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HERMANN ZIEGER/JOSEPH KÜRSCHNER


Briefe über Karl Mays Roman ›Et in terra pax‹




In der May-Literatur ist der Pax-Roman in einem größeren Umfang bisher viermal abgehandelt worden: in Max Finkes Schlußaufsatz ›Aus Karl Mays literarischem Nachlaß‹1, in Hans Wollschlägers großer Untersuchung ›»Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt«. Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays‹2, in dem Beitrag von Ekkehard Bartsch über die Entstehungs- und Druckgeschichte dieses Romans3 und in dem Aufsatz von Erich Heinemann, in welchem den Beziehungen Mays zu Joseph Kürschner nachgegangen wird.4 Neue Funde bieten die Möglichkeit, vor allem die Erkenntnisse über den Entstehungsprozeß des Romans auszuweiten, was neben partieller Bestätigung zum Teil auch eine Korrektur des bisherigen Wissensstandes einschließt.
   ›Et in terra pax‹ ist bekanntlich 1901 in dem von Joseph Kürschner (1853 -1902) herausgegebenen und von Hermann Zieger (1856 - 1916) verlegten Sammelwerk ›China. Schilderungen aus Leben und Geschichte, Krieg und Sieg. Ein Denkmal den Streitern und der Weltpolitik‹ veröffentlicht worden. Bei den erwähnten neuen Funden handelt es sich um Briefstellen aus der Korrespondenz zwischen Zieger und Kürschner, die, zusammengefaßt in einem gesonderten Aktenkonvolut im Nachlaß ›Kürschner‹, sich ausschließlich auf die Herstellung dieses ›China‹-Werks bezieht.5 Briefe von oder Abschriften von Briefen an Karl May sind darin nicht enthalten. Und noch eine weitere Einschränkung sei genannt: Die Briefe Kürschners sind überwiegend in Form handschriftlicher, gepauster Durchschriften vorhanden, deren Schriftbild heute derart verblaßt ist, daß es höchstens mit Hilfe spezieller technischer Verfahren wieder lesbar gemacht werden könnte. Die folgende Dokumentation bietet darum in der Hauptsache Zitate aus den Briefen von Zieger an Kürschner. Trotz dieser Einschränkungen ist der Erkenntnisgewinn, den das vorliegende Material in bezug auf die Entstehung von ›Et in terra pax‹ und damit im Hinblick auf einen wichtigen Abschnitt in der Biographie Karl Mays gestattet, nicht gering zu achten.


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Z u m  B e g i n n  d e r  M i t a r b e i t  K a r l  M a y s  a m  › C h i n a ‹ - B a n d

Aus dem Briefwechsel geht hervor, daß die Verbindung zu Karl May offensichtlich vom Herausgeber des ›China‹-Werks, Joseph Kürschner, hergestellt worden ist. Als Zeitpunkt dafür dürfte Ende März oder spätestens Anfang April 1901 in Betracht kommen. Aber auch der Verleger Hermann Zieger zeigte sich bereit, wenn es notwendig sein sollte, mit May in Kontakt zu treten. In einem Brief vom 9. 4. 1901 schrieb er jedenfalls an Kürschner: »May will ich gern in der beregten Weise zu erledigen suchen. Hoffentlich ist er z. Z. in Dresden!«6 Und einen Tag darauf: »May erwarte ich Ihren Bericht und fahre ev. sofort nach Dresden.« Da sich May vorerst aber weiterhin ausschwieg und Kürschner demzufolge noch nichts berichten konnte, erneuerte Zieger sein Angebot: »Mays Schweigen wohl auf Ostern zurück zu führen sein. Ich fahre sofort nach Dresden, wenn ich Ihre Weisung erhalte« (11.4.1901). Doch dies erübrigte sich. Wahrscheinlich noch am 11.4. 1901 gab May die grundsätzliche Zusage zur Mitarbeit am ›China‹-Band telegraphisch an Kürschner durch7, der davon umgehend Zieger informierte. Zieger antwortete: »Die mit Ihrem freundlichen Briefe übermittelte Depesche Mays lässt uns hoffen, dass wir mit diesem zum Abschluss kommen« (12. 4. 1901). Der Depesche folgte ein Brief Mays an Kürschner, vermutlich zwischen dem 11. und dem 13.4.1901 geschrieben, in welchem er seine Bedingungen nannte. Nachdem Zieger davon in Kenntnis gesetzt worden war, schrieb er an Kürschner:

»Mays Brief hat Fr.8 genau so entzückt wie mich. Wir müssten mit May wohl noch einen Vertrag machen? Jedenfalls möchte ich Sie bitten, das hierzu Nötige mit May direkt zu erledigen falls ich als Verleger dieses nicht direkt abzuschliessen hätte . . . Möchten Sie also die Güte haben, hierüber mit May das Nötige zu verhandeln? Sind Sie der Meinung, dass ein Besuch meinerseits bei May von Vorteil für einen schnelleren Abschluss sein könnte, so würde ich auf Ihr Geheiss sofort nach Radebeul fahren + nach Ihren Vorschriften verhandeln. Ganz wie Sie es für gut befinden! Die Mayschen Ausführungen haben mich bezaubert + unsere Stimmung für den Erfolg des Werkes wesentlich gehoben. Fr. ist gleich mir der Ueberzeugung, dass es uns ohne Ihre Hilfe + Mitarbeit am Chinabuche nicht gelungen wäre, May zu einer solchen Zusage, wie er sie Ihnen gegeben hat, zu gewinnen. Wir sind Ihnen hierfür ganz besonders zu Dank verpflichtet« (Zieger an Kürschner, 14. 4. 1901).

Der Erfolg Kürschners gründete sich, worauf schon Ekkehard Bartsch hingewiesen hat9, gewiß zum größten Teil darauf, daß er als Herausgeber und Redakteur schon früher mit May zu tun gehabt hatte. Dies dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, daß Zieger als verantwortlicher Verleger, der immerhin das geschäftliche Risiko trug, sich in den


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Verhandlungen mit May mit der Rolle des zweiten Mannes begnügte. Aus dieser Rolle trat er allerdings sofort heraus - freilich auch, um Kürschner zu entlasten, als Mays grundsätzlicher Bereitschaft zur Mitarbeit keine greifbaren Taten folgten.
   May hat später erklärt, daß kurz bevor Kürschners Einladung ihn erreichte, er bereits mit »Und Friede auf Erden« zu schreiben begonnen habe.10 Wenn diese Aussage zutrifft, dann ist das entweder nur ein sehr kurzer Vorlauf gewesen, oder er kam mit dem Schreiben, entgegen der eigenen Erwartung11, nicht rasch genug voran; immerhin begab er sich mit diesem Roman auf ein Terrain, das ihm nicht nur neu war, sondern auch eine ungleich größere Denkleistung abverlangte als die meisten seiner Texte bisher. Sehr wahrscheinlich hat ihn aber auch die Auseinandersetzung mit Fischer samt ihren unmittelbaren Folgen stark in Anspruch genommen, in die Monate April und Mai 1901 fällt etwa seine Kontroverse mit der Wiener ›Reichspost‹, und auch im ganz privaten Bereich mehrten sich die Dissonanzen.12 Jedenfalls blieb zunächst die von Herausgeber und Verleger erhoffte erste Manuskriptlieferung aus. Vor allem Zieger zeigte sich darüber beunruhigt, geriet doch durch eine solche Verzögerung sein Zeitplan in Gefahr: »May erwarte ich noch Ihre Nachrichten. Hoffentlich geht von ihm bald Manuskript ein, denn ich kann mir nicht denken, dass er nach seinen früheren Briefen für uns nicht mehr zu haben wäre«, schrieb er an Kürschner (29. 4. 1901). Doch anstatt eines Manuskriptes sandte May in der Zwischenzeit Kürschner lediglich einen Brief zu, den dieser, wie üblich, umgehend an Zieger weitergab. Offensichtlich hat May darin seine Säumigkeit vor allem mit laufenden Verpflichtungen für andere Verleger entschuldigt, zumindest deutet ein Passus in Ziegers Antwort darauf hin:

»Mays Brief ist ausserordentlich liebenswürdig + verbindlich gehalten + wir dürfen nunmehr der Zukunft wohl vertrauensvoll entgegensehen. Das einzige Fatale ist der Termin, der für den Anfang des Mayschen Romans immerhin kurz sein muss, wenn wir mit dem 1. Hefte Anfang Juni herauskommen wollen. Ich sprach mit F. hierüber + dieser meint, es wäre wünschenswert, wenn wir den Anfang bis Mitte Mai erhalten könnten. Das will mir etwas zu knapp bemessen erscheinen, denn ich befürchte, May kann so kurze Termine nicht einhalten. Freilich müssten wir bis Ende Mai bestimmt einen kleinen Teil zur Verfügung haben, denn im ersten Hefte muss der Roman enthalten sein + wenn es nur einige Spalten sind. Glauben Sie, dass May hierauf eingehen wird? Es ist schlimm, wenn die Autoren so überlaufen werden, wie es bei M jetzt der Fall ist, + wir müssen thatsächlich zufrieden sein, wenn uns M in einigen Wochen den Anfang seines Romans liefert. Ich hoffe von Ihrer bisherigen Bearbeitung Mays auch für die Zukunft das Beste, denn so systematisch + erfolgreich hätte wohl kein anderer M bearbeiten können« (Zieger an Kürschner, 30. 4. 1901).


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Trotz der Rede vom vertrauensvollen Blick in die Zukunft ließ die leidige Terminfrage Zieger doch nicht so recht zur Ruhe kommen. Am 2. 5. 1901 schrieb er an Kürschner:

»Sie fragten mich in einem Ihrer letzten Briefe wegen des Termins bezügl. May + ich schrieb Ihnen meine (?) Anschauung... Was eben nicht zu ermöglichen ist, muss eben so fertiggestellt werden, wie es die Verhältnisse gestatten. Aber ich hatte bei dem Erscheinungstermin auch noch Ihre Lage im Auge. Werden wir mit den ersten Lieferungen nicht im Juni fertig, so befürchte ich, dass Sie sich mit der Chinafrage bis zu Ihren Ferien herumschlagen müssen + schliesslich nicht mit der Ruhe in den Bergen herumklettern können, die zu Ihrer Erholung wirklich unerlässlich ist . . . «

Der Hinweis auf den Urlaub in den Bergen, den Kürschner so liebte, veranlaßte diesen offenbar dazu, Zieger nun doch eine Reise nach Radebeul nahezulegen. Am 10. 5. 1901 antwortete Zieger: »May will ich gern in Ihrem Sinn erledigen. Ich werde also Sonntag reisen, falls bis morgen Abend von Ihnen keine Gegenordre eintrifft.« Da dies nicht der Fall war, fuhr Zieger am 12. 5. los. Was er dann an diesem Sonntag in Radebeul erlebte, läßt ahnen, wie sehr May das alte Rollen- und Verkleidungsspiel noch bis ins Alter hinein geliebt haben muß. Kaum die Kirchstraße im Rücken, berichtete Zieger auf zwei Ansichtskarten Kürschner davon:

(1. Karte, gedruckt:) »Gruss aus der Lössnitz (handschriftlich weiter:) sendet Ihnen + den Ihrigen H. Zieger. Soeben aus der Villa Shatterhand zurückgekehrt, befinde ich mich in einem unbeschreiblichen Zweifel, denn ich frage mich:« (2. Karte: ) »Habe ich nun M gesprochen oder nur seinen Verwandten? Als ich vor dem Gartenthore stand, fragte mich eine Art Gärtnergestalt um mein Bekehr (sic! ), worauf ich die Antwort erhielt Dr. M wäre verreist. Da ich mich nicht abweisen liess, sondern erklärte, Herrn Dr. M wohl persönlich vor mir zu sehen, so stellte er (nemlich der besagte Herr) sich mir als Verwandter vor, dem ich nunmehr mein Anliegen vorbrachte + von ihm fast 3/4 Stunde erhört wurde. Es war gewiss Dr. May selbst.«

Zwei Tage später, wieder in Leipzig, erstattete Zieger dann ausführlich Bericht:

»Die Abrechnungsgeschäfte nehmen mich wieder so ungemein in Anspruch, dass ich gestern nicht an Sie schreiben konnte + auch heute nur Ihnen kurz über meine Reise nach Dresden zu May zu berichten vermag. Dieser Bericht wird mir nun durch den anliegenden Brief Mays ungemein erleichtert, doch verpflichtete mich letzterer zu einem längeren Schreiben nach Villa Shatterhand, so dass ich nun eilen muss, um Ihnen noch vor Postschluss für morgen ein Lebenszeichen zu geben.
   Ich hatte mich absichtlich in Radebeul nicht angemeldet + als ich vor der Eingangspforte der Mayschen Villa stand, fragte mich ein im Garten befindlicher Herr, den man für den Gärtner halten konnte, nach m. Begehr. Ich nannte m. Namen mit dem Hinzufügen ich überbrächte Herrn Dr. May Grüsse von Ihnen. Es wurde mir


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darauf erwidert Herr Dr. May sei verreist + ohne Anmeldung würden Besuche überhaupt nie angenommen. Darauf erwiderte ich wohl etwas keck: ›Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, Herrn Dr. May persönlich vor mir zu haben.‹ Darauf Antwort: Oh nein! Ich bin nur ein Verwandter des Dr. M, werde aber nachfragen, ob Frau Dr. M ihren Besuch anzunehmen bereit ist. Er verschwand also im Hause + kurze Zeit verging bis mir ein Dienstmädchen die Pforte öffnete, allerdings mit der Eröffnung Frau Dr. sei nicht in der Lage, mich zu empfangen, da sie durch Krankheit verhindert sei; auch könne sie mir nicht sagen, wann Dr. M zurück kommen werde. Das Mädchen wollte mich nun mit aller Gewalt wieder hinaus komplimentieren, jedoch bestand ich mit großer Hartnäckigkeit darauf, nochmals den soeben gesprochenen Verwandten des Dr. M. zu sprechen. Als das Mädchen sah, es war mit mir nichts anzufangen, verschwand sie ins Haus + zu m. Freude erschien der Verwandte wieder auf der Bildfläche. Ich erklärte ihm nun kurzer Hand, was mich veranlasste ohne Anmeldung nach Radebeul gepilgert zu sein + bat, Herrn Dr. M von m. Absicht nach Rückkehr zu verständigen. Nun entpuppte sich der Verwandte als ein in jeder Beziehung völlig Vertrauter des Dr. M. Er sprach von den Plänen, die M mit der Ihnen zugesagten Erzählung habe, fand dass das grosse Publikum in der gefährlichsten (?) Art Dr. M belästigte, erzählte mir, wie viele Personen schon unverrichteter Sache wieder von der Villa geschieden seien, welche Anstrengungen die Verleger machten, um etwas Neues von Dr. M zu erlangen, ja, der Direktor der Union mit 20,000 M + noch mehr angetreten sei, damit er eine bestimmte Zusage erhalte, aber alles vergebens gewesen wäre, etc. etc. etc. Natürlich erkannte (?) ich bald die Sachlage + also haben wir uns dann ziemlich eine Stunde vor den Stufen der Villa unterhalten. Jedenfalls war ich mit dem Resultat zufrieden, + ich hoffe, der anliegende Brief Ms, den ich mit Bild (?) zurück erbitte, wird Sie überzeugen, dass M. bei der Arbeit ist.
   Ich danke Ihnen heute vorerst für Ihre freundliche Vermittlung . . .« (Zieger an Kürschner, 14. 5.1901).

Am folgenden Tage nannte Zieger in einem weiteren Brief Kürschner den Grund dafür, warum er mit dem Ergebnis jenes Gesprächs vor den Stufen der Villa ›Shatterhand‹ im wesentlichen doch zufrieden war:

»An Mays Zusage wage ich nicht zu zweifeln. Ich bat ihn, für Mitte Juni doch mindestens so viel Manuskript Ihnen zukommen zu lassen, dass mindestens 6 Hefte ohne Unterbrechung fertiggestellt werden könnten. Der Cousin sagte zu + ich denke Sie werden in den nächsten Tagen den Anfang des Manuskripts erhalten.«

Dieser Brief vom 15. 5. 1901 enthält noch einen interessanten Zusatz. Zieger berichtete nämlich ferner: »Im übrigen erklärte mir M im Laufe des Gesprächs, er kenne Sie persönlich nicht, worüber ich meine Verwunderung aussprach, denn nach Ihrem Briefwechsel mit M vermute ich, dass sie beide sich aus früherer persönlicher Bekanntschaft nahestehen.« Und Kürschner antwortete: »May habe ich einigemals in meinem Leben persönlich gesehen . . .« (15. 5. 1901). Das Besondere an der Mitteilung Ziegers besteht nicht darin, daß May seine persönliche Bekanntschaft mit Kürschner in Abrede stellte - das gehörte hier zu


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seinem Rollenspiel -, sondern daß Kürschners brieflicher Umgang mit May zu diesem Zeitpunkt, im Frühjahr 1901, den Eindruck erweckte, daß sich Kürschner und May damals persönlich durchaus gut verstanden. Und schließlich war Mays Zusage zur Mitarbeit am ›China‹-Band ja ebenfalls Kürschner zu danken. Die Feststellung von Ekkehard Bartsch, aus anderen Quellen gezogen: »Mays Bekanntschaft mit Joseph Kürschner war - hier müssen alle bisherigen Darstellungen revidiert werden - bis 1901 durchaus freundlich-harmonisch verlaufen«13, wird durch diese beiden Fakten also glänzend bestätigt.
   In Anbetracht jener freundlich-harmonischen Beziehung und des neuerlich empfangenen Versprechens, wenn auch nur vom »Cousin« gegeben, zeigte sich Zieger optimistisch; für ihn war der Erhalt des ersten Manuskriptes jetzt nur noch eine Frage von ganz wenigen Tagen: »May wird Ihnen jedenfalls nunmehr definitive Erklärung übermittelt haben, wenn nicht schon einen Teil des Manuskriptes«, schrieb er am 17. 5. an Kürschner. Und einen Tag darauf: »May wird mich freuen zu hören, wenn Sie den Anfang des Manuskripts erhalten haben.« Aber nichts geschah; das sehnlichst erwartete Manuskript blieb aus. Zieger, dadurch wieder in Unruhe versetzt, wollte nun wenigstens einen verbindlichen Termin erfahren: »Ebenso werde ich May noch einen Pfingstgruss14 senden in der Hoffnung, dass er mir dann Nachricht bezüglich Fertigstellung seiner Manuskripte zukommen lassen wird« (Zieger an Kürschner, 24. 5. 1901). Einen Tag später: »China-Werk . . . hoffe ich, dass May auch recht bald etwas von sich hören lassen wird.« Kürschners Antwort: »May ließ noch nichts von sich hören . . . « (25. 5. 1901). Zieger an Kürschner: »May hat auch an mich noch nicht geschrieben. Hoffentlich erhalten Sie demnächst Manuskript von ihm, wenn nicht, so müsste ich ihm wohl nochmals einen entsprechenden Rippenstoss geben« (28. 5. 1901). Aber Kürschner konnte auch jetzt noch nichts Positives melden. »Dass May nichts von sich hören lässt, ist eigentlich sehr unrecht. Ich glaubte, dass er mir meinen kurzen Pfingstgruss wenigstens einige Zeilen schreiben würde (sic!) und werde ich noch bis morgen warten, um ihn dann eventuell nochmals mit einem Brief zu beglücken. Wenn das nichts hilft, so müsste ich nochmals nach Villa Shetterhand (sic!) wandern, um mein Glück beim Cousin zu versuchen« (Zieger an Kürschner, 29. 5. 1901). Aber bald schien ihm ein gewöhnliches Schreiben doch nicht mehr das geeignete Druckmittel zu sein: »An May habe ich heute Vormittag depeschiert mit Antwort, die aber bis zur Stunde noch nicht eingetroffen ist« (30. 5. 1901). Aber noch am selben Tag, wenige Stunden später, geschah das erhoffte Wunder dann doch:


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     HERMANN ZIEGERLeipzig, den 30. Mai 1901
BUCH- UND KUNST-HANDLUNGBreitkopf-Strasse 5. -
          LEIPZIGFernsprech-No. 424

Eingang 31 MAI 1901
Erledigt am. . . durch

Verehrtester Herr Geheimrat!
   Soeben trifft von May Telegramm ein:
»Manuskript ist nach Eisenach unterwegs. Ergebenster Gruss«
   Mit einem Hallelujah! habe ich beim Durchlesen dieser Zeilen einen Sprung in die Luft gemacht, + ich eile, Ihnen diese erfreuliche Thatsache (nicht der Luftlustsprung ist gemeint) zu melden, denn ich wage noch zu zweifeln, dass das Manuskript bereits morgen bei Ihnen eintreffen wird, weil May es wohl erst infolge meines heutigen Telegramms zur Versendung gebracht hat. Trifft es mit diesen Zeilen gleichzeitig bei Ihnen ein, um so besser.
   Nun können wir an die Drucklegung für die nächsten Wochen denken + wenn alles gut geht, Ende Juni die erste Lieferung zum Versand bringen.
   Fr. kann ich diese erfreuliche Nachricht erst morgen melden, da er heute auch in seiner Wohnung telephonisch nicht zu erreichen ist. Mit vielen herzlichen Grüssen empfehle ich mich als
Ihr treu ergebener
H. Zieger.


