Nach einer Erzählung
von
Jagd-Zeitung
Nr. 3.-24. 1862
ine mexikanische Pueblita an den Ufern des Rio Bravo del Norts unterscheidet sich nur gering von einer Rancheria (Weiler). Die alterthümliche im maurisch-italienischen Style gebaute Kirche, mit ihrer musivischen Kuppel, die Pfarre und die Wohnung des Alcalden sind die einzigen steinernen Gebäude, während die anderen nur aus Rohziegeln und Lehm gebauten, mit ihren plumpen Gefängnißthüren und primitiven Fenstern einen ebenso ärmlichen als unästhetischen Anblick gewähren.
Anstatt des Daches haben sämmtliche Gebäude eine Gattung Terrasse, die häufig sehr geschmackvoll eingerichtet und mit einer Brustlehne rings herum versehen ist. Diese Terrasse ist die Azotea und zeigt uns das charakteristische Gepräge mexikanischer Architektur.
Wenn die glühende Sonne endlich am Horizont verschwunden, dann bietet die Azotea bei der köstlichen Abendfrische sämmtlichen Hausbewohnern eine sehr angenehme Erholungsstätte. Ist ihr Besitzer ein Blumenfreund, dann verwirklicht sie förmlich einen prachtvollen Garten, in welchem Mexiko's herrliche Flora ihre üppigsten Reize entfaltet.
Ich bin auf der Azotea des Alkalden. Sie ist die höchstgelegene im Orte. Von ihr aus gewahre ich das gesammte bunte Treiben auf den übrigen Terrassen oder in den schmutzigen Gassen. Mein Blick schweift weit in die Landschaft hinaus, ich kann dort den Cactus, die Juca und die Agave unterscheiden. Das Dorf ist von einem Gürtel fruchtbarer Felder umgeben, welche dichte Gestrüppe begrenzen. Diese Dschungeln sind so nahe gerückt, daß ich die Palmen, Bromelier und die scharlachrothe Pita erblicke, die gleich feurigen Funken in der Ferne leuchtet.
Die Umgebung des Waldes gibt Zeugniß von der Trägheit der Menschen, welche die kleine pueblita bewohnen. Sie sind auch nur zumeist Vaqueros (Hirten), Züchter des spanischen Rindes und der kleinen andalusischen Pferde mit den kurzen Ohren, welche gute Weideplätze auf den Waldblößen finden. Ihr ganzer Feldbau beschränkt sich bloß auf eine ergiebige Maisernte, aus welchem sie ihre Tortilla bereiten, und den Gewinn einer gewissen Quantität schwarzer Bohnen, die gewöhnlich das bescheidene Mahl ergänzen. Obige Vegetabilien und zeitweise das Fleisch halbwilder Ochsen bilden ausschließlich die Nahrung des Mexikaners.
Weit von einander entfernt, sieht man hier und da die Hacienda irgend eines reichen Grundbesitzers. sie gleicht mehr einem befestigten Castell als einem Landsitz. Warum dies und wo sind die Ranchos, die Wohnstätten des Volks? Letztere sind zu Ruinen geworden in dem Bürgerkrieg, der mehrere Jahre hindurch an dem Ufer des Rio Bravo von seinem Ursprung bis zur Mündung in den Ozean gewüthet. Zeugen mehr als eines blutigen Kampfes, der sich hier zwischen den Arabern der mexikanischen Wüste und den blassen Nachkommen der Spanier entwickelte, sind die Ranchos allmählig in Schutt, die Landhäuser in feste Burgen verwandelt worden.
Das feudale Europa ist im freien Amerika an den Ufern des Rio Bravo del Norte wieder auferstanden! —
Gegen Westen, ungefähr eine Meile entfernt, sehe ich einen Arm des großen Stroms, der, von den Strahlen der untergehenden Sonne beleuchtet, im herrlichen Lichtglanze flimmert. Dort macht der Fluß eine Krümmung und bespült den Fuß eines Hügels, dessen Gipfel von den weißen Mauern einer Hacienda gekrönt ist. Wie alle Gebäude dieser Gattung, besitzt sie ebenfalls eine Terrasse und eine mit Schießscharten versehene Brustwehr, ohne jedoch das düstere Aussehen der übrigen hervorzustellen. Auch einige kleine Thürmchen, die allsogleich über der Eingangspforte hervorragen, mildern die Monotonie und Rauhheit des Baustils. Im Hintergrunde erscheint eine Kapelle, wie fast bei allen mexikanischen Haciendas.
Zwischen den Bäumen, welche hier ausnahmsweise auch sehr viel beitragen, den düstern Charakter der mexikanischen Landhäuser freundlicher zu gestalten, bemerke ich eine Gruppe graziöser Palmen, ganz verschieden von jenen, die in dieser Zone des Rio Bravo vorkommen. Ich notiere diese Erscheinung nicht bloß aus botanischem Eifer, sondern weil sie durch ihre Ungewöhnlichkeit gleichsam ein gewisses Interesse für die Bewohner oder vielleicht für die Bewohnerin der Hacienda erregt. — Eine Bewohnerin? Ich gewähre meiner Einbildungskraft freien Lauf, ich möchte diesen Hügel dort ersteigen, in diese herrlichen Räume eindringen, die sehen, welche sie bewohnt . . . . . .
Trompetenstöße zerreißen meine Traumgebilde. Meine Gedanken nehmen eine andere Richtung hin, hart nebenan auf die plaza de la pueblita, wo eine eigenthümliche bewegliche Szenerie meine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.
Der Mittelpunkt der plaza ist der hervorragendste Lichtpunkt des Bildes. Hier ist auch der Brunnen (el pozo) mit dem riesigen Rade, den ledernen Eimern und dem großen steinernen Zuber, wie man ihn nur im Orient sieht.
Man ist überrascht, im weiten Westen eine solche ursprünglich persische Einrichtung zu finden, allein die Sache ist leicht zu erklären. Das persische Rad machte seine Wanderung von Egypten nach den südlichen Küsten des Mittelmeeres. Mit den Mauren überschritt es gleichfalls die Meerenge von Gibraltar, mit den Spaniern den atlantischen Ozean. Doch nicht der Brunnen fesselt mich ausschließlich, sondern was bei ihm und in seiner Nähe vorgeht. Hier schleicht der pueblano, der Bewohner der Lehmhütten, gleichsam ängstlich längs den Häusern hin, sorgsam vermeidend den Mittelpunkt des Platzes, wohin er zeitweise einen furchtsamen Blick wirft. Er trägt weite calzonaros; ein vielfarbiges Tuch umschlingt Arm und Schulter, der große breitkrämpige schwarze Hut verdüstert noch mehr die stark gebräunten Züge. Flüchtig stürzt er in eine Hütte, deren Thüre man ihm vorsichtig geöffnet, er scheint glücklich zu sein, dieses Manöver unbemerkt vollführt zu haben. An einem andern Orte sehe ich wieder einige pueblanos, die nicht minder beängstigt scheinen. Es müssen außerordentliche Dinge diese Leute beschäftigen.
Die Weiber sind in ihren Wohnungen und einige arme indianische Verkäuferinnen sitzen allein auf der plaza. Der Schirm von Palmenblättern schützt sie und ihre Waare vor der Sonne. In buntgefärbte Baumwollgewänder gehüllt, das reiche pechschwarze Haar mit rothen Bändern durchflochten, sehen sie Zigeunerinnen vollkommen ähnlich; — sie lachen und schwatzen den ganzen Tag hindurch und lobpreisen vor jedem Vorübergehenden mit harmonischer Stimme ihre Früchte, Gemüse und ihr Aqua dulce.
Hier und da eilt ein junges Mädchen, die rothe Olla auf dem Kopfe, mit leichtem grazienhaften Schritte dem Brunnen zu.
Es ist eine pueblana, eine der Dorfschönheiten; — mit kurzem Röckchen, in Seidenpantoffeln, mit gesticktem Vorhemde, Kopf, Schulter und Brust mit einem hechtgrauen roboso umschlungen. Weniger scheu als die Manneswelt, scherzen und lachen diese Mädchen mit den am Brunnen befindlichen Fremden. Die Mexikanerinnen sind überhaupt ebenso furchtlos als anmuthig.
Wer sind indeß die Fremden, welche im Dorfe Angst und Schrecken verbreiten und hier den Herrn spielen?
