Thronfolger, sein Freund Arthur von Sternburg (das Mädchen starb) in Wahrheit der Sohn des Schmieds.

   Zu dieser Geschichte verwirrender Kindsvertauschungen gesellen sich in dem Roman die Umsturzpläne des Herzogs von Raumburg in Norland und eine Invasion aus dem anderen fiktiven Reich, nämlich aus Süderland. Die Grenze zwischen beiden Reichen ist von Zigeunern besetzt, die hier nicht nur Schmuggel betreiben, sondern als eine Art Geheimbund auftreten. Sie tragen unter Zarbas Führung zum Sieg Norlands bei. Eine bedeutende Rolle spielt dabei auch Katombo, der es in einem abenteuerlichen Leben in Ägypten bis zum Nurwan-Pascha, dem Großadmiral des Sultans, bringt, und am Ende seine ehemalige Liebe Zarba wiedertrifft. Max wird als Kronprinz bestätigt, Zarbas Sohn von Wallroth erhält nun offiziell den Titel eines Herzogs von Raumburg (ein Halbzigeuner ein Herzog!), und durch die Heirat von Max mit der Prinzessin Asta von Süderland kehrt endgültig Friede zwischen den beiden Staaten ein. Zarba selbst findet ihr Ende in dem Roman ›Die Juweleninsel‹, in dessen verschlungener Handlung die Zigeuner nur noch eine Nebenrolle spielen.

   Zarba, die Vajdzina ihres Stammes, die zu gewissen Zeiten selbst Fürsten willkommen war (Sc 15), wird geheimnisvoll und ambivalent dargestellt, insgesamt aber positiver als die Zarba im ›Waldröschen‹. »So eine Zigeunerin ist voll Teufelsspuk und Zauperei«, wird von ihr gesagt (Sc 26), aber auch: »Zarba war der Liebling des Stammes, die Schönste aller Mädchen, die herrlichste unter den Blumen und Rosen der Erde. Wir waren stolz auf sie und hüteten sie vor den verlangenden Blicken der jungen Männer aller Länder, durch welche wir zogen. Sie war der Born unserer Freuden und der Quell unseres Glückes, denn sie verstand es besser als alle Andern, in die Zukunft zu blicken und die Schicksale der Sterblichen vorherzuverkünden.« (Sc 84) Und von sich selbst sagt Zarba: »Das Alter hat mir den Nacken gebeugt, den Rücken gekrümmt, das Antlitz durchfurcht und die Haare gebleicht; Zarba ist die verachtete, die häßliche Zigeunerin, vor welcher die Kinder fliehen und die Großen sich scheuen; aber ihre Hand ist mächtig und ihr Arm stärker als derjenige eines Fürsten. Wen sie haßt, den kann sie verderben, und wen sie liebt, dem bringt sie Glück und Wonne. Sie kann Herzöge entthronen und Könige einsetzen, wenn sie will ...« (Sc 117) Durch die


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Aufdeckung ihrer Kindsvertauschung und ihren Beitrag zum Sieg über Süderland und den Herzog von Raumburg bewahrheitet sie ihre Worte - sie spielt in der Tat die Schlüsselrolle.

   Im Zusammenhang mit Zarbas Eigenschaften und Künsten kolportiert May noch einige Fähigkeiten, die den Zigeunern zugeschrieben werden. Immerhin legt er einem Mädchen die Worte in den Mund: »Die Zigeuner sind wirklich klüger als wir« (J 120), und die Handlung erweist diese Feststellung nicht nur einmal. Von der Heilkunst der Zigeuner mittels Kräuter ist auch die Rede (J 569), und tatsächlich vermischten sie ihr Wissen über die Wirkung von Pflanzen mit magischen Praktiken und Vorstellungen. Daß ihre ›Rezepte‹ weit davon entfernt seien, »sinn- und zwecklos zu sein«, wurde ihnen von neutraler Stelle bescheinigt.67 Clébert schreibt auch, daß es eine »echt zigeunerische Hexenkunst (gibt), die von den alten Zauberinnen energisch verteidigt wird. Diese Frauen wurden von Jugend an in ihrer Kunst unterrichtet und waren dazu berufen, auf Grund der Überlieferung eine Rolle zu spielen. ( ... ) Hexe zu sein, gilt in den Augen der Zigeuner als eine ganz besondere Begünstigung, durch die alles aufgehoben wird, was man der Drabarni, der Hexe oder Zauberin, vor ihrer Verwandlung hätte vorwerfen können.«68 Clébert zitiert auch ein »typische(s) Portrait der Zigeunerfrau«, wie es um 1870/80 »den Autoren, und somit dem Publikum, jener Zeit vorschwebte. Alle Klischees sind darin vereinigt ( ... ): ›Die alten Zigeunerinnen stellen das vollendete Modell der klassischen Hexe dar: gekrümmte Nägel, schmutziggraues, zerzaustes Haar, das wie eine Mähne aus einem verschmutzten Turban hängt, trübe Augen, gelbe Zähne, zerlumpte Kleider ( ... )‹«69

   Noch stärker als die Heilkunst war das Wahrsagen der Zauberei und Magie verpflichtet. Schon von Anfang an in der Geschichte ihres Auftretens in Europa fesselten die Zigeuner die Christen durch ihre Kunst des Handlesens und Weissagens, stießen sie und vor allem die geistlichen Hoheiten damit aber auch ab, was mit zu ihrer Verfolgung beitrug. Allerdings pflegten ausschließlich die Frauen die Zukunft vorauszusagen, und sie benutzten dabei - abgesehen von ihrer Handlesekunst - als Hilfsmittel auch Karten, geschmolzenes Blei, Kaffeesatz, Bohnen u. a.70 Das Wahrsagen, das sie - wohl aus Aberglauben - untereinander nie ausübten, stellte nicht nur eine beträchtliche Einnahmequelle dar, sondern hüllte die Zigeuner auch in eine magische und unheimliche Aura, was auch ihren Flüchen scheinbar größeres Gewicht verlieh. Cléberts Feststellung,71 daß die Frauen ein größeres Einfühlungsvermögen als die Männer besäßen, was ihnen das Wahrsagen natürlich erleichterte, findet sich ähnlich auch bei May: Um die Zu-


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kunft vorauszusehen, »braucht man nicht allwissend zu sein. Die Eigenschaften eines Menschen sind ihm an die Stirn geschrieben; man liest sie aus jedem Blicke seines Auges, und man vernimmt sie aus jedem Worte seiner Rede. Verstehst Du das, und weißt Du, wen Du vor Dir hast, so wird es Dir nicht schwer, ihm ein Schicksal zu verkünden, welches sicher eintreffen muß. Zarba war unsere beste Wahrsagerin; sie verdiente für uns Gold und Silber von den Reichen und Speise, Trank und Kleidung von den Andern.« (Sc 84) Und reich ist Zarba auch im hohen Alter noch.

   In Mays Roman zeigen sich Zigeuner teilweise sogar kriegserfahren und mutig in den Kämpfen, nicht nur der Halb-Zigeuner Katombo. Diese Eigenschaften traut das Vorurteil den Zigeunern zwar am allerwenigsten zu; nachgewiesen ist aber, daß schon der Ungarn-König Bela IV. Zigeuner im Kampf gegen den böhmischen König Ottokar II. (1260) einsetzte. Und Zigeuner nahmen auch an den Feldzügen Gustav Adolfs und Wallensteins im Dreißigjährigen Krieg teil. An den Bandenbildungen gegen Ende des Krieges, die dem Zusammenbruch der Heere folgten, waren auch Zigeuner beteiligt.72

   »Ich hape sie zuerst für eine Hexe gehalten, die dem Teufel ihre Seele verschriepen hat«, urteilt einer von Zarbas Bekannten (einst sollte sie sogar als Hexe ersäuft werden, wurde aber von Max Brandauer gerettet (Sc 116)), »später aber hape ich eingesehen, daß sie ein ganz ordentliches und tüchtiges Frauenzimmer ist, vor der man alle möglichen Sorten von Respekt hapen muß.« (J 130) Ihre hervorragende Rolle wird in der ›Juweleninsel‹ entsprechend gewürdigt: »Papa hat uns sehr viel erzählt von einer Zigeunerkönigin, welche Zarba heißt. Sie ist die Freundin des Königs und des Kronprinzen, den sie erst zum Kronprinzen gemacht hat. Sie ist auch die Freundin des Generals und des Kommodores von Sternburg und sogar die Verwandte der beiden jetzigen Herzoge von Raumburg. Den früheren Herzog hat nur sie allein gestürzt. Sie muß eine ganz außerordentliche Macht besitzen.« (J 121) Und sie war, wie May schreibt, die letzte Königin der Zigeuner (J 573).