Die Zweifel Ziegers waren unbegründet. Am 31. 5. 1901 langte die erste Manuskriptlieferung Mays tatsächlich in Eisenach bei Kürschner ein. »Vielen Dank für Ihr freundliches Schreiben von gestern und Ihr heutiges Telegramm. Jedenfalls ein erfreuliches Zusammentreffen, dass Sie am Schluss des Maien den Anfang des berühmten Maienliedes ›Der May ist gekommen‹ depeschieren konnten« (Zieger an Kürschner, 31. 5. 1901).
   Kürschner hat May sofort den Eingang des Manuskriptes bestätigt und beides, das Manuskript sowohl als auch seine Bestätigung, an Zieger weitergegeben. In Ziegers aufschlußreicher Antwort scheint dann bereits erstmals etwas von dem auf, was sich in der Folgezeit zum Problem in der Zusammenarbeit zwischen Kürschner/Zieger und May entwickeln sollte:

»Verbindlichsten Dank für Ihren freundlichen Brief von gestern, insbesondere für die Kopie des Briefes an May. Ich habe das wenige Manuskript sofort nach Eingang Ihres Briefes durchgelesen und finde den Missionar doch etwas sehr krotesk (sic!) gezeichnet. Im Uebrigen will es mir scheinen, dass die May'sche Schreibweise für die grosse breite Masse einen besonderen Reiz ausübt und müssen wir eben abwarten, wie sich May mit der Erzählung abfindet.
   Fritzsche hat das Manuskript in die Druckerei gegeben und will es in der Korrektur lesen, da er heute erstens wegen der Inventur keine Zeit hat und zweitens der tropischen Hitze wegen nicht in der Stimmung ist, solche Manuskripte durchzugehen. Ich habe angefangen May'sche Reiseerzählungen zu lesen und finde, dass ich


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jedenfalls nicht der Mann dazu bin, um: seinen Erzählungen mit Interesse zu folgen. Sie sind mir teilweise zu langathmig angelegt und ist vielleicht auch meine Fantasie nicht so lebhaft, um mir die Schönheit der Länder so vorzustellen, wie es May in seinen Schriften beabsichtigt. In unserer Erzählung erscheint mir der Eingang ebenfalls etwas sehr gesucht. Dieses sind aber meine Anschauungen und bin ich wirklich gespannt, wie die Erzählung von anderer Seite aufgenommen wird.
   Eine besonders gefährliche Sache will mir die Kritik des Manuskriptes meinerseits May gegenüber erscheinen und ich muss natürlich hier sehr vorsichtig zu Werke gehen, um May nicht Gelegenheit zu geben mit der weiteren Lieferung des Manuskriptes uns warten zu lassen, denn wenn ich irgendwie etwas sage, was May in seiner schriftstellerischen Ehre verletzen könnte, so würde er schliesslich doch eine kleine Rache üben und uns warten lassen. Immerhin will ich ihm heute resp. morgen schreiben, dass der Missionar etwas zu grotesk gezeichnet ist und vielleicht bei manchen Anstoss erregen könne. Schliesslich aber ist auch nicht gefährlich, wenn sich May zu einer Umarbeitung des ersten Teiles seines Manuskriptes nicht herbeilässt, denn schliesslich kann man es doch nicht allen Käufern des Buches recht machen« (Zieger an Kürschner, 1. 6. 1901).

Den fraglichen Brief an May erledigte Zieger am 2. 6.: »May schrieb ich gestern ausführlich + ich hoffe, er wird unsere gemeinsamen Wünsche korrekt aufnehmen. Jedenfalls muss uns daran liegen, das weitere Manuskript von May ehestens zu erhalten + deshalb ist es nötig, ihn in guter Stimmung zu halten« (Zieger an Kürschner, 3. 6. 1901).
   May reagierte auf jene »gemeinsamen Wünsche« von Herausgeber und Verleger offenbar zunächst nur in der Weise, daß er an seiner Konzeption festhielt und in diesem Sinne weiterschrieb. Jedenfalls ist aus der Zieger-Kürschner-Korrespondenz nichts ersichtlich, was auf einen etwaigen Sinneswandel Mays hindeuten würde. Im Gegenteil: nachdem er nun wußte, daß Änderungswünsche bestanden, achtete er um so sorgfältiger darauf, daß nicht in seinen Text eingegriffen wurde. Mit ›Et in terra pax‹ verfolgte May das Ziel, einen religionsphilosophischen bzw. religionspsychologischen Roman zu schreiben, mit dem er auf die sozialen und politischen Bewegungen seiner Zeit Einfluß nehmen wollte. Figuren und Handlung waren unter diesem Gesichtspunkt genau durchdacht. Auf der anderen Seite sah er sehr wohl die Gefahr, die darin bestand, daß die Besteller des Romans davon ausgingen, ein May-Produkt von der üblichen Art, ein Abenteuer-Stück, zu erhalten, was sie schließlich auch erwarteten; Änderungen wogen da nicht schwer.
   Mit welcher Sorgfalt May die Drucklegung seines Textes überwachte, zeigte sich bereits in seiner Reaktion auf den Erhalt der ersten Korrekturfahnen. Schon zwei Tage nach Abgabe des Manuskriptes lagen die ersten Seiten vor: »Durch den Monatsschluss + diverse unverhoffte Abhaltungen war es mir gestern + heute nicht möglich Ihnen aus-


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führlich zu schreiben + da soeben gegen 1/2 8 h abends von Haberland15 Fahnenkorr. des Mayschen Manuskripts einlaufen, so eile ich, Ihnen diese noch heute zu übersenden, obgleich m. Personal bereits aus dem Hause ist. Leider kann ich Ihnen nur 2 Abzüge senden, da H. nur 3 lieferte, wovon Fr. einen wünschte. Wegen der Korrekturen brauche ich mich wohl nicht weiter zu bemühen, denn ich vermute, May erhält Fahnenkorr. von Ihnen + ebenso der Zeichner. 2 weitere Fahnenkorr. sende ich morgen« (Zieger an Kürschner, 3. 6. 1901). Wann May diese Abzüge von Kürschner erhielt, ist nicht überliefert; bekannt ist indes, daß die Rücksendung, und zwar an Zieger, am 19. 6. erfolgte:

»May sandte mir gestern einen liebenswürdigen Brief, in dem er sich beschwerte, dass wir in dem Korrekturabzug seinen Titel ›Et in terra pax‹ in Kairo abgeändert hätten und er sich gegen eine derartige willkürliche Abänderung verwahren müsse. Ich habe ihm natürlich geschrieben, dass weder Sie noch ich an der Veränderung schuld sind, sondern lediglich die Druckerei das Stichwort zum Unterschied von anderen Korrekturen gewählt habe. Ich denke, May wird sich damit beruhigen« (Zieger an Kürschner, 20. 6. 1901).

Eine neue Manuskriptlieferung war in der Zwischenzeit, trotz brieflicher Ankündigung unter dem wahrscheinlichen Datum des 6. 6., nicht eingetroffen: »May hat leider von sich nichts hören lassen« (Zieger an Kürschner, 5. 6. 1901). »Insbesondere hat mich der May'sche Brief sehr beruhigt und hoffe ich das Manuskript mit den übrigen Sachen [gemeint sind vermutlich die Fahnenabzüge/H. P.] an mich unterwegs, denn bis zur Stunde sind die Sachen noch nicht eingegangen« (Zieger an Kürschner, 7. 6. 1901). Möglicherweise hat May den wartenden Verleger zwischenzeitlich aber noch einmal zu beruhigen gewußt: »May sehr erfreulich«, schrieb Zieger am 17. 6. an Kürschner. Erst im Begleitbrief zu den von ihm korrigierten Fahnenabzügen (19. 6.) sagte er Zieger die Fortsetzung des Manuskriptes verbindlich zu: »Weiteres Manuskript will er heute zur Versendung bringen« (Zieger an Kürschner, 20. 6. 1901). Dies geschah dann auch. Am 22. 6. konnte Zieger an Kürschner berichten: »May ist sehr erfreulich, dass wir wieder Manuskript von diesem erhalten haben und er wird hoffentlich auch weiter fleissig liefern.«
   Vermutlich wurden die ersten Seiten des May-Manuskripts, wie wahrscheinlich andere Textteile des ›China‹-Werks auch, schrittweise gedruckt und demzufolge auch die Fahnenabzüge nach und nach ausgegeben; denn daß May so wenig geliefert haben sollte, daß schon nach zwei Tagen die ganze erste Sendung ausgedruckt vorlag, scheint zu


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mindest bezweifelbar zu sein. Für diese Vermutung spricht auch der Umstand, daß May schon am 25. 6. erneut korrigierte Fahnenabzüge einsandte, und zwar abermals mit einer Kritik:

»Soeben geht von May anliegender Brief ein, den ich sofort dahin beantwortete, dass die Kapitelüberschriften im Reindruck selbstredend richtiggestellt werden. Es seien das nur Fahnenkorrekturen und würde er Revision in umbrochenem Satz erhalten. May regt sich unnötiger Weise auf, was ich nicht recht verstehe« (Zieger an Kürschner, 25. 6. 1901).

Der schleppende, ratenweise Manuskripteingang war für Verleger und Herausgeber natürlich nicht dazu angetan, mit May besonders zufrieden zu sein. Dafür bot auch dessen häufiges Briefeschreiben keinen Ersatz:

»May schickt mir heute auf meinen Brief das anliegende Schreiben nebst einer Aufnahme seines Arbeitszimmers und habe ich ihm sofort geschrieben, dass Sie demnächst Ihre Sommerreise antreten werden und bis dahin sämtliches Manuskript unseres Chinabuches fertigstellen möchten. Es wäre mir sowohl wie auch Ihnen sehr erwünscht, den Umfang seiner Erzählung zu erfahren und habe ich ihn gebeten, er möchte mir hierüber nähere Angaben zukommen lassen. Hoffentlich habe ich den richtigen Ton getroffen, um ihn zu einer baldigen Fertigstellung seines Manuskriptes zu bewegen.« (Zieger an Kürschner, 24. 6. 1901).

Aber May lieferte nicht. »May hat noch nichts wieder von sich hören lassen. Die Sache ist hoffentlich in Ordnung« (Zieger an Kürschner, 26. 6. 1901). Kürschner, der May besser kannte, war offensichtlich nicht so sehr davon überzeugt, und er ließ diese Meinung Zieger auch wissen. »May haben Sie recht«, antwortete Zieger; »Ich musste dem Manne nur etwas schreiben, um ihn zur schleunigsten Lieferung der Fortsetzung zu bewegen« (27. 6. 1901).
   Trotz dieser unangenehmen Unsicherheit wollte man aber doch bald mit der Ausgabe der ersten Lieferung des ›China‹-Bandes beginnen. Ziegers Vorstellung ging dahin, »die erste Lieferung gern bis zum 16. Juli zum Versand (zu) bringen« (Zieger an Kürschner, 28. 6. 1901). Aber Zweifel plagten auch ihn: »Die Herstellung des Manuskriptes in so kurzer Zeit erscheint mir ebenfalls fast undenkbar und doch müssen wir versuchen, mit der ersten Lieferung wie vorstehend angegeben herauszukommen, denn diese Zeit ist für die Reisenden und Kolporteure die günstigste und wenn wir ein grosses Geschäft machen wollen, so müssen wir mindestens die erste Lieferung bis Mitte Juli herausbringen. Für die übrigen Lieferungen haben wir ja dann etwas mehr Zeit« (28.6.1901). An Manuskript für diese erste Lieferung


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mangelte es nicht, auch nicht an dem aus der Feder Mays. Ende Juni lag jedenfalls schon so viel Text von ihm vor, daß man sogar an die Kapiteleinteilung herangehen konnte. »May Umfang Kapitel 1. Haberland lässt mir sagen, dass es ungefähr 40 Seiten gebe, was mir merkwürdig erscheint, denn jede Fahne hat jetzt ca. 3 Zeilen mehr als im Umbruch auf die Spalte kommen würde. Das erste Kapitel umfasst nach den in meinem Besitz befindlichen Fahnen 57 einhalb Fahnen, würde also nur ca. 30 Seiten sein, natürlich voller Text« (Zieger an Kürschner, 28.6.1901). Diese Berechnung hat sich dann auch als richtig erwiesen: »Das erste Kapitel von May wird thatsächlich nur ca. 30 Seiten geben, natürlich ohne Illustrationen« (Zieger an Kürschner, 1. 7. 1901).
   Was die termingemäße Ausgabe der ersten Lieferung in Frage stellte, war vielmehr die rechtzeitige Fertigstellung der Abbildungen zu Mays Text; denn daß die »Lieferung 1 Bogen 1 der dritten Abteilung« enthalten sollte, also den Beginn von Mays Erzählung, war ausgemacht (Zieger an Kürschner, 15. 7. und 17. 7. 1901; vgl. auch Zieger an Kürschner, 30. 4. 1901). Als Zeichner für ›Et in terra pax‹ war der damals in Berlin-Charlottenburg ansässige Ferdinand Lindner (1847 1906) verpflichtet worden.16 Obwohl die erste Manuskriptlieferung von May bereits Ende Mai eingangen war, vergingen doch mehr als zwanzig Tage, bis die ersten Illustrationen vorlagen. Am 25.6. berichtete Zieger an Kürschner: »Lindner liefert soeben 7 Zeichnungen zu dem May'schen Roman, die ich sofort an Meisenbach17 gegeben habe und Blaukopien für morgen erwarte.« - 1. 7.: »Illustrationen May. Die Strichätzungen sollen auch in bunt gebracht werden und wird Fritzsche die betreffenden Farbtafeln anfertigen lassen. Die Fahnen von Lindner habe ich noch nicht erhalten und habe ich Fritzsche darum gebeten.« - 8. 7.: »May'sche Illustrationen sind, wie mir Fritzsche sagte, ebenfalls heute eingegangen, leider können wir die Klichees hierzu kaum vor dem 15. d. M. erhalten. Ich muss deshalb die Ausgabe der ersten Lieferung für übernächste Woche verschieben, ein Umstand, der mir herzlich leid thut.« - 9.7.: »Die für May nötigen Buntdruckbilder habe ich mir heute bei Horn18 angesehen und um allerschleunigste Lieferung gebeten. Vielleicht erhalte ich die für die erste Lieferung nötigen Klichees schon vor dem 15. d. M., jedoch lässt sich der Mann nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Ich denke, es wird nunmehr auch von Lindner alles geliefert werden, so dass wir mit den Textbildern ebenfalls in Ordnung kommen.«
   Doch alle Hoffnung trog. Als Kürschner um den 18. 7. herum für fünf bis sechs Wochen in seine geliebten Berge fuhr, war die 1. Liefe-


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rung des ›China‹-Bandes noch immer nicht ausgegeben. Am 6. 8. benachrichtigte Zieger den Vertreter des Herausgebers, »dass Kürschner, China, Lieferung 1 und 2 soeben fertig geworden sind«, das heißt fertig im umbrochenen und mit Illustrationen versehenen Satz. Erst am 10. 8. konnte Zieger dem fernen Kürschner melden: »Immerhin sind wir aber jetzt so weit, die 1. Lieferung nächste Woche ausgeben zu können.« Im ›Börsenblatt für den deutschen Buchhandel‹ vom 13. 8. und wiederholt am 14. 8. 1901 wurde das Erscheinen dieser ersten Lieferung, die auch den ersten Bogen von ›Et in terra pax‹ enthielt, für den 15. 8. angekündigt:



Mit dem 15. August 1901 ist also der Beginn der Veröffentlichung dieses May-Romans bezeichnet.

Z u  d e n  D i f f e r e n z e n  z w i s c h e n  M a y  u n d  d e n  E d i t o r e n  d e s  › C h i n a ‹ - B a n d e s

Bei der Beurteilung dessen, was May über Inhalt und Folgen jener Meinungsverschiedenheiten, die im Laufe der Manuskripterarbeitung zwischen ihm und den beiden Editoren des ›China‹-Werks, Kürschner und Zieger, zutage traten, ausgesagt hat, gilt es immerhin zu bedenken, daß diese Mitteilungen erst einige Zeit später, nämlich 1904, im Anfangsteil des Schlußkapitels seines Romans ›Und Friede auf Erden!‹, der überarbeiteten und ergänzten Fassung von ›Et in terra pax‹, öffentlich ausgesprochen worden sind, das heißt schon aus einem gewissen Abstand zum Ereignis und von einer Überblicksposition her. Man wird also gut daran tun, diese Ausführungen kritisch zu lesen. Andererseits ist davon auszugehen, daß es sich dabei um eine gedräng-


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te, sich auf das Wesentliche des Vorfalls beschränkende Darstellung handelt. In Wirklichkeit dürften sich jene Vorgänge von Anfang an differenziert gestaltet haben.
   Es gibt keinen ersichtlichen Grund, daran zu zweifeln, daß Kürschner in seiner Mitarbeitseinladung May tatsächlich nur befragt hat, ob dieser ihm ebenso wie zu früheren Unternehmungen nun auch zu einem großen Sammelwerk über China einen erzählenden Beitrag liefern könne19, wobei es gleichgültig ist, in welcher Form diese Anfrage geschah, ob telegraphisch20 oder mittels Brief. Bedenkt man, daß May zu dieser Zeit, wie erwähnt, gerade dazu herausgefordert wurde, sich mit Fischer auseinanderzusetzen und seine Kontroverse mit der Wiener ›Reichspost‹ ausfocht, so hat er seine Zusage in der Tat auffallend schnell gegeben; immerhin hat er sich auch noch über die genauen Konditionen seiner Mitarbeit im klaren werden müssen. Seine spätere Mitteilung: Ich zögerte nicht, ihm . . . eine bejahende Antwort zu senden21, trifft jedenfalls zu. Schon etwa 14 Tage später gingen seine zusagende Depesche und ein erläuternder Brief bei Kürschner ein. In dieser kurzen Zeit, zudem stark in Anspruch genommen durch Fischer und die Wiener ›Reichspost‹, hat er gewiß keine zusätzlichen Informationen über Sinn und Zweck des geplanten ›China‹-Werks eingeholt, dies um so weniger, als er damals vermutlich wirklich davon ausgehen konnte, daß es Kürschner mit jenem Buch auf ein unbefangenes, rein geographisches Unternehmen22 abgesehen hatte. Und deshalb überzeugt es auch, wenn er später erklärte: Freilich, hätte er mir mitgeteilt, daß er mit diesem Sammelwerke eine ganz besondere, ausgesprochen »abendländische« Tendenz verfolge, so wäre ihm anstatt des Ja ganz unbedingt ein kurzes Nein geworden.23 Aber dieser ungenügende, unzutreffende Informationsstand, auf dem Mays schnelle Zusage beruhte, wurde spätestens am 12. Mai gründlich korrigiert. An diesem Tag kam der Verleger Zieger zu ihm, und in der ausführlichen Unterredung vor den Stufen der Villa ›Shatterhand‹ dürfte ganz gewiß auch über den wirklichen Sinn und Zweck des ›China‹-Bandes gesprochen worden sein. Nun erkannte er, was Kürschner tatsächlich von ihm wollte: einen packenden, spannenden, unterhaltenden Beitrag, durch den auch solche Leser gewonnen werden sollten, die ansonsten nicht zu diesem Buch greifen würden. Nicht nur, daß May, der damals immer noch eine unbefleckte Berühmtheit war, sich dafür viel zu schade war, nein, auch die ideologische Tendenz des Werkes widersprach ihm. Kürschner plante bekanntlich einen literarischen Hymnus auf die soeben siegreich beendete Invasion, die mehrere imperialistische Mächte, darunter an führender Stelle Deutschland, zum Zweck der Niederschlagung