Niemals hat noch ein mexikanisches Dorf einen solchen bizarren Knäuel von Menschen gesehen. Es sind deren 80; jeder von ihnen ist mit Karabiner, Säbel, Dolch und Revolver bewaffnet. Ihre Waffen zeigen jedoch nur allein von einer Gattung Organisation und Gleichheit, ohne dieselben ist auch nicht die geringste Aehnlichkeit zwischen den Leuten erkennbar. Die Einen haben Hüte von Katzenleder, die Anderen Mützen von Biberfell. Einige tragen Hemden, aus der Decke des Damwildes verfertigt, Andere die echt indianische Tracht, man sieht die Weste des Seemanns, die blaue Jaquette des Creolen aus Louisiania, die von braunem Leder zugeschnittene jaqueta des spanischen Amerikaners wie den kurzgestutzten Scharlachrock des mexikanischen ranchero.
Ein Blick auf die Beine dieser Menschen läßt die ohnehin schon allzugroße Verschiedenheit im Kostüm noch greller hervortreten. Die Einen hatten sich aus blauem, hellrothem oder grünem Flanell eine Gattung Bundschuhe geformt; Andert tragen hohe Kamaschen von ungegerbter Ochsen- oder Pferdehaut; Andere wieder Stulpenstiefel, kurz, alle Gattungen europäischer und indianischer Fußbekleidung bis zum Kanonenstiefel und der schweren Fußbekleidung des mexikanischen Reitersmanns sind hier vertreten. Eben so eigenthümlich verschieden sind die Sporen, welche diese Leute tragen. Von den leichten aus Silber oder Stahl geformten bis zu den mehrere Pfunde wiegenden Mühlrädern Mexikos, machte sich eine Auswahl der merkwürdigsten Sporen? Muster bemerkbar, die man heutzutage selbst in Rüstkammern nur selten finden dürfte.
Aber diese Sporen, Calzoneros, Mangas und Serapos werden nicht von Mexikanern getragen; ihre Eigenthümer gehören anderen Racen an. Diese hartgestählten Kerle hatten das Tageslicht in Kentucky, Tenessee oder in den fruchtbaren Gefilden des Ohio, in Indiana oder Illinois erblickt. Unter ihnen befindet sich der squatter und Gebirgsjäger, der Pächter vom Alleghanygebirge, der Schiffsmann vom Mississipi, der Pionnier aus Arkansas und Missouri, der Prairientrapper, der junge Pflanzer aus dem Süden, der französische Creole aus Louisiana und der abenteuerliche Ansiedler aus Texas. Doch auch die alte Welt hat ihr Kontingent zu dieser kosmopolitischen Truppe gestellt. Ich erkenne den blonden Sohn Deutschlands, den robusten Engländer, den händelsüchtigen Italiener, den leichten Franzosen, den düstern und schweigsamen Polen. Doch wer sind diese Leute?
Sie haben diese Frage bereits dreimal gestellt. Ich antworte: Diese Leute bilden ein Tirailleurkorps, die Guerilla der amerikanischen Armee.
Und ich, wer bin ich denn? — Ich bin ihr Kapitän, ihr Chef.
Ja, ich bin der Befehlshaber dieser Truppe und ich kann behaupten, daß man trotz ihrer fremdartigen Aeußerlichkeit niemals einen kühnern und ausdauernderen Truppenkörper finden werde. Diese Guerilla besteht aus Abenteurern, welche die Hälfte ihrer Existenz im Kriege gegen Indianer oder Mexikaner verlebten; ruinierte Gentleman, Individuen, denen das civilisirte Leben gar keinen Reiz bietet, und Proskribirte, — abscheuliche Elemente für die Kolonisation, aber vortreffliche für den Eroberer.
Mit Stolz gestehe ich, daß eine Gattung Ehre diese Mannschaft beseelt. Trotz ihres wilden Aussehens und der verschiedenartigen Tracht und Ausrüstung schlägt hier und da manch edles Herz unter der groben Hülle.
Die Einen leitet Vaterlandsliebe, die Anderen schrankenlose Liebe zur Unabhängigkeit oder Rache, um in dem verrätherischen Mexiko den Tod eines Freundes oder Bruders zu sühnen. Zunächst dem Bewohner Texas ist der grausame Meuchelmord bei Goliad und das blutige Schlachten von Alamo unvergeßlich, und mit Wollust ergreift er jede Gelegenheit, wo er sein Rachegefühl befriedigen kann.
Was mich anbelangt, so haben Zufall, der Drang nach Aufregung und Abenteuern, ja vielleicht selbst einiger Durst nach Macht und Berühmtheit, mich an dieser Expedition Theil nehmen lassen.
Ein armer Abenteurer, ohne Freunde, ohne Dach, habe ich weder irgend eine Ungerechtigkeit zu bekämpfen, noch ein Vaterland zu vertheidigen. Ich bin ein Soldatenkind. Beim Waffenlärm erzogen und aufgewachsen, habe ich stets nur bei drei Veranlassungen das hohe Lied von Gottes Herrlichkeit zu hören geglaubt; entweder im Orkan, beim Waffengeklirre oder in der schönen wilden Natur; das sogenannte civilisirte Leben war niemals nach meinem Geschmack.
Je mèe souhaité dans ma vie: Un bon cheval, une belle amie — Cent ducats quand je voudrai Et le paradis quand je mourrai.[2]
Ja, ich liebe innig den Soldatenstand und würde ihn gegen keinen andern vertauschen:
»Auf Gott vertraut, Brav zugehaut.«
so möchte ich es immer halten. Immer? — Auch wenn ein herrlich' Weib mir sänge das Lied von Liebe und Versöhnung, und aus ihren schönen Augen ein Himmel herausstrahlte, mild und warm genug, um allen Haß, den die Hölle seit Jahrhunderten zusammengekocht hat, in süße Thränen aufzulösen? — Was wird die Zukunft mir bringen?
Diese traurigen Gedanken bemächtigen sich meiner in den stunden der Ruhe und nagen tief in meinem Gemüthe. — — —
Die Mannschaft hatte ihre Pferde an das Gitterwerk der Kirche und der Häuser oder an die Bäume gebunden. Auch zwischen den Pferden ist die Verschiedenheit der Race sofort erkenntlich.
Mein Rappe steht mitten auf der plaza. Ich bewundere seine schönen Formen. Stolz hebt er den Kopf in die Höhe und stampft ungeduldig den Boden. Er weiß, daß ich ihn betrachte.
Wir befinden uns kaum eine halbe stunde lang in der rancheria, wo wir ganz fremd sind. Unsere Truppe war zum erstenmale hier angelangt, obgleich der Krieg schon mehrere Monate weiter unten am Flusse gewüthet. Wir erhielten Befehl, die nicht feindlich gesinnten Mexikaner gegen einen dritten gemeinsamen Feind, die wilden Comanche Indianer zu vertheidigen. Man berichtete, daß diese ismaelitischen Indianer die obere Flußgegend, wo sie sich festgesetzt hatten, in der grausamsten Weise verwüsten und ausplündern. Kurz, wir befinden uns hier um die Mexikaner zu erobern, wir müssen sie jedoch während der Eroberung auch schützen. Cosas de Mexiko! —
Ich dachte an den eigenthümlichen Charakter dieses dreifachen Krieges, als ich in meinen stillen Reflexionen durch den Hufschlag eines in Galopp heraneilenden Pferdes gestört wurde. Sein Reiter schien noch sehr jung zu sein, seine Züge waren außerordentlich edel geformt, sein Teint etwas gebräunt, das Auge überaus lebendig, die Wangen roth gefärbt. Ueber seinen Schultern hing eine scharlachrothe manga, welche theilweise auch das Pferd bedeckte; die Kopfhülle bestand aus einem leichten Sombrero. Sein Pferd, ein kleiner prachtvoller Mustang, ein echt andalusischer Renner, war wie ein Jaguar gezeichnet.
Der Reiter galoppierte kecklich einher. Zufällig blickte er auf die azotea, auf welcher ich mich befand. Der Glanz meiner Uniform schien seine Aufmerksamkeit zu fesseln; er hielt plötzlich stille.
In diesem Augenblicke schrie ihm auch der am Platze aufgestellte Posten ein Halt zu.