   Aber - gab es sie überhaupt: die ›Zigeuner-Könige‹? Die Anführer der Zigeuner traten bei ihrer Ankunft in Deutschland als Herzöge, Pharao von Ägypten oder Grafen von Klein-Ägypten auf. Später scheint es in erster Linie Häuptlinge gegeben zu haben. Nur in Polen hat das ›Zigeuner-Königtum‹ wohl eine längere Tradition, und dort ließen sich noch in unserem Jahrhundert Anführer zu ›Königen‹ wählen, womit sie allerdings auch ein ›Gegen-Königtum‹ heraufbeschworen.73 Die neuere Zigeunerforschung betrachtet Berichte über das angebliche historische Zigeuner-Königtum ziemlich skeptisch. Clébert be-


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hauptet sogar, noch weitergehend als Vossen: »Einen Zigeunerkönig gibt es nicht, noch hat es je einen gegeben. Diese von Journalisten verbreitete Vorstellung muß man endgültig fallenlassen. Die Presse berichtet von Zeit zu Zeit über die Wahl eines Königs oder einer Königin der Zigeuner oder der Gitanos. Es ist allerdings richtig, daß die Zigeuner selbst dazu beitragen, diese Legende in Umlauf zu setzen ( ... )«,74 und er erwähnt die Geschichte der Krönung in Polen, die allerdings gegen ihre eigenen Gesetze erfolgt sei.

   Zu Mays Zeit sah man die Dinge jedoch ganz anders, und so wird May im nachhinein gerechtfertigt. ›Pierer‹ berichtet (und nennt - wie May - Hexenwesen und Königtum fast in einem Atemzug): »Schon damals [bei ihrem ersten Auftreten im 15. Jahrhundert. E. K.] trieben sie Zauberei, und von ihnen soll auch die aus giftigen Stoffen (Bilsenkraut, Stechapfel ec.) bereitete Hexensalbe u. der ebenfalls narkotische Hexentrank erfunden worden sein, seit deren Anwendung die eigentliche Blüthe des Hexenwesens datirt ( ... ) Bei ihrem ersten Erscheinen standen alle Z. unter einem einzigen Oberhaupte (König). Dieser König hat sich am längsten bei den Z.n in England erhalten, die übrigen hatten Häuptlinge od. Hauptleute. In Deutschland gab es deren 3, in Altpreußen, Neupreußen u. Hannover, u. nach diesen Häuptlingen zerfielen auch die Z. in Deutschland in 3 Landsmannschaften: in Altpreußen, deren Farbe schwarz u. weiß u. welche nur der Tanne besondere Ehrfurcht zollten; in Neupreußen, deren Farbe grün u. weiß und deren heiliger Baum die Birke; u. in Hannoveraner, welche schwarz, blau u. gold hatten u. den Mehlbeerbaum verehrten [also auch hier das Bild vom heiligen Baum, das, wie zitiert, bei May wiederkehrt! E. K. ]. Der Hauptmann besaß anfangs unbeschränkte Gerichtsbarkeit u. Recht über Leben und Tod. Später übte er nur eine gewisse Polizeigewalt, führte das Siegel, auf welchem ein Igel mit dem Reis oder Blatt des heiligen Baumes. Der letzte König der deutschen Z., Maximilianus, soll zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges gelebt u. seine Residenz in einem Walde bei Sellstädt, in der Gegend von Mühlhausen, gehabt haben.«75

   Auch ein Zepter führten die Häuptlinge der Zigeuner. Die besondere ›Art‹ des Zepters spielt auch in Mays Roman eine wichtige symbolische Rolle. Zarba weissagt Brandauer zu Beginn der Erzählung: Der Geist ist allwissend, aber das Auge des Menschen ist schwach; doch wenn der Geist es stärkt, dann werden vor ihm Dinge offenbar, die es sonst nicht zu erblicken vermag. ... Deine Hand ist stark, den Hammer zu schwingen; sie bedarf dieser Stärke, um später das Scepter zu halten. Scepter und Hammer wird die Losung Deines Lebens sein. Du wirst Liebe säen und Feindschaft ernten; aber Deine Faust wird wie ein Ham-


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mer auf die Häupter Deiner Feinde fallen [hier ist auch Old Shatterhand vorweggenommen! E. K.] ... Ich sehe Dich mit hochgeschwungener Keule mitten unter ihnen; ich sehe sie stürzen und sterben oder um Gnade flehen...« (Sc 17) Und am Ende resümiert Zarba, ebenfalls an Brandauer gerichtet: »Sie schwangen damals mit Macht den schweren Hammer. Sie werden ebenso leicht das noch schwerere Scepter tragen. Aus dem Hammer ist ein Scepter geworden. ... Iassen Sie »Scepter und Hammer« den Wahlspruch Ihres Lebens sein!« (Sc 673f.)

   Clébert beschreibt das Zepter der Zigeuner-Häuptlinge so: »Dieses ganz aus Silber bestehende Zepter hieß bareshti rovli rupi, das heißt der Silberstab des Häuptlings. Der mit einer roten Quaste verzierte Knauf hatte die Form einer achteckigen Scheibe mit symbolischer Bedeutung. Unter dem Knauf war der Semno eingraviert, der aus den fünf rituellen Figuren bestand: dem nijako, der Streitaxt - zur Hälfte Axt, zur Hälfte Hammer [!], dem cham, der Sonne, dem shion (oder shonuto), dem ersten Mondviertel, dem netchaphoro (oder tchalai), dem Stern, dem trushul, dem Kreuz.«76

   Als Zeichen im Zepter die Streitaxt, zur Hälfte Axt, zur Hälfte Hammer - ist es ein Zufall, oder hat May das Zepter der Zigeuner gekannt? Liegt hier sogar der Kristallisationskern, einer der Keime, aus dem der Roman ›Scepter und Hammer‹ mehr und mehr entfaltet und entwickelt wurde? Denk- und merkwürdig ist diese Einzelheit auf jeden Fall.



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Karl May hat, wie inzwischen bekannt ist, für seine Romane ›Scepter und Hammer‹ und ›Die Juweleninsel‹ literarische Quellen benutzt,77 z. B. Eugène Sues ›Le Juif errant‹ (1844/45) oder Sir John Retcliffes ›Nena Sahib‹. Die Frage, welche Quellen er für seine Darstellung der Zigeuner verwendete, wurde bisher noch nicht gestellt. Auch in den Arbeiten, die über das ›Waldröschen‹ oder ›Der Weg zum Glück‹ publiziert wurden,75 sind die Zigeuner und die Quellen für ihre Schilderung nicht tiefergehend untersucht worden. Die folgenden Ausführungen sind als erste Annäherung an den Problemkreis zu verstehen, da es in der vorliegenden Arbeit hauptsächlich um die Darstellung der Zigeuner und den Vergleich ihres Bildes mit der ›Realität‹ geht.

