* | Diese und die folgenden Arbeiten Mays werden textgetreu wiedergegeben. Verschreibungen wurden nicht korrigiert. Von der Redaktion eingefügte Satz- und Anführungszeichen stehen in eckiger Klammer. Im Original einmal Unterstrichenes wird durch Sperrung hervorgehoben, mehrmals Unterstrichenes durch erweiterte Sperrung. Anmerkung der Internet-Redaktion: da sich das etc-Symbol rc aus dem gedruckten Buch sich nicht darstellen ließ, wurde dafür "etc."geschrieben. |
»Karl May, ein Verderber der deutschen Jugend von F. W. Kahl | |
- - - Basel« |
* | Der Streitfall um die von Lebius verfaßte und unter dem Namen F. W. Kahl veröffentlichte Broschüre Karl May ein Verderber der deutschen Jugend wurde von Hainer Plaul ausführlich dokumentiert im Jb-KMG 1974, S. 195-236. Für interessierte Forscher ließ Plaul damals auch einen (inzwischen vergriffenen) Reprint der Kahl-Broschüre herstellen. (Anm. d. Redaktion) |
d i e D r o h u n g s e i n e r F r a u g e g e n m e i n e F r a u w a h r z u m a c h e n , » d i e a l t e n A n g r i f f e g e g e n m i c h z u e r n e u e r n , u n d w a s d a n n d a r a u s f o l g t , d a s w i s s e n w i r g e n a u ! « |
* | Georges Manolescu (1871-1908), Gentleman-Gauner und notorischer Juwelendieb, wurde bekannt durch seine erstmals 1905 erschienenen Memoiren; mit den Titeln Ein Fürst der Diebe und Gescheitert (später auch u. d. T. Der Meisterdieb) beide Bände sind im Archiv der Karl-May-Gesellschafl vorhanden. Ausführliche Informationen zu Manolescu finden sich bei Werner G. Schmidtke Georges Manolescu - ein Gauner als Held. Edition Corsar, Braunschweig 1982. (Anm. d. Redaktion) |
Es ist die Frage, ob Herr Rudolf Lebius als Ehrenmann zu betrachten ist oder nicht. Ich muß als Zeugin der Wahrheit die Ehre geben, indem ich offen bekenne, daß es mir vollständig unmöglich ist, ihn als Ehrenmann zu bezeichnen. Er hat an mir und meinem Manne nicht wie ein Mensch, sondern w i e e i n U n m e n s c h gehandelt, der alles Mitleid, alle Wahrheitsliebe und alle Ehrenhaftigkeit bis auf den letzten Rest v o l l s t ä n d i g v e r l o r e n hat.
Schon im Jahre 1902, als mein Mann im Süden reiste, schrieb Herr Lebius an meinen Mann, daß er ein Leser seiner Werke sei, daß er ihn v e r e h r e und b e w u n d e r e und daß er wünsche, sich ihm vorstellen zu dürfen. Als mein Mann diese Zuschrift gelesen hatte, sagte er sofort: »Der will mein Geld, weiter nichts.« Er antwortete ihm sehr kühl mit einer Karte.
Unter Beilegung schrieb Herr Lebius am 7. April 1904 einen Brief, in dem er seinen Wunsch wiederholte. Er habe ein Blatt in Dresden gegründet (die »Sachsenstimme«) welches großen Anklang finde. Mein Mann möge für dieses Blatt Etwas schreiben.
»Die Sachsenstimme« war ein Revolverblatt allerniedrigsten Ranges. Es konnte meinem Manne nicht einfallen, Mitarbeiter zu werden, aber infolge der Gefährlichkeit und Rachsüchtigkeit derartiger Revolvermänner mußte er sich hüten, Herrn Lebius direct abzuweisen. Er erlaubte ihm, zu uns nach Radebeul zu kommen. Er wurde hierzu besonders auch durch den Militairschriftsteller und Redacteur Max Dittrich bestimmt, der ihn warnte und ihm versprach, bei dem Besuch gegenwärtig zu sein, damit mein Mann so wenig wie möglich mit Lebius zu sprechen habe. Herr Lebius meldete sich für den 2ten Mai Nachmittag 3 Uhr an.
Als der Besuch zur angegebenen Zeit gekommen war, stellte sich sehr schnell heraus, daß Herr Lebius ein Mann war, vor dem man sich in Acht zu nehmen hatte. Gleich als ich ihn empfing, sagte ich ihm, daß mein Mann nur unter der Bedingung mit ihm sprechen werde, daß kein einziges Wort von der Unterhaltung in die Zeitung komme. Er versprach es mir. Als dann mein Mann im Gesellschaftszimmer erschien, stellte er dieselbe Bedingung noch einmal. Herr Lebius gab sein Wort. Er hat es dann, als er kein Geld bekam, ohne allen Skrupel gebrochen. D a s i s t e h r l o s !