Der Reiter war offenbar nicht gelaunt, auf diesen Zuruf zu achten. Er schlug im kurzen Galopp eine andere Richtung ein.
Eine Kugel hätte wahrscheinlich seine Existenz oder wenigstens die seines Pferdes gefährdet. Ich winkte dem Posten nicht zu schießen.
Ich dachte mir: das Wild ist zu edel und zu schön, um elendiglich verstümmelt zu werden. Besser ist's, seiner in gutem Zustande habhaft zu werden. Ich entschloß mich solches zu versuchen.
Mein Pferd stand gesattelt und gezäumt in der Nähe des Brunnens. Es waren nicht zwei. Minuten vergangen, als ich auch schon im Sattel saß. Einige Tirailleurs folgten meinem Beispiel, was mich aber wenig kümmerte, denn ich wußte, daß in diesem Augenblick Schnelligkeit mehr als Kraft nöthig sei. Mein Pferd war der beste Renner bei der Truppe, und ich sah es dem braven Mustang an, daß ich nur allein mit ihm zu kämpfen im Stande sei.
Bald befand ich mich in den Feldern in der Verfolgung des scharlachrothen Reiters begriffen. Unstreitig lag es in seiner Absicht, das Dorf zu umkreisen, als ihn unsere Gegenwart daran verhinderte.
Das Rennen ging über ein frisch geackertes Feld. Mein Pferd sank in die weiche Erde ein, während der leichtere Mustang wie ein Hase über die weichen Schollen lief. Er hatte einen tüchtigen Vorsprung gewonnen, und schon begann ich zu fürchten, daß er mir entwischen werde, als ich gewahrte, daß unsere Rennbahn von einer lebendigen Riesenhecke nach rechts und links durchschnitten ist. In der üppigsten Vegetation und beinahe 8 — 10 Fuß hoch waren hier Pflanzen mit ihren mächtigen Blättern in einander verschlungen, und bildeten eine Hecke, angesichts welcher selbst der verwegenste und hitzigste Fuchsjäger Dantes Hölleninschrift: Lasciate ogni speranza (Gib alle Hoffnung auf) lesen konnte.
In der That nöthigte auch diese undurchdringlich scheinende Barriere unsern Reiter stille zu halten. Offenbar schickte er sich an selbe der Länge nach zu umreiten. Als er aber gewahr wurde, wie ich eine diagonale Linie nahm und ihn so sicher erreichen mußte, hob er sein Pferd, lancierte es in die Riesenhecke und verschwand für einen Augenblick aus meinem Gesichtskreis.
Ich konnte nicht mehr zurück. Meine Ehre und der Ruf meines Rappen waren in Frage gestellt: Ich mußte auch hinüber.
Zerfetzt und blutig kamen wir jenseits der Hecke an. Zu meiner Freude ward ich gewahr, daß ich die Zeit besser benützt hatte, als der scharlachrothe Reiter; sein Anhalten hatte die Entfernung zwischen uns vermindert. Wieder galt es aber ein Ackerfeld zu durchschreiten, und wieder gewann er das verlorene Terrain zurück.
An dem äußersten Ende des Feldes angelangt bemerkte ich etwas Glänzendes vor mir — es war Wasser — und zwar ein breiter Graben, eine sogenannte Zequia, bestimmt die in der Gegend befindlichen Felder und Wiesen zu berieseln.
Dieses Hinderniß wird dem Rennen wohl ein Ende machen, — meinte ich; — er muß sich nach rechts oder links wenden, und dann —
Meine Voraussetzungen waren irrig. Anstalt nach links oder rechts zu wenden, führte der Mexikaner sein Pferd gegen die Zequia, und sein edles Thier übersetzte dieselbe mit einem Sprunge.
Ich hatte keine Zeit, diesen Meistersprung lange zu bewundern. Ich mußte ihn nachahmen.
— Mein braves Pferd bedurfte weder der Sporen noch der Reitpeitsche; es wußte, was man von ihm erwartet.
Im Nu war ich am andern Ufer und das Rennen begann mit neuem Eifer.
Eine weite grüne Ebene, eine Savanne dehnte sich vor uns aus.
Die Hufe unserer Pferde erklangen nun auf festem Boden. Die Verfolgung hing nun bloß von der einfachen Frage ab, wessen Pferd das schnellere sei und sicherlich wäre sie zu meinen Gunsten entschieden worden, wenn nicht ein neues Hinderniß sich hervorgestellt hätte. Auf der Prairie weidete nämlich eine ungeheure Menge von Hornvieh und Pferden. Von unserer scharfen Pace erschreckt, wurden diese Thiere nach allen Richtungen flüchtig. Viele kamen uns in den Weg. Mehrermale mußte ich mein Pferd anhalten, um mit den Hörnern eines Stieres oder eines wüthenden Ochsen nicht in Konflikte zu gerathen.
Bei diesem unregelmäßigen Rennen sah ich mit Verdruß, wie der Mustang, der vielleicht unter solchen Störungen aufgezogen ward, nach und nach immer mehr Terrain gewann. Endlich waren wir aus dem Bereiche der Heerde und wir näherten uns der äußersten Grenze der Ebene. In nicht weiter Entfernung erblickte ich hohe Bäume und einen Hügel, auf dessen Spitze die früher erwähnte Hacienda stand, und gegen welche wir in gerader Richtung losstürmten.
Ich konnte nicht im Mindesten zweifeln, daß der Reiter, einmal im Gehölze, auch sicher gerettet sei. Ich durfte ihn nicht entwischen lassen. Was würden meine Leute sagen, wenn ich ihn nicht zurückbrächte? Ich habe die Schildwache am Feuern verhindert und dadurch vielleicht die Flucht eines Spions, wenn nicht einer wichtigen Persönlichkeit begünstigt. Die verzweifelten Anstrengungen des Reiters schienen ja ziemlich deutlich die Voraussetzung zu rechtfertigen, daß er entweder das eine oder das andere sei. Er mußte also gefangen genommen werden.
Neue Energie aus diesen Betrachtungen schöpfend, überzeugte ich meinen Rappen bald, daß ich um jeden Preis zu siegen gesonnen sei. Es war ein prächtiges Run. Mein Rappe wirkte Wunder. Ich war dem Mexikaner bereits auf Flintenschußweite an den Leib gerückt. Es war Zeit. Ich zog nun meinen Revolver aus dem Gürtel.
— Alto! o yo tiro! Halt, oder ich gebe Feuer, schrie ich mit lauter Stimme.
Keine Antwort. Der Mustang rannte unausgesetzt.
Halt, schrie ich vom Neuen, Halt oder Ihr seid des Todes. —
Immer noch keine Antwort.
Jetzt war ich kaum 10 Yards mehr von dem Reiter entfernt. Indem ich in gerader Richtung hinter ihm ritt, konnte ich ihm leicht eine Kugel in den Rücken senden. Ich weiß nicht was mich davon abhielt. Mein Finger ruhte auf dem Drücker, allein ich konnte mich nicht entschließen ihn zu bewegen. In diesem Augenblicke nahm der Mexikaner eine neue Richtung, und erschien mir in der Flanke. Diese Gelegenheit konnte ich nicht unbenutzt lassen. Ich ergriff den Moment und zielte mit sicherer Hand auf den Bauch des Mustangs. Roß und Reiter wälzten sich alsobald am Boden.
Der Reiter befreite sich schnell und erhob sich.
Um jeglichen Fluchtversuch zu vereiteln, stürzte ich, den Revolver in der Hand, auf ihn los. Allein er versuchte weder zu entfliehen noch Widerstand zu leisten. Mit gekreuzten Armen blickte er kalt die gegen sein Gesicht gerichtete Waffe an und sagte zu mir ganz kaltblütig:
— No me mata, amigo! soy muger! Tödte mich nicht, Freund, ich bin ein Weib!
No me mata, amigo! soy muger. Diese Erklärung hätte mich eigentlich nicht überraschen sollen. Schon während des Rennens konnten einzelne Merkmale in mir den Verdacht erwecken, daß der flüchtige Spion nicht dem starken Geschlechte angehören könne. Bei dem Sprunge über den Graben erblickte ich unter der hochemporflatternden Manga ein sammtenes mit Spitzen besetztes Leibchen, dann eine Gattung Tunika und eine Tournüre, die sich selbst bei einem jungen und reichen Caballero nicht leicht voraussetzen ließ. Außerdem hatten die außerordentlichen Anstrengungen auch ihre Haare in Unordnung gebracht, und zwei lange verrätherische Haarflechten fielen auf die Croupe des Pferdes herab.