   Schon im 17. und 18. Jahrhundert erschienen Arbeiten über die Zigeuner in Deutschland, z. B. der ›Curiöse Tractat von Zigeunern‹ von Thomasius (1702), in dem alles bis dahin vorhandene Wissen über sie zusammengetragen war.79 1783 (2. Auflage 1787) faßte dann Grellmann


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alles damalige Wissen über dieses Volk in seinem ›Historischen Versuch über die Zigeuner‹ zusammen.80 Darauf folgte Pott 1844/45 mit seinem zweibändigen Werk.81 Das 19. Jahrhundert war dann dasjenige, in dem sich die Literatur der ›romantischen Zigeuner‹ annahm - und das nicht nur in Deutschland. »In Frankreich haben Nodier, Richepin, Victor Hugo, Nerval, Merimee, Gautier, Baudelaire und andere davon geträumt, hinter dem Wohnwagen der Zigeuner über die Straßen zu ziehen und ihr Leben zu teilen. Hugo hat [im ›Glöckner von Notre-Dame‹ E. K.] die Gestalt der Esmeralda geschaffen und sie von dem Fluch befreit, den das Volk seit so langem für ihresgleichen bereithielt. Merimee bemühte sich ehrlich, der verabscheuten Rasse mit seiner Carmen einigen Glanz zu verleihen. Aber erst Theophile Gautiers ›Voyage en Espagne‹ von 1840 stellt einen beachtenswerten Versuch dar, sie zu verstehen, und beweist eine Wahrheitsliebe, die man bei den Schriftstellern bezüglich der Zigeuner nicht gewohnt ist.«82 In England gab George Borrow u. a. mit seinem 1841 erschienenen Werk über die Gitanos, ›Zincali‹, der Zigeunerforschung Impulse, während sich andere Dichter und Schriftsteller, z. B . Shakespeare oder Walter Scott (im ›Guy Momering‹), nur von dem Exotischen und Pittoresken des Zigeunerlebens ansprechen ließen, um es entsprechend literarisch zu verarbeiten. In Rußland rühmte Puschkin die Zigeuner in seinen Gedichten, und auch Maxim Gorki widmete ihnen eine Novelle, nämlich ›Makar Tschudra‹.

   Die reichhaltige, überwiegend romantische Schilderung in Gedichten, Romanen und Novellen führte schon 1879 in Berlin zum Erscheinen einer Arbeit von Gosche mit dem Titel: ›Die Zigeuner als Typus in Dichtung und Kunst‹. In Deutschland reicht die Liste der Werke, in denen ihre Lebensweise dichterisch verarbeitet wurde, von Grimmelshausens ›Simplicius Simplicissimus‹ über Mörike, Stifter, Lenau und Achim von Arnim, um nur einige zu nennen, bis zu dem Roman von Groch ›Der Zigeunerkönig und sein Schützling‹, der 1878 in Wien herauskam.83 Rein zeitlich hätte dieses Werk für Mays ›Scepter und Hammer‹ noch Impulse geben können, aber er hatte sich ja schon vorher im ›Gitano‹ mit den Zigeunern befaßt, und die literarische Tradition, an die er anknüpfte, reicht m. E. viel weiter zurück. Daß er dabei auch auf Enzyklopädien wie die von ›Pierer‹ oder ›Brockhaus‹ zurückgriff, steht außer Zweifel.

   Auf die geistige und literarische Verwandtschaft Mays mit den Dichtern der Romantik wurde schon früher verwiesen.84 Die Ähnlichkeit von Motiven in ›Scepter und Hammer‹ mit solchen in Achim von Arnims Novelle ›Isabella von Ägypten, Kaiser Karl des Fünften erste Jugendliebe‹ (1812) unterstreicht diese Verwandtschaft noch einmal,


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aber die Spur dieser Motive läßt sich bis zu der Novelle ›La Gitanilla‹ (›Das Zigeunermädchen‹) von Cervantes (1613) zurückverfolgen - im Zusammenhang mit dem ›Gitano‹ wurde weiter oben schon darauf aufmerksam gemacht.

   Die Novelle von Cervantes erzählt die Geschichte der großen Liebe zwischen dem Zigeunermädchen Preciosa, das voller Intelligenz, Schönheit und Ehrbarkeit - wie die junge Zarba - ist, und dem adligen Don Juan de Cárcamo, der um seiner Liebe willen bei den Zigeunern lebt und von diesen sogar als Anführer akzeptiert wird - das Pendant zu Katombo. Im Laufe der Geschichte, in der Andres Caballero, wie sich der junge Mann bei den Zigeunern nennt, einen Beleidiger tötet und, des Mordes und Diebstahls angeklagt, ins Gefängnis geworfen wird, stellt sich heraus, daß Preciosa in Wahrheit ein vornehmes Fräulein, Tochter der Korregidorin, ist, das als Kind von einer Zigeunerin geraubt wurde und bei ihr, die sich als ihre Großmutter ausgibt, aufwächst. Auch die wahre Identität von Andres wird aufgedeckt, und am Ende der Geschichte heiraten die beiden ›Zigeuner‹. Eine analoge Veränderung der Identität findet sich, wie oben geschildert, auch in Mays Abenteuer ›Der Gitano‹, für deren Hauptpersonen Andres und Preciosa ebenfalls Pate gestanden haben könnten.

   Kindsraub und Kindsvertauschung kommen in Mays Romanen, in denen er Zigeuner auftreten läßt, in vielfachen Abwandlungen vor. »Der Schlager des 19. Jahrhunderts war«, wie Clébert schreibt, »den Zigeunern Kinderraub vorzuwerfen und aus ihnen den ›schwarzen Mann‹ zu machen, mit dem man ungezogene Kinder zu schrecken pflegte. Zu allen Zeiten wurden Volksgruppen, die im Verdacht der Zauberei standen, beschuldigt, Kinder zu entführen, um sie bei Menschenopfern abzuschlachten, sie zum Betteln abzurichten oder zu unübertrefflichen Akrobaten auszubilden, indem ihnen die Glieder gebrochen wurden, was in Indien tatsächlich vorgekommen ist.«85 In Wirklichkeit waren die Zigeuner außerordentlich kinderlieb, und diese Liebe wurde entsprechend erwidert. Dieses Verhalten fiel der Bevölkerung und der ›Obrigkeit‹ in Deutschland schon im 18. Jahrhundert auf, und das innige Verhältnis wurde in der Form ausgenutzt, daß man von christlicher Seite her den Zigeunern Kinder wegnahm, um die Eltern zu ›bestrafen‹ und um die Kinder zu ›zivilisieren‹. In Wahrheit waren also die Nicht-Zigeuner häufig die Kinderräuber, und selbst der Strafrechtler Hans Gross, der den Zigeunern nicht gerade wohlgesonnen war und Fälle angeblicher Kindsentführung durch Zigeuner genauestens untersuchte, gab zu, daß die Verdächtigten und Beschuldigten stets unschuldig waren (1914). Wie hätten sie, die sie ständig unter


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polizeilicher Kontrolle standen, einen Kindesdiebstahl auch verbergen sollen?86

   In ›Scepter und Hammer‹ dient die Kindsvertauschung durch Zarba einem guten Zweck; letztere verflucht den Herzog, der seinen Sohn ins Irrenhaus schaffen ließ, und fügt hinzu: »Der Tiger liebt sein Junges und der Geier beschützt seine Brut; dieser Teufel aber zerreißt die Herzen Derer, die ihn lieben.« (Sc 280). Und May weist, wie schon früher zitiert, den pauschalen Vorwurf des Kindsraubes durch Zigeuner zurück: »Die Zigeuner sind so arm, daß sie froh sind, wenn sie gar keine Kinderhaben.« (J 117)

   Als Achim von Arnim seine Novelle niederschrieb, war er von Cervantes inspiriert, darüber hinaus von Grimmelshausen und dem Werk Varillas über die Erziehung des jungen Karl V. (1686). Er schöpfte auch aus dem oben erwähnten Werk Grellmanns über die Zigeuner von 1783. Vor allem rührte ihn die Legende, die Grellmann von den Zigeunern übernahm, sie seien zu ihrem ewigen Wanderleben verdammt, weil sie der Heiligen Familie bei deren Flucht nach Ägypten kein Obdach gewähren wollten, und er dichtete den Mythos ihrer Verfluchung in die Hoffnung auf Erlösung um. Am Ende befreit Isabella ihr Volk vom Fluch der Heimatlosigkeit und darüber hinaus auch Kaiser Karl von dessen Schuld.

   Nach der Novelle ist Isabella Tochter des Zigeunerherzogs Michael, der unschuldig gehenkt wird (in den alten Chroniken über das erste Auftreten von Zigeunern in Europa wird auch ein Herzog Michael erwähnt, der 1422 mit seinem Trupp aus Deutschland nach Italien kam und nach Bologna zog). Nun haust sie allein in einem Gartenhaus an der Schelde. Nur die alte, zwielichtige Zigeunerin Braka besucht sie ab und zu. Eines Tages begegnet ihr der junge Erzherzog Karl, der spätere Kaiser Karl V., und verliebt sich in sie. Braka rät Isabella, nach Gent zu ziehen, um dort den Thronfolger für sich zu gewinnen, denn die Alte verspricht sich davon verschiedene Vorteile. Nicht nur die Schönheit Isabellas wird in Gent bekannt, sondern auch ihre Tugend; es kommt zum Wiedersehen mit Karl, der zunächst, in Liebe entflammt, an Heirat denkt. Irrungen und Wirrungen machen die Pläne jedoch zunichte. Als Karl zum Kaiser gekrönt ist, wendet er sich von Isabella ab. Aber immerhin schenkt er den Zigeunern ihre Freiheit. Isabella bringt einen Sohn von Karl zur Welt; mit ihm führt sie die Zigeuner nach Ägypten zurück, wo sie hochgeehrt aus dem Leben scheidet. Karl stirbt am selben Tag, jedoch - aufgrund einer Vision von der früheren Geliebten - mit der Gewißheit, daß ihm seine Fehler, seine Habsucht und Schwachheit, sein Ehrgeiz und Egoismus verziehen sind!


