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MANFRED HECKER

Die Entdeckung eines orientalischen
Klondyke


Im Juli des Jahres 1965 veröffentlichte die tschechoslowakische Monatsschrift »Im Herzen Europas« aus der Feder von Dr. Richard Khel einen Beitrag, der von dem damals in der CSSR aufgefundenen Schriftwechsel Karl Mays mit seinem tschechischen Verleger Josef Richard Vilimek berichtete. Im Mai 1967 hatte ich Gelegenheit, die im Literarischen Archiv des Museums des nationalen Schrifttums, Praha-Strahov, deponierten Originalbriefe einzusehen, und entdeckte bei dieser Gelegenheit, unter den mir freundlicherweise zum Studium zur Verfügung gestellten Briefschaften des Prager Verlagsbuchhändlers, einen unscheinbaren Umschlag. Zu meiner größten Überraschung enthielt dieser einen kleinen Stapel Ansichtskarten, peinlichst durchnumeriert und an die

hochgeehrte Redaktion des
»Prager Tageblattes«
P r a g - Austria

adressiert, und auf ihnen eine durchgehende Story aus der Feder Karl Mays, geschrieben in Colombo auf Ceylon am 10.10.1899. Es ist bekannt, daß May gerade auf seiner großen Orientreise ganze Stöße von Karten aus allen möglichen Orten an alle möglichen Adressaten verschickt hat. Jedoch von den Karten an das »Prager Tagblatt« (nicht Tageblatt, wie May eingedenk der Schreibweise deutscher Tageszeitungen schrieb) wußte bisher die Forschung nichts. Diese Kartensammlung stellt ein wahres literarhistorisches Kuriosum dar: elf Karten, datiert an einem Tage, und an ein und dieselbe Anschrift gerichtet! Wie Wollschläger mitteilt, erhielten auch andere Redaktionen diesen Kartensegen, so z. B. die »Tremonia« Dortmund (Johann Dederle) zwei Tage später gleich zweiundzwanzig Stück, vom 12. Oktober datiert.

Was schrieb Karl May nach Prag?


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No.1:

Hochgeehrter Herr Redacteur!

Ihnen durch das gütige Entgegenkommen, welches ich während meiner letzten Anwesenheit in Prag von Ihrer Seite fand, zur Dankbarkeit verpflichtet, richte ich an Sie die Bitte, beifolgende Ansichtskarten als einen kleinen Beweis, daß ich Ihrer gern gedenke, anzunehmen.

Meine diesmalige Reise hat mir ganz ungeahnte Erfolge gebracht, auch abgesehen von den Sujets für viele weitere Bände meiner Reiseerzählungen. Mein ursprünglicher Plan war, vom roten Meere aus durch die arabische Wüste über den Euphrat nach der Djesireh zu den Haddedihn Beduinen zu gehen; aber den Sudan, Abessinien und Erithräa ...

No. 2:

... hinter mir, fand ich, daß mir der westliche Eingang nach Arabien durch die Pest verschlossen wurde, weniger an den Häfen und durch die Scheu vor der unangenehmen türkischen Quarantäne, sondern dadurch, daß die Grenzaraber jedem, der von der verseuchten Küste kommt, den Durchgang verwehren. Ich mußte also den Zugang von einer anderen Seite nehmen und ging über Aden zunächst nach Ceylon, wo ich zum ersten Male die nöthige Ruhe finde, die mir nachgesandte Correspondenz zu erledigen. (Nicht genug rühmen kann ich das freundliche ächt edelmännische Entgegenkommen, welches ich seitens der italienischen Offiziere in Massaua fand). Wer aus denn ...

No. 3

... Süden kommt und nach Aden und Indien will, also von und nach englischen Gebieten, muß sich natürlich darauf gefaßt machen, von den Italienern mit Mißtrauen betrachtet zu werden; bei mir fand das Gegenteil statt. Kaum hatte ich meinen Namen genannt, der auch jenseits der Alpen bekannt ist ... und die Kronprinzessin, Tochter des Fürsten von Montenegro, ist eine der eifrigsten Leserinnen von mir, so wurde jeder meiner Wünsche möglichst sofort befriedigt. Ich brauchte weder mei- ...

No.4:

... nen deutschen noch arabischen oder türkischen Paß vorzuzeigen, sondern auf mein bloßes Wort hin erhielt nicht nur ich, sondern auch mein arabischer Diener italienische Pässe ausgehändigt, die ich nun als Andenken heimgesandt habe. Die Offiziere des dort stationirten Kriegsschiffes und andere speisten wiederholt mit mir; sogar der Gouverneur kam in eigener Person, obgleich ich mich ihm in wohlbedachter Zurückhaltung nicht hatte vorstellen lassen; auf dem Schiffe, welches mich nach Aden brachte, wurde mir der ganze Salon zur Verfügung gestellt, und der Kommandant Barracchini ...

No. 5 :

... nöthigte mich sogar, den Speisezettel nach meinen Lieblingsgerichten zu bestimmen. Wenn man bedenkt, daß diese Herren meist altadligen, berühmten Familien angehören, so ist diese Aufmerksamkeit einem fremden Privatmanne gegenüber gar nicht genug anzuerkennen und wohl nur dem Umstande zuzuschreiben, daß ich einer Nation angehöre, welcher wenigstens der Offiziersstand Italiens eine aufrichtige


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Sympathie entgegenbringt. Diese Cavaliere wissen ganz genau, welche Macht der Dreibund bedeutet. Ich habe am rechten Oberschenkel eine Wunde erhalten, die mir aber bei meiner Elefantennatur trotz meiner 60 Jahre, der Strapazen, der glühenden Hitze und des hiesigen tropischen Fieber- ...