Ich wußte, daß die Mexikanerinnen sich häufig der Männertracht bedienen. Dennoch war ich im hohen Grade überrascht. Noch niemals habe ich ein so schönes Weib gesehen.
»Ein Weib?« frug ich halb erstaunt.
Die Dame kniete nieder, berührte mit ihren Lippen den Kopf des sterbenden Mustangs und rief traurig aus: Pobre Vegua! muerta!s- « Pobre Lola!
»Ein Weib?« frug ich wieder fast unbewußt.
»Ja, mein Herr. Was wünschen sie?«
Bei diesen Worten erhob sie sich und blickte mich ganz furchtlos an.
Die Worte: »Was wünschen sie« erschienen mir so eigenthümlich, daß ich mich eines Lächelns nicht erwehren konnte.
— Sie scheinen lustig gestimmt zu sein, mein Herr. Sie haben mich tief betrübt; Sie haben meine Favorite getödtet! —
Ich werde niemals den Blick vergessen, mit dem sie diese Worte sprach. Es lag in ihm zu gleicher Zeit Betrübniß, Zorn, Verachtung und Herausforderung.
— Señorita, bemerkte ich, ich bedaure tief die peinliche Nothwendigkeit, welche diese Szene veranlaßte, allein sie hätte noch schlimmer enden können —
Wie so schlimmer? herrschte sie mir finster zu —
Mein Revolver hätte auch eine andere Richtung nehmen können, wenn nicht ein Verdacht —
Keine Antwort. sie stand tief versunken in dem Anblick des todten Pferdes. In ihren schönen Zügen spiegelte sich düstere Trauer ab.
Ich befand mich in der qualvollsten Verlegenheit. Ich würde meine einmonatliche Gage dem gegeben haben, der den Mustang wieder lebendig gemacht hätte. Dies war jedoch nicht mehr möglich. Was sollte ich aber thun, in welcher Weise die Dame entschädigen? — denn dies schien mir doch passend. Da fiel mir plötzlich ein Gedanke ein. Es war in unserer Armee bekannt, daß die Mexikaner große Stücke auf unsere großen amerikanischen Pferde halten, und für diese öfter fabelhafte Summen bieten. In meiner Truppe gab es mehrere ausgezeichnete Halbblutpferde. Ich werde ihr eines davon als Schadenersatz anbieten, dachte ich mir.
Mein Anerbieten, obgleich mit der möglichsten Zartheit vorgetragen, ward verächtlich zurückgewiesen.
Wie, Señor? erwiderte sie, indem sie mit einem Füßchen zornig auf den Boden stampfte, sie wollen mir ein Pferd schenken? Blicken sie auf dieser weiten Ebene um sich herum; über tausend Pferde weiden daselbst — sie gehören alle mir, und Sie wollen mir ein Pferd schenken?
— Aber Señorita, stotterte ich, — das sind bloß Pferde einheimischer Race, während das Pferd, welches ich Ihnen anbiete —
Ich hatte diese Stute von bloß einheimischer Race nicht um alle Schindmähren Ihrer Truppe hingegeben«, bemerkte sie gang spitzig
Eine persönliche Beleidigung hätte ich unbeachtet gelassen, aber mein Reitpferd beschimpfen zu hören, das berührte die empfindliche Seite meiner Eitelkeit; ich mußte ihren boshaften Ausfall mit gleichen Waffen pariren.
— Nicht um eines, Señorita? fragte ich in möglichst gedehnter Weise, indem ich auf meinen Moro blickte. — Ihre Blicke folgten den meinen. Ich beobachtete den Ausdruck ihrer Gesichtszüge, auf welchen sich gegen meine Erwartung bald die lebhafteste Bewunderung malte.
— Sie haben Recht, mein Herr! — sagte sie nach einer Weile mit nachdenklicher Miene: Ihr Pferd bildet eine Ausnahme und war würdig, mit meiner armen Stute zu kämpfen. —
Alle Teufel, sie wird doch nicht am Ende mein Pferd verlangen, dachte ich mir im Innern. Glücklicherweise gab ein Zwischenfall unseren Gedanken eine andere Richtung. Es waren nämlich in diesem Augenblicke auch die Reiter angelangt, welche mir in der Verfolgung des »Spions« beistehen wollten. Die Dame schien offenbar beunruhigt zu sein. Ich befahl den Soldaten, nach der rancheria zurückzukehren. sie betrachteten einen Moment lang mit großem Interesse den Mustang und seine prachtvolle Schabracke, dann seinen ehemaligen Reiter und sein reizendes Kostüm, flüsterten einige leise Worte untereinander und machten Rechtsum. Ich war wieder allein mit meiner Gefangenen.
Kapitän — sprach sie, — ich vermuthe wenigstens, daß sie der Kapitän dieser äußerst interessant aussehenden Leute sind, — ich bin wohl jetzt Ihre Gefangene? —
Diese Frage kam mir ganz unerwartet. Der Eifer bei der Verfolgung, dies Begegnen und seine sonderbaren Folgen und vor Allem die bezaubernde Schönheit der Dame ließen mich vollends den Zweck meiner Expedition vergessen. Obige Frage rief mir ins Gedächtniß, daß ich eine sehr kitzliche Pflicht zu erfüllen habe, nämlich mich zu überzeugen, ob dieses Weib nicht etwa ein Spion sei.
Eine solche Voraussetzung war nicht unwahrscheinlich. schon viele schöne Damen, freilich mochte wohl keine so schön gewesen sein, wie diese — hatten ihrem Vaterlande in ähnlicher Weise gedient. Vielleicht trägt sie eine für den Feind sehr wichtige Depesche bei sich, und in solchem Falle könnte ihre Freilassung von den ernstlichsten und selbst für mich sehr unangenehmen Folgen sein? — so sprach die Pflicht. Und ich? — —
Bin ich Ihre Gefangene? — frug sie wieder.
Ich fürchte, Señorita, daß hier das Gegentheil stattfindet, erwiderte ich. Ich benutzte diese brüske Erklärung, um zu gleicher Zeit einer bestimmten Antwort auszuweichen und dem leidenschaftlichen Gefühl, welches schon ziemlich heftig mein Herz bewegte, freien Lauf zu lassen.
Bei dieser Phrase schien sie einige Unruhe zu verrathen. sie blickte mich mit ihren großen glänzenden Augen mißtrauisch an, doch nach und nach nahmen diese einen Ausdruck an, der mir schon besser gefiel. Es kam mir vor, als ob sie mich mit großer Aufmerksamkeit betrachte und schloß daraus, daß ihr meine Antwort nicht mißfallen. Bei alledem zog ein eigenthümliches schalkhaftes Lächeln über ihre Lippen, bald indeß malte sich wieder tiefer Ernst auf ihrem Angesichte und mit würdevollem Stolz entgegnete sie:
— Kapitän, — lassen wir diese unnöthigen Komplimente bei Seite; darf ich sie verlassen? —
Ich kämpfte zwischen der Pflicht und einer übertriebenen Courtoisie.
Ein Kompromiss entschied.
— Señorita, sprach ich, — wenn sie mir Ihr Wort geben, daß ich keinen Spion vor mir sehe, so mögen sie frei wegziehen. Ihr Wort; ich verlange nichts weiter!
Ein beinahe höhnisches Gelächter folgte auf diese Worte. — Ich ein Spion? — Kapitän, scherzen sie? — Ha, ha —
Was sollte dann, Señorita, Ihre Flucht bedeuten? Ich ein Spion? — Ha ha, ha. Das ist äußerst komisch. Kapitän, ich bemitleide sie. — Sie lachte immerfort.
Señorita, ich bin sehr erfreut, daß es mir endlich auch noch gelungen, Ihre Heiterkeit anzufachen; allein ich bin Soldat, und sehne mich vor der Hand mehr nach einer bestimmten Antwort als nach Mitleid, bemerkte ich etwas mißgestimmt.