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   Umsponnen ist diese Liebesgeschichte von Sagen- und Märchenfiguren - Alraun, Golem, Bärenhäuter greifen immer wieder (meist negativ) in den Handlungsablauf ein. Sicher gehört das Werk zu den besten der romantischen Poesie und wird auch als schönste Erzählung Arnims angesehen.87

   Die Ähnlichkeit der Motive zu Mays Roman liegt auf der Hand; nur ist seine ›Story‹ auf niedrigerem Niveau angelegt. Der adlige Verführer kommt bei May schmählich ums Leben, während er bei Arnim im Tod erlöst wird, und die Geschichte ist bei May viel verworrener. Aber das Motiv, daß ein ›Hochgeborener‹ mit einer Zigeunerin einen Sohn hat, ist das gleiche. Wie die junge Zarba erscheint Isabella vor ihrer Begegnung mit Karl unschuldig, kindlich, rein und etwas naiv. Trägt Zarba im Alter einen roten Rock (Sc 14), so Braka einen roten Mantel. Ein Fluß spielt im Zusammenhang mit der Verfolgung der Zigeuner in beiden Erzählungen eine Rolle. Und auch die Frage der Erlösung der Zigeuner, die Arnim in den Vordergrund rückt, wird von May an verschiedenen Stellen - z. B. in der Aussage über die Suche nach dem Wunderbaum - angesprochen, wenn auch auf niedrigerem Niveau.

   Schließlich zeigt das Gedicht Katombos über Bhowannie (Sc 215f.) in Stimmung und Motiven Anklänge an das Gedicht, das Karl beim ersten Zusammentreffen mit Isabella in den Mund gelegt wird, und daß in beiden Erzählungen überhaupt ›gedichtet‹ wird, spricht allein schon für die Motivverwandtschaft.

   Eine Gegenüberstellung der Gedichte zeigt die Ähnlichkeit:

Achim von Arnim:88
Karl May:
»Komm lieblich schwarze Nacht,
Und drücke schießende Sterne,
Wie Siegel deiner Macht,
Als Zeichen meiner Ferne,
In meine mutige Brust,
Daß aller Funken Lust,
Aus künftigen Kronen geschmiedet,
Mich wecke, den Dienen ermüdet.

Sie sitzt auf dunklem Thron,
Ihr ruhet auf wolkigem Kissen
Die ewig schimmernde Kron. -
O möcht ich die Liebliche küssen!
Und machte der Venus Stern
Die einzige Nacht mich zum Herrn.
Dann könnt ich die Erde umwallen,
Mit allen Kronen, - mit allen.«
»Wenn um die Berge von Befour
Des Abends erste Schatten wallen,
Dann tritt die Mutter der Natur
Hervor aus unterird'schen Hallen,
Und ihres Diadems Azur
Erglänzt von funkelnden Kristallen.

In ihren dunklen Locken blühn
Der Erde düftereiche Lieder;
Aus ungemess'nen Fernen glühn
Des Kreuzes Funken auf sie nieder,
Und traumbewegte Wogen sprühn
Der Sterne goldne Opfer wieder.

Doch bricht der junge Tag heran,
Die Tausendäugige zu finden,
Läßt sie ihr leuchtendes Gespann
Sich durch purpurne Thore winden,
Sein Angesicht zu schaun, und dann
Im fernen Westen zu verschwinden.«


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Ähnlich ist auch das zweite Gedicht Katombos.

   Braka erinnert von ihrem Verhalten her sehr stark an Zarbas Mutter. Der Name Zarba selbst muß als Phantasiename Mays angesehen werden. Die Liste der z. B. bei den Kaldera gebräuchlichen Taufnamen, die Clébert89 aufführt, enthält keinen Namen, der Ähnlichkeit mit ›Zarba‹ hat; auch die Wörterliste, die sich bei Hohmann findet,90 gibt keinen Hinweis darauf. ›Zarba‹ läßt sich jedoch relativ leicht aus ›Braka‹ gewinnen. Schreibt man ›Braca‹ statt ›Braka‹ und stellt die Buchstaben um, so erhält man ohne weiteres ›Carba‹.91 Für diese Version spricht m. E. mehr als für die oben erwähnte Ableitung des Namens ›Zarba‹ von ›dharba‹ (Kraut).

   May hat sich natürlich - wie in allen seinen Werken - von vielerlei Quellen inspirieren lassen. Daß er Motive aus Cervantes und vor allem Achim von Arnims Novelle entlehnte, abwandelte, auf niedrigeres ›Kolportage‹-Niveau brachte, scheint mir aber unzweifelhaft. Er war auch in diesem Punkt ein Erbe der Romantik.

   May war aber auch ein ›Erbe‹ seiner eigenen Kinder- und Jugendzeit. Mag das eben Ausgeführte über seine Quellen bezüglich der Zigeuner noch hier und da zu verifizieren sein -  e i n e  Quelle hat May aber mit Sicherheit beeinflußt, wie man aus der Schilderung in seiner Autobiographie entnehmen muß:

   In Mays Kinderzeit fällt die Episode, daß eine Schauspielertruppe in seiner Heimatstadt Station macht, aber nicht auf ihre Kosten kommt. Mays Vater weiß Rat. Er fordert den Jungen auf: »Karl, hole deine Trommel herunter; wir müssen sie putzen!« »Wozu?« fragte ich. »Du hast die Preziosa und alle ihre Zigeuner dreimal über die ganze Bühne herumzutrommeln.« »Wer ist die Preziosa?« »Eine junge, schöne Zigeunerin, die eigentlich eine Grafenstochter ist. Sie wurde von den Zigeunern geraubt. Jetzt kommt sie zurück und findet ihre Eltern. Du bist der Tambour ... » ... Es versteht sich ganz von selbst, daß ich in Wonne schwamm. Zigeunertambour! Eine Grafenstochter! Blanke Knöpfe! Weiße Feder! Dreimal um die ganze Bühne herum! Fünf Neugroschen! lch schlief in der folgenden Nacht sehr wenig ...92

   Das Schauspiel ›Preziosa‹ war von dem Dramatiker und Schauspieler Pius A. Wolff (1782-1828) in Anlehnung an Cervantes' ›La Gitanilla‹ verfaßt worden. Die Uraufführung fand 1812 in Leipzig statt; eine Überarbeitung wurde 1820 oder 1821 von Carl Maria von Weber vertont, und seit der Aufführung am 14. 3. 1821 in Berlin wurde das Stück Jahrzehnte hindurch immer wieder gespielt. May schildert sein amüsantes Erlebnis, wie er seinen Auftrag, in dem Stück ›mitzuspielen‹, im kindlichen Überschwang zum Gaudium der Zuschauer stark


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überzieht, aber dadurch der Truppe volle Kassen beschert. Doch das Stück hat in Mays Lebenstrauma noch ein Nachspiel: In der ›dunklen Zeit‹, die auf die Verbüßung seiner Strafe im Arbeitshaus Schloß Osterstein (1868) unglückseligerweise wieder folgte, als er sich von inneren Stimmen verfolgt sah und Hals über Kopf erst in einen Steinbruch, dann in einen Wald an einem Rübenfeld floh, fand er einen langen, wenn auch nur oberflächlichen Schlaf, während dessen Dauer ich mich immer von einer Seite auf die andere warf, und von kurzen, aufregenden Traumbildern gequält wurde, die mir vorspiegelten, daß ich bald ein Kegel, nach dem man schob, bald ein Zigeuner aus Preziosa und bald etwas noch Schlimmeres sei.93

   So sind auch die Assoziationen, die May in der Erinnerung mit den Zigeunern verknüpfte, so zwiespältig, wie er diese in seinen Romanen schilderte. Wie viel er sich mit den Zigeunern sachlich oder unter Benutzung literarischer Vorbilder, ausgehend von ›Preziosa‹, auch befaßt haben mag, es scheint, daß das Mythische, Geheimnisvolle, Widersprüchliche, das er in sie hineinprojizierte, verkörpert vor allem in Zarba, von der Spannung zwischen fröhlichen Kindheitserinnerungen und späteren Alpträumen mit geprägt worden ist. Vielleicht ist darin, daß im Lauf der Zeit die Stimmen immer tiefer in die Vergangenheit versanken, auch eine Erklärung dafür zu finden, daß die Zigeuner auch immer mehr aus Mays Repertoire verschwanden. Zweifellos ist ›Preziosa‹ die ursprüngliche Quelle für Mays Darstellung der Zigeuner gewesen.



