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HANS WOLLSCHLÄGER


Das sechzehnte Jahrbuch



Es ist in diesem Jahr fünfzig Jahre her, daß die erste Dissertation über Karl May erschien, Heinz Stoltes ›Volksschriftsteller‹, und was Arthur Witte, der Doktorvater des Autors, damals erkannte, hat sich durchaus bewahrheitet: »Die ganze May-Frage ist mit dieser Arbeit noch nicht abgeschlossen, wie manche ihrer Beurteiler geschrieben haben. Im Gegenteil, sie beginnt eben jetzt erst interessant zu werden. Wir stehen am Anfang, nicht am Ende ihrer Lösung.« Bis zu welchen Perspektiven sich die Forschung einmal fortentwickeln würde, war damals nicht entfernt abzusehen; trotzdem hat man - besonders wenn man diese Fortentwicklung anhand von Heinz Stoltes späteren Arbeiten abschreitet, bis hin zur Untersuchung des Weihnacht-Romans, die das vorliegende Jahrbuch eröffnet - den Eindruck einer seltenen Konsequenz und Zusammenhänglichkeit, und so konnte auch der ›Volksschriftsteller Karl May‹ vor einigen Jahren als unveränderter Reprint neu erscheinen, ohne daß der Autor von einzelnen seiner ehemaligen Thesen und Befunde hätte zurücktreten müssen. Freilich: der »Lösung« der »ganzen May-Frage« sind wir auch nach fünfzig Jahren noch durchaus nicht nahe; mit der Forschung hat sich auch die Rätselhaftigkeit des Themas weiter entfaltet und vergrößert, und nicht zuletzt gehört zum Glanz des Mayschen Werks dies: daß es der in einem Halbjahrhundert gewachsenen wissenschaftlichen Herausforderung nicht nur standgehalten hat, sondern in seinerzeit ungeahnt überlegener Weise gewachsen geblieben ist; - es wird den Gelehrten weiter zu denken geben.

   Das vorliegende Jahrbuch bringt vor allem die vier Vorträge der letzten, von Erich Heinemann im Anhang referierten Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Königswinter: neben Stoltes ›Fiedler auf dem Dach‹ eine Form-Untersuchung des Winnetou-Romans durch Helmut Schmiedt, Gert Uedings Durchleuchtung des Arzt-Motivs im Werk und von Erwin Koppen eine Durchmusterung der Quellen und Eigenarten von Karl Mays China-Bild. Ihnen treten unsere bewährten Autoren Dieter Sudhoff, Hartmut Vollmer und Ekkehard Koch mit neuen Interpretationen von May-Figuren und -motiven an die Seite, die ein weiteresmal beweisen, wie gleicherweise ergiebig das Früh- wie das Spätwerk sich der Forschung mittlerweile darstellt. Von Karl May


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selbst erscheint ein frühes Erzähl-Fragment, das Herbert Meier kommentiert; einen auffallenden Charakterzug des Autors sucht Kurt Langer anhand eines von Michael Balint gegebenen Modells tiefenpsychologisch verständlich zu machen. In Grenzgebiete schließlich dringt, auf freilich außerordentliche Weise, die Untersuchung von Johanna Bossinade vor: sie fordert zum Weiterdenken nicht weniger heraus als vielleicht zum Widerspruch, wird aber jedenfalls - neben der Arbeit von Kunicki/Honsza - allen als Zeugnis dafür willkommen sein, daß auch die ausländische Germanistik sich unserem Thema zu öffnen beginnt.

   Fünfzig Jahre wissenschaftliche Karl-May-Forschung: wohl ein Jubiläum, das zum Gedenken anhält. Dank allen, die sie auch in diesem Jahrbuch glanzvoll fortgesetzt haben!




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