Ah, Kapitän, sie scheinen pikiert und das ist nicht galant. Doch reden wir vernünftig. sind sie nicht ein Texaner? Entschuldigen sie, wenn ich Ihnen ganz offen gestehe, daß Ihre Landsleute in Mexiko sich nicht des anständigsten Rufes erfreuen.
— Die Flucht konnte Euch indeß das Leben kosten, Señorita. —
— O ich sehe es. Hier warf sie einen traurigen Blick auf den todten Mustang. Ich dachte nicht, daß es bei Ihrer Truppe einen Reiter gäbe, der beim Rennen meine Lola schlagen könnte. — Es gab doch Einen. Sie haben mich besiegt. Sie allein vermochten es.
Als sie die letzten Worte gesprochen, blieben ihre großen braunen Augen neuerdings an mir geheftet. Sie betrachtete mich vom Kopfe bis zum Fuße. Mit lebhaftem Interesse folgte ich ihrem Blicke. Ihre Züge wurden freundlicher ich glaubte in ihnen nicht mehr das Stolze herrische Wesen, sondern den Uebergang zu einer freundlicheren Gefühlsstimmung zu lesen.
— Señorita, ich halte sie nicht länger zurück und nehme jede Verantwortung auf mich. sie sind frei —
Gracias, nachdem sie aber so edelmüthig gehandelt, kommt es mir nun auch zu, den Herrn Kapitän von seinen ganz eigenthümlichen Besorgnissen zu befreien. Lesen sie.
Mit diesen Worten reichte sie mir ein gefaltetes Papier. Es war ein vom obersten Befehlshaber ausgestellter Schutzbrief, der Jeglichem mit Nachdruck einschärfte, der Doña Isolina de Vargas achtungsvoll zu begegnen und sie allerorts zu schützen.
Sie sehen, Kapitän, daß ich bei alledem niemals Ihre Gefangene gewesen, — Ha, ha, ha —. 1
— Señorita, sie sind viel zu großmüthig, um mir das Geschehene nicht verzeihen zu können —
Ich trage nur allein die Schuld, Kapitän, und ertheile Ihnen die vollkommenste Absolution, antwortete sie lächelnd. —
— Aber, Señorita — ich zittere noch, wenn ich an die Gefahr denke, der sie sich ausgesetzt. Mit diesem Schutzbriefe versehen, durften sie ja nicht das Mindeste von unserer Truppe befürchten.
— Ach, eben dieser Schutzbrief war die Ursache meiner Flucht —
— Wie so, Señorita
— Kann ich auf Ihre Diskretion rechnen, mein tapferer Pferdetödter? frug sie mit schelmisch? freundlicher Miene.
— Ganz gewiß.
— Nun so erfahren sie denn, daß ich nicht sicher überzeugt war, ob sie auch ein Amerikaner wären; ein gewisses Merkmal bezeichnete sie mir als einen meiner Landsleute. Was wäre daraus entstanden, wenn das Papier, welches ich bei mir trug, in die Hände eines mexikanischen Parteigängers gerathen wäre? Ich gestehe Ihnen offen, daß wir unsere Feinde weit weniger als unsere Freunde fürchten. — Hätten sie in Ihrer Muttersprache mir ein Halt zugerufen, so würde ich es vielleicht — denn es kommt in solcher Lage wohl immer nur auf die momentane Stimmung an — beachtet und meine arme Favorite gerettet haben. Pobre Lola, wie lieb und theuer warst du mir. Sie ließ sich wieder zu dem todten Mustang nieder. Ihr herrliches Antlitz schien gleichsam begraben in den langen und dichten Mähnen des Pferdes und Thränen perlten aus den schönen Augen. Pobre Lola! du gabst mir Flügel, wenn ein brutaler Indianer auf meinem Wanderritte durch die Prairie mich verfolgte, — diese Flügel sind nun beschnitten und ich muß in Zukunft furchtsam unter dem väterlichen Dache weilen; ich werde nicht mehr fliegen. — Entschuldigen sie, Kapitän, sie erhob sich wieder mit wehmüthigem Lächeln — wenn ich Ihnen die ertheilte Absolution durch mein Gejammer in Zweifel stelle.
— Señorita, ich wiederhole mein früheres Anerbieten; es gibt bei meiner Truppe prächtige Renner von edler Race —
— Ich lege keinen Werth auf eure Pferde — sie haben sie nicht alle gesehen —
— Doch; heute Morgens, beim Ausritt aus der rancheria. Sie nahmen sich ziemlich gut aus an der Spitze Ihrer Leute — fuhr sie wieder scherzend fort; — doch ja, ich besinne mich, — es gibt doch ein Pferd bei Ihrer Truppe, welches mir gefallen könnte.
Mich fröstelte.
— Kapitän! — (Hier hielt sie eine Zeit? lang inne.) — Es steht, — es steht hier! sie zeigte rasch mit dem Finger auf meinen Moro. Es schien mir, als ob in diesem Augenblicke die Erde mich verschlingen müsse. Señorita, stammelte ich endlich nach einer langen schmerzlichen Pause, während welcher sie mich ganz sonderbar betrachtete, — dieses Pferd ist ein alter treuer Freund von mir. Wenn sie ihn jedoch durchaus besitzen wollen, so — werde ich mich nur glücklich schätzen.
Ich habe das wenn merklich betont, ich wollte an ihre Großmuth appellieren. Es war vergeblich.
— »Ich danke Ihnen, Kapitän, — antwortete sie kalt, — ich werde Moro gut pflegen und er wird mir sehr nützlich sein.«
Ich schwieg.
Erlauben sie, »Kapitän,« daß ich Ihren »alten, treuen Freund« zu reiten versuche. Reichen sie mir den Lazo.
Sie wies auf einen Lazo, der an dem Sattel des Mustangs befestigt war. Ich band ihn mechanisch los und machte ihn an meinem Sattel zurecht.
»Nun, Kapitän«, — sie nahm die Zügel in ihre kleine behandschuhte Hand, und schwang sich ohne nur die Steigbügel zu berühren, wie eine Heuschrecke auf meinen Moro —, betrachten sie mich; — ist Ihr alter, theurer Freund nicht wie für mich geschaffen? scherzte sie muthwillig.
Sie hatte ihren Mantel abgeworfen. Ein scharlachrother Gürtel, dessen goldene Fransen tief herabhingen, umschlang ihre Taille. Ich bewunderte die herrliche Gestalt. so sahen wahrscheinlich die antiken Amazonen aus. Ein Stier, der ohne Zweifel aus Neugierde seine Heerde verlassen, hatte sich auf kurze Entfernung uns genähert. sie hatte ihn kaum erblickt, als sie auch sofort auf ihn losgalopierte. Von dem plötzlichen Angriff erschreckt, wollte das Thier entfliehen, allein wie ein Pfeil flog der Lazo in die Luft, die Schlinge kreiselte über dem Kopf des Stiers, fiel herab und wickelte sich fest um die Hörner. Schnell nahm die Reiterin eine entgegengesetzte Richtung, der Stier, gewaltsam zur Erde geschleudert, schien vollkommen betäubt. Ohne ihm Zeit zur Besinnung zu lassen, ritt die Mexikanerin schnell auf ihn zu, löste, ohne nur vom Pferde zu steigen, den Lazo von den Hörnern und kehrte im Galopp zurück.
— Herrlich, prächtig! — rief sie wie begeistert beim Herabsteigen vom Pferde aus, und betrachtete es mit Entzücken. »Ach, du arme Lola, ich fürchte, daß ich dich recht bald vergessen werde. — Und dieses Pferd gehört also mir Kapitän?« — sie lächelte wieder so eigenthümlich, daß mir bald kalt, bald warm wurde.
»Ja, Señorita,« erwiderte ich traurig.