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des antiimperialistischen Yihetuan- (»Boxer«-) Aufstandes und der weiteren Kolonialisierung gegen China unternommen hatten. Ein solch dümmlicher und gefährlicher Scheinpatriotismus war May, der sich inzwischen zum bewußten politischen Menschen entwickelt hatte und eigene Vorstellungen in dieser Hinsicht entwarf, höchst widerwärtig, und im Besitz dieser Gesinnung hat er das Schweigen Kürschners über den wirklichen Zweck des ›China‹-Buches ganz offensichtlich als eine Täuschung empfunden. Aber Kürschner seinerseits glaubte, immer noch den alten, bekannten »Indianer-May« vor sich zu haben: was konnte der schon anderes liefern als den von ihm gewohnten Abenteuerroman mit Schlachtenlärm und Heldenmut, und so etwas paßte allemal in sein Kriegs- und Siegesbuch; eine genauere Information über die Absicht, die er mit diesem Werk verfolgte, mag er daher als überflüssig erachtet haben. Aber das schloß auch ein, daß er May nicht dazu drängte, ein Bekenntnis im Sinne der ideologischen Tendenz des Buches abzulegen, und auch später, als die Meinungsverschiedenheiten offen zutage traten, hat Kürschner übrigens May nie bedeutet, »schleunigst auf den Kurs des militanten Sammelwerkes einzuschwenken«24, jedenfalls nicht in bekenntnishafter, direkter Art. Auf der anderen Seite wäre es May ein leichtes gewesen, sich durch eine rechtzeitige, gezielte Rückfrage bei Kürschner Aufklärung über den wirklichen Zweck des Bandes zu verschaffen. Daß er dies nicht tat, hängt gewiß mit dem Belastetsein in Sachen Fischer und ›Reichspost‹ und mit den aufbrechenden Mißhelligkeiten in seiner Ehe zusammen, aber auch mit seiner fast naiv-kindlichen und zum Teil schon leichtfertigen Vertrauensseligkeit.
   Die erste Verstimmung zwischen May und Kürschner und später auch Zieger dürfte sich demnach zuerst auf seiten Mays eingestellt haben. Als er im April seine Zusage gab, war davon noch nichts zu spüren. Womöglich hat er in jenem Erläuterungsbrief, den er seinem Telegramm nachschickte, mehr als bloß die Bedingungen seiner Mitarbeit ausgebreitet und vielleicht sogar schon Stoff und Handlung angedeutet, etwa in dem Sinne: ich bin unlängst von meiner letzten großen, fast zwei Jahre dauernden Reise, die mich zuerst nach Afrika und dann durch das ganze südliche bis hinter nach dem östlichen Asien führte, zurückgekehrt, die hierbei gemachten Studien werden mehrere Bände füllen25, und mit dem ersten will ich für das ›China‹-Buch beginnen. Zieger und Fritzsche zeigten sich über den Inhalt jenes Briefes jedenfalls entzückt (vgl. Zieger an Kürschner, 14. 4. 1901), obwohl May, was sie freilich nicht wußten, schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an einen Abenteuerroman von der alten Art gedacht hatte. Aber mit dem 12. 5.


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änderte sich Mays Verhältnis zum ›China‹-Unternehmen Kürschners doch um einiges mehr. Die Zusage zur Mitarbeit war allerdings gegeben und seither bereits ein Monat vergangen, womöglich war schon eine vertragliche Regelung getroffen worden: was anderes konnte er unter diesen Umständen weiter tun, als seine Konzeption zu überdenken? Es ist nicht ausgeschlossen, daß er nach jenem 12. 5. das bis dahin fertige Manuskript auf seine neue Absicht hin sogar nochmals überarbeitet hat. Das würde auch die trotz dringlicher Mahnung erst relativ spät erfolgte Versendung der ersten Manuskriptlieferung besser erklären und auch den Umstand begründen, daß er trotz dieser Verzögerung - nach Ziegers Äußerung im Brief vom 1. 6. 1901 - zunächst nur wenig Text eingesandt hat. Spätestens mit dem 12. 5. dürfte er sich dazu entschlossen haben, seinen zugesagten Beitrag für das ›China‹-Buch dafür zu nutzen, der Konzeption Kürschners seine Vorstellungen vom Zusammenleben der Menschen und Völker, die sich im Kern an der Bergpredigt orientierten und moralisch determiniert waren, direkt alternativ entgegenzusetzen. Das kommt schon in der Wahl des Titels zum Ausdruck: ›Et in terra pax‹. Verständlich darum auch seine Aufregung, als er feststellen mußte, daß in den Korrekturfahnen jener Titel in ›Kairo‹ abgeändert worden war (vgl. Zieger an Kürschner, 20. 6. 1901). In der Neufassung von 1904 hat er den Titel durch Anfügen des Ausrufungszeichens sogar nachdrücklich zur Forderung akzentuiert: ›Und Friede auf Erden!‹
   Was den Konflikt zwischen May und den Editoren des ›China‹-Bandes heraufbeschwor, war also im Grunde der Widerstreit zwischen Anspruch und Erwartung, der Gegensatz zwischen Friedensliebe und Kriegsgeheul, zwischen Humanismus und Chauvinismus, zwischen Toleranz und unduldsamer Überheblichkeit.
   Verwunderung und die Neigung zur Korrektur stellten sich bei den Editoren schon nach der Lesung des ersten Manuskriptteils ein. Der Missionar schien ihnen »etwas zu grotesk gezeichnet« und der Anfang des Romans »etwas sehr gesucht« zu sein (vgl. Zieger an Kürschner, 1. 6. 1901), und man empfahl ihm, mit aller Vorsicht natürlich, eine Umarbeitung dieses Teils in Erwägung zu ziehen. Das war der erste Schritt.
   Der zweite Schritt erfolgte nach Erhalt und Lesung der nächsten Manuskriptlieferung, deren Eingang Zieger am 22. 6. Kürschner hatte mitteilen können. Über den Inhalt dieses zweiten Einspruchs ist nur wenig Konkretes bekannt. Am 9. 7. ließ Zieger seinen Herausgeber wissen: »May werde ich Ihrem Auftrag gemäss erledigen.« Und vier Tage später:


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»Ich hoffe zuversichtlich, dass May nicht bockbeinig werden wird und weiteres Manuskript sofort nach Erhalt meines nächsten Briefes liefert; eventuell müsste ich den Löwen wieder in seiner Höhle aufsuchen. Es ist in allen solchen Fällen eine ziemlich schlimme Sache, es allen Leuten recht zu machen. Ich bin ja überzeugt, dass die grosse Mehrheit der Käufer des Chinawerkes den May'schen Roman vielleicht gar nicht liest, und derjenige Teil, welcher das Werk ordentlich durchschnoppert und Alles verschlingt, wird an dem May'schen Roman sicherlich keinen Anstoss nehmen, im Gegenteil, ich vermute sogar, dass der Roman ausserordentlich spannend und schön gefunden werden wird« (Zieger an Kürschner, 13. 7. 1901, 1. Brief).

Natürlich hat sich dieser Einspruch auf Mays Text bezogen. Aber daneben spielte offensichtlich auch die Frage der Illustrationen eine Rolle. Es ist ja bekannt, mit welcher Sorgfalt May die Bebilderung der ab 1907 erscheinenden illustrierten Ausgabe seiner ›Gesammelten Reise-Erzählungen‹ überwacht hat.26 Und offenbar hat er diese Sorgfalt auch schon hier walten lassen. Zieger war z. B. der Meinung: »Es ist ja nicht nötig, dass wir die Bilder genau dort einordnen, wo sie hingehören, sondern so arrangieren, dass jede Seite ein hübsches Aussehen erlangt. Die einzelnen Bilder bekommen ja noch Unterschriften, so dass es gar nichts ausmacht, wenn die Bilder anderswo stehen, als der betreffende Text es verlangt« (Zieger an Kürschner, 12. 7. 1901). May dürfte jedoch anderer Auffassung gewesen sein, und Lindner hat ihn darin womöglich noch bestärkt. Überhaupt scheint dieser Illustrator ein recht gutes Verhältnis zu May entwickelt zu haben; daß beide zusammenarbeiteten, geht daraus hervor, daß sie brieflich Kontakt miteinander hielten.27 Ein anderes Indiz dafür ist der Umstand, daß Lindner in der Frage der Illustrierung, aber vielleicht auch in anderer Beziehung, Mays Ansichten offenkundig weitgehend geteilt hat:

»Wir schmachten hier unter 22° R im Zimmer + es ist kaum möglich noch einen richtigen Gedanken zu fassen . . . Zu all diesen feurigen Zuständen nun auch noch der Aerger mit May, der sich in trotziger Weise auf die Hinterbeine stellt. Wir müssen wohl nachgeben, denn jetzt können wir wegen des Anfangs der 3. Abteilung nicht nochmals von vorne anfangen.28 Lindner hat ja nicht so unrecht, aber solche Leser wie Lindner werden wohl nicht allzu zahlreich als Käufer des Buches auftreten« (Zieger an Kürschner, 13. 7. 1901, 2. Brief).

Und wenn Zieger im selben Schreiben bemerkt: »Mir will es scheinen, als hätte L. nicht viel Zuneigung für diese Arbeit. In allen solchen Fällen taugt die Freundschaft nicht, denn man kann nicht so drängen wie bei fremden Leuten«, so dürfte er sich wahrscheinlich im Irrtum befunden haben; die Verzögerung, mit der Lindner seine Entwürfe ablie-


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ferte, ist vermutlich darauf zurückzuführen, daß er seine Vorstellungen zunächst erst mit May abgesprochen hat.
   Der eigentliche zweite Einspruch ist indes von Kürschner selbst gegenüber May vorgebracht worden, und zwar schon vor dem 9. 7. Die Äußerung Ziegers: »May werde ich Ihrem Auftrag gemäss erledigen« bezieht sich offensichtlich auf den Wunsch Kürschners, May zu beruhigen, weil er vermutete, diesen durch seinen wahrscheinlich recht kritischen Brief verletzt zu haben. Zieger sollte Kürschners Standpunkt und Motive noch einmal erläutern und allzu hart vorgebrachte Forderungen nach Möglichkeit mildern. Dieser Brief ging am 15. 7. ab: »May schreibe ich heute Abend noch direkt« (Zieger an Kürschner, 15. 7. 1901).
   Zwar ist nicht der genaue Wortlaut dieses Briefes bekannt, aber es existiert immerhin ein Entwurf, der seinen Inhalt gut erschließen läßt. Und er enthält auch Hinweise darauf, welche Forderungen zuvor Kürschner in seinem Schreiben May gegenüber vorgetragen hatte. May hat aber offenbar den Brief Ziegers vom 15. 7. nicht als Abmilderung, sondern, in der gereizten und erregten Stimmung, in der er sich befand, noch als Bekräftigung der Einsprüche Kürschners aufgefaßt. Für ihn bedeutete dieser Zieger-Brief den dritten Schritt der Intervention. Als Entwurf ist er in einem Schreiben Ziegers an Kürschner enthalten:

»Was ich beim Durchlesen der May'schen Korrespondenz mit Lindner und Ihrem Brief an May vorausgesehen habe, ist eingetroffen. May ist im höchsten Grade aufgeregt und sendet anliegenden Brief, den ich vorerst nicht beantwortete, sondern ihm durch meinen Vertreter anzeigen liess, dass ich verreist sei und voraussichtlich Montag erst zurückkommen werde. Ich erlaube mir nun, Ihnen diesen Brief zu übersenden mit der Bitte, mir freundlichst einige Fingerzeige geben zu wollen. Ich für meinen Teil dachte ihm Folgendes zu schreiben:
   Wie ich aus dem Brief des Herrn Geheimrat Kürschner ersehen habe, ist ihr Manuskript ›Et in terra pax‹ von den verschiedensten Seiten gelesen worden und hat man sich über die philosophischen Auseinandersetzungen bezüglich der Religions-Anschauungen dahin geäussert, diese Einfügungen könnten wohl etwas mehr gekürzt werden, damit die Handlung des Romans packender und dem grossen Publikum leichter verständlich sei. Ich selbst habe ihr Manuskript bis zur letzten Zeile des von ihnen eingesandten Teiles gelesen und wenn ich auch Ihre niedergelegten Anschauungen zum grössten Teil sehr wohl begreife und verstehe, so will es mir doch scheinen, als wenn das grosse Publikum, also auch der ungebildete Mann, mancherlei dieser Anschauungen nicht so recht begreifen dürfte.
   Die gleichen Ansichten scheinen von den verschiedensten Seiten bei Herrn Geheimrat Kürschner eingelaufen zu sein und infolgedessen ist der mir von Ihnen freundlichst eingesandte Brief des Herrn Geheimrat Kürschner an sie gerichtet worden.
   Wenn ich nun offen gegen sie sein soll, so möchte ich mich dahin aussprechen,


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dass der Brief des Herrn Geheimrat Kürschner ihrerseits falsch gedeutet worden ist. Es soll nur eine Anregung sein, diejenigen Stellen ihres Romans, die sich mit den Religionsangelegenheiten befassen, nicht in der gleichen philosophischen Weise (sic!) weiter behandeln zu wollen, wie das kürzlich in einem der Artikel geschehen ist. Natürlich soll damit nicht gesagt sein, derartige Anschauungen gänzlich aus dem Roman fernzuhalten.
   Ebenso dürfte die Bemerkung des Herrn Geheimrat Kürschner bezüglich des kürzeren Umfanges keinesfalls so aufzufassen sein, dass der Raum für ihren Roman derartig gekürzt werden soll, um nur ein Stückwerk zu liefern. Ich kann mir also nicht denken, dass dies in der Absicht des Herrn Geheimrat Kürschner gelegen hat, sondern nur den vorstehend skizzierten Anschauungen entsprungen ist.
   Ich möchte Sie also recht sehr bitten, sehr geehrter Herr Dr., die Fortsetzung ihres Romans in der gleichen Weise wie bisher nach Eisenach gelangen zu lassen und den Brief des Herrn Geheimrat Kürschner nach ihrem Ermessen beantworten zu wollen.
   Wie bereits bei meinem Dortsein Ihnen gegenüber geäussert29, ist es ja ausserordentlich schwer, die Anschauungen der verschiedensten Religionssekten richtig zu beurteilen und für die grosse Masse so zu schreiben, dass sich die eine oder andere Sekte mit Ihren Anschauungen sofort verständigt. Im Besonderen dürften die orthodoxen Heisssporne des einen oder anderen Glaubens diese oder jene Stelle ihres Romans nicht für richtig halten. Man muss eben immer im Auge behalten, dass man für die grosse Masse schreibt und für diese so verständlich als möglich.
   In diesem Sinne dachte ich mir den Brief von May zu beantworten und möchte Sie bitten, mir Ihre Anschauung über diesen höchst merkwürdigen und fatalen Fall bis morgen, spätestens aber bis Montag bekanntgeben zu wollen, um May dann entsprechend schreiben zu können. Für heute in aller Eile nur diese kurze Mitteilung« (Zieger an Kürschner, 13. 7. 1901, 3. Brief).

Dieses Schreiben ist in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich. Zunächst geht daraus hervor, daß May auf die Forderungen Kürschners als erstes mit einem Brief reagiert hat, den er aber nicht an Kürschner, sondern an Zieger schickte. Das sieht so aus, als wollte May mit Kürschner, zumindest vorerst, nichts mehr zu tun haben. Zieger mag dieses Verhalten wohl ebenso gedeutet haben, darum seine Bitte, May möchte die Fortsetzung seines Manuskriptes auch weiterhin »nach Eisenach gelangen« lassen. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, daß May seiner Antwort an Zieger auch den Brief Kürschners mit beigefügt hat. Das klingt in der Tat nach Punktum, Schluß, basta! Aber Zieger wollte sich nicht auch noch damit im einzelnen auseinandersetzen müssen und bat deshalb May, »den Brief des Herrn Geheimrat Kürschner« doch selbst und ganz nach eigenem »Ermessen beantworten zu wollen.« Und schließlich bestätigt der Brief sehr klar, daß es tatsächlich »die philosophischen Auseinandersetzungen bezüglich der Religions-Anschauungen« in Mays Roman oder, ohne die scheinheilige Verbrämung, mit der sich die Kritik solcher Ideen gern umgibt, daß


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es Mays Friedens- und Toleranzappelle waren, welche die beiden Editoren, Kürschner offenbar noch stärker als den um die Schlußlieferung des Manuskripts besorgten Zieger, zum Einspruch bewogen.
   Das Schreiben Ziegers an Kürschner ist darüber hinaus aber auch noch in einer anderen Beziehung interessant. Es erlaubt nämlich weitgehend die verbindliche Deutung der bekannten Parabel vom Zauberteppich.30 May hat, wie wir nun wissen, auf die Einwände Kürschners mindestens in zweifacher Weise reagiert, zum einen in Form eines Antwortschreibens an Zieger und zum anderen mit einem Gleichnis, das er bezeichnenderweise ebenfalls an Zieger sandte. An Zieger aus zwei Gründen: einmal weil er seine Beziehung zu Kürschner jetzt als ab- oder wenigstens als unterbrochen betrachtete, und zum anderen, weil er damit auch den hier im Entwurf mitgeteilten Brief Ziegers vom 15. 7. beantwortet haben wollte. Wie direkt er in seiner Parabel auf dieses Schreiben Ziegers eingeht, zeigen besonders die folgenden Übereinstimmungen. Ziegers »Einfügungen«, die »wohl etwas mehr gekürzt werden« könnten, werden im Gleichnis als den Untergrund des Teppichs füllende Sprüche der Weisheit, der Liebe und Barmherzigkeit bezeichnet, die nach Ansicht Kürschners, aber eben auch Ziegers das Auge des Beschauers stören oder, nach Zieger, die Handlung des Romans flau, matt und langweilig gestalten. Und das »grosse Publikum«, von dem Zieger spricht, »der ungebildete Mann«, der »mancherlei dieser Anschauungen nicht so recht begreifen dürfte«, erscheint in der Parabel als Packträger und Eselsjunge, und May antwortete Zieger darauf: »Wenn du glaubst, daß meine Kunst um das Wohlgefallen der Verständnislosen zu buhlen habe, so irrst du dich.«31 Selbst die Triplizität der Einwände, und Ziegers Brief vom 15. 7. gehört ja ausdrücklich dazu, spiegelt sich in dem Gleichnis wider: Genau dreimal erscheint Yussuf el Kürkdschü bei Ijar, dem im ganzen Morgenland bekannten Teppichweber.
   Der Umstand, daß May in seiner Parabel diesen Brief Ziegers ebenfalls berücksichtigt, erlaubt in Verbindung mit weiteren Hinweisen in der Zieger-Kürschner-Korrespondenz sogar die ziemlich genaue Feststellung des Zeitpunktes der Niederschrift dieses Gleichnisses. Zieger hat seinen Brief am 15. 7. abends abgeschickt, und am Morgen des 16. 7. lag er May bereits vor. Und schon am 17. 7. meldete Zieger:

»May sendet auf meinen letzten Brief ein wunderbares Gleichnis von einem Teppich, das ich erst durchstudieren muss, um ihm heute Abend zu antworten. Dieser neueste Erguss zeigt wiederum die Selbstverherrlichung May's. Man muss diesen Menschen eben nehmen, wie er ist. Jedenfalls bin ich sehr froh, dass er das weitere


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Manuskript liefern will. Wenn Sie das Teppichgleichnis interessiert, sende ich es Ihnen gern ein, jedoch vor Ihrer Abreise werden Sie andere notwendigere Sachen zu thun haben, als das Ding durchzulesen« (Zieger an Kürschner, 17. 7. 1901).