Und noch schlimmer ist, daß er in seinen Veröffentlichungen die Wahrheit herumdrehte und derart mit bewußten Lügen ausschmückte, daß mein Mann als literarischer Schurke, Schwindler und Hochstabler erschien.
Herr Lebius trank mit Kaffee, aß dann auch mit Abendbrot und zeigte sich außerordentlich gesprächig. Er sprach fast ganz allein. Wir Andern hörten meist nur zu. Er gab sich die auffälligste Mühe, sich und sein Revolverblatt uns anzupreisen. Er sprach von seinen g r o ß e n K e n n t n i s s e n , seinen a u ß e r o r d e n t l i c h e n E r f a h r u n g e n , von seinen Erfolgen als P a r t e i m a n n , J o u r n a l i s t , B u c h h ä n d l e r und V e r l e g e r . Als das nicht wirkte, sprach er wieder von seiner V e r e h r u n g und B e w u n d e r u n g für meinen Mann, dessen Bücher er sehr genau kenne. Er habe sie gelesen und studirt. Da stellten wir ihn auf die Probe. Wir prüften ihn. Wir fragten ihn aus. E r k o n n t e k e i n e e i n z i g e F r a g e b e a n t w o r t e n . Er hatte diese Bücher nicht gelesen. Er kannte den Inhalt keines einzigen. Er war als Schwindler entlarvt. D a s w a r e h r l o s !
Aber er besaß so gar keine Ehre, daß er sich über diese Entlarvung nicht im geringsten schämte. Er lachte und scherzte über sie. Er sagte, er bewundere meinen Mann nicht seiner Werke, sondern seines Erfolges wegen. Der Erfolg sei die Hauptsache, und unter dem Erfolge verstehe er das G e I d . Alles Andere, Religion, Kunst, Wissenschaft, Gesetz, Moral, Humanität, sei M u m p i t z ! Das Geld sei Alles in Allem. Er sei aus der christlichen Kirche ausgetreten. Er sei Journalist und Parteimann. Er nehme auf die Religion anderer Leute keine Rücksicht. Die Presse sei die einzige Macht, die es gebe, und das Geld der einzige Erfolg, den er anerkenne. Darum sei sein Grundsatz folgender:
» W e r a m m e i s t e n z a h l t , d e r h a t u n s !
N u r w e r G e l d h a t , d e r k a n n A l l e s e r r e i c h e n . N u r w e r G e l d h a t , k a n n s i c h e i n e n e i g e n e n W i l l e n u n d e i n e e i g e n e M e i n u n g g e s t a t t e n . L e i d e r h a b e n w i r J o u r n a l i s t e n u n d R e d a c t e u r e m e i s t k e i n G e l d . D a r u m s i n d w i r g e z w u n g e n , g e g e n u n s e r e U e b e r z e u g u n g z u h a n d e l n u n d z u s c h r e i b e n u n d n u r s o l c h e n L e u t e n z u d i e n e n , v o n d e n e n w i r G e l d b e k o m m e n . W e r a m m e i s t e n z a h l t , d e r h a t u n s ! «
Herr Lebius wurde in seiner Redseligkeit immer unvorsichtiger. Er verstieg sich schließlich zu folgenden Geständnissen:
Wer an Gott, Religion, Moral u.s.w. glaubt, der ist Knecht. Wer an nichts glaubt, der ist freier Herr. Es giebt Sklaven und Gebie
ter, Schafe und Leithammel. Der Parteimann soll nicht Schaf, sondern Leithammel und Gebieter sein. Gehe es bei der einen Sorte von Schafen nicht, so gehe es bei der andern; man brauche nur zu wechseln, aber stets nur mit der nöthigen Ueberzeugung, denn das begeistere die Schafe. Dieser seiner P f i f f i g k e i t habe er alle seine bisherigen Erfolge zu verdanken.