»Aber ich will es nicht,« rief sie mit einemmale heftig aus. — Dieser Paroxysmus war nur ein Blitzstrahl. Kapitän, sprach sie wieder ruhig und mit bezauberndem Lächeln, glaubten sie in der That, daß ich das von Ihnen mir gebrachte Opfer nicht werthzuschätzen verstand? Behalten sie Ihren Liebling. Es genügt, wenn nur Eines von uns beiden leidet. Leben sie wohl, Kapitän.«
— »Kann ich sie nicht begleiten?«
— »Ich danke Ihnen, Señor. Hier, — sie deutete auf die am Hügel befindliche schon früher erwähnte Hacienda — ist meine väterliche Behausung. Wir müssen uns trennen. Erinnern sie sich, daß sie hier ein Feind sind. Ich darf Ihren liebenswürdigen Beistand nicht annehmen und kann Ihnen auch keine Gastfreundschaft gewähren. O sie kennen nicht den Tyrannen Santa Anna. In diesem Augenblick vielleicht sind seine Spione schon auf der Lauer. — Himmel, rief sie plötzlich zitternd aus, dort, dort naht Ijurra. — —
— Ijurra —
— Ja, mein Cousin, aber sie zögerte. Plötzlich wechselte sie wieder den Ton und sagte mit flehender Stimme:
— Lassen sie mich, por amor de Dios, lassen sie mich, adios — adios —
Sie eilte allein fort. Ich sprang in den Sattel und entfernte mich ebenfalls. Am Saume des Gehölzes angelangt bemerkte ich, daß an meinen Steigbügeln etwas zu ordnen wäre. Bei dieser Gelegenheit mußte ich »natürlich« mich auch umkehren und gewahrte neben Isolina einen Mann von hohem Wuchse und stark gebräuntem Antlitz. Er trug die Kleidung eines reichen Mexikaners und mochte ungefähr dreißig Jahre zählen. Ijurra schien ein schöner Mann zu sein. Doch er kümmerte in diesem Moment mich nur wenig. Doña Isolina schien ihn zu fürchten. Er hielt ein Papier in der Hand, auf welches er mit der Hand wies. Sein Antlitz hatte einen wilden Ausdruck und trotz der Entfernung zwischen uns konnte ich aus dem Ton seiner Stimme eine große Gereiztheit erkennen.
Warum fürchtet sie ihn? — Warum erträgt sie eine solche Behandlung? Dieser Mann muß eine eigenthümliche Gewalt auf diesen stolzen Charakter ausüben, denn wie würde Isolina sonst so ruhig seine Vorwürfe ertragen? — Bei dem ersten Anprall dieser Betrachtungen wollte ich wieder zurückkehren. Ohne Zweifel hätte das »Interesse,« welches ich für die Dame fühlte, mich auch am Ende zu diesem Schritt gedrängt, allein ich bemerkte alsobald, daß die schöne Mexikanerin sich plötzlich von ihrem Peiniger entfernte und im schnellen Schritte nach der Hacienda eilte.
Ich kam in tiefen Gedanken in der rancheria an. Es war eigentlich der Wachtruf einer meiner eigenen Schildwachen, der mir verkündigte, daß ich mich schon am Eingange des Dorfes befinde
Mein Abenteuer endete nicht mit dem Tage. Im Traume durchlebte ich wiederum alle seine Episoden. Das herrliche Frauenbild mit dem edlen seelenvollen Auge und dem kühnen Herzen, ihre ganze leichte, luftige und elastische Gestalt ging mir nicht aus dem Kopfe, aber zeitweise drängte sich auch eine düstere Vision wie eine schwarze Gewitterwolke in meine Träume und es war die Gestalt Ijurras.
Ich glaubte mich von dieser Vision erweckt, allein es war Trompetenschall, der in meinen Ohren ertönte.
Tausend Pläne durchkreuzten nun meine aufgeregte Phantasie. Nicht Interesse, — es war schon die Leidenschaft mit all' ihrem qualvollen und beseligenden Apparat, die in mein Herz eingezogen. Soldaten lieben schnell. Man sagt, daß sie eben so schnell vergessen können. Doch nur verblühte Schönheiten dürften dies behaupten!
Ich mußte sie wiedersehen. Doch wie? Die Ausnahmsgesetze, denen dieser Landestheil unterworfen war, erlaubten mir allerdings allerorts einzudringen, allein die Ehre gebot mir andererseits die Behausung friedlicher Bürger zu achten.
Meine Lage war äußerst schwierig. Ein Fort, eine Batterie, ein verschanztes Lager zu stürmen, eine Citadelle zu belagern oder ein Carré zu sprengen, war nur ein Kinderspiel im Vergleich zu der Schwierigkeit, jene eiskalte Etikettenlinie zu durchbrechen, welche mich von meiner schönen Feindin trennte.
In solchem wüsten Nachdenken begriffen, fielen plötzlich meine Augen auf den weißen Lasso, der an meinem Sattel hing. Das war ein prächtiger Hoffnungsstrahl. Der Lasso mußte seiner Eigenthümerin zurückgestellt werden, und im Uebrigen vertraute ich meinem guten Sterne.
Eine Cigarre übt stets einen sehr glücklichen Einfluß auf die Einbildungskraft; ich rauchte eine an und stieg auf die Azotea, um meinen Plan zur Reife zu bringen.
Kaum hatte ich die Terrasse zweimal durchschritten, als ein Dragoner im Galopp auf der Plaza anlangte. Es war eine Ordonnanz aus dem Hauptquartier, die dem hierortigen Posten-Befehlshaber eine Depesche zu überbringen hatte.
Man führte den Dragoner zu mir. Ich entfaltete die Depesche und las:
»Hauptquartier der Okkupations-Armee.
Mein Herr — —, sie werden mit einer genügenden Anzahl von Mannschaft sich nach der in Ihrer Nähe befindlichen Hacienda des Don Ramon de Vargas begeben. Dort werden sie 5000 Ochsen finden, die sie durch Ihre Leute in das amerikanische Lager geleiten und an den Generallommissär übergeben werden; die hier beigeschlossene Notiz wird ihnen die Natur Ihres dienstlichen Vorgehens deutlich machen.
An Herrn Kapitän Warfield.
A. A., General-Adjutant.«
— Sicherlich, so meinte ich, als ich obige Zeilen gelesen, gibt es einen Gott fur Leute, die sich in Verlegenheit befinden. — Ich dachte nun nicht mehr an den Lasso. Mit dem Passe meiner »Dienstespflicht« ausgerüstet, kann ich nun kühn, ja als willkommener Gast die schwelle der Hacienda betreten, denn 5000 Ochsen nach der hohen Kriegstaxe mit einemmale veräußern zu können, dies mußte doch offenbar den alten Don sehr freundlich stimmen. Ich werde ihn hoffentlich sehen, ihn umarmen, wir werden zusammen ein Glas Wein trinken, ich werde freundliche Beziehungen anknüpfen, er wird sich ohne Zweifel für öfter meinen Besuch erbitten! Die Vereinigung einer solchen Masse von diesen interessanten Thieren erfordert unstreitig mindestens 2—3 Stunden Zeit. Ich werde zu diesem Akt meinen Lieutenant befehlen und unterdessen in der Hacienda verbleiben. Der Don muß sein Vieh zählen, den Abtrieb überwachen. Es wäre unhöflich, wenn er mich allein ließe. Er wird mich seiner Tochter vorstellen; weniger wird der Ochsenbesitzer doch für eine so gute Kundschaft nicht thun können? Man wird uns beisammen lassen u. s. w.
Ohne Zeitverlust ließ ich sofort 50 meiner Leute satteln. Größere Sorgfalt denn sonst auf meine Toilette verwendend, fiel mir plötzlich ein, daß es wohl gut wäre, wenn ich auch die der Depesche beiliegende Note lesen würde. Ich öffne das Papier. Das Dokument war zu meinem größten Erstaunen in spanischer Sprache
Ich lese:
Die 5000 Ochsen stehen laut unserem Kontrakt zu Ihrer Verfügung. Ich darf sie Ihnen jedoch nicht selbst übergeben. sie müssen mir scheinbar mit Gewalt, ja selbst mit einigem feindlichen Vorgehen von Seite Derer, die sie zu der Uebernahmebefehlen, weggetrieben werden. Meine Knechte stehen zu Ihren Diensten, allein es wäre mir sehr an genehm, wenn gegen dieselben ein gewisser Grad von Zwang angewendet würde.
Ramon de Vargas.«
Diese Zeilen waren an den General-Kommissär der amerikanischen Armee gerichtet. Für Nichteingeweihte mochte der Inhalt möglicherweise nicht vollends deutlich scheinen; mir war er indeß vollkommen klar und obgleich er mir eine sehr hohe Meinung von dem diplomatischen Talente des Don Ramon einflößte, so hatte ich doch keinen besonderen Grund, dieses Verrücken aller Theile meines früher festgesetzten Programmes wünschenswert zu finden. Anstatt also die Hand des alten Dons freundschaftlich zu drücken, sollte ich ihm im Nothfalle einige Ohrfeigen geben, als Feind in die Hacienda eindringen, dem Thorwärter mit einigen Säbelhieben schmeicheln, die Peones nach Kräften durchfuchteln und 5000 Ochsen gewaltsam wegtreiben lassen.