   Und Kürschner, der diese Mitteilung noch am selben Tag erhielt, antwortete darauf: »May verlange ich nicht zu lesen, hat ja auch keinen Zweck, Hauptsache, daß die Sache wieder in Ordnung ist. Sie werden ja nun bis zu meiner Rückkehr allein mit ihm zu thun haben . . .« (Kürschner an Zieger, 17. 7. 1901). Kürschner hat also diese Parabel nie selbst gelesen32; seine Urlaubsreise in die Berge lag ihm mehr am Herzen. Mag die Idee zu diesem Gleichnis May auch schon unmittelbar nach Erhalt des kritischen Kürschner-Briefes gekommen sein, und mag er zu diesem Zeitpunkt vielleicht auch schon einen Entwurf oder eine Art Disposition zu Papier gebracht haben, die Niederschrift der endgültigen Fassung erfolgte mit größter Wahrscheinlichkeit jedoch erst am 16./17. Juli 1901. Und wie aus der Mitteilung Ziegers an Kürschner vom 17. 7. hervorgeht, hatte May dieser Parabel ganz offensichtlich auch keine Überschrift gegeben; der Titel ›Zauberteppich‹, unter dem sie 1923 erstmals veröffentlicht wurde, ist zweifellos erst später von anderer Seite hinzugesetzt worden. May selbst hat den kleinen Text in einen gesonderten Umschlag gesteckt, mit dem Hinweis Gleichnis für Zieger versehen33, und seinem Antwortbrief vom 17.7., in dem er sich auch zur weiteren Manuskriptlieferung bereit erklärte, einfach beigeschlossen.
   Der Entwurf des Briefes von Zieger an May, den er am 13. 7. Kürschner vorgelegt hat und - wahrscheinlich mit diesem Inhalt - am 15. 7. an May abschickte, vermittelt darüber hinaus auch Gewißheit darüber, daß May von Kürschner tatsächlich dazu aufgefordert worden war, den Umfang des Romans zu kürzen. Wie aus der entsprechenden Formulierung im Briefentwurf Ziegers herauszulesen ist, muß dieser Umfang Kürschner zu jenem Zeitpunkt, als er diese Forderung an May richtete, bereits bekannt gewesen sein. Wahrscheinlich hat May diese Angabe in Beantwortung des Zieger-Briefes vom 24.6. übermittelt (siehe oben). Sie lautete auf 650 Manuskriptseiten; denn in einem späteren Brief, im Zusammenhang mit Fragen des Umbruchs, teilte Zieger seinem Herausgeber mit: »Umfang May. Nach dem bisherigen Manuskript und den von Ihnen umbrochenen 35 Seiten dürften die 650 Manuskriptseiten May's ca.17 Bogen geben, wenn das Bildermaterial in gleicher Weise auf den Roman verteilt wird, wie in den ersten von Ihnen umbrochenen 35 Seiten« (Zieger an Kürschner, 17. 7. 1901). Und nun stellt sich etwas Erstaunliches heraus: May hat Monate später tatsächlich genau den Umfang an Manuskript


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abgeliefert, wie er Ende Juni/Anfang Juli berechnet hatte; denn in der Druckfassung nimmt ›Et in terra pax‹ knapp 18 Bogen ein. Wenn May später erklärt hat: Ich . . . wurde bedeutet, einzulenken. Ich tat dies aber nicht, sondern ich schloß ab, und zwar sofort, mit vollstem Rechte34, so trifft nur der erste Teil dieser Erklärung zu. Jawohl, er hat weder eingelenkt noch sich der Forderung Kürschners nach Kürzung gebeugt. Aber ebensowenig hat er seine Mitarbeit von sich aus beendet und schon gar nicht sofort. Ganz im Gegenteil. Das Drängen nach weiteren Manuskriptlieferungen setzte sich auch in der Folgezeit fort. Aber das bedeutet zugleich: es hat keinen vorzeitigen Abschluß des Romans gegeben, vielmehr hat May sein Konzept gegen alle Widerstände bis zuletzt voll durchgezogen, und zwar in bezug auf den Umfang, in bezug auf den Inhalt und auch in bezug auf den Schluß.35 Als er damals seinen Roman zu Ende brachte, hat ihn der Schluß durchaus befriedigt, und auch von seiten der beiden Editoren, Zieger und Kürschner, ist übrigens keine Kritik in dieser Beziehung laut geworden. Außerdem war es May auch schon sich selbst schuldig, einen angemessenen Abschluß zu finden. Daß er bei Übernahme des Romans in sein ›Gesammeltes Werk‹ neben anderen Textteilen auch den Schluß änderte, hat andere Ursachen. Der entscheidende Grund besteht darin, daß er in seinen moralphilosophischen und moralpolitischen Überlegungen während dieser Überarbeitungsphase zu klareren Vorstellungen vorgedrungen war, die ihm nun den alten Schluß als korrekturbedürftig erscheinen ließen. Aber bedenkt man, daß der neue Abschluß nicht nur eine Änderung, sondern eben auch eine Erweiterung des Romans bedeutete, so mag als zusätzlicher Grund auch der im Unterschied zu den anderen bis dahin ausgegebenen Bänden des ›Gesammelten Werks‹ zu geringe Umfang der Pax-Fassung eine Rolle gespielt haben. ›Et in terra pax‹ würde, auf den Satzspiegel der grünen und blauen Fehsenfeld-Bände übertragen, höchstens knapp 500 Seiten ergeben haben, während der Durchschnittsumfang der Bände von ›Durch die Wüste‹ bis ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ IV um reichlich 100 Druckseiten höher liegt; selbst der schmalste Band ›Satan und Ischariot‹ II weist noch gut 40 Seiten mehr auf. Was May später zur Erklärung des neuen Romanschlusses geäußert hat, ist wirklich nur eine Verlegenheitsbehauptung mit Anknüpfung an ein reales Vorkommnis, die er seinen Lesern, vor allem denen, die schon ›Et in terra pax‹ kannten, schuldig zu sein glaubte.
   Keine Verlegenheits- oder Schntzbehauptung ist indes jene Begründung, die Kürschner im Vorwort des gebundenen ›China‹-Bandes in bezug auf den Inhalt von ›Et in terra pax‹ abgegeben hat: »Karl Mays


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Reiseerzählung, die erst während des Erscheinens der einzelnen Lieferungen des Buches vollendet wurde, hat einen etwas anderen Inhalt und Hintergrund erhalten, als ich geplant und erwartet hatte. Die warmherzige Vertretung des Friedensgedankens, die sich der vielgelesene Verfasser angelegen sein ließ, wird aber gewiß bei Vielen Anklang finden.« Wie der weitere Fortgang der Arbeit an ›Et in terra pax‹ zeigt, ist Karl Mays Beitrag tatsächlich »erst während des Erscheinens der einzelnen Lieferungen des Buches vollendet« worden.36


F o r t s e t z u n g  u n d  A b s c h l u ß  d e r  M i t a r b e i t  K a r l  M a y s  a m  › C h i n a ‹ - B a n d

Am 17. 7. hatte May in seinem Brief Zieger mitgeteilt, daß er trotz der aufgebrochenen Meinungsverschiedenheiten »das weitere Manuskript liefern« wolle. Drei Wochen später lag die Fortsetzung in Leipzig vor. Am 8. 8. konnte Zieger dem Vertreter Kürschners in Eisenach melden: »Manuskript May ist bei mir eingelaufen und zwar bis zum Schluss des dritten Kapitels« (Zieger an Berthold); seine gleichzeitig geäußerte Prognose: »Der Rest wird voraussichtlich demnächst folgen«, sollte sich indes nicht bewahrheiten.
   Bevor eine nächste Manuskriptlieferung eintraf, kam es erst einmal erneut zu einer Meinungsdifferenz, diesmal in bezug auf die literarische Formbezeichnung. Kürschner und Zieger hatten sich offensichtlich für ›Reiseroman‹ entschieden, während May - sicherlich mit Hinweis auf die Benennung im ›Gesammelten Werk‹ (dort seit 1896) - auf der Bezeichnung ›Reiseerzählung‹ für ›Et in terra pax‹ bestand:

»May wird mir immer unverständlicher. Ich glaube, der Mann leidet wirklich an Grössenwahn. Ich muss den Brief erst nochmals durchlesen, bevor mir die Sache klar ist, denn auch mir hat er wegen des Wortes ›Reiseroman‹ einen fast vier Seiten langen Brief geschrieben mit allen möglichen Auseinandersetzungen, dass dieses Veranlassung sei, seinen Schriftstellerruf einzubüssen. Ich schrieb ihm von Berlin aus37 bereits Sonntag früh und hoffte heute Antwort zu erhalten. Da solche bisher noch nicht eingegangen ist, so denke ich morgen seinen Brief zu empfangen. Schliesslich muss ich ihn einmal persönlich aufsuchen« (Zieger an Kürschner, 3. 9. 1901).

Aber auch am 4. 9. Iag Zieger noch kein Antwortbrief von May vor:

»Im Anschluss an meinen gestrigen Brief erlaube ich mir Ihnen angeschlossen die Korrespondenz May zurückzugeben und bemerke, dass mir May immer unverständlicher wird. Ich bin der Meinung, dass man von einem Autor wohl mit vollem


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Recht verlangen kann, dass er seine langatmigen Ausführungen in der Weise kürzt, wie es notwendig ist, um die ganze Arbeit auf einen vorher bestimmten Raum zu bringen. Gerade May hat in dem mir bis jetzt vorliegenden zweiten Teil seiner Erzählung so unendlich viel schwülstige Sachen darin, dass es absolut nichts schaden könne, wenn mindestens auf die Hälfte zusammengestrichen würde. Ich bin wirklich neugierig, was der Schluss des Romans noch bringen wird. Leider aber muss man diesem Herrn gegenüber die grösste Vorsicht beobachten, weil wir den Schluss des Romans absolut haben müssen. Auf meinen Brief vom Sonntag habe ich bis heute noch keine Antwort von May erhalten und wäre es mir deshalb interessant zu erfahren, ob er Ihnen inzwischen nochmals geschrieben hat. Ich lasse heute noch einige Zeilen an ihn schreiben« (Zieger an Kürschner, 4. 9. 1901).

Und selbst noch am 7. 9. war Zieger ohne Antwort. Dafür erhielt er aber von Kürschner einen Eilbrief in dieser Sache zugestellt:

»Soeben, kurz vor Geschäftsschluss trifft noch Ihr zweiter Eilbrief ein, aus dem ich mit ganz besonderer Freude den Brief von May nebst Ihrer Antwort entnehme. Ich hatte gerade an May eine Depesche aufgesetzt, die nun hinfällig wird. Jedenfalls werde ich an May auch noch einige Zeilen schreiben, um ihn zu veranlassen, dass er den Schluss des Manuskriptes sobald als möglich schickt, denn wir müssen uns zum rechtzeitigen Abschluss des Werkes rüsten, wenn wir mit den Abnehmern nicht in Konflikt geraden wollen« (Zieger an Kürschner, 7. 9. 1901).

Aus diesen drei Mitteilungen lassen sich fünf interessante Einsichten gewinnen: zum ersten, daß May in der Frage ›Reiseerzählung‹ oder ›Reiseroman‹ an beide Editoren des ›China‹-Bandes zugleich herangetreten ist; zum zweiten, daß er jetzt auch die Verbindung zu Kürschner wieder aufgenommen hat; zum dritten, daß die leidige Bezeichnungsfrage zu seinen Gunsten entschieden wurde, und in der gedruckten Fassung ist ja tatsächlich zu lesen: ›Et in terra pax. Reise-Erzählung von Karl May‹; zum vierten, daß sich zumindest Zieger auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit den philosophischen Auslassungen Mays hat abfinden können und noch immer am liebsten rigoros zusammengestrichen hätte; und zum fünften, daß die Fertigstellung des Bandes mit Rücksicht auf die Grossisten und Händler inzwischen zu einer ungemein dringlichen Angelegenheit geworden war.
   Aber Mays Schlußmanuskript ließ weiter auf sich warten. Dieser Zustand war für die Hersteller des Bandes um so ärgerlicher, als gerade für diesen Beitrag auch die Illustrierung nicht so glatt und zufriedenstellend verlief, wie man sich das gewünscht hatte. Probleme ergaben sich daraus allerdings weniger für die Lieferungsausgabe als vielmehr für die in Vorbereitung befindliche Bandausgabe.
   Für die Lieferungsausgabe stand genügend May-Text zur Verfügung. Am 8. 8. Iag das Manuskript bis zum Schluß des 3. Kapitels vor;


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in der umbrochenen Druckfassung bedeutete dies einen Umfang bis Spalte 223/224. Nach der Planung hätte dieser Textbestand bei kontinuierlicher Veröffentlichung bis mindestens zur Herstellung der 14. Lieferung hingereicht. Aber hinzu kamen ja noch die Texte der anderen Autoren.
   Bekanntlich besteht das ›China‹-Werk aus drei Teilen38, die auch in der Paginierung immer wieder mit Spalte 1 beginnen; Mays ›Et in terra pax‹ bildet den ersten Abschnitt des dritten Teils ›Erzählendes und Anderes von und aus China‹. Die Lieferungsausgabe wurde nun so gestaltet, daß jedes Heft »3 Bogen und 1 vielfarbiges Kunstblatt« enthielt39, so daß jeder der drei Teile stets mit einem Bogen zu 8 Seiten bzw. 16 Spalten vertreten war (Format hoch 4°).
   Die Planung zielte mit Rücksicht auf die Abnehmer dahin, wöchentlich eine Lieferung herauszugeben. In bezug auf die beiden ersten Hefte war das nicht schwierig, wenn man von dem durch Lindner verursachten verspäteten Ausgabetermin einmal absieht. Aber Probleme zeigten sich bereits bei der rechtzeitigen Fertigstellung der beiden Folgelieferungen, was allerdings nichts mit May zu tun hatte.
   Zu einem Zeitpunkt, Mitte Juli 1901, wo Mays geplanter Gesamtumfang von 650 Manuskriptseiten zwar schon bekannt, jedoch von dem bereits bis dahin von ihm gelieferten Text noch kein Umbruch hergestellt war, ging Zieger davon aus, daß ›Et in terra pax‹ 14 Bogen ausfüllen würde. »Wie wäre es«, schrieb er am 15. 7. an Kürschner, »wenn wir die anderen kleinen Novellen und Scherze vielleicht mit Bogen 15 anfingen und mit den folgenden Bogen fortsetzten? Die Hefte würden wir dann so versehen, dass z. B. Lieferung 1 Bogen 1 der dritten Abteilung, Lieferung 2 Bogen 16, Lieferung 3 Bogen 2 mit May 8 Seiten und Lieferung 4 Bogen 17 enthält. Dadurch wird etwas Ganzes geschaffen und das Publikum wird damit auch zufrieden sein.« Kürschner war einverstanden: »Einteilung der dritten Abteilung werden wir also so vornehmen, wie von mir vorgeschlagen und von Ihnen gutgeheissen worden ist. Auf diese Weise bieten wir etwas Zusammenhängendes und für das komplette Werk ist diese Einteilung unerlässlich« (Zieger an Kürschner, 17. 7. 1901). Nach erfolgtem Umbruch des vorliegenden May-Textes mußte man sich freilich zu einer Änderung entschließen: »Ich glaube, dass es demzufolge am besten sein dürfte, wenn wir den zweiten Abschnitt des dritten Teils vielleicht mit Bogen 18 oder 19 beginnen lassen, resp. 20 und den eventuellen Raum mit anderen Erzählungen ausfüllen. Meinen Sie nicht auch, dass das das Richtigste wäre?« (Zieger an Kürschner, 17. 7. 1901). Aber es zeigte sich, daß nicht nur diese Umfangserweiterung notwendig war,


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sondern auch eine Inhaltsänderung der Lieferungen 3 und 4. Die von Zieger festgelegte und von Kürschner bestätigte Planung sah vor, ›Et in terra pax‹ nur in der 1. und 3. Lieferung zu bringen und die Lieferungen 2 und 4 mit anderen Texten zu bestücken. Aber Anfang August, Kürschner befand sich noch in den Bergen, sollte aus dem dritten Teil nur noch May-Text gebracht werden. »Die Lieferungen 3 und 4 müssen ebenfalls ehestens zur Ausgabe gelangen«, schrieb Zieger am 6. 8. an Kürschners Vertreter in Eisenach, »und es wäre mir deshalb sehr angenehm, umgehend zu erfahren, ob das Manuskript für diese beiden Lieferungen ebenfalls fertig vorliegt. Die Umbruchbogen, also von jeder Abteilung der dritte und vierte Bogen [auf die dritte Abteilung bezogen, also ausschließlich May-Text/H. P.], sind von der Druckerei bereits fertiggestellt und Ihnen wohl übermittelt. Herr Geheimrat Kürschner hatte sich wohl vorbehalten, die 3. und 4. Lieferung nach seiner Rückkehr fertigzustellen und wäre es deshalb wohl notwendig, Herrn Geheimrat Kürschner die Umbruchbogen behufs Prüfung vorzulegen . . .« Aber Kürschner war offensichtlich nicht rasch genug zu erreichen, außerdem wollte Zieger ihn auf der Reise auch nicht gern damit behelligen. Aber die Zeit drängte. »Im Besitze Ihres gefälligen Schreibens von gestern«, so Zieger am 8. 8. an den Vertreter Kürschners in Eisenach, »benachrichtige ich Sie, dass wir unbedingt die 3. und 4. Lieferung von China in den nächsten 14 Tagen druckfertig haben müssen. Sollten Sie die Adresse des Herrn Geheimrat noch vor dem 16. d.M. erfahren, so bitte ich um sofortigen Bescheid, um mich mit Herrn Geheimrat direkt verständigen zu können. Brandstetter40 hat leider keinen Umbruch von Wirren41 Bogen 3 und 4 und müsste deshalb der Umbruch mit aller grösster Beschleunigung fertiggestellt werden, damit wir die Ausgabe der Lieferungen 3 und 4 bestimmt, wie vorstehend angegeben, bewirken können. Ich möchte Sie deshalb bitten, doch zu untersuchen, ob es Ihnen möglich ist, den Umbruch dieser beiden Bogen selbst vorzunehmen. Es wäre sehr bedauerlich, wenn wir die Ausgabe der Lieferungen 3 und 4 nicht sofort nach Erscheinen der Lieferungen 1 und 2 bewirken könnten.« Als Zieger wenige Tage später den Aufenthaltsort Kürschners erfuhr, wandte er sich, wie beabsichtigt, direkt an ihn:

»Mit dem China-Werk ist bis jetzt alles so weit ganz gut gegangen. Die Herstellung des Druckes, hauptsächlich des 3. Teiles, hat ja mancherlei Schwierigkeiten bereitet, immerhin sind wir aber jetzt so weit, die 1. Lieferung nächste Woche ausgeben zu können.
   lch war Anfang dieser Woche in Berlin und habe die betreffenden Handlungen aufgesucht. Man glaubt, dass das Werk ausserordentlich gut einschlagen wird, im


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merhin aber sei es notwendig, dass innerhalb 8 Tagen nach Erscheinen der 2. Lieferung unbedingt Lieferung 3 zur Ausgabe gelange. Ich hatte nun geglaubt, dass sämtliche drei Teile bis Bogen 4 schon umbrochen seien, aber die Erkundigung bei den Buchdruckereien hat ergeben, dass die Wirren überhaupt nur bis Bogen 2 umbrochen sind und May nur bis Bogen 3. Ich schrieb deshalb an Herrn Berthold42 und bat ihn um Aufklärung, ob vielleicht Bogen 3 und 4 der Wirren und Bogen 4 von May im Umbruch in Eisenach gewissermassen vorlägen, damit die Druckereien an der Fertigstellung der Revisionen nicht behindert würden. Leider ist dieses aber nicht der Fall und wird Ihnen Herr Berthold wahrscheinlich die ganze Korrespondenz nach Mieders gesandt haben.
   Ich komme nun heute ebenfalls, um bei Ihnen anzufragen, bis wann wir wohl die vorstehend erwähnten Bogen in Umbruch erhalten können. Lieferung 3 muss auf alle Fälle so bald als möglich fertiggestellt werden und bin ich mit Fritzsche deshalb übereingekommen, dass Lieferung 3 einen Bogen der ersten Abteilung und 2 Bogen der dritten Abteilung, also den dritten Bogen von May und Bogen 19 des dritten Teiles, enthalten soll. So leid es mir thut, dass wir eine derartige Aenderung des Programmes vornehmen müssen, so wenig möchte ich aber, dass Sie sich auf Ihrer Reise mit der China-Angelegenheit befassen . . . Ich glaube demzufolge, dass Sie mit unserem Projekt einverstanden sein werden, falls es Ihnen nicht möglich sein sollte, Herrn Berthold mit der Fertigstellung des Umbruches zu betrauen. Wie es mit Lieferung 4 werden soll, kann ich mir zur Zeit noch nicht recht erklären. Jedenfalls müssen wir die Fertigstellung dieser Lieferung ebenfalls in der Weise erfolgen lassen, dass sie 8 Tage nach Erscheinen der 3. Lieferung ausgegeben werden kann.
   Dass die Ausgabe der folgenden Lieferungen so schnell vorsichgehen soll, hat seinen Grund in den allgemeinen Wünschen der in Frage kommenden Reise- und Kolportagebuchhandlungen. Ich selbst habe mich in Berlin davon überzeugt, dass die Leute mit ihren Forderungen nichts Unbilliges verlangen, denn das Geschäft liegt nun einmal so, dass die Kunden nicht länger als 8 Tagen warten wollen, wenn sie auf ein derartiges Werk abonniert haben. Es ist sehr leicht die Gefahr vorhanden, dass die Kunden abspringen, wenn sie nicht regelmässig bedient werden« (Zieger an Kürschner, 10. 8. 1901).