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Wenn wir die Ergebnisse der bisherigen Betrachtungen Revue passieren lassen, zeigt sich zweierlei:

   Zum einen hat sich May am Anfang seiner Schriftstellerkarriere intensiv mit den Zigeunern befaßt und sie in seiner Erzählung ›Der Gitano‹ und seinem Roman ›Scepter und Hammer‹ zu den eigentlichen Helden, zumindest zu sehr bedeutungsvollen literarischen Gestalten gemacht. Ein Abglanz davon findet sich noch im ›Waldröschen‹, wo sie aber nicht mehr so positiv wie in den ersten Abenteuern, sondern ambivalent geschildert werden. Vom Romantischen, beinahe Mythischen gleitet dann die Darstellung ab ins Fast->Realistische‹ in ›Der Weg zum Glück‹. Danach sind es allenfalls noch einige Randbemerkungen, die May in seinem Hauptwerk, den Reiseerzählungen, den Zigeunern widmet. Offenbar verlor er sein Interesse an diesem Volk, was wahrschein-


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lich nicht einer sich verändernden Einstellung zuzuschreiben, sondern eher darauf zurückzuführen ist, daß er die Schauplätze seiner Abenteuer in ferne Weltteile, in exotische Gegenden verlegte, wo sich Zigeuner nun einmal nicht fanden.

   Zum anderen zeigt aber seine Schilderung und Charakterisierung der Zigeuner ein weiteres Mal, daß er sich in seinem Leben stets der Minderheiten, der Verachteten, Verfolgten, Geknechteten, der unterdrückten Naturvölker oder der von der europäischen Rasse gedemütigten Völker des Orients angenommen hat. Das ist - neben all seinen Leistungen auf literarischem Gebiet - seine eigentlich achtunggebietende und bleibende Leistung, die um so schwerer wiegt, als er damit offen dem Zeitgeist widersprach, gegen die Vorurteile und den Hochmut seiner Zeit ankämpfte. Mögen seine Helden, in denen er sich oft, idealistisch überhöht, selbst widerspiegelt (z. B. auch in Max Brandauer), noch so sehr alle Freunde überragen und alle Feinde übertrumpfen - ganz gleich, ob Indianer, Beduinen, Kurden, sibirische Naturvölker,94 Juden,95 Armenier96 -, immer stand er auf der Seite der Verlierer, auch wenn er diesen im Laufe seiner Geschichten natürlich auch negative Gestalten zuschrieb. Daß er eine solche Haltung einnahm, in der er seiner Zeit weit voraus war, mag mit seiner eigenen Erfahrung des Leides, der Verachtung und Verfolgung zu tun gehabt haben - einzig und allein daraus zu erklären ist sie freilich nicht. May war eine tolerante, gütige, zuletzt pazifistisch eingestellte Persönlichkeit, und er verfügte über die nötige Zivilcourage - auch über das pädagogische Geschick - seine Botschaft der Toleranz gegenüber den verachteten Völkern in seinen turbulenten Abenteuergeschichten so zu verpacken, daß sie oft nur indirekt zum Ausdruck kam und daher die vielfach im Zeitgeist verhafteten Leser eher unterschwellig beeinflußte. Eine Ausnahme davon bildet das Alterswerk, vor allem sein Roman ›Und Friede auf Erden‹, in dem er seine Botschaft sehr direkt vermittelt.

   Auch bezüglich der Zigeuner ist die Quintessenz seiner humanen Botschaft vielfach indirekt zu entnehmen. Indem er im ›Gitano‹ die beiden Zigeuner in den gleichberechtigten Status mit spanischen Edlen hebt; indem er in ›Scepter und Hammer‹ die Schlüsselfigur, den Drahtzieher, dem der gute Ausgang in erster Linie zu verdanken ist, in einer Zigeunerin verkörpert, die damit den Europäern, den Christen, ebenbürtig und überlegen wird, vermittelt er ganz nebenbei und wie selbstverständlich seine Ansicht, daß die Zigeuner zumindest ein gleichwertiges, wenn auch geheimnisvolles Volk sind. Die unbeschreibliche Karriere, die das ›Zigeuner-Halbblut‹ Katombo macht, ist als weiterer deutlicher Hinweis Mays anzusehen. »Bist Du ein Gitano?« fragt ihn


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Zarba, und er antwortet: »Was gibt mehr Recht, ein Gitano zu sein: die kurze Stunde der Geburt oder die langen Jahre des Lebens? Der Vajda hat mich im Walde gefunden, und Niemand kennt meine Eltern; aber ich bin bei Euch gewesen allezeit, die Vajdzina nennt mich ihren Sohn, und daher darf ich sagen, daß ich ein Gitano bin.« (Sc 218) Und bald danach ruft er aus: »Ich will ein freier Mann sein, dem die Vajdzina nicht zerstörend in das Leben greifen darf; aber ich bin ein Sohn Eures Volkes geworden und möchte es bleiben, weil Dankbarkeit in meinem Herzen wohnt.« (Sc 233)

   Zu Mays Zeit (auch später noch) kursierte, wie geschildert, das Vorurteil, daß Zigeuner berüchtigte Kindsräuber seien. Im ›Magasin pittoresque‹ war 1861 »folgende unglaubliche Schilderung (zu) lesen: ›Inmitten der Bande sitzt der braunhäutige, düsterblickende Häuptling und grinst das gestohlene weißrosige Kind an, das weinend auf seinen harten Knien sitzt. Sonnverbrannte Weiber, Wahrsagerinnen und Genossinnen dieser Banditen von Profession, begrüßen freudig das kleine Geschöpf und umringen es geschäftig wie Feen die Wiege eines Prinzen. Eine wird es Lieder und Tänze lehren, eine andere es im Gebrauch des Tamburins und im Harfenspiel unterrichten. Diese verspricht, es in die Geheimnisse der Handlesekunst einzuweisen und es mit den unfehlbaren Karten vertraut zu machen. Wieder eine andere wird ihm ein schwarzes Huhn und eine Kröte schenken, Helfershelfer und Orakel der Horoskope. Es wird ein Gaukler oder ein Dieb, eine Hexe oder eine Wahrsagerin werden.‹«97

   Vielen Lesern Mays war diese derbe und - mit Verlaub - niederträchtige Schilderung vertraut. Und was setzte er - wieder gut ›verpackt‹ - entgegen? Aus Katombo wird trotz seines Aufwachsens unter den angeblich verderbten Zigeunern ein genialer Dichter und später ein Großadmiral des Sultans; Fex, in ›Der Weg zum Glück‹, diesmal ein geraubtes weißes Kind, das unter Zigeunern erzogen wird, bringt es zum gefeierten Musiker und entpuppt sich als Baron. Und mit Recht warnt May: »Man redet den Gitani so viel Böses nach, was nicht wahr, sondern Lüge ist!« (Sc 244)

   Es kommt noch deutlicher: Der Hauptmann, später Major von Wallroth, verleugnet Zarba, seine inzwischen alt und häßlich gewordene Mutter, nicht: Er sprengte heran, sprang vom Pferde und trat zu Zarba: »Mutter!« rief er, sie umarmend und küssend. (Sc 642f. ) Ebenso schämte (er) sich vor all den Herrschaften nicht, die alte Zigeunerin seine Mutter zu nennen, worauf der König - man höre und staune - erklärt: »Zarba ... Du gehörst zu uns, denn alles was geschehen ist, das ist zum größten Theile Dein Werk.« (Sc 668) Diese Szene erinnert übrigens an


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eine Episode in ›Deutsche Herzen - Deutsche Helden‹, in der Karparla, als sich ihre deutsche Herkunft herausgestellt und sie ihre leiblichen Eltern endlich gefunden hat, auf ihre tungusischen Pflegeeltern zueilt und ihnen erklärt, sie seien ja auch ihre Eltern und sollten es stets bleiben.98 Daß May auch immer wieder die (ambivalente) Rolle der Mutter in Verbindung mit Kindsvertauschungen in den Blickpunkt rückt, läßt den Verdacht aufkommen, daß er sich dabei auch sein eigenes, durchaus nicht nur positives Sohn-Mutter-Verhältnis, eines der Traumata aus seiner Kinder- und Jugendzeit, von der Seele schrieb.