— Ich werde eine schöne Figur vor der Doña spielen.
Dennoch wollte es mir nicht aus dem Kopfe gehen, daß diese intelligente Dame in das Geheimniß eingeweiht sein müsse, und daß sie allenfallsige unangenehme Vorgänge mit richtigem Verständniß beurtheilen werde. Diese Ansicht gewann immer mehr festeren Boden. Ja, so ists, überredete ich mich vollends. Muth also, zu Pferde!
Wir waren in raschem Trab geritten und befanden uns nach 20 Minuten vor dem Hauptthore der Hacienda, wo wir Halt machten. Alle Thuren und Fenster waren luftdicht verschlossen. Keine Seele zeigte sich. Ich theilte den Schlüssel zu diesem Räthsel meinem texanischen Lieutenant Holingsworth mit, der das richtige Maß unserer Konduite bei einer solch' eigenthümlichen Mission vollkommen zu beurtheilen im Stande war.
Abre la puerta! (Oeffnet das Thor), schrie Wheatley, mein zweiter Offizier aus voller Kehle.
Keine Antwort.
— La puerta! La puerta! wiederholte er.
Wieder keine Antwort.
— Abre la puerta! Diese Worte waren mit einem Säbelhieb auf das Thor begleitet.
Im Innern rief eine stimme: Quien es (Wer ist da?)
— Yo, ich, brüllte Wheatley Abre —
— Si Señor, antwortete Jemand mit zitternder Stimme.
— Anda, anda! somos hombres de bien! (schnell also, wir sind ehrbare Leute.) Man hörte das Geräusch von Ketten und Riegeln. Nach zwei Minuten war das Thor geöffnet und wir erblickten den schwarzen portero (Thürhuter), auf den Wheatley alsogleich hitzig losfuhr, und ihn mit einigen flachen Säbelhieben und einer Ohrfeige ermahnte, recht schnell den Besitzer des Hauses herbeizuholen.
Ich und Wheatley drangen weiter in den innern Hofraum vor, während Holingsworth mit der Mannschaft uns draußen vor dem Thore erwarten sollte.
Hier in dem inneren Hofraume bot sich eine ganz neue Szene unseren neugierigen Blicken dar. Statt der massiven Pforten und der düsteren wohl vergitterten Fenster erblickten wir nun prächtige Facaden, Fresken, reich mit Blumen geschmückte Verandas, hoch in die Lüfte schleuderte ein geschmackvoll verzierter Springbrunnen sein klares Wasser und erfrischte die von dem balsamischen Dufte der herrlichsten tropischen Pflanzen geschwängerte Atmosphäre.
Eine Einquartierung hier mußte wohl recht angenehm sein, dachte ich mir, besonders wenn sie —
Niemand ließ sich sehen. Umsonst spähte mein Auge nach allen Fenstern, vergebens versuchte es in den hinter dem vergoldeten Gitter befindlichen Blumenmassen auf den langen, von marmorenen Säulen gestützten Veranda's irgend eine Bresche zu gewahren, hinter welcher zwei reizende Füßchen Posto gefaßt. — Nur dort vor dem einige 80 schritte vom Hauptgebäude entfernten großen Corral, den weiträumigen Stallungen, standen die Peones mit ihren ledernen Gewändern, die Vaqueros in ihrer romantischen Tracht, umgeben von Weibern und Mädchen, alle gleichsam ängstlich harrend der Ereignisse, welche unsere außergewöhnliche Erscheinung hier hervorrufen dürfte.
Endlich kam der Thorhüter mit dem Rufe: »La Virgen nos asiste!« (Die h. Jungfrau stehe uns bei!) zurück und meldete das baldige Erscheinen des Don.
Nach einer Minute ward hinter dem Gitterwerk der Veranda ein Vorhang in die Höhe gezogen und ein bejahrter Gentleman erschien vor unseren Blicken. Es war ein breitschulteriger Mann, der, obwohl schon vom Alter gebeugt, dennoch in seiner ganzen Persönlichkeit eine wunderbare Energie und Entschlossenheit zur Schau trug.
Ich ritt einige Schritte vorwärts, ihm gerade gegenüber. — Don Ramon de Vargas?
— Ja, Señor, antwortete er mit gereizter Stimme.
— Als Offizier der amerikanischen Armee — ich sprach sehr laut, um von den Peones und Vaqueros deutlich gehört zu werden, — bin ich beauftragt Ihnen den Vorschlag zu machen, die amerikanische Armee mit Schlachtvieh zu versehen. Hier ist die Ordre des obersten Befehlshabers und —
— Madre de Dios! Nein, nimmermehr, schrie Don Ramon mit sichtlicher Entrüstung mich unterbrechend. Ich will nichts mit Ihrer Armee zu schaffen haben. Ich habe keine Ochsen zum Verkauf.
— In solchem Falle — antwortete ich werde ich mir das traurige Vergnügen nicht versagen dürfen, die Ochsen ohne Ihre Genehmigung wegführen zu lassen. sie werden Ihre Entschädigung erhalten, Ferner muß ich sogar darauf bestehen, daß Ihre Vaqueros das Schlachtvieh nach dem amerikanischen Lager geleiten.
Auf ein Zeichen erschien Holingsworth mit der Mannschaft, welche alsobald durch allerhand energische Mittel die Vaqueros zur Vernunft und Arbeit bekehrte.
— Ich protestire gegen diese Plünderung, schrie der entrüstete Greis.
— Sie werden bezahlt werden.
— Bezahlt? — caramba! bezahlt von Dieben, Freibeutern! — polterte heftig der Diplomat.
— Holla, alter Mann, ein wenig Mäßigung, — schrie plötzlich Wheatley neben mir, — sonst könnet Ihr noch weit Kostbareres verlieren als eure mageren schlechten Ochsen.
— Was, schlechte Ochsen? lärmte Don Ramon nun mit wüthiger Gebärde, ah, Tejanos, Ladrones — (Texaner, Diebe)
Wheatley griff nach seinem Revolver.
Ich sagte ihm einige leise Worte in's Ohr.
— Ja so! — meinte er wieder beruhigt. Ich glaubte, daß das alte Krautfaß ganz ernstlich Gift und Galle sprudelt. Ich möchte den alten Schurken hängen sehen. —
Don Ramon schlug zornig das Fenster zu und verschwand.
Ich hatte während dieses Lustspieles die größte Mühe, meine heitere Laune zu zügeln und in der That schien es mir, als ob es dem Mexikaner ebenso gegangen. Allein eine Unvorsichtigkeit von meiner oder seiner Seite wäre ihm sicherlich theuer zu stehen gekommen. Zwischen den Zuschauern befanden sich nämlich auch einige ranchséros aus der Umgebung, die der pueblita, angehören, an den pronunciamientos Theil nehmen, sich Bürger nennen, und die wohl nicht unterlassen hätten, ein Einverständniß mit dem Feinde gelegentlich furchtbar zu rächen.
Meine beiden Lieutenants entfernten sich mit der Mannschaft und den gewaltsam gepreßten Peones und Vaqueros nach der am Fuße des Hügels gelegenen Ebene, wo der größte Theil von den Heerden des Don's zumeist seine Weideplätze hatte.
Ich blieb allein im Hofraume zurück.
Die Vorhänge der Veranda blieben noch immer geschlossen. Ich bohrte mit meinen Augen nach allen Richtungen. Nichts war von ihr zu sehen. — Warum nicht? frug meine Eitelkeit. Vielleicht aus Vorsicht, antwortete der Verstand, denn eben schlenderten einige weibliche Dienstboten, mich neugierig begaffend, in gemessener Entfernung im Hofraume herum. Ich hätte dies träge Hausgesindel peitschen können.