Kürschner, der erfahrene Herausgeber und Kenner der Kolportageszene, wußte natürlich, daß Zieger sehr zu Recht auf die wöchentliche Ausgabe der Lieferungen drängte, weshalb er sich auch sofort bereit erklärte, den fehlenden Umbruch doch rasch selbst zu besorgen. »Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Depesche aus Schönberg«, antwortete Zieger am 12. 8. auf das Entgegenkommen Kürschners, »und hoffe zuversichtlich, dass es Ihnen möglich sein wird einige Rasttage für die Fertigstellung des Umbruchs der Bogen 3 und 4 Wirren etc. zu verwenden.« Und einen Tag später: »Mit besonderer Freude habe ich aus Ihren beiden liebenswürdigen Schreiben von gestern ersehen, dass Sie sich mit dem Umbruch der Bogen 3 und 4 Wirren doch in Ihrer Sommerfrische zu beschäftigen gedenken. Die Gründe der frühzeitigeren Fertigstellung [gemeint ist vor der Rückkunft Kürschners aus dem Urlaub/H. P.] sind Ihnen ja bekannt und hoffe ich, dass wir die dritte und


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vierte Lieferung rechtzeitig fertigstellen können, damit uns seitens der Kolportage- und Reise-Buchhandlungen keinerlei Vorwürfe gemacht werden können« (Zieger an Kürschner, 13. 8. 1901).
   In den erwähnten Briefen an Zieger hat Kürschner vermutlich bemängelt, daß abweichend vom ursprünglichen Programm die 2. Lieferung doch wieder einen Text von May enthalten hatte. Zieger begründete diese Änderung und unterbreitete zugleich den Vorschlag, dann eben die 3. Lieferung mit anderen Texten auszustatten, also nicht im 1. und 3., sondern im 1., 2. und 4. Heft ›Et in terra pax‹ zu bringen: »Dass wir in Lieferung 2 nochmals Fortsetzung von Roman May brachten, hatte seinen Grund darin, den Käufern der ersten Lieferungen Gelegenheit zu geben, sich in den May'schen Roman gewissermassen einlesen zu können. Für Lieferung 3 werden wir Bogen 19 der dritten Abteilung, der ja sehr gut illustrirt ist, bringen. Lieferung 4 würde dann mit Bogen 3 May versehen werden und so fort« (Zieger an Kürschner, 13. 8.1901).
   Aber auch diese Planung wurde schließlich wieder verworfen. Am Ende kam heraus, daß ›Et in terra pax‹ in allen vier Lieferungen veröffentlicht wurde, also einschließlich von Heft 3:



Dank Kürschners persönlichem Einsatz konnte aber auch der fehlende Umbruch der Bogen 3 und 4 der zweiten Abteilung termingemäß erledigt werden, so daß die ersten vier Hefte tatsächlich in wöchentlicher


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Folge, und zwar stets am Donnerstag, auf dem Markt erscheinen konnten43:
1. Lieferung am 15. 8. 1901, enthaltend:1. Teil, Sp. 1- 16
2. Teil, Sp. 1 - 16
3. Teil, Sp. 1 - 16
2. Lieferung am 22. 8. 1901, enthaltend:1. Teil, Sp. 17-32
2. Teil, Sp. 17-32
3. Teil, Sp. 17-32
3. Lieferung am 29. 8. 1901, enthaltend:1. Teil, Sp. 33 - 48
2. Teil, Sp. 33-48
3. Teil, Sp. 33 - 48
4. Lieferung am 5. 9. 1901, enthaltend:1. Teil, Sp. 49 - 64
2. Teil, Sp. 49 - 64
3. Teil, Sp. 49 - 64


Die 5. Lieferung scheint allerdings erst mit einer einwöchigen Verspätung ausgegeben worden zu sein, die folgenden Hefte jedoch wieder Woche um Woche. Im ›Börsenblatt für den deutschen Buchhandel‹ sind nur noch die 5. bis 13. Lieferung angezeigt, und zwar im amtlichen Teil unter der Rubrik ›Erschienene Neuigkeiten‹ (im folgenden abgekürzt: EN). Danach erschienen diese Anzeigen bis einschließlich der Lieferungen 10 und 13 allwöchentlich in der Montagsausgabe, die Hefte 11 und 12 indes gemeinsam in einer Freitagsausgabe. Nach den ›Bestimmungen über die Aufnahme in das Verzeichnis der erschienenen Neuigkeiten des deutschen Buch- und Landkartenhandels‹ (§ 4) geschah diese Verzeichnung im ›Börsenblatt‹ in der Regel »zwei Tage später«, als die dafür zuständige, verantwortliche »J. C. Hinrich'sche Buchhandlung in den Besitz des Werkes gelangt ist.«44 Das bedeutet, daß auch die Hefte 5 bis 13 jeweils donnerstags ausgegeben worden sind; nur die 11. und 12. Lieferung lag möglicherweise bereits an einem Mittwoch oder gar Dienstag vor.45
   Nach den Angaben im Neuigkeitenverzeichnis des ›Börsenblatts‹ geschah die Ausgabe der weiteren Lieferungen wie folgt46:
5. Lieferung am 19. 9. 1901, enthaltend:
(EN vom 23. 9. 1901)
1. Teil. Sp. 65 - 80
2. Teil, Sp. 65 - 80
3. Teil, Sp. 292 - 304
6. Lieferung am 26. 9. 1901, enthaltend
(EN vom 30. 9. 1901)
1. Teil, Sp. 81 - 96
2. Teil, Sp. 81-96
3. Teil. SD. 65 - 80 (May-Text)
7. Lieferung am 3. 10. 1901, enthaltend
(EN vom 7. 10. 1901)
1. Teil, Sp. 97 - 112
2. Teil, Sp. 97 - 112
3. Teil, Sp. 305 - 320



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8. Lieferung am 10. 10. 1901, enthaltend:
(EN vom 14. 10. 1901)
1. Teil, Sp. 113-128
2. Teil, Sp. 113-128
3. Teil, Sp. 81 - 96 (May-Text)
9. Lieferung am 17. 10. 1901, enthaltend:
(EN vom 21. 10. 1901)
1. Teil, Sp. 129 - 144
2. Teil, Sp. 129 - 144
3. Teil, SP. 97-112 (May-Text)
10. Lieferung am 24. 10. 1901, enthaltend
(EN vom 28. 10. 1901)
1. Teil, Sp. 145 - 160
2. Teil, Sp. 145-160
3. Teil. SD. 113 - 128 (May-Text)
11. Lieferung am 6. 11. 1901, enthaltend
(EN vom8. 11. 1901)
1. Teil, Sp. 161 - 176
2. Teil, Sp. 161 - 176
3. Teil, Sp. 321 - 336
12. Lieferung am 6. 11. 1901, enthaltend:
(EN vom 8. 11. 1901)
1. Teil, Sp. 177 - 192
2. Teil, Sp. 177-192
3. Teil. Sp. 129 - 144 (May-Text)
13. Lieferung am 14. 11. 1901, enthaltend:
(EN vom 18. 11. 1901)
1. Teil, Sp. 193-208
2. Teil, Sp. 193-208
3. Teil, Sp. 337-352


Nach dem Erscheinen des 13. Heftes war das Lieferungswerk so weit eingeführt, daß es einer weiteren Anzeige im ›Börsenblatt‹ nicht mehr bedurfte. Auch der Turnus blieb offenbar derselbe. Man wird demnach davon ausgehen dürfen, daß weiterhin allwöchentlich, und zwar am Donnerstag, eine Lieferung erschienen ist. Da das Gesamtwerk in 32 Heften ausgegeben wurde47, lag die Schlußlieferung, wenn sich der Heftumfang während dieser Zeit nicht verändert hat, am 27. 3. 1902 ausgedruckt und versandfertig vor.
   Der Lieferungsausgabe hat also Mays ratenweiser Manuskripteingang keine Probleme bereitet. Anders verhielt es sich in bezug auf die Bandausgabe. Nachdem die ersten Hefte vorlagen und wohl auch erste Gespräche mit den Abnehmern geführt waren, kam Zieger zu der Überzeugung, daß der größere Absatz wahrscheinlich mit dem geschlossenen Werk erlangt werden würde: »Die Lieferungsausgabe hat ja verschiedene Nachteile«, schrieb er am 30. 8. an Kürschner, »und gerade die Dreiteilung wird von den meisten nicht verstanden werden. Wir müssen also sehen, was wir mit dem kompletten Werk erzielen.« Hinzu kam, daß die Großhändler darauf drängten, den gebundenen Band rechtzeitig zum Beginn des Weihnachtsgeschäfts vorliegen zu haben. Das bedeutete: Ausgabe des kompletten Werkes möglichst im Oktober. Die Herstellung der Lieferungs- und der Bandausgabe war also im Nebeneinander zu bewerkstelligen, wobei die Bandausgabe jedoch erheblich früher abgeschlossen sein mußte. Zwei Druckereien waren damit beschäftigt; die Firma Oscar Brandstetter für die Teile I und II und die Firma Ernst Haberland für den III. Teil, also auch für


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›Et in terra pax‹. »Es ist wiederum heute das Verlangen gestellt worden«, schrieb Zieger am 6. 8. an den Vertreter Kürschners in Eisenach, »den Vertrieb des kompletten China-Werkes Anfang Oktober zu eröffnen, so dass wir also auf alle Fälle das komplette Werk bis Ende September druckfertig vorliegen haben müssten . . . Auf alle Fälle wollen Sie die vorhandenen Umbruchbogen sofort an die beteiligten beiden Druckereien gelangen lassen, damit der Satz resp. Umbruch und Druck sofort bewirkt werden kann.«
   Aber trotz allen Bemühens entsprach der Fortgang in der Herstellung des Bandes nicht dem Erfordernis. Bereits Ende August war abzusehen, daß der Anfang-Oktober-Termin nicht würde gehalten werden können. Um den Absatz nicht zu gefährden, entschloß man sich zur Herstellung und Vergabe von Musterbänden:

»Beigehend übersende ich Ihnen 1 Muster der kompletten Ausgabe nebst je 10 Lieferung 1 bis 4. Aus dem natürlich ebenfalls in sehr grosser Eile fertiggestellten Muster-Band zur kompletten Ausgabe ersehen Sie, dass verschiedene Einfassungen für Kapitel ganz willkürlich von Fritzsche und mir ausgewählt wurden. Es ist natürlich nur eine Willkür gewesen, weil wir mit der Fertigstellung der Musterbände sehr eilen mussten und werden die von Ihnen seinerzeit beorderten Einfassungen ganz Ihrem Auftrag gemäss in dem Werk Unterkunft finden. Ebenso ist auch der Inhalt ganz provisorisch zusammengetragen, um den Reisenden wenigstens Musterbände für die komplette Ausgabe aushändigen zu können.
   Ich bin überzeugt, dass Sie an den Musterbänden mancherlei auszusetzen haben werden, aber auch ich bin in vieler Beziehung mit den verschiedenartigsten Drukken durchaus nicht einverstanden. Es ist eben immer wieder das alte Lied, dass bei einer grossen Eile nicht viel Gutes herauskommt« (Zieger an Kürschner, 4. 9. 1901).

Zu den von Kürschner und Zieger kritisierten Dingen gehörten übrigens auch die Abbildungen zu ›Et in terra pax‹ von Lindner. Schon am 13. 8. hatte Zieger an Kürschner geschrieben:

»Ausstattung des Werkes lässt ja mancherlei zu wünschen übrig und im Bezug auf die Abteilung May bin nicht nur ich, sondern auch Fritzsche ganz Ihrer Meinung. Wir hatten gehofft, etwas ganz besonders Schönes herauszubringen, leider aber ist durch Lindner unsere gute Absicht zum Teil sehr vereitelt worden. Wir konnten eben für die erste Lieferung nicht nochmals andere Klichees anfertigen lassen, weil die Ausgabe dringend gewünscht wurde und neue Klichees und Zeichnungen hätten unter 4 Wochen nicht geliefert werden können. Ich muss auch hier wieder sagen, dass nicht alles nach meinem Wunsche geht und mancherlei fertiggestellt werden muss, was meine Zustimmung durchaus nicht finden kann.«

Infolge der Verzögerungen, die sich aus den verschiedensten Gründen


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einstellten, wurde als neuer Termin für den Abschluß des kompletten Bandes der 20. Oktober ins Auge gefaßt. Dieser Zeitpunkt war von den Gegebenheiten des Marktes her festgelegt worden, und sich ihnen anzupassen mußte natürlich auch den Autoren nahegelegt werden, z. B. May, von dem auch Ende August noch keine weitere Manuskriptlieferung eingegangen war. »May ist jetzt beim 4. Kapitel. Soviel ich vermute, dürfte vielleicht noch die letzte Hälfte dieses Kapitels im Manuskript von May zu erwarten sein. Vielleicht lassen Sie an May eine kleine Anfrage abgehen, wann dieser Rest zu erwarten ist. Ich möchte May jetzt aus bestimmten Gründen nicht schreiben«48 (Zieger an Kürschner, 30. 8. 1901). Bedenkt man, wieviele Arbeitsgänge bis zur fertigen Druckfassung erforderlich sind, so war dieses Drängen, das sich mit fortschreitender Zeit verstärkte, nur zu verständlich. Das Manuskript mußte gesetzt werden, die Fahnen korrigiert, und zwar auch von May, der sich das ausdrücklich ausbedungen hatte, von den Fahnen ging ein Exemplar an Lindner, um die Zeichnungen anzufertigen49, von denen dann Klichees hergestellt werden mußten und Andrucke, die May ebenfalls zur Begutachtung zugesandt erhielt, und schließlich waren der Umbruch und die Umbruchkorrekturen vorzunehmen. Und dies alles lief nicht immer ohne Schwierigkeiten ab. Zum Beispiel ging es May bei der Fahnenkorrektur nicht nur darum, Satzfehler zu tilgen, sondern festzustellen, ob etwa inhaltliche Veränderungen vorgenommen wurden, weshalb er sich zu den Fahnen immer auch sein Manuskript zurück erbat. Nun geschah es nicht selten, wahrscheinlich aus Nachlässigkeit, daß diese Rücksendung unterlassen wurde, was May jedesmal prompt zu einer Beschwerde veranlaßte und außerdem neue Zeitverzüge herbeiführte. So heißt es z. B.: »May schreibt, dass er bei den letzten Korrekturen wiederum (sic!) sein Manuskript nicht von Ihnen mit erhalten habe und beklagt sich darüber« (Zieger an Kürschner, 1. 10. 1901) und: »May schimpft wieder einmal (sic!) recht, dass der Korrektur das Manuskript nicht beigelegen hat« (Zieger an Kürschner, 2. 10. 1901). Daraus geht übrigens auch hervor, daß May die Korrekturfahnen in der Regel von Eisenach aus zugesandt erhielt.50
   May war aber nicht nur an den Fahnen und dem Textvergleich mit seinem Manuskript, sondern auch an den fertigen Heften interessiert. So schreibt Zieger unterm 13. 9. an Kürschner: »Rezensionsexemplare habe ich nicht versandt, bis auf May, der die fertigen Lieferungen zu haben wünschte.«
   Bei der Sorgfalt, mit der May den Druck seines Romans überwachte, und bei der Empfindlichkeit, mit der er auf jede Abweichung vom


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Manuskript reagierte, hielten Verleger und Herausgeber selber sehr darauf, daß die Fehlerquote der Setzerei sich möglichst in Grenzen hielt bzw. daß bei eingeschlichenen Fehlern May rasch wieder beruhigt wurde. Ein Beispiel dafür ist die Umsicht, mit der sie verfuhren, als die Überschrift des 2. Kapitels geändert werden mußte. »Die Aenderung des zweiten Kapitels habe ich ebenfalls an Haberland aufgegeben. Es dürfte sich vielleicht empfehlen, May Revisions-Bogen zu übersenden, damit der Herr nicht gar zu quenglich wird wenn irgend ein Fehler unterläuft« (Zieger an Kürschner, 14. 9. 1901). Und einen Tag darauf: »Bezügl. May bin ich ganz Ihrer Meinung. Das zweite Kapitel lautet in der Korrektur doch noch anders und wird Ihnen Haberland hierüber gestern geschrieben haben. Jedenfalls müssen wir mit den Kapitel-Ueberschriften sehr vorsichtig sein, damit wir mit May deshalb keinen Krach bekommen, denn er hat ja bereits wegen der in der ersten Korrektur vorgekommenen Fehler ein Geschrei erhoben, als wenn ein grosses Verbrechen begangen wäre. Die . . . aufgegebenen Aenderungen in den bereits korrigierten Fahnen kann ich erst morgen mit Haberland besprechen. Es ist mit May ein wahres Kreuz!« (Zieger an Kürschner, 15. 9. 1901). Trotzdem wagten die Editoren Eingriffe, allerdings nicht in den Text, sondern in die Illustration. Ein Fall ist immerhin bekannt: »Fritzsche schreibt mir heute aus Budapest, dass er Ihren Brief vom 30. August an Lindner gesandt habe. Ich habe von Lindner leider noch keine Antwort auf meine diesbezügliche Anfrage und erwähnte deshalb die Sache nochmals in dem heutigen Eilbrief und bat um Aufklärung. Jedenfalls sind die von Ihnen angebrachten Korrekturen durchaus gerechtfertigt und wird May vielleicht gar nichts davon bemerken. Der Umbruch kann ganz ruhig vorsichgehen« (Zieger an Kürschner, 18. 9. 1901). Um welche Abbildung(en) es sich dabei handelte, ist aus den Zieger-Briefen nicht ersichtlich.
   Die Behutsamkeit, mit der Verleger und Herausgeber zu dieser Zeit May gegenübertraten, hing natürlich vor allem damit zusammen, daß der Rest des Manuskriptes noch immer ausstand. Zwar schrieb Zieger am 13. 9. an Kürschner: »Es ist mir eine grosse Beruhigung jetzt wenigstens vom May'schen Roman viele Umbruchseiten vorliegen zu haben und können wir deshalb auch hier rüstig vorwärts schreiten«, doch verlor sich diese Gelassenheit zusehends, als Probleme in der Herstellung aufkamen und Lindner mitteilte, daß er eine Reise nach Kiel unternehmen wolle und bis dahin alle Zeichnungen erledigt haben möchte. Das große Drängen begann. »Hat er denn den Schluss noch abgesandt? Auf meine letzten 3 Briefe (sic!) hat er noch nicht geantwortet. Ich befürchte fast, May lässt uns sitzen, denn er glaubt in seinem Ei-