   May läßt es nicht bei den indirekten Hinweisen auf die Gleichberechtigung der Zigeuner bewenden. Wie später Vertretern der Indianer, Araber oder anderer Völker legt er auch einer Zigeunerin, nämlich Zarba, heftige Angriffe auf die Europäer, die sich Christen nennen, in den Mund:


»lch hatte der Gaben noch mehrere ... sie sind verschwunden, und mit ihnen ist hin die Jugend und das Glück. Zarba säete Liebe und erntete Haß, sie gab Glück und Seligkeit und nahm Spott und Verachtung dafür hin. Ihr Lachen hat sich in Weinen verkehrt, ihre Liebe ist zur Rache geworden; ihr Himmel heißt Hölle, ihr Segen wurde Fluch, und ihre Schritte verklingen im tiefsten Schatten der Nacht. ... Der Sohn dieser Erde spricht von Liebe; er glaubt an sie und opfert ihr sein Leben, und doch ist sie ein Gespenst, welches schrecklich anzuschauen ist, wenn sie die gleißende Hülle von sich wirft, denn ihr Name heißt - Selbstsucht. Euer Gott schuf und liebt die Menschen, um von ihnen angebetet zu werden; die Erde liebt die Sonne, weil sie sich an ihren Strahlen wärmt; das Kind liebt die Eltern, weil es von ihnen AIles empfängt, was es bedarf; die Eltern lieben das Kind, weil es Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blute ist; der Gatte liebt die Gattin, weil er durch sie glücklich werden will, und der Freund liebt den Freund, weil er seiner bedarf. O, ich kenne Eure Liebe, ich kenne Eure Hingebung, Eure Opferfreudigkeit! Eure Liebe hat mir das Herz aus dem Leibe gerissen, ich aber habe ihr den Schleier zerfetzt, hinter welchem sie ihr häßliches Angesicht verbirgt! ... den Vorhang will ich heben, hinter welchem sie [die christliche heilige Religion! E. K.] sich verbirgt. Was ist die Liebe, von welcher Euch gepredigt wird? Feindseliger Haß und tödtliche Selbstsucht. Wer nicht an Eure Satzung glaubt, wird verdammt. Was ist Eure Inquisition? Was ist eure Mission? Auf blutigem Bahrtuche tragt Ihr Euren Glauben von Land zu Land, von Volk zu Volk; Ihr nehmt den Nationen das Hirn aus dem Kopfe und das Mark aus den Knochen, und doch - geht zu Denen, welche Ihr Heiden nennt, und seht, wo die Sünde ärger und raffinirter wüthet, bei ihnen oder bei Euch! Liebe? Ich kenne sie nicht, aber den Haß, die Vergeltung, die Rache kenne ich. Ihr handelt nach gleißnerischen Sätzen, welche feig und lügnerisch sind, uns aber lehrt Bhowannie, dasselbe zu thun, was an uns gethan wird; sie ist die unerbittliche Göttin der Rache, und ihr diene ich, so lange noch eine Faser an meinem Leibe ist!« (Sc 115f.)


Die Anklage Zarbas gegen die Christen wird von May dadurch geschickt relativiert, daß sie ihrerseits Rache und Vergeltung in den Vor-


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dergrund rückt und sich damit selbst in Mißkredit bringt; dies seinerseits wird wiederum dadurch relativiert, daß Zarba durch Christen - den Herzog von Raumburg - schlimmes Leid angetan wurde. Die Vorwürfe gegen Europäer und Christen, wie sie Zarba erhebt, finden sich in vielerlei Variationen in Mays Werk immer wieder, was zeigt, daß er seiner Grundhaltung: der Achtung vor den Verachteten sein Leben lang treu geblieben ist. Daß er damit auch diejenigen treffen wollte, die ihn selbst zum Verachteten gemacht hatten, ist dabei eine von ihm wahrscheinlich gewollte Parallele.

   Im Gegensatz zu Achim von Arnims Isabella, die, als sie aus dem Leben scheidet, ihr Volk erlöst, wird mit Zarba, die von einem Prinzen erschossen wird, als sie ein Mädchen retten will, auch die Hoffnung begraben: »Ich versinke und verschwinde wie unser Volk, ohne Heimath, im Windesrauschen, leb wohl, leb wohl!« (J 573) Hat May intuitiv erahnt, daß den Zigeunern die große Hetzjagd erst noch bevorstand? Noch 1963, lange nach den Nazi-Verfolgungen, richteten die Zigeuner in der Bundesrepublik zur ›Woche der Brüderlichkeit‹ folgenden Appell an die Öffentlichkeit: »Wir bitten das deutsche Volk: Nehmt uns auf in eure Brüderlichkeit. - Baut die Vorurteile gegen uns ab. - Gebt uns die Möglichkeit zu einer uns gemäßen Erziehung, Ausbildung und Arbeit. Wir sind nicht asozial und möchten verhindern, daß unsere Kinder es werden! Helft nicht nur in der weiten Welt, sondern auch dem Lazarus, der vor eurer Tür liegt.«99 Und Luise Rinser schließt ihr aufrüttelndes Buch, das 1985 erstmals erschien, beinahe in Karl-May-Manier: Möge das Buch »vor allem das Gewissen der für unsere Sinti zuständigen Behörden treffen, die Parteien angehören, welche sich  c h r i s t l i c h  oder  s o z i a l  oder  c h r i s t l i c h - s o z i a l  nennen und keinem der beiden Programme entsprechen, sondern ihnen zuwiderhandeln und sich dabei auch noch im Recht fühlen: als Mandanten einer unchristlich-unsozialen, fremdenfeindlichen, bürgerlich-besitzenden Mehrheit. Spreche nur niemand mehr von  c h r i s t l i c h  und  s o z i a l , ehe die Menschenrechte für Sinti und Roma, einer seit 6 Jahrhunderten in Deutschland lebenden Minderheit, nicht gewährleistet sind.«100 - »Papperlapapp! Gitano, Zingaritto oder Zigeuner, mir Alles gleich. Du bist ein braver Junge, und da frage ich nicht, ob deine Mutter eine Gräfin oder eine Vagab - wollte sagen, eine Zigeunerin war« (Sc 83), hatte May schon mehr als hundert Jahre vorher formuliert.

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Ulrike und Reimund, Valerie und Dominique gewidmet, die - am Anfang ihres Lebensweges stehend - für den Geist der Toleranz noch etwas bewirken können und sollen.


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Für ihre Anregungen und Unterstützung in verschiedener Hinsicht danke ich herzlich den Herren Ekkehard Bartsch, Bad Segeberg, Hansotto Hatzig, Oftersheim, Bernhard Kosciuszko, Köln, Herbert Meier, Hemmingen, und Dr. Wilhelm Vinzenz, Maisach; ferner Familie Vennekold, Essen, Herrn Dr. Wolfgang Menyesch und Frau Marlis Storch, Aachen, sowie Frau Penard, Düsseldorf, die indirekt den Anstoß zu dem Aufsatz gab. Meiner Frau Sabine danke ich sehr für ihre anhaltende Geduld bei der Abfassung dieser Arbeit.



1 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. II Bd. 1: Scepter und Hammer. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987 S. 89 (Titel) und 83 (künftig: Sc); der Roman erschien erstmals 1879/80.