Den Schafheerden, die man leiten wolle, imponire man als Redacteur besonders dadurch, daß man sich Mühe gebe, die O b r i g k e i t , die B e a m t e n und überhaupt alle A n g e s t e l l t e n i n d e n S a c k z u b e k o m m e n. Das sei sehr leicht. J e d e r B e a m t e h a t W e r g a m R o c k e n . Man forscht nach, was jeder Einzelne bei der Obrigkeit für verborgene Sünden zu verstecken hat. Hat man es erfahren, so deutet man das als Redacteur im Blatte leise an, so daß man nicht gefaßt werden kann, der Betreffende aber erfährt, daß man seine Sünden kennt. Dadurch setzt man sich in Respect und kommt in den Ruf eines tüchtigen Kerls. Man wird gefürchtet! M a n r e g i er t !
Wir, mein Mann und ich, waren froh, als dieser Besuch vorüber war. Wir nahmen uns vor, uns vor diesem Herrn Lebius in Acht zu nehmen und ihn fortan zu meiden. Aber schon am nächsten Tage schrieb er uns einen Dank für die ihm erwiesene Gastfreundschaft und am 12ten Juli 1904 verlangte er ein Darlehn auf drei Jahre, ohne die Höhe der Summe anzugeben. Am 8. Auguststellte er sie auf 3 b i s 6 T a u s e n d M a r k f e s t . Am 15ten August verlangte er schon z e h n t a u s e n d M a r k . Er that das unter allerlei Vorspiegelungen falscher Thatsachen. Es konnte uns nicht einfallen, ihm das Geld zu geben. Es wäre doch Alles verloren gewesen. Wir hörten, er habe schon manifestirt.* Als er kein Geld bekam, erhielten wir eine Postkarte, in der uns gedroht wurde, daß Herr Lebius einen Zeitungsartikel gegen uns schreiben werde. Und als mein Mann trotzdem nicht zahlte, erschien dieser Artikel am 11. September in der Lebius'schen »Sachsenstimme«. Er strotzte von Verdrehungen, Uebertreibungen und directen Lügen und erhielt eine Menge gleichwerthiger Fortsetzungen, deren Ehrlosigkeit und Boshaftigkeit jeder Beschreibung spottet. Es war offensichtlich darauf abgesehen, meinen Mann moralisch, literarisch und wirthschaftlich zu Grunde zu richten. Wir haben ganz entsetzlich unter diesem Haß und dieser unmenschlichen Rachsucht gelitten und hatten diesen Mann doch n i e auch nur mit einem einzigen Wort beleidigt oder gekränkt!
* | manifestirt: den Offenbarungseid geleistet. (Anm. d. Redaktion) |
Diese Rachsucht hat meinen Mann nicht nur bis dahin verfolgt, wo Lebius plötzlich mit Hinterlassung bedeutender Schulden aus Dresden verschwand, sondern sie ist jetzt plötzlich in dem Prozesse Lebius gegen Wermuth wieder groß und aktuell geworten. In diesem Prozesse war mein Mann als Zeuge benannt. Herr Lebius schickte seine Frau zu mir nach Radebeul, um meinen Mann durch Drohungen zu bestimmen, nicht gegen, sondern für ihn auszusagen, sonst würde ihr Mann g a n z u n b e d i n g t g e z w u n g e n s e i n , d i e a l t e n A n g r i f f e g e g e n m e i n e n M a n n z u e r n e u e r n , u n d w a s d a r a u s f o l g e , d a s w ü ß t e n w i r g e n a u ! Wir gingen natürlich nicht darauf ein.
In dieser Weise abgewiesen, beschloß Herr Lebius, eine Brochure gegen meinen Mann erscheinen zu lassen, die ihn als einen Mann hinstellte, der keine Eidesglaubwürdigkeit besitzt. Diese Brochure kam unter Umständen zu Stande, welche den Strafrichter noch ernstlich zu beschäftigen haben. Sie erschien einige Tage vor dem Termine, zu dem mein Mann als Zeuge geladen war, und enthält eine fast noch größere Menge von Verdrehungen, Uebertreibungen, wissentlichen Fälschungen und absichtlichen Lügen als alle andern früheren Pamphlete, mit denen mein Mann vernichtet werden sollte.
Nach alledem ist es mir gänzlich unmöglich, anzunehmen, daß Herr Lebius auch nur die g e r i n g s t e S p u r v o n E h r g e f ü h l besitzt. Ich halte ihn für einen gradezu gemeingefährlichen, vollständig unehrenhaften, rücksichtslosen Menschen, der in seiner Gewissenlosigkeit und Selbstüberhebung es sogar wagte, zu dem von ihm verführten Zeugen F. W. Kahl zu sagen: »Fürchten Sie sich nicht vor dem Gericht! Ich bin ein großes forensisches Talent! Sobald ich anfange, zu sprechen, sind die Richter alle mein! [«]