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gendünkel soweit gehen zu dürfen, daß er Ihnen und mir zumutet, ihn noch fussfällig um Fertigstellung des Schlusses zu bitten. Jedenfalls müssen wir bei diesem sonderbaren Heiligen auf Alles gefasst sein« (Zieger an Kürschner, 15. 9. 1901). Und am 17. 9.: »May wird hoffentlich nun bald sein Manuskript senden. Lindner sendet mir heute die von mir erbetenen drei neuen Zeichnungen für Spalte 161 - 176 und jammert, wie Sie aus anliegendem Brief, den ich zurückerbitte, zu ersehen belieben, um den Schluss des Manuskriptes, um die Zeichnungen noch vor seiner Abreise nach Kiel fertigstellen zu können. Es ist ein Jammer, dass wir mit May nicht vorwärts kommen. Ebenso sandte mir Lindner eine Zeichnung zur Fahne 151 für die Stelle, wo der Tempel brennt. Ich habe diese 4 Zeichnungen sofort der zinkographischen Anstalt übergeben, damit wir vorwärts kommen.«
   Doch am selben Tag, dem 17. 8., war bei Kürschner Manuskript von May eingelangt: »Mit besonderer Freude habe ich aus Ihrem gestrigen Brief ersehen, dass May nunmehr mit der weiteren Lieferung des Manuskriptes begonnen hat« (Zieger an Kürschner, 18. 9. 1901). Da die Sache eilte, schickte man Lindner unüblicherweise gleich die Originalmanuskriptseiten zu: »Ich habe die Seiten 557 bis 606 sofort per Eilbrief an Lindner gesandt, damit dieser die nötigen Zeichnungen anfertigen kann« (ebenda).
   Aber das vollständige Manuskript lag damit immer noch nicht vor: »Hoffentlich kommt nunmehr auch recht bald der Schluß des Manuskriptes« (ebenda). Zwei Tage darauf: »May wird hoffentlich baldigst den Rest liefern, denn der Druck der May'schen Bogen erfordert gerade sehr viel Zeit« (Zieger an Kürschner, 20. 9. 1901). Und wieder zwei Tage später: »May schreibe ich heute noch einige Zeilen. Hoffentlich lässt sich der Cousin erweichen. Es ist ein Kreuz, wenn sich solche Leute so ungemein bockbeinig stellen« (Zieger an Kürschner, 22. 9. 1901).
   Daß May zu diesem Zeitpunkt noch nicht das gesamte Manuskript geliefert hat, hängt unstreitig damit zusammen, daß er Mitte September eine sicherlich weit vorher schon geplante mehrmonatige Reise begonnen hatte. Seine erste Station war Einsiedeln in der Schweiz, wo er mit dem dortigen Verlag Eberle & Rickenbach »geschäftliche Verhandlungen . . . zu führen hatte«.51 Bevor er - vermutlich am 17. September - nach dorthin abreiste, hatte er wenigstens jene Manuskriptseiten 557 - 606 an Kürschner geschickt. Wenige Tage später - höchstwahrscheinlich am 20. September - begab er sich von hier aus zum Rigi Kulm-Hotel, »wo er zu einer mehrwöchigen Kur bleiben wollte, wie er bei Eberle & Rickenbach hinterließ.«52 Aber diese Kur währte nur


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ganze 15 Tage; am 5. Oktober reiste er bereits wieder ab.53 Die Idylle von den vier Wochen, in denen May »in der Weltabgeschiedenheit des Rigi Kulmgipfels«, eingeschneit, »während unten die Matten noch grün waren«, seinen Roman ›Et in terra pax‹ geschrieben habe, ist also tatsächlich nichts anderes als eine sentimentale Erfindung Finkes.54 Schon Ekkehard Bartsch hatte es mit Hilfe eines kleinen Datengerüstes und logischer Überlegung für »absolut undenkbar« gehalten, »daß Mays Beitrag in so kurzer Zeit mit 63 handlungsbezogenen Bildern versehen, gesetzt, korrigiert und gedruckt worden ist.«55 Aber seine Gegenbehauptung: »Vielmehr darf mit Sicherheit (sic!) angenommen werden, daß das Werk bereits im Frühjahr oder Frühsommer 1901 niedergeschrieben wurde«56, trifft freilich ebensowenig zu. Den Schluß seines Romans, vielleicht 50 Manuskriptseiten, hat May sehr wohl auf dem Rigi Kulm verfaßt (möglicherweise einige Seiten auch schon in Einsiedeln). Am 24. 9. schrieb Zieger an Kürschner: »Zu meiner Freude kann ich Ihnen in der Anlage Telegramm von May behändigen aus dem ersichtlich, dass der Schluss des Manuskriptes sicher übermorgen an Sie abgeht. Ich habe meiner Freude sofort nach Eingang des Telegrammes nach Rigi Kulm Ausdruck gegeben und hoffe, dass nunmehr die Sorge wegen ›Et in terra pax‹ ihren Abschluss erreicht hat.« Auch Kürschner war des Wartens inzwischen müde geworden: »Aus Ihrem freundlichen Schreiben von gestern ersehe ich mit Vergnügen, dass auch Sie die Stunde herbeisehnen, in der der Schluss von May, Et in terra pax, eingehen wird« (Zieger an Kürschner, 26. 9. 1901, 1. Brief).
   Um diese Zeit begann die Herstellung des ›China‹-Bandes in die schwierige, hektische Schlußphase einzutreten: »Ich habe heute wieder einmal einen sehr schweren Stand mit dem Drucker bezüglich der Bogen May und habe jetzt die aller grösste Sorge, dass es uns mit dieser Abteilung am aller schwersten gelingen wird, rechtzeitig fertig zu werden. Es liegen jetzt 12 Bogen May in Umbruch vor und kann leider der Druck nicht so vorwärts gehen, wie ich es wünsche, da die Klichees nicht rechtzeitig geliefert werden, wie es mir versprochen worden ist. Ich muss künftighin mit dieser Anstalt, nämlich Hugo Horn ganz energisch verfahren. Ausser diesen bereits umbrochenen 12 Bogen liegen noch 43 Fahnen gleich 48 Spalten Satz vor, die noch zu umbrechen wären . . . Für den übrigen III. Teil sind nur die Bogen 19, 20 und 21 umbrochen und hiervon liegen noch 74 Fahnen gleich 80 Spalten Satz vor. Es wäre mir deshalb sehr angenehm, wenn Sie den Umbruch der Bogen 22 und folgende sofort vornehmen könnten. Klichees hierzu sind meines Wissens für alle Teile vorhanden. Sie sehen, dass die III. Abtei-


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lung ausserordentlich weit zurück ist . . .« (Zieger an Kürschner, 26. 9. 1901, 2. Brief). - 27. 9., 1. Brief: »Die Illustrationen von May machen mich thatsächlich ganz nervös . . .« - 27. 9., 2. Brief: »May telegraphiert soeben, dass ihm die Korrekturen postwendend nach Rigi Kulm, Schweiz, zu senden seien. Es ist mir für heute Abend ein Teil der Korrekturen zugesagt worden und soll der Rest morgen folgen. Ich möchte Sie deshalb bitten, die Korrekturen von dort aus nach Rigi Kulm weitergeben zu wollen.« - 27. 9., 4. Brief: »In umgehender Erledigung Ihres heutigen Eilbriefes benachrichtige ich Sie, dass ich mit Fritzsche wegen der Illustrationen May gesprochen habe und dieser mir sagte, dass Lindner Alles bereits im Umbruch vorliegende durchgesehen und entsprechende Zeichnungen dazu angefertigt habe. Mir will die Sache sehr fragwürdig erscheinen und da Lindner seinen Besuch für Ende dieses Monats in Leipzig in Aussicht gestellt hat, so werde ich das Weitere mit ihm besprechen. May's Adresse ist mir auch nur aus dem Ihnen übermittelten Telegramm bekannt gewesen: Dr. May, Hotel Rigi-Kulm, und da er heute um die Korrekturen nach dort bat, so bitte ich Sie, morgen und übermorgen die betreffenden Korrekturen nach dort zur Versendung bringen zu lassen. Ich habe May sein Telegramm noch schriftlich nach Rigi-Kulm bestätigt.« - 28. 9.: »May. Ist von diesem der Schluss des Manuskriptes eingegangen? Wenn nicht, so wird er uns hoffentlich nicht mehr allzu lange warten lassen.« Als Zieger diese Zeilen an Kürschner schrieb, war das Manuskript bereits auf dem Wege: »May schreibt mir heute 2 sehr liebenswürdige Karten, eine mit der Bemerkung: ›Schluss des Manuskriptes Et in terra pax abgegangen, Brief folgt‹ Rigi-Kulm 27/9.« (Zieger an Kürschner, 30.9. 1901). Der Brief, den May nachfolgen ließ, war trotz der gegenteiligen, vielleicht ironisch gemeinten Versicherung Ziegers nicht mehr so liebenswürdig:

»May sendet mir heute einen sehr liebenswürdigen Brief, in dem Sie sowohl wie auch ich nicht gerade am besten wegkommen, weil wir für ›Et in terra pax‹ nicht das richtige Verständnis gehabt haben. Er beklagt sich, dass wir von seinen philosophischen Ausführungen nichts wissen wollten und meint, dass jedenfalls sein Werk im ganzen China-Werk dasjenige sein würde, was das Buch gewissermassen gangbar macht . . . Im Uebrigen sind die Ausführungen gleicher Art, wie früher und bin ich herzlich froh, dass wir nun endlich den Schluss dieser Arbeit haben. Das Weitere muss sich ja finden« (Zieger an Kürschner, 1. 10. 1901).

Nach diesen Mitteilungen darf also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß May seinen Roman ›Et in terra pax‹ am 26. (oder spätestens am 27.) September 1901 beendet hat.


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   In der verbleibenden Zeit bis zur Abreise von Rigi Kulm am 5. Oktober war May mit den Korrekturen und mit der Zusammenstellung bzw. Auswahl von Leserbriefen für seine Verteidigungsbroschüre ›»Karl May als Erzieher« und »Die Wahrheit über Karl May« oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser‹ beschäftigt.57 Die Zusendung der Fahnen übernahm Zieger in Anbetracht der Zeitnot jetzt gleich selbst:

»Korrektur May sende ich sofort jeden Abend mit seinem Manuskript nach Interlaken. May schreibt, dass er bei den letzten Korrekturen wiederum sein Manuskript nicht von Ihnen mit erhalten habe und beklagt sich darüber. Ich sende ihm Korrektur und Manuskript stets sofort nach Fertigstellung jeden Tag zu und da er schreibt, dass er nur bis zum 5. Oktober in Hotel Rigi-Kulm weile, dann aber über den Rhein heimreise, so treffen ihn Briefe sicher am schnellsten, wenn sie nach Radebeul adressiert werden. Jedenfalls richte ich die Uebersendung der Korrekturen entsprechend ein« (Zieger an Kürschner, 1. 10. 1901).

Auch sonst zeigte sich Zieger außerordentlich betriebsam: »Was meine Bemerkung bezüglich der Lindner'schen Zeichnungen anbetrifft, so muss ich gestehen, dass ich nach und nach auch nicht mehr in der Lage bin, Alles richtig zu übersehen« (Zieger an Kürschner, 30. 9. 1901). - 2.10.: »Haberland habe ich heute nochmals gehörig die Leviten gelesen und ihm erklärt, dass bis zum 15. d.M. alle 30 Bogen des III. Teiles zur Verfügung sein müssen. Er will nunmehr auch den Umbruch der weiteren Bogen bewirken, so dass der Druck prompt vorsichgehen kann. Haberland wird diese restierenden Bogen wohl kaum bis zum 15. d.M. fertigstellen können und muss deshalb fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Ich habe ihm erklärt, dass er jetzt jeden Tag mindestens 3 bis 4 Bogen druckfertig machen muss. . .« - 3.10.: »Ueber die Helligkeit der Sachsen hat mir das China-Werk auch mancherlei neue Lichter aufgesetzt und bei unserer nächsten Zusammenkunft werde ich Ihnen so mancherlei unterbreiten können, was Sie gewissermassen in Erstaunen setzen dürfte. Jetzt atme ich schon freier, nachdem das Manuskript May vorhanden ist, noch viel freier werde ich aber aufatmen, wenn der letzte Bogen die Presse verlassen hat, und somit das Werk komplett vorliegt. Meine grösste Sorge ist jetzt die Drucklegung, denn bis zum 25. d.M. muss ich gebundene Exemplare zur Verfügung haben. Hoffentlich klappt Alles. Ich habe gestern aufs Dringendste Brandstetter, sowohl wie auch Haberland, ersucht, den Umbruch, Korrektur und Drucklegung ohne jeden Verzug zu bewirken und erklärte mir gestern Brandstetter, dass er 18 Bogen vom I. Teil und 11 Bogen vom II. Teil druckfertig habe und in Korrektur sich noch 2 Bo-


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gen vom I. Teil und ein Bogen vom 2. Teil befänden. Demzufolge würde Brandstetter noch 28 Bogen zu umbrechen und zu korrigieren haben. Also eine ziemliche Arbeit, wenn er bis zum 20. d.M. fertig sein will.«
   Die Befürchtungen Ziegers sollten sich erfüllen, die ersten Exemplare lagen erst fast eine Woche später ausgedruckt vor: »Mit besonderer Freude und gewisser Genugthuung kann ich Ihnen heute melden, dass China in 2000 Exemplaren bis heute Abend fertiggestellt werden wird, so dass die Buchbinderei Montag vormittag mit dem Binden beginnen kann und ich voraussichtlich dann Mittwoch Exemplare erhalten werde. Was die Buchdruckereien geleistet haben, ist nicht gering und ich will nur hoffen, dass in der allgemeinen Hast, mit der gearbeitet werden musste, nicht allzu viel grobe Fehler unterlaufen sind. Für mich beginnt nun die Sorge mit dem Vertrieb, die aber für mich keine solche Aufregung bringt, wie die Herstellung. Das erste fertige Exemplar, was aus der Binderei kommt, werde ich mir erlauben, Ihnen sofort zu übersenden, denn auch ich bin Ihnen zu besonderem Danke verpflichtet, für alle die vielen Unterstützungen, die Sie mir bei der Herstellung des Werkes zu Teil werden liessen« (Zieger an Kürschner, 26. 10. 1901).
   Am 30. Oktober war es dann endlich so weit:

»Verehrtester Herr Geheimrat!
   Hurra, Vivat, Eljen, Hoch + Heil! China liegt fertig vor + soeben geht das erste Exemplar p. Eilboten an Sie ab! Möge nun ein guter Stern über dieses Werk, das mich in gemeinsamer Arbeit mit Ihnen seit dem Frühjahr in Atem gehalten hat, walten. Verdient hätte es Ihre Schaffenskraft + mein guter Wille einschliesslich Fritzsches Unternehmergeist.
   Ueber die Ausstatlung werden wir uns ja baldigst mündlich aussprechen; jedenfalls ist das Buch ein recht stattlicher Band, der sich überall sehen lassen kann« (Zieger an Kürschner, 30. 10. 1901).

Der Versand an die Händler und damit überhaupt der Vertrieb des Bandes begann am 1. November: »China ist gestern wohl in einigen 100 Exemplaren von der Buchbinderei geliefert worden, leider aber nicht mehr zur Versendung gekommen, da die Ablieferung erst um 5 Uhr nachmittags erfolgte. Wir haben deshalb heute alles sofort verpackt, um morgen spedieren zu können« (Zieger an Kürschner, 31. 10. 1901).
   Bei aller Freude über das endliche und sogar noch einigermaßen rechtzeitige Erscheinen des Bandes war zumindest bei Zieger doch auch eine gewisse, wenn auch rasch durch die Freude wieder beiseite


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geschobene Befürchtung zu spüren. Sie hatte ihren Grund in jener, bereits oben zitierten Passage in Kürschners Vorwort, in der auf May Bezug genommen wird: »Ihre Bemerkung im Vorwort, betreffs des III. Teiles hat ganz meine Zustimmung, nur befürchte ich, dass May sich in seiner Eitelkeit verletzt fühlen wird. Jedenfalls bin ich jetzt über diese Sache nicht sehr beunruhigt, sondern freue mich, dass wir das Werk nunmehr fertig vorliegen haben. May kann sich dann genügend auslassen und werde ich dann schon versuchen, ihn zu beruhigen« (Zieger an Kürschner, 26. 10. 1901). Und am 28. 10.: »May. Lassen wir also ruhig die Sache an uns herantreten.«
   Und die »Sache« trat heran, allerdings anders als von Zieger befürchtet; May empfand verständlicherweise gerade Genugtuung darüber, den militaristisch und hurrapatriotisch gestimmten Kürschner dazu veranlaßt zu haben, öffentlich zu erklären, daß sein Beitrag »einen etwas anderen Inhalt und Hintergrund« biete, als dies Kürschner für sein chauvinistisches Machwerk »geplant und erwartet hatte«.
   Für Zieger völlig überraschend, geschah dieses Herantreten in Form einer persönlichen Begegnung mit May am 21. November in Leipzig. May befand sich auf dem Heimweg von seiner großen Reise, die er Mitte September angetreten und die ihn zunächst nach Einsiedeln und zum Rigi Kulm geführt hatte. Von dort aus war er am 5. 10. »zu Verhandlungen mit Buchdrucker und Buchbindern nach Stuttgart« wegen der geplanten Verteidigungsbroschüre des »dankbaren May-Lesers« und »anschließend bis 2. November in einer Erbschafts-Angelegenheit der Familie Seyler nach Bad Godesberg« gereist.58 Von hier aus begab er sich zunächst nach Weimar und dann nach Leipzig. Zieger berichtet:

»Als ich gestern Abend nach Hause kam fand ich zu meiner nicht geringen Verwunderung eine Visitenkarte von Dr. May vor + hörte von meinen Angehörigen, dass May zweimal in der Wohnung vorgesprochen habe. Heute Vormittag besuchte er mich nun im Geschäfte + Sie können sich gewiss denken, mit welch eigentümlichen Gefühlen ich unsern Freund empfing. Er war äusserst liebenswürdig + ich glaube es ihm gern, wenn er seiner Freude dahin Ausdruck verlieh, mich noch vor seiner Heimkehr nach Radebeul angetroffen zu haben, denn er ist seit Monaten unterwegs + gestern von Weimar nach hier gekommen. Das ihm vorige Woche ges. Exemplar hat er noch nicht gesehen + er war deshalb aufs höchste überrascht als ich ihm das Werk vorlegte, denn er glaubte, es sei überhaupt noch nicht vollständig erschienen + Ihre sowie meine Drängeleien seien gewissermassen nur vom Stapel gelassen, um für Weihnachten rechtzeitig herauszukommen. Er hat sich sofort ein zweites Expl. gekauft, um es im Hotel mit seiner Frau durchzusehen + davon heute Abend mit mir Weiteres hierüber zu besprechen. Gegen 1/4 8 Uhr wollen wir uns in Aeckerleins Keller59 treffen + ich bin wirklich sehr gespannt, wie sich May + seine


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Gattin nunmehr über das Buch aussprechen werden. Heute Vormittag sind wir wie alte Freunde geschieden + ich hoffe es wird mir vergönnt sein, auch heute Abend als Verlegerfreund von ihm Abschied zu nehmen. Da wir uns die Aussprache unsere(r) gemeinsamen Anschauungen für heute Abend vorbehalten haben, so kann ich Ihnen vorerst nur dieses Wenige melden; alles Weitere also morgen« (Zieger an Kürschner, 21. 11. 1901).

Doch anstatt der angekündigten Mitteilung folgte am 23. 11. nur die kurze Vertröstung: »May hoffe ich Ihnen Weiteres morgen ausführlich schreiben zu können.« In der vorliegenden Akte findet sich dieses »Weitere« jedoch leider nicht. Wenn die Mitteilung über jenes abendliche Treffen überhaupt je schriftlich erfolgt ist und nicht etwa durch eine mündliche Unterhaltung mit Kürschner gegenstandslos geworden war, so hat Kürschner diesen Bericht möglicherweise in einen anderen Zusammenhang, etwa in eine gesonderte Akte mit Stellungnahmen und Rezensionen zum ›China‹-Band, eingeordnet. Kürschners letztmalig bekundetes Interesse an May äußerte sich hier in einer Buchbestellung: »May, ›Orangen und Datteln‹ und ›Im Reiche des silbernen Löwen‹ habe ich bestellt und werde diese mit dem nächsten Postpaket senden« (ein Vertreter Ziegers an Kürschner, 30. 11. 1901).
   Im Spiegel dieser Korrespondenz des Jahres 1901 gibt sich May als ein selbstbewußter und zugleich sensibler Autor zu erkennen, als ein Mann, der in sozialen und politischen Fragen einen sicheren, wenngleich noch nicht endgültigen, eigenen Standpunkt gewonnen hat, den er mit Erfolg - und das war für ihn zweifellos eine ganz wichtige Erfahrung - gegen ernste Widerstände zu behaupten vermochte.