2 Zitiert in: Gert Schwab und Edgar Wüpper: Zigeuner. Portrait einer Randgruppe. Luzern-Frankfurt a. M. 21981, S. 54

3 Einige Hinweise enthält: Eckehard Koch: Werkartikel ›Der Gitano‹. In: Karl May Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 420f.

4 Karl May: Der Gitano. In: Der Beobachter an der Elbe. 2. Jg. (1875) - Ohne wesentliche Änderungen wurde das ›Abenteuer unter den Carlisten‹ 1877 im ›Neuen Unterhaltungsblatt‹, 8. Jg., und 1880 unter dem Pseudonym Karl Hohenthal in ›All-Deutschland/Für alle Welt‹. 4. Jg., veröffentlicht. Die erste Buchausgabe erfolgte in ›Humoresken und Erzählungen‹ (Dresden-Niedersedlitz 1902) als Kapitel 7, unwesentlich bearbeitet findet es sich heute in Karl May's Gesammelte Werke Bd. 38: Halbblut. Bamberg, ferner liegt der Text von 1875 als Reprint der Karl-May-Gesellschaft, Hamburg 1974, vor. Im folgenden wird nach diesem Reprint zitiert.

5 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S. 79, Reprint Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul

6 Ähnlich Mays Vorgehen bei anderen frühen Erzählungen, eine Verfahrensweise, die er auch später anwandte, vgl. dazu z. B. vom Verfasser: Der ›Kanada Bill‹. Variationen eines Motivs bei Karl May. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1976. Hamburg 1976, S. 29-46 - Zwischen Rio de la Plata und Kordilleren. Zum historischen Hintergrund von Mays Südamerika-Romanen. In: Jb-KMG 1979. Hamburg 1979, S. 137-168 - Der Weg zum ›Kafferngrab‹. Zum historischen und zeitgeschichtlichen Hintergrund von Karl Mays Südafrika-Erzählungen. In: Jb-KMG 1981. Hamburg 1981, S. 136-165.

7 Außer in Spezialwerken zu den Carlisten-Kriegen oder zur Geschichte Spaniens (z. B. Raymond Carr: Spain 1808-1939. Oxford 1966 - Fritz Wahl: Kleine Geschichte Spaniens. Franfurt a.M 21971 - Stanley George Payne: A history of Spain and Portugal. Madison 1973 - Ulick Ralph Burke: A history of Spain ( ... ). New York 1976) findet sich ein lesenswerter Überblick über die Carlisten-Kriege in der Encyclopedia Americana. Die zeitgenössische Stimmung über diese Aufstände kommt recht gut zum Ausdruck z. B. in: Brockhaus-Conversations-Lexikon. Bd.3. Leipzig 131882 Artikel ›Carlos, Don‹ (mit dem Hinweis auf das Schicksal des deutschen Hauptmannes A. Schmidt), und Bd. 5. Leipzig 131883, Artikel ›Dorregaray‹ (mit Hinweisen auf die Untaten der Carlisten).

8 Vgl. Webster's Biographical Dictionary. Springfield, Mass. 1953.

9 Vgl. Jean-Paul Clébert: Das Volk der Zigeuner. Frankfurt a.M. 1967, S. 91ff. (Fischer Bücherei 788).

10 Rüdiger Vossen: Zigeuner. Roma, Sinti, Gitanos, Gypsies. Zwischen Verfolgung und Romantisierung. Katalog zur Ausstellung des Hamburgischen Museums für Völkerkunde. Frankfurt a. M.-Berlin-Wien 1983, S. 49 (Ullstein-Sachbuch 34135)

11 R. Djuri[´c]: Zigeuner. Ein Volk aus Feuer und Wind. Eltville am Rhein 1980, S. 92 auch Erich Hackl (Hrsg.): Zugvögel seit jeher. Freude und Not spanischer Zigeuner. Mit Fotographien von Willy Puchner. Wien-Freiburg-Basel 1987, S. 43

12 Zitiert nach Hackl, wie Anm. 11, S. 8

13 Zitiert nach Hackl, wie Anm. 11, S. 34


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14 Ebd., S. 82 u. 84

15 Ekkehard Koch: ›Winnetou‹. Vorwort (zu Mays ›Reiseerinnerung‹ ›Winnetou‹). In: Karl May: Der Krumir. Seltene Originaltexte Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Gelsenkirchen 1985, S. 180

16 Karl May: Old Firehand. In: Deutsches Familienblatt. 1. Jg. (1875/76), S. 107; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1975 - vgl. dazu: Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 50 (Diogenes Taschenbuch 112), sowie: Ekkehard Koch: Winnetou Band IV. Versuch einer Deutung und Wertung 1. Teil. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 143f.

17 Clébert, wie Anm. 9

18 Karl May: Der beiden Quitzows letzte Fahrten. In: Feierstunden am häuslichen Heerde.1. Jg. (1876/77), S.357f.; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1972

19 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IV: In den Schluchten des Balkan. Freiburg 1892, S. 356

20 Clébert, wie Anm. 9, S. 113

21 May: Scepter und Hammer, wie Anm. 1, S. 262

22 Clébert, wie Anm. 9, S. 115f. - Hackl, wie Anm. 11, S. 40

23 Brockhaus, wie Anm. 7, 16. Bd. 131887, S. 913, Artikel ›Zigeuner‹

24 Karl May: Der Oelprinz. Stuttgart (1897), S. 98

25 Karl May: Der Kutb. In: Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIII: Auf fremden Pfaden. Freiburg 1897, S. 374

26 Karl Mays Werke. Historisch kritische Ausgabe, Abt. 11 Bd. 2.: Die Juweleninsel. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987, S. 117 (künftig: J), der Roman erschien erstmals 1880/81.

27 Karl May: Der Weg zum Glück. Dresden 1886/87; Reprint Hildesheim-New York

28 Karl May: Das Waldröschen oder die Verfolgung rund um die Erde. Dresden 1882; zitiert nach dem Reprint einer späteren Ausgabe; Hildesheim-New York 1969ff.

29 Neben dem Brockhaus, wie Anm. 7, auch: Pierers Universal-Conversations-Lexikon. Berlin-Leipzig 61879. Artikel ›Zigeuner‹

30 Vgl. Klaus Hoffmann: Werkartikel ›Der Weg zum Glück‹. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 3, S. 410-418.

31 Brockhaus, wie Anm. 23

32 Pierer, wie Anm. 29

33 Brockhaus, wie Anm. 23

34 Pierer, wie Anm. 29

35 Brockhaus, wie Anm. 23

36 Pierer, wie Anm. 29

37 Brockhaus, wie Anm. 23

38 Dazu besonders: George von Soest: Zigeuner zwischen Verfolgung und Integration. Geschichte, Lebensbedingungen und Eingliederungsversuche. Weinheim und Basel 21980 - auch: Schwab Wupper wie Anm. 2 - Clébert, wie Anm. 9 - Vossen, wie Anm. 10 - Joachim S. Hohmann (Hrsg.): brawo sinto! Lebensspuren deutscher Zigeuner. Frankfurt a. M. 1984 - Zur Freundschaft zwischen Deutschen und Indianern vgl: Ekkehard Koch: Karl Mays Väter - Die Deutschen im Wilden Westen. Husum 1982.