No. 6:

... regens keine Sorge macht. Als Ersatz wurde mir das Glück, eine Entdeckung zu machen, welche mir mit einem Schlage Millionen einbringen könnte, wenn ich wollte. Ich war hinter Menschenjägern her, welche nach Zwangsarbeitern für die Outlander Gesellschaften in Transvaal jagten - der Eine von ihnen, leider ein Deutscher, ist noch hier bei mir in Colombo, vollständig mittellos und unschädlich gemacht - und bei dieser Gelegenheit stieß ich auf Erze, welche - - - . Doch, das ist mein Geheimnis; kurz und gut, es handelt sich um die Entdeckung eines orientalischen Klondyke. Ich habe die Sache so vorsichtig betrieben, daß selbst mein Diener keine Ahnung von diesem großartigen Funde hat. Es ist eine Gegend, nie besucht ...

No. 7:

... von Menschen, doch nur 4 Reitstunden von der Küste entfernt, die Verladung der Erze also nicht zeitraubend; billigster Kamelbetrieb. Volle 12 Stunden lang kann man zwischen kahlen Bergen reiten und, wenn man Kenner genug ist, das goldhaltige Gestein überall zu Tage treten sehen. Wie da erst unterirdisch! Und nun kommt die Hauptsache: Eine mannskopfgroße Probe des Muttergesteins ergab für 40 - 45 Mark reines Gold, ohne die sicher werthvollen Nebenprodukte, und das bei einer mangelhaften Behandlung, bei welcher alles Nöthige fehlte und jede Beobachtung vermieden werden mußte! Ein wahres Golkonda! Ich habe Proben nach Deutschland geschickt, um sie dort fachmännisch prüfen zu lassen, ...

Die Karte Nr. 8 fehlt bedauerlicherweise in der Sammlung, und man weiß heute nicht mehr, was der findige Fabulierer noch alles im Zusammenhang mit seiner sensationellen Entdeckung zu erzählen wußte. Daß er sich den gleichen Scherz auch gegenüber Johann Dederle in der bereits genannten 22-Karten-Story erlaubte, hat Wollschläger (S. 81) berichtet. Die »Tremonia« veröffentlichte sie am 8. November 1899, und der »Befund des Kenners« wurde »gebührend reichlich belacht«, was wohl kaum verwunderlich ist.

Doch zurück zu den Karten nach Prag:

No. 9 :

... lich jede Andeutung in Bezug auf die Örtlichkeit, aber es giebt nicht allzu fern von ihr tausendjährige Spuren, bei deren Untersuchung die alten Fragen nach der eigentlichen Lage von Ophyr, Golkonda,,,, wieder offen werden. Nur wenn sich die Ausbeutung durch eine deutsche Ansiedlung ermöglichen ließe, würde mich mein Patriotismus vielleicht veranlassen, nähere Angaben zu machen. Übrigens könnte jeder wohlhabende Privatmann die Sache mit nur 8 bis 10000 Mark in die richtigen


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Wege bringen. Ich thue das nicht, obgleich dieses Sümmchen zur Zeit nur einen kleinen Theil der Kosten meiner jetzigen Reise bedeutet und ich das also sehr wohl könnte; mein Beruf ist ein ganz anderer als der, für den Götzen Mammon ...

No. 10:

... zu arbeiten! -

Von hier, also Ceylon, aus mache ich einen Abstecher nach Sumatra. Es handelt sich um das Glück von fünf bravem Menschenkindern, guten Deutschen, von denen vier nicht ahnen, was ich für sie unternehme. Sie sehen, geehrter Herr Redacteur, Karl May ist trotz seiner hohen Jahre noch jünglingsfrisch und allbereit, wenn es ein ungewöhnliches Unternehmen zum Wohle Anderer gilt. Dann gehe ich über Indien und Persien nach Bagdad, welches ich also von der mei- ...

No. 11:

... nem früheren Plane grad entgegengesetzten Seite erreichen werde.

Ihre Zustimmung vorausgesetzt, werde ich Ihnen zuweilen von weltentlegenen Orten ein Lebenszeichen senden. Solche Karten sind für den Sammler selten zu haben, und wenn Sie sich nicht selbst dafür interessiren, können Sie ja ihr Söhnchen damit beglücken.

Mit hochachtungsvollem Gruße

bin ich Ihr Ihnen
stets ergebener
Karl May.

So sollte man also diese Karten werten: als exotische Seltenheit für den Sammler (reizvolle Bildmotive, echt gelaufene Ganzsachen mit Ceylonesischen Briefmarken, seltene Stempel - leider ebenso unsauber angebracht wie auch heute noch die Stempel manches Postamts ...), - ob am Ende auch ihren Inhalt? Bewährtere Forscher als der Verfasser dieser Zeilen und Entdecker der Karten sollten darüber urteilen.

Es sei mir gestattet an dieser Stelle Herrn Dr. Jaromir Louzil, dem Leiter des Literarischen Archivs im Museum des Nationalen Schrifttums (PNP) CSSR Praha-Strahov, für die Erlaubnis der Veröffentlichung dieser Karten und für seine langjährige Hilfe und Unterstützung bei meinen Nachforschungen auf den Spuren Karl Mays in der CSSR herzlichen Dank abzustatten.


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