Z u  d e n  B e d i n g u n g e n  d e r  M i t a r b e i t  K a r l  M a y s  a m  › C h i n a ‹ - B a n d

In der Sekundärliteratur hat sich bis heute die Darstellung Finkes fortgeschleppt, die Höhe des Honorars, die May mit den Editoren des ›China‹-Bandes ausgehandelt hatte, habe 2000 Mark betragen.60 Aber eine solche Summe war niemals auch nur im Gespräch gewesen. Kurz nachdem May seine Mitarbeit zugesagt hatte, schrieb Zieger an Kürschner: »Die mit Ihrem freundlichen Briefe übermittelte Depesche Mays lässt hoffen, dass wir mit diesem zum Abschluss kommen. Ich denke, er könnte sich mit 2500 M begnügen« (12. 4. 1901). In dem Brief, den er seiner Depesche nachsandte, hat May aus verschiedenen Gründen auf einen Vertragsabschluß gedrängt und dafür auch seine Bedingungen genannt. Neben der Honorarhöhe war ihm vor allem an


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einer Regelung darüber gelegen, unter welchen Voraussetzungen er ›Et in terra pax‹ in sein ›Gesammeltes Werk‹ würde einfügen können:

»Wir müssten mit May wohl noch einen Vertrag machen? Jedenfalls möchte ich Sie bitten, das hierzu Nötige mit May direkt zu erledigen falls ich als Verleger dieses nicht direkt abzuschliessen hätte. Wie ist Mays Hinweis auf seine ›Gesammelten Werke‹ zu verstehen? Würde das Honorar nur für den Roman als Verwendung für unser Werk zu verstehen sein? Uns liegt natürlich daran, das Verlagsrecht für immer zu erwerben, denn wie Sie wissen, soll gerade der Roman für den Kolportagevertrieb besonders wirken. Möchten Sie also die Güte haben, hierüber mit May das Nötige zu verhandeln?« (Zieger an Kürschner, 14. 4. 1901).

Mit Sicherheit ist es daraufhin zu einer vertraglichen Vereinbarung zwischen May und Kürschner gekommen.61 In der Frage des Verlagsrechtes einigte man sich dahin, daß es May gestattet wurde, seinen Roman nach Ablauf einer angemessenen Sperrfrist, die wahrscheinlich auf zwei oder drei Jahre festgelegt wurde, in sein ›Gesammeltes Werk‹ aufzunehmen. Am 22. 6. erkundigte sich Zieger bei Kürschner: »Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir noch anzufragen, ob May einen Verlagsvertrag dahingehend gemacht hat, dass wir auch eine Separat-Ausgabe seines Romans bringen können, oder ob er nur den Abdruck für unser Werk vertragsmässig gestattete. Fritzsche wünscht hierüber Auskunft zu erhalten. So viel ich mich erinnere, schrieben Sie mir seinerzeit, dass sich May das Recht vorbehalten habe, diesen Roman auch in die Gesamtausgabe seiner Werke aufnehmen zu dürfen.«62
   Was das Honorar anbelangt, so wurde eine Summe von 3000 Mark vereinbart, die entgegen Finkes Behauptung, sie sei May dann verlorengegangen, »nachdem er zu seinem eignen höchsten Vergnügen und zu Kürschners Schmerz und Aerger dem kriegsfreudigen China-Werk ein Schnippchen geschlagen hatte«63, auch korrekt ausbezahlt wurde. Die Überweisung erfolgte, nachdem der Band erschienen war. »Honorar May möchte ich am liebsten zur Auszahlung bringen. Es sind dies 3000 Mark, die demzufolge noch Ihrem Konto zu belasten sein würden. Es stimmt doch so?« (Zieger an Kürschner, 5. 12. 1901). Kürschner antwortete: »Honorar May bitte ich diesem nur zu schicken. Die M 3000 gehören zwar auch Mitarbeiterhonoraren, aber nicht auf mein Conto, da sie ja selbstverständlich außerhalb des mir bewilligten Honorars stehen« (6. 12. 1901). Darauf Zieger: »Honorar May. Ich werde ihm demnächst die 3000 Mark anweisen und wollte nur ganz sicher gehen, ob die von mir angenommene Summe stimmt und deshalb meine Anfrage bei Ihnen. Dieser Betrag steht selbstverständlich ausserhalb des Ihnen bewilligten Honorars« (7. 12. 1901). Im übrigen


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hat May angesichts der Schwierigkeiten, die er mit den Editoren des ›China‹-Bandes auszufechten hatte, aber - um diese Erfahrung reicher - dann bemerkenswerterweise auch aus finanziellen Erwägungen heraus, später beklagt, daß er seinen Roman überhaupt diesem Unternehmen zur Verfügung gestellt hat: »Ebensosehr bedauert er, das Werk nicht seinem Verleger für die Einzelausgabe überlassen zu haben, denn er hätte dann das Dreifache an Honorar bekommen, was er jetzt von uns erhält« (Zieger an Kürschner, 1. 10. 1901).
   An dieser Stelle sei ganz ausdrücklich noch eine dritte Behauptung Finkes korrigiert, die schon von Erich Heinemann in Zweifel gezogen worden ist.64 Finke hatte nämlich erklärt, daß der Schriftverkehr zwischen May und Kürschner »in Drahtnachrichten« erfolgt sei; »Karl May hatte sich geweigert, die sehr schlechte Handschrift des berühmten Herausgebers zu lesen.«65 Wie aus der vorliegenden Korrespondenz zwischen Zieger und Kürschner ohne jeden Zweifel hervorgeht, hat im Gegenteil sogar ein recht reger Briefwechsel stattgefunden, und zwar nicht nur zwischen May und Kürschner, sondern auch zwischen May und Zieger und selbst zwischen May und dem Illustrator Lindner. Und wie die Reaktion Mays auf die Forderungen Kürschners nach Änderung bzw. Kürzung seines Romans deutlich macht, hat May Kürschners Mitteilungen sehr wohl zu lesen gewußt. Was sich hier vom Umfang her an Kommunikation vollzogen hat, unter- und überschreitet, dem Anlaß gemäß, die Grenzen der Normalität nicht.

A u f l a g e n h ö h e  u n d  A b s a t z  d e s  › C h i n a ‹ - B a n d e s

Genaue und zuverlässige Angaben über die Verbreitung des ›China‹-Werks und damit eben auch über die Verbreitung von ›Et in terra pax‹ stehen nicht zur Verfügung. Aus der vorliegenden Zieger-Kürschner-Korrespondenz lassen sich jedoch immerhin gewisse Näherungswerte erschließen.
   Grundsätzlich ist auch in diesem Zusammenhang zwischen der Lieferungsausgabe und der Bandausgabe zu unterscheiden. Vertrieben wurde das Werk auf zwei Wegen, zum einen über den Reisebuchhandel und zum anderen durch den Sortimenter. Wie noch zu zeigen sein wird, konnte darüber hinaus noch eine weitere Vertriebsmöglichkeit ausgeschöpft werden.
   Daß die Absatzchancen einer Publikation viel mit Werbung und Verkaufsstrategie zu tun haben, war natürlich auch damals schon bekannt. Verleger Zieger legte sich im wesentlichen auf vier Maßnahmen


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fest: Er verschickte Prospekte, führte Verkaufsgespräche, vergab Musterbände und versandte Rezensionsexemplare.
   Die Prospektaktion startete er bereits im Juli; im ›Börsenblatt für den deutschen Buchhandel‹ wurde derselbe Text am 31. 7. veröffentlicht. Neben den Bezugsbedingungen wurden der Inhalt, die Gliederung und die Ausstattung des Bandes bekannt gemacht. Leicht hervorgehoben wurde die Mitarbeit Karl Mays: »Den Hauptraum [des dritten Teiles/H. P.] nimmt der neueste Reiseroman (sic!) Karl Mays ein: ›Et in terra pax‹.«66
   Intensive Verkaufsgespräche mit den Grossisten hat Zieger mindestens zweimal geführt, und zwar beide Male in Berlin. Das erste Gespräch fand um den 7./8. August herum statt (vgl. Zieger an Kürschner, 10. 8. 1901) und das zweite Ende August/Anfang September.67 Aber auch sonst nahm er jede Gelegenheit wahr, die Händler auf das Werk hinzuweisen:

»Soeben war wieder der Besitzer einer grösseren Reisebuchhandlung bei mir und erklärte mir, dass es unerlässlich sei, das Werk in der ersten Hälfte des Oktober komplett erscheinen zu lassen, wenn wir einen grossen Erfolg erzielen wollten. Merkwürdigerweise versprechen sich die Leute kolossal viel von dem Werk und auch dieser Reisebuchhändler glaubt 15000 bis 20000 Exemplare unterzubringen. Wenn ich nun auch nicht so optimistisch bin, um an derartigen Erfolg einer Handlung zu glauben, so liegt mir doch ungemein viel daran, dass der Mann mindestens einige 1000 Exemplare verkauft. Schlägt das Werk ein, so denke ich, dass alle die Leute, die sich jetzt viel davon versprechen, doch mindestens 5000 verkaufen und wir mit einem Absatz von 30000 – 40000 rechnen können« (Zieger an Kürschner, 12. 8. 1901).

   Da in der ersten Oktoberhälfte das Werk noch nicht geschlossen vorlag, wurde, wie oben bereits erwähnt, rasch eine Anzahl von Musterbänden hergestellt und an die Händler abgegeben.
   Nachdem am 15. August die erste Lieferung fertiggestellt war, begann der Versand von Rezensionsexemplaren, und zwar ohne Abstimmung mit Kürschner, der sich um diese Zeit noch in den Bergen befand. Er wurde von Zieger erst danach unterrichtet: »Rezensionsexemplare. Hier stimme ich mit Ihnen ganz überein und bitte zu entschuldigen, dass ich Ihnen bezüglich der Zeitungen vorgegriffen habe. Ich war aber zu neugierig, zu sehen, wie die Zeitungen das Werk aufnehmen würden. Ich habe meistens solche Zeitungen gewählt, von denen ich voraussetzte, dass sie dem Werk Sympathien entgegenbringen und auch in der China-Sache auf Seiten des Reiches stehen« (Zieger an Kürschner, 30. 8. 1901). Insgesamt wurden Besprechungsexemplare an 335 Blätter versandt, und zwar an die deutsche, die österreichische und die auslandsdeutsche Presse.68


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   Der Erfolg der verschiedenen Werbemaßnahmen war sicherlich ganz beträchtlich. Der wichtigste Werbefaktor dürfte indes die Aktualität des Werkes gewesen sein; das Buch wurde angekündigt und dann auch relativ kurzfristig geliefert, als das Geschehen, über das es berichtete, noch voll im Bewußtsein der Öffentlichkeit war und diese Öffentlichkeit begierig danach drängte, einen Überblick zu erhalten und Einzelheiten zu erfahren. Noch bevor die 1. Lieferung erschienen war, konnte Zieger berichten: »Vom ersten Heft sind fast 20,000 Exemplare bestellt« und weiter:

»Ich glaube, dass wir Ende dieser Woche über die Wirkung der Reisenden, die die Lieferungsausgabe vertreiben, einen ungefähren Begriff erhalten. In Leipzig hat ein Mann in 2 Tagen 6 Exemplare verkauft und wenn jeder Reisende dasselbe erreicht, so würden wir schon mit der Lieferungsausgabe einen sehr grossen Erfolg zu verzeichnen haben. Es sind jetzt ca. 200 Reisende direkt thätig und wenn jeder Reisende nur ein Exemplar per Tag verkauft, so wären das täglich 200 und in 30 Tagen 6000, ein Erfolg, den wir für die Lieferungsausgabe nicht erwarteten. Jedoch auch hier will ich mich nicht allzu grossen Hoffnungen hingeben, sondern ruhig abwarten« (Zieger an Kürschner, 12. 8. 1901).

Den eigentlichen Erfolg erwartete Zieger vom Vertrieb des kompletten Bandes. Mitte November, die produzierte Vorauflage von 3000 Exemplaren war fast ausgegeben69, war der Bestelleingang allerdings noch nicht befriedigend. Selbst der Reisebuchhandel, der erhoffte Hauptabnehmer, zeigte sich noch zögerlich:

»China. Ich glaube, dass nunmehr infolge der vielen Dedikations- und Rezensionsexemplare noch eine günstige Reklame für das Werk demnächst losgelassen werden wird und demzufolge auch entsprechende Nachfrage nach dem Werk entsteht. Der Sortiments-Buchhandel verhält sich im Allgemeinen bis jetzt sehr flau und wenn wir auf diesen angewiesen wären, so könnten wir das Unternehmen ruhig als verfehlt betrachten. Von dem Reise-Buchhandel habe ich immer noch die besten Hoffnungen und wenn auch jetzt infolge des schlechten Wetters die Aufträge nicht in der Weise eingehen, wie ich es wünsche, so glaube ich doch, dass bei besserem Wetter die Kauflust durch die Reisenden weit mehr gefördert werden wird, als in den letzten Tagen. Hoffen wir also das Beste!« (Zieger an Kürschner, 15. 11. 1901).

Um auch die Kauflust der Sortimenter anzuregen, wurde das komplette Werk, übrigens recht verspätet, nunmehr auch als »Erschienene Neuigkeit« im ›Börsenblatt‹ angezeigt.70
   Bereits während der Reise Ziegers Ende August/Anfang September zu den Berliner Grossisten hatte sich noch ein vielversprechender dritter Vertriebsweg aufgetan. Er gründete sich auf Gespräche, die


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Zieger mit dem Inhaber der ›Deutschen Kriegerbund-Buchhandlung‹ Hans Natge (1851 - 1906) geführt hatte:

»Berlin. Meine Reise nach dort scheint von weittragender Bedeutung zu werden. Ich habe mit der Buchhandlung des Deutschen Krieger-Bundes zwei lange Unterredungen gehabt, die zu einem Abschluss dahin führten, dass man sich einen Absatz von 30,000 Exemplaren und noch mehr verspricht . . . Ich für meinen Teil aber sage mir, dass schon ein Absatz von 20,000 Exemplaren ein grosser Erfolg ist. Jedenfalls waren mir die Unterredungen mit Herrn Dr. Natge sehr interessant und ich hoffe, dass auch Sie über die Projekte, die ich mit Herrn Dr. Natge besprochen habe, erfreut sein werden . . .« (Zieger an Kürschner, 3. 9. 1901).

Aber auch in diesen Gesprächen wurde festgestellt, daß ein wirklicher Erfolg erst unter der Voraussetzung möglich werde, daß der Band tatsächlich komplett vorliege. Es gelte »jetzt darauf bedacht (zu) sein, das Werk . . . bis Ende dieses Monats druckfertig zu haben, denn auch die Kriegerbund-Buchhandlung in Berlin ist der Meinung, dass je eher das Werk komplett vorliegt, wir je früher Aufträge erhalten können, da von den Vorsitzenden der Kriegerbund-Sektionen Empfehlungen wohl kaum auf einen Musterband hin erfolgen dürften, sondern es müsste ein komplettes Exemplar des Werkes den betreffenden Vorständen behufs Durchsicht übermittelt werden« (Zieger an Kürschner, 4. 9. 1901). Natge war am Vertrieb des ›China‹-Bandes offensichtlich stark interessiert; am 30. Oktober besuchte er deshalb Zieger in Leipzig, wo er übrigens ebenfalls schon ein komplett gebundenes Exemplar einsehen konnte: »Heute war Dr. Natge hier, um mit mir wegen des Vertriebes durch seine Kriegerbundbuchhandlung zu verhandeln. Er lässt sich Ihnen bestens empfehlen + hofft, dass Sie ihm wegen der Differenz von früher nicht mehr zürnen.71 Ich denke wir verkaufen durch ihn viele Tausende Exemplare. Jedoch abwarten!« (Zieger an Kürschner, 30. 10. 1901). Und einen Tag später: »Dr. Natge. Ueber dessen Besuch schrieb ich Ihnen bereits gestern und konnte ich ihm auch ein China vorlegen. Er verspricht sich, wie bereits gestern gesagt, von dem Werk, das ihm ausserordentlich gefällt und dessen Vielseitigkeit er bewunderte, sehr viel und will auch in seinen Kriegerbund-Zeitungen entsprechende Reklame loslassen. Ich glaube, dass wir auf diese Weise in den Mitgliedern des Kriegerbundes eine grosse Anzahl Käufer finden werden« (Zieger an Kürschner, 31. 10. 1901).
   Dieser Glaube war durchaus berechtigt, entsprach der Inhalt des Bandes - abgesehen von ›Et in terra pax‹ - doch genau der Gesinnung dieser Vereine.
   Ihrer Zusammensetzung nach stellten diese Organisationen Ver-


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einigungen ehemals aktiver Militärangehöriger dar. Die Gründung der ersten Kriegervereine war bereits Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jh. erfolgt, wo sie namentlich als Traditionsbünde bei Gedenktagen und Begräbnissen ehemaliger Kameraden hervortraten.72 Nach dem Deutsch-Französischen Krieg und der Reichseinigung, wo sie einen gewaltigen Aufschwung erlebten, wandelte sich ihre Funktion dahin, daß sie nun zu einem wichtigen Faktor im Sinne der Pflege und Verbreitung militaristischer und nationalistischer Ideen wurden. »An der Erhöhung der Wirksamkeit des Militarismus nach innen und an der ideologischen Vorbereitung der Massen auf die beiden Weltkriege« hatten sie entscheidenden Anteil.73 Im Jahre 1873 hatten sich die meisten preußischen und norddeutschen Kriegerverbände zum ›Deutschen Kriegerbund‹ zusammengeschlossen, der 1890 mit 4868 Vereinen 413 936 Mitglieder zählte, und 1897 gründete Natge in Berlin die zentrale Vertriebsstelle dieser Vereinigung, seine ›Deutsche Kriegerbund-Buchhandlung‹.74 Angesichts solcher Mitgliederzahlen waren die Erwartungen auf einen guten bis ausgezeichneten Absatz des ›China‹-Bandes durch diese Handlung tatsächlich voll berechtigt.
   Als Ergebnis der Verhandlungen zwischen Zieger und Natge war offensichtlich vereinbart worden, den Band nicht als Zieger-Veröffentlichung, sondern als eine spezielle Edition der Kriegerbund-Buchhandlung zu vertreiben, also eine sogenannte Mitdruckausgabe zu veranstalten. Bei dieser Gelegenheit wurden dann auch die farbigen ›Et in terra pax‹-Illustrationen Lindners durch Abbildungen von Wilhelm Roegge (1870 - ?) ersetzt. Die Absicht, einen solchen Austausch vorzunehmen, war schon früher gefaßt worden. »Neue Auflage natürlich nur Vermutungen«, hatte Zieger noch am 15. 11. Kürschner gegenüber erklärt, aber doch bereits hinzugefügt, es werde »selbstverständlich manches zu verbessern und abzuändern sein, besonders die bunten Bilder May.« Das geschah nun, und 1902 lag die Mitdruckausgabe der ›Deutschen Kriegerbund-Buchhandlung Dr. Hans Natge‹ vor.75
   Darüber hinaus wurde offenbar noch eine weitere Mitdruckausgabe vertrieben, und zwar als Edition der Breslauer Buchhandlung P. Lück & Co., über die allerdings Näheres nicht zu ermitteln war.
   Unter der Voraussetzung, daß die vorsichtige Absatzerwartung Ziegers (30000-40000 Exemplare) in etwa eintraf, daß der Umfang der Bestellungen auf die 1. Lieferung (fast 20000 Exemplare) in bezug auf alle weiteren Hefte konstant blieb, daß die Voraussage Natges (30000 Exemplare und mehr) nicht zu hoch gegriffen war, und daß auch von der Breslauer Buchhandlung Lück mindestens einige tausend Exemplare vertrieben wurden (wozu sonst eine weitere Mitdruckausgabe?),


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dürfte der Gesamtabsatz des ›China‹-Werkes und demzufolge auch von ›Et in terra pax‹ auf gut 100000 Exemplare zu beziffern sein.
   Zu den verkaufsstrategischen Erwägungen gehörte neben einer genauen Preiskalkulation (das Einzelheft kostete 75 Pfennige, das komplette Werk 25 Mark), neben der Einbandgestaltung und der inneren Ausstattung natürlich auch die Wahl des Titels. Die ersten Überlegungen in diese Richtung wurden bereits sehr früh angestellt: »Titel des Werkes. Hier sind wir, Fr. + ich, noch nicht einig. ›Der Krieg von China - Die Wirren in China - Deutschlands Krieg in China‹ sind alles umfassende Titel. Deutschland in China + die Völkerwirren 1900 ist ebensowenig zutreffend wie: China, Land + Leute etc. Haben Sie schon über den Titel nachgedacht? Er sollte m. Meinung nach kurz + bündig sein + doch wieder alles richtig treffen. Wir müssen ja auch auf Oesterreich-Ungarn, wo das Buch ja auch guten Absatz finden wird, Rücksicht nehmen. Wie denken Sie über: ›Die Völkerwirren in China‹? oder ›Der Völkerkrieg in China‹?« (Zieger an Kürschner, 14. 4. 1901). Aber Kürschner war sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht im klaren darüber, und so empfahl Zieger schließlich: »Titel. Ich glaube wir lassen den Titel einfach ›China‹ und wenn Ihnen ein guter Untertitel vorteilhaft erscheint, so wollen Sie ihn ruhig ganz nach Ihrer Anschauung festlegen« (Zieger an Kürschner, 24. 6. 1901). Einen Monat später hatte Kürschner den verbindlichen Gesamttitel gefunden; im Prospekt vom Juli war er angezeigt.76
   Ein Denkmal wollte Kürschner setzen, ein richtiges Kriegerdenkmal. Daß es nicht das letzte blieb in diesem Jahrhundert, dafür hat auch er mit diesem Monument beigetragen.