39 von Soest, wie Anm. 38, S. 95

40 Luise Rinser: Wer wirft den Stein? Zigeuner sein in Deutschland. Eine Anklage. Frankfurt a. M.-Berlin 1987

41 Schon 1844-45 erschien in Halle: August Friedrich Pott: Die Zigeuner in Europa und Asien (2 Bde., Nachdruck Leipzig 1964). Die heutige Literatur ist sehr umfangreich. Empfohlen von den Büchern, die vom Verfasser benutzt wurden, seien speziell Clébert, wie Anm. 9, und Vossen, wie Anm. 10. Bemerkenswerte Einblicke gibt Hohmann, wie Anm. 38, von dem auch »aufgeschrieben, bearbeitet und herausgegeben« wurde: Zehn in der Nacht sind neun. Geschichte und Geschichten der Zigeuner. Darmstadt und Neuwied 1982, sowie ders.: Geschichte der Zigeunerverfolgung in Deutschland. Frankfurt a. M. 1981. Das aufschlußreiche Buch von Djuri[´c], wie


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Anm. 11, enthält eine sehr anschauliche und lesenswerte Beschreibung von Kultur und Religion der Zigeuner und reichhaltiges Bildmaterial. Als Bildwerk ist auch zu nennen: Anno Wilms u. a.: Zigeuner. Zürich 1972, sowie Schwab/Wüpper wie Anm. 2, und Hackl, wie Anm. 11. Zur sozialen Lage der Zigeuner heute in der Bundesrepublik ist neben Schwab/Wüpper vor allem von Soest, wie Anm. 38 zu empfehlen. Ein gut zu lesender und einfühlsamer Bericht über die heutigen Zigeuner ist: Brian Vesey Fitzgerald: Die europäischen Zigeuner und ihr Fest in der Camargue - Frankreich. In: Bild der Völker. Die Brockhaus Völkerkunde in 10 Bänden. Bd. 9. Wiesbaden (1974), S. 44-53. Einen Abriß ihrer Geschichte und Probleme gibt: Klemens Ludwig: Bedrohte Völker. Ein Lexikon nationaler und religiöser Minderheiten. München 1985. Ferner seien noch genannt: Walter Aichele und Martin Block: Zigeunermärchen. Düsseldorf-Köln 1962 - Hermann Arnold: Die Zigeuner. Olten-Freiburg i. Br. 1965 - Hermann Arnold: Randgruppen des Zigeunervolkes. Neustadt/ Weinstr. 1975 - Wolf in der Maur: Die Zigeuner. Wanderer zwischen den Welten. Wien-München 1978 - Heinz Mode und Siegfried Wölfling: Zigeuner. Der Weg eines Volkes in Deutschland. Leipzig 1968 - Balint Sarosi: Zigeunermusik. Zürich-Freiburg i. Br. 1977 - Tilman Zülch (Hrsg.): Von denen keiner spricht. Reinbek b. Hamburg 1975 - Tilman Zülch (Hrsg.): In Auschwitz vergast, bis heute verfolgt. Reinbek b. Hamburg 1979.

42 von Soest, wie Anm. 38, S. 51

43 Rinser, wie Anm. 40

44 Vgl. Gert Ueding: Werkartikel ›Das Waldröschen‹. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 3, S. 380-389.

45 Brockhaus, wie Anm. 23

46 Clébert, wie Anm. 9, S. 169, 176, 188

47 Ueding, wie Anm. 44 S. 387

48 Eine ›Zigeunerkolonie‹ in Deutschland. In: Über Land und Meer. 49. Jg. (1873); zitiert in: Hohmann: Zehn in der Nacht, wie Anm. 41 S. 90

49 Vgl. Clébert, wie Anm. 9, S. 189 und 192; Hohmann: brawo sinto, wie Anm. 38, S. 112.

50 Pierer, wie Anm. 29

51 Clébert, wie Anm. 9, S. 195f.

52 Djuri[´c], wie Anm. 11, S. 79 - hier findet sich noch mehr Information über die Dichtkunst der Zigeuner und ihre modernen Interpreten.

53 Ebd.. S. 111

54 Ebd., S. 64

55 Vossen, wie Anm. 10, S. 225

56 Ebd., S. 227

57 Clébert, wie Anm. 9, S. 142

58 Meyers Großes Konversations-Lexikon. Bd. 2. Leipzig-Wien 61905

59 Clébert, wie Anm. 9, S. 179

60 Ebd., S. 153f.

61 Vgl. Wolfgang Därr und Anne Wodtcke: Madagaskar. Köln 1985

62 Pierre Bertaux: Afrika. Von der Vorgeschichte bis zu den Staaten der Gegenwart. Frankfurt a. M. 1978, S. 341 (Fischer Weltgeschichte Bd. 32)

63 Urs Bitterli: Die ›Wilden‹ und die ›Zivilisierten‹. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung. München 1976, S. 50

64 Hierzu neben den zeitgenössischen Ausführungen im ›Pierer‹ und ›Brockhaus‹ z. B. Bertaux, wie Anm. 62, S. 343ff.

65 Vgl. die Bilder in Hohmann: Zehn in der Nacht, wie Anm. 41, S. 81 und 116.

66 Zum Inhalt des Romans vgl. Christoph F. Lorenz: Werkartikel ›Scepter und Hammer‹ und ›Die Juweleninsel‹. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 3, S. 371-376 und S. 376-380.

67 Clébert, wie Anm. 9, S. 174

68 Ebd., S. 176f.

69 Ebd., S. 100

70 Vgl. Clébert, wie Anm. 9, S. 132ff., Vossen, wie Anm. 10, S. 236ff.


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71 Ebd.

72 Von Soest, wie Anm. 38, S. 28f. - Die Information über den Einsatz der Zigeuner durch Bela IV. u. a. in: Der Grosse Brockhaus in 12 Bänden. Wiesbaden 181981, Artikel ›Zigeuner‹ (nach Clébert, wie Anm. 9, S. 35, können es allerdings auch Bulgaren gewesen sein, danach sind Zigeuner erst etwa im 15. Jahrhundert in Mitteleuropa aufgetreten). Aus diesem Brockhaus sind noch weitere Informationen in die vorliegende Arbeit eingeflossen.

73 Vossen, wie Anm. 10, S. 209ff.

74 Clébert, wie Anm. 9, S. 140

75 Pierer, wie Anm. 29

76 Clébert, wie Anm. 9, S. 142

77 Lorenz, wie Anm. 66; ferner: Volker Klotz: ›Die Juweleninsel‹ - und was man daraus entnehmen könnte. Lese-Notizen zu den Erstlingsromanen nebst einigen Fragen zur Karl-May-Forschung. In: Jb-KMG 1979. Hamburg 1979, S. 262-275 - Christoph F. Lorenz: Die wiedergefundene ›Juweleninsel‹. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 44/1980, S. 23-25. und M-KMG 46/1980, S. 14-19

78 Vgl. Ueding, wie Anm. 44; auch: Heinz Stolte: ›Waldröschen‹ als Weltbild. Zur Ästhetik der Kolportage. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 17-38.

79 Hohmann: brawo sinto, wie Anm. 38, S. 321f.

80 Clébert, wie Anm. 9, S. 105

81 Pott, wie Anm. 41

82 Clébert, wie Anm. 9, S. 101f., vgl. auch Djuri[´c], wie Anm. 11, S. 90, 96, 98, sowie die Angaben in ›Pierer‹ und ›Brockhaus‹.

83 Ebd.

84 Siehe: Harald Fricke: Karl May und die literarische Romantik. In Jb-KMG 1981. Hamburg 1981, S. 11-35 - Ekkehard Koch: »Jedes irdische Geschöpf hat eine Berechtigung zu sein und zu leben«. Zum Verhältnis von Karl May und Johann Gottfried Herder. In: Jb-KMG 1981. Hamburg 1981, S. 166-206.

85 Clébert, wie Anm. 9, S. 99f.

86 Hohmann: brawo sinto, wie Anm. 38, S. 328ff.

87 Vgl. auch: Kindler Literatur Lexikon. Zürich 1965, Sp. 2689f., Artikel ›Isabella von Ägypten‹.

88 Achim von Arnim: Isabella von Ägypten. Zitiert nach: Deutsche Hausbibliothek. Meistererzählungen. Zusammengestellt von Theodor von Sosnosky. Augsburg 1987, S. 164

89 Clébert, wie Anm. 9, S. 185

90 Hohmann: brawo sinto, wie Anm. 38, S. 176, u. a.

91 Ein ähnliches Verfahren findet sich bei Karl May in ›Und Friede auf Erden! ‹: Macao wird zu Ocama.

92 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 5, S. 59

93 Ebd., S. 164

94 Ekkehard Koch: »Famoses Land, dieses Sibirien, und allerliebste Verhältnisse!«. Zum historischen Hintergrund von Mays Sibirien-Abenteuer in ›Deutsche Herzen -Deutsche Helden‹. In: Jb-KMG 1986. Husum 1986, S. 185-224

95 Norman Strech: Die Darstellung der Juden bei Karl May. In: M-KMG 58/1983, S. 32-43

96 Rainer Jeglin: Karl May und die Armenier. In: M-KMG 6/1970, S. 20-24 und M-KMG 7/1971, S. 22-25

97 Clébert, wie Anm. 9, S. 100

98 Vgl. Koch: Sibirien, wie Anm. 94, S. 200.

99 Schwab/Wüpper, wie Anm. 2

100 Rinser: wie Anm. 40, S. 156f.





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