1In: Karl-May-Jahrbuch 1923 (Radebeul), S. 17-25
2In: Jb-KMG 1972/73, S. 11-92, speziell S. 60ff.
3Bartsch, Ekkehard: ›Und Friede auf Erden!‹ Entstehung und Geschichte. In: JbKMG 1972/73, S. 93-122
4Heinemann, Erich: Ijar und Yussuf el Kürkdschü. Joseph Kürschner, Karl May und der Deutsche Literaturkalender. In: Jb-KMG 1976, S. 191-206, besonders S. 194- 196
5Die Entdeckung der nachfolgend dokumentierten Briefstellen ist Dr. Hainer Plaul, Berlin, zu danken, der auch die Vermittlung des Materials besorgte und die zum Verständnis des Ganzen notwendigen Zusatzinformationen bereitstellte. Den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, die den Kürschner-Nachlaß verwalten, sei für die erteilte Abdruckgenehmigung der Brieftexte aufs herzlichste gedankt.
6Sämtliche Briefzitate entstammen dem »Schriftwechsel J. Kürschner mit der Buch- und Kunsthandlung H. Zieger über die Herstellung von ›China‹, 1901/02«. Zum Zeitpunkt der Durchsicht und Exzerpt- bzw. Kopienanfertigung war dieser Aktenband noch nicht durchpaginiert, so daß im folgenden nur die Briefdaten als Quellenangaben dienen können.



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7Zu diesem Vorgang May selbst in ›Und Friede auf Erden! Illustrierte Reiseerzählungen‹, Freiburg 1912, S. 490: Damals frug ein rühmlichst bekannter, inzwischen verstorbener Bibliograph bei mir an, ob ich ihm . . . zu einem großen Sammelwerk über China einen erzählenden Beitrag liefern könne. Diese Anfrage geschah telegraphisch, weil ihm die Sache eilte. Ich zögerte nicht, ihm ebenso telegraphisch eine bejahende Antwort zu senden . . .
8Gemeint ist Hugo Fritzsche, Vorstand der Leipziger Buchbinderei-Aktiengesellschaft vorm. Gustav Fritzsche in Leipzig-Reudnitz. Filialen in Berlin und München. Gegründet 1864, als Aktiengesellschaft seit April 1896. Tätigkeitsgebiete: Prachtbände, Sammelbücher aller Art, Postkartenalben, Spezialliteratur. Quelle: Offizielles Adressbuch des Deutschen Buchhandels und der verwandten Geschäftszweige. 63. Jg., Leipzig 1901, 1. Abt., S.77 - 78; Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1901. Hg. v. Joseph Kürschner. 23. Jg., Leipzig o. J. (1901), Sp. 1699
9wie Anm.3, S.94 - 95
10wie Anm. 7, S. 490
11Ebenda: . . . hoffte, es schnell zu beenden . . .
12Siehe hierzu neuerdings bei Vinzenz, Wilhelm: Karl Mays Reichspost-Briefe. Zur Beziehung Karl Mays zum ›Deutschen Hausschatz‹ In: Jb-KMG 1982, S.211 - 233
13wie Anm. 3, S. 94-96; Zitat auf S. 94. - Hans Wollschläger z. B. hat in der überarbeiteten Neuausgabe seiner Karl-May-Biographie diese Revision vorgenommen. Man vgl.: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976 (= Diogenes Taschenbuch Nr. 112), S. 108, gegenüber: Karl May in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1965 (rowohlts monographien Nr. 104), S. 87.
May selbst hat Jahre nach diesen Vorgängen sogar davon gesprochen, daß er mit Kürschner sehr befreundet gewesen sei. Vgl. May, Karl: Mein Leben und Streben. Reprint der Ausgabe Freiburg o. J. (1910). Vorwort, Anmerkungen, Nachwort, Sach-, Personen- und geographisches Namenregister von Hainer Plaul. Hildesheim-New York 1975, S. 196.
14Im Jahre 1901 lag der Pfingstsonntag auf dem 26. Mai
15Gemeint ist Ernst Haberland, Inhaber der 1891 gegründeten Verlags- und Kommissionsbuchhandlung, Buch-, Accidenz- und Kunstdruckerei in Leipzig-Reudnitz. Quelle: Offizielles Adressbuch des Deutschen Buchhandels und der verwandten Geschäftszweige. 63. Jg., Leipzig 1901, 1. Abt., S. 210
16Ferdinand Lindner stammte aus Dresden, hatte sich autodidaktisch zum Zeichner und Maler gebildet und war vor allem als Marinemaler, aber auch als Landschaftsmaler und Illustrator bekannt geworden, Iangjähriger artistischer Mitarbeiter der Leipziger ›lllustrirten Zeitung‹. Publikationen, an deren Zustandekommen er als Maler bzw. Herausgeber beteiligt war: ›Die deutsche Flotte‹ (zusammen mit Georg Martin), Zeichenvorlagen: 1. und 2. Mappe. Leipzig 1898; ›Zur See‹ (von ihm hg. im Verlag Hoffmann, Berlin, o. J.), ›Hans Eisenhart. Ein deutsches Flottenbuch‹ (Text von Graf Bernstorff). Stuttgart, Union-Verlag, 1905, das mehrere Auflagen erlebte. Angaben nach: Dresslers Kunstjahrbuch 1906, S.132; Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begr. v. U. Thieme und F. Bekker, hg. v. H. Vollmer. 23. Bd., Leipzig 1929, S. 248; Illustrirte Zeitung. Leipzig. 126. Bd., Nr. 3282, v. 24. 5. 1906, S. 832
17Gemeint ist die Firma Meisenbach, Riffarth & Co., Graphische Kunstanstalten, Berlin-Schöneberg, Leipzig und München. Gegründet 1886. Tätigkeitsgebiete: Zinkographie, Galvanoplastik, Photogravüre, Kupferdruckerei, Stein- und Buchdruckerei, Dreifarbendruck. Nach: Dresslers Kunstjahrbuch 1906, S. 537
18Gemeint ist die Firma Hugo Horn, Gravier-Anstalt und Zinkogravüre, Leipzig. Quelle: Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1901. Hg. v. Joseph Kürschner. 23. Jg., Leipzig o. J. (1901), Sp. 1700
19wie Anm.7
20Ebenda
21Ebenda
22Ebenda, S.491
23Ebenda



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24wie Anm. 4, S. 195
25wie Anm. 7
26Siehe dazu insbesondere: Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Der große Karl May Bildband. Hg. v. Gerhard Klußmeier und Hainer Plaul. Hildesheim-New York 1978, S. 239, Abb. 566
27Von der Korrespondenz selbst ist im Kürschner-Nachlaß allerdings nichts vorhanden.
28Es verhält sich also nicht ganz so, was die Zeitfrage anbelangt, wie Bartsch (vgl. Anm.3, S. 104 - 105) meint: »Daß Kürschner Mays Beitrag nicht ganz zurückgezogen hat - Zeit dazu wäre ja noch gewesen (sic!) -, dürfte damit zu erklären sein, daß ihm passender Ersatz fehlte und daß Zieger, dem bereits Kosten durch Satz und wohl auch Illustrationen erwachsen waren, Einspruch erhoben hätte.«
29Offenbar hat Zieger also May noch ein zweites Mal in Radebeul aufgesucht. Näheres darüber geht aus den Briefen Ziegers allerdings nicht hervor.
30Erstveröffentlichung in: Karl-May-Jahrbuch 1923 (Radebeul), S. 12-16
31Ebenda, S. 12- 13
32Max Finke dazu (wie Anm. 1, S. 22): »Von der Witwe des Dichters erfuhr ich, die Erzählung sei einem langen Brief an den Leipziger Verleger Zieger beigelegt worden und von diesem auf Wunsch Mays zurückgesandt.« Nach Mitteilung von Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S.184, Anm. 3, ist das Manuskript heute verschollen.
33Max Finke (wie Anm. 1, S. 18) berichtet: »Ich fand auch noch einen weißen Umschlag mit der Aufschrift: Gleichnis für Zieger
34wie Anm. 7, S. 491
35Vgl. die bisher dazu geäußerten, durchweg gegenteiligen Auffassungen: »Kürschner veranlaßte ihn deswegen, die Erzählung zu kürzen und mit einem passenden vorzeitigen Schluß zu versehen« (Finke: wie Anm. 1, S. 18). - »Und da erhob sich dann der bekannte ›Schrei des Entsetzens‹ über ›das literarische enfant terrible‹, der zum vorzeitigen Abbruch und Behelfsschluß des Romans führte« (Bartsch: wie Anm.3, S. 104). - »May war aus den bekannten Gründen genötigt, die Erzählung vorzeitig abzubrechen . . .« (Hatzig, Hansotto: Et in terra pax - Und Friede auf Erden. Karl Mays Textvarianten. In: Jb-KMG 1972/73, S. 167). - »Gleichwohl entsetzt sich Kürschner nicht eben wenig, als er erblickt, welchen Pfahl er sich da in das patriotische Fleisch gesteckt hat, und er nötigt May dann schließlich zum vorzeitigen Abschluß der Erzählung« (Wollschläger, Hans: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 108). - »Bekanntlich sah sich May gezwungen, ›Et in terra pax‹ vorzeitig abzubrechen, da sich die Tendenz des Romans immer stärker von Ziel und Zweck des Sammelbandes ›China‹ entfernte« (Et in terra pax und Und Friede auf Erden von Karl May. Reprint der ersten Textfassung aus dem Sammelwerk ›China‹ und des von Karl May veränderten Teils der späteren Buchausgabe ›Und Friede auf Erden‹. Gemeinschaftsausgabe Karl-May-Verlag, Bamberg, Verlag A. Graff, Braunschweig, 1976, Werksgeschichte, historischer Hintergrund und Inhalt, S.1). »Er beendete seine Mitarbeit. Aber nicht, weil Kürschner ihn zum Abbruch zwang, sondern weil er mit dieser Art von Gong nichts zu tun haben wollte« (Heinemann: wie Anm. 4., S. 195).
36Im Unterschied dazu meint Ekkehard Bartsch (wie Anm.3, S. 105), daß Kürschner sich mit dieser Erklärung lediglich seinen militanten Lesern gegenüber hatte absichern wollen.
37Zieger befand sich vom 30. 8. bis 3. 9. 1901 in Berlin, um zusammen mit Fritzsche, der ebenfalls anwesend war, die dortigen Grossisten für das ›China‹-Werk zu interessleren.
38vgl. dazu auch bei Ekkehard Bartsch: wie Anm. 3, S. 99-100
39Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Leipzig.68. Jg., Nr. 176, v.31.7.1901, S. 6036
40Gemeint ist die Firma Oscar Brandstetter (F. W. Garbrecht's Nachf.), Anstalt für Musikaliendruck, Buchdruck, Lithographie und Steindruck in Leipzig. Gegründet 1862 (F. W. Garbrecht), seit N.ärz 1880 unter der Firmenbezeichnung O. Brandstet-



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ter. Quelle: Offizielles Adressbuch des Deutschen Buchhandels und der verwandten Geschäftszweige. 63. Jg., Leipzig 1901, 1. Abt., S. 66
41Mit »Wirren« ist der zweite Teil des ›China‹-Werks bezeichnet: »Die Wirren 1900/ 1901«; Umfang: Sp. 1-444
42C. Berthold war der bevollmächtigte Vertreter Kürschners in Eisenach.
43Angaben nach: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Leipzig.68. Jg., Nr.187, v. 13. 8. 1901, S. 6335; Nr 193, v. 20. 8. 1901, S. 6501; Nr. 200, v. 28. 8. 1901, S. 6686 und 6694; Nr. 207, v. 5. 9. 1901, S. 6931; Nr. 209, v. 7. 9. 1901, S. 6984
44Zitiert nach: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Leipzig 72. Jg., Nr.150, v. 1 7. 1905, S. 6017
45Wenn die Einzelhefte am Donnerstag, gleichzeitig mit der Ausgabe an die Händler, auch an die Hinrich'sche Buchhandlung abgegeben worden sind, dann lagen sie am nächsten Tag, am Freitag, dort vor. Da sonntags das ›Börsenblatt‹ nicht ausgegeben wurde, konnte die entsprechende Anzeige in der Regel also erst frühestens am Montag dort erscheinen
46Angaben nach: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Leipzig.68. Jg., Nr.222, v 23 9. 1901, S. 7472, Nr. 228, v. 30. 9. 1901, S. 7704, Nr. 234, v. 7. 10. 1901, S. 7969, Nr. 240, v. 14. 10. 1901, S. 8196; Nr. 246, v. 21. 10. 1901, S. 8453; Nr. 252, v. 28. 10. 1901, S. 8697; Nr. 261, v. 8. 11. 1901, S. 9157; Nr. 269, v. 18.11.1901, S . 9537
47Laut Anzeige in: ebenda, Nr.176, v.31.7.1901, S.6036, sowie nach der Angabe in der 1976 erschienenen Gemeinschaftsausgabe Karl-May-Verlag, Bamberg, Verlag A. Graff, Braunschweig: Et in terra pax und Und Friede auf Erden von Karl May. Reprint der ersten Textfassung aus dem Sammelwerk ›China‹ und des von Karl May veränderten Teils der späteren Buchausgabe ›Und Friede auf Erden‹.
48Mit den »bestimmten Gründen« waren die oben dargelegten Meinungsverschiedenheiten in der Frage »Reiseroman« oder »Reiseerzählung« gemeint.
49Das wird z. B. aus einem Brief ersichtlich, den Zieger am 17.8. 1901 an Kürschners Vertreter in Eisenach schrieb: ». . . und benachrichtige Sie, dass von den May'schen Korrekturfahnen je ein Exemplar direkt an Lindner beordert worden ist, damit dieser die Zeichnungen so schnell als möglich fertigstellt . . .« Vgl. außerdem auch den im laufenden Text zitierten Brief Ziegers an Kürschner vom 3. 6. 1901.
50Das bestätigt auch ein Brief Ziegers vom 8.8. 1901 an den Vertreter Kürschners in Eisenach: »Die Korrekturen an May sind Ihnen, wie bisher, übermittelt worden, da ich annehmen musste, dass Sie die Versendung solcher Korrekturen von dortaus in der regelmäßigen Weise vornehmen würden. Es ist mir nun sehr lieb, aus Ihrem gestrigen Brief zu erfahren, dass Sie Abzüge des May'schen Romans noch nachträglich an Lindner sandten und auch die Abzüge an May sandten.«
51wie Anm. 3, S. 102 und 104
52Ebenda, S. 104
53Brief Ziegers an Kürschner vom 1. 10. 1901
54wie Anm. 1, S. 19
55wie Anm. 3, S. 104
56Ebenda
57Ebenda
58Ebenda
59Gemeint ist ›Aeckerleins Weinkeller‹, Inhaber: A. und C. Däweritz, Leipzig, Markt 11. Quelle: Leipziger Adreß-Buch für 1901. 80. Jg. Leipzig o. J. (1901), Abt. II, S. 629
60Bei Finke: wie Anm. 1, S. 20; bei Bartsch: wie Anm. 3, S. 105; bei Wollschläger, Hans. Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 109
61Das bestätigt auch Ekkehard Bartsch: wie Anm.3, S.119, Anm.67, dereinen Brief Mays an Fehsenfeld vom 17. 10. 1903 erwähnt, der »auf einen durchaus korrekten und regulären Vertrag mit Kürschner« hindeute.
62May hat also diesen Vertrag tatsächlich mit dem Herausgeber und nicht mit dem Verleger abgeschlossen.
63wie Anm. 1, S. 20 - Bereits Ekkehard Bartsch (wie Anm.3, S. 105) hat diese Dar-



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stellung stark in Zweifel gezogen. Bedenken dagegen hat auch Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S.109, geäußert, wiewohl er es andererseits aber für möglich hält, daß May das Honorar von sich aus zurückgewiesen hat: »da der ganze Vorgang für May derart moralisches Gewicht hatte, dürfte er auf dem moralischen Lohn bestanden und das Honorar abgelehnt haben wie es auch das Gleichnis ›Der Zauberteppich‹ andeutet« (ebenda, S. 199, Anm. 194). Ein solch ungewöhnliches Verhalten wäre von Zieger sicherlich Kürschner mitgeteilt worden, doch entbält die Akte keinerlei Hinweise dieser Art. Der Hinweis auf das Gleichnis kann ebenfalls nicht als Beleg dafür gelten, da die Honorarüberweisung überhaupt erst im Dezember 1901 erfolgte, May die Parabel jedoch bereits fünf Monate zuvor verfaßt hatte.
64wie Anm.4, S. 194 - 195
65wie Anm.1, S. 20. Auch Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 108, hält diese Darstellung noch aufrecht.
66wie Anm. 39, S. 6037
67vgl. Anm. 37
68Nach einer in der Akte (wie Anm. 6) eingehefteten Liste »Zeitungen, an welche ›Kürschner, China‹ Lieferung 1 behufs Besprechung versandt wurde«, S. I-VIII
69Vgl. Zieger an Kürschner, 23.11.1901: »China-Exemplare für Brandstetters Leute werde ich ebenfalls in Ihrem Sinne erledigen, nur habe ich jetzt nicht genügend Exemplare zur Verfügung, da ja, wie Ihnen bekannt, nur eine Vorauflage von 3000 Exemplaren gedruckt worden ist, die nunmehr ziemlich aufgebraucht ist.«
70wie Anm.39: Nr. 272, v. 22. 11. 1901, S. 9661
71Über Art und Ursache dieser Differenz enthält die Zieger-Kürschner-Korrespondenz keine Hinweise.
72Die folgenden Ausführungen über das Kriegervereinswesen beruhen auf der Darstellung ›Kyffhäuser-Bund der Deutschen Landeskriegerverbände (KB) 1900-1943‹, in: Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Band II. Hg. . . . unter der Leitung von Dieter Fricke. Leipzig 1970, S. 296 - 312.
73Ebenda, S. 296
74wie Anm. 39: 64. Jg., Nr. 83, v. 10. 4. 1897, S. 2718
75Daß Roegge die Illustrationen erst 1902 angefertigt hat, läßt sich an der Datierung seiner Abbildungen erkennen. Vgl. z. B. die Bilder auf den Spalten 41/42, 55/56, 80, 106, 111, 137, 175, 220 und 221
76wie Anm. 39





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