Es war ein heißer Julitag. Ein heftiger Durst quälte mich. Ich ritt zu der Fontaine, auf deren einem Rande eine Trinkschale lag, die ich ohne vom Pferde zu steigen leicht ergreifen und in das frische Wasser tauchen konnte. Es war ein köstlicher Trunk, obgleich er weder von den kanarischen Inseln noch von Xeres gekommen.
Noch einmal warf ich einen Blick auf die Vorhänge, — und noch einen, — dann noch einen dritten. — Vergebens. Entmuthigt, enttäuscht, gereizt und — beschämt verließ ich durch eine offen gelassene Hinterpforte die Hacienda.
Hart an derselben fand ein merkwürdiges Schauspiel statt. Die scheuen Ochsen, von den Vaqueros auf leichten schnellen Rossen verfolgt, rannten wie besessen herum, und meine Soldaten mit ihrem ungeschickten Eifer vergrößerten nur noch die Aufgabe der ohnehin schon hart genug behandelten Knechte. Das Brüllen der Ochsen, das Geschrei und Gelächter der Soldaten, die inartikulierte Ochsensprache der Vaqueros und Peones bildeten ein pittoreskes Durcheinander, das mich unter andern Verhältnissen vielleicht unterhalten hätte. Noch hoffte ich auf die weibliche Neugierde. Eine solche Szene dicht unter den Fenstern einer aristokratischen Behausung muß doch unstreitig die aristokratischeste ihrer Bewohner wenigstens für einen Augenblick an's Fenster locken. Isolina schien nicht neugierig zu sein.
Vielleicht ist sie unwohl von der übergroßen Anstrengung des gestrigen Tages. Ich werbe doch fragen dürfen, wie es der Señiora geht? Also noch einmal zurück nach dem innern Hofraum.
Die braune Mestizzenbrut war noch immer daselbst versammelt. Ich sprengte auf die Weiber los. Mit gellendem Geschrei stäubten sie nach verschiedenen Richtungen auseinander und verschwanden. Hol' euch alle der Teufel, dachte ich mir und ritt mit wehmüthigem Herzen wieder gegen die Hauptpforte zu.
Kaum war ich vor derselben angelangt, als eine Silberstimme, die mir wie die schönste Melodie in's Herz drang, das Wort »Kapitän« aussprach.
Ich blickte nochmals nach allen Fenstern, die Stimme konnte nicht von dorther kommen, denn alle waren jetzt wie früher luftdicht verschlossen.
»Kapitän« ertönte es nochmals. Der Laut kam von der Azotea. Ich schaute hinauf. Ich sah nichts. In demselben Moment erblickte ich aber einen wunderschönen Arm, einer antiken Venus würdig, mit einem Armband von Perlen geschmückt, aus dem Blumendickicht herausragen, und ein feingemeißeltes Händchen ließ ein weißes Papier herabfallen.
Im Nu war ich vom Pferde, hob das Billett auf, sprang wieder in den Sattel und ritt einige Schritte zurück, um wo möglich einige Aussicht auf die Azotea zu gewinnen. Ich ward nicht enttäuscht. Sie war es.
Eben im Begriffe sie anzusprechen, warf sie plötzlich einen Blick hinter sich, ihre herrlichen Züge erblaßten, sie hob den Finger vor den Mund und verschwand hinter der Brustlehne.
Ich verstand sie. Noch einen Augenblick verweilte ich; sie war jedoch nicht mehr auf der Azotea. Ich hörte den Klang ihrer Stimme, allein ich hörte auch den rauhen Accent einer andern. Wer mag das sein? Ich litt Höllenqual.
Das Billett kann vielleicht die Lage beleuchten. Ich ritt unter die Hauptpforte; Niemand konnte mich hier beaufsichtigen. Das Billett war mit Bleistift und wie es schien in großer Eile geschrieben. In meinem Herzen hämmerte es wie in einem Pochwerke. Ich las folgende Zeilen:
»Kapitän, ich weiß, daß sie uns die geringe Gastfreundschaft nicht übel nehmen werden. Nichts als einen Trunk Wasser, ha, ha, das ist doch zu grausam. Doch erinnern sie sich, was ich Ihnen gestern sagte: Wir fürchten mehr unsere Freunde als unsere Feinde. Wir haben im Hause einen Gast, den mein Vater mehr als Ihre erschrecklichen Flibustiers fürchtet. Ich bin nicht mehr böse auf sie wegen des Verlustes meiner Lola; sie haben mir aber auch meinen Lasso entwendet. Ach, Kapitän, wollen sie mir denn Alles nehmen? Adios.
»Isolina.
Der eine Theil dieser Zeilen war klar, der andere geheimnißvoll.
»Wir fürchten mehr unsere Freunde als die Feinde« bedeutete ganz einfach, daß Don Ramon de Vargas ein ayankyado, in andern Ausdrücken ein Freund der Amerikaner, oder wie orthodoxe Demagogen sagen würden, ein Vaterlandsverräther sei. Ich achtete ihn deshalb nicht geringer. Ist Unabhängigkeit ohne Freiheit und Ordnung nicht bloß ein hohles Wort? Ist doch der Patriotismus öfter nur eine sehr zweideutige Tugend, unter deren Firma bloß seine Apostel gute Geschäfte machen. Eines Tages, und der Tag wird kommen, wird ihn eine erhabenere Tugend ersetzen, und zwar jener vergeistigte Patriotismus, der weder Grenzen noch Nationen kennt, dessen Vaterland die Gesammtwelt ist; freilich wird diese neue Tugend, die Tugend großer, erhabener Seelen sich dann nicht mehr »Patriotismus« nennen[3].
Wer ist aber dieser gefürchtete Gast? Ijurra? Aber Ijurra ist ja, wie sie gestand, ihr naher Verwandter? Warum einen Cousin fürchten? Allein sie scheint ihn doch zu fürchten.
Die letzten Zeilen gefielen mir wieder ganz gut, ja, sie entzückten mich sogar.
Ich ritt wieder langsam nach dem Hofraume zurück. Ich mußte sie noch einmal sehen, wenn auch nur für einen ganz kurzen Augenblick ich mußte ihr sagen, daß —
Auf der Azotea stand Ijurra. Unsere Augen begegneten sich. Ohne ein Wort zu sprechen, waren wir Todfeinde geworden.
Ijurra war ein schöner Mann. In seinen Zügen spiegelte sich aber nur jene rohe verwilderte Intelligenz, die vor keinem Hinderniß zurückschreckt, seine Schönheit glich der des Jaguars, Härte und Falschheit leuchteten aus seinem Auge.
Nebenbuhler malen am richtigsten. Man mag dagegen sagen was man will.
Wie der Schuft höhnisch herablächelt, wie er sich im Innern freut, daß ich statt ihrer ihn erblicke.
Schon wollte ich mir von ihm eine Erklärung erbitten, was dies sardonische Lächeln zu bedeuten habe, als ich in der Ferne einen Reiter gewahrte, der im Galopp zu mir herangesprengt kam. Es war der Lieutenant Holingsworth.
Kapitän Warfield, ich melde, daß die Ochsen versammelt und —.
Er endigte nicht seine Blick: ruhten auf Ijurra. Er zitterte im Sattel, als ob ihn das kalte Fieber schüttelte, alle seine Muskeln bewegten sich konvulsivisch.
Ein krampfhaftes, wildes Gelächter löste seine Zunge. »Rafael Ijurra, bei allen Teufeln der Hölle!« schrie Holingsworth mit einer Stimme, die an den indianischen Schlachtgesang erinnerte.
Ijurra erblaßte. Auf seinem Antlitz malten sich bleifarbige Flecken und gewaltige Furcht.
— Hund, Verräther, Meuchelmörder, begegnen wir uns endlich einmal? Wir wollen nun rechnen. Mit diesen Worten nahm Hollingsworth seinen Karabiner an die Wange und zielte auf Ijurra.
— Halt Hollingsworth, schrie ich, indem ich zu gleicher Zeit meinem Pferde Sporen gab und auf ihn losstürzte. Trotz meiner Schnelligkeit war der Schuß gefallen. Es gelang mir nur, dem Karabiner eine andere Richtung zu geben, und die Kugel, statt Ijurra's Hirnschale zu zerschmettern, fuhr in einen der großen Blumentöpfe.
Der Schrecken hatte den Mexikaner festgebannt. Erst nach dem Schuße schien er seine Geistesgegenwart wieder gefunden zu haben und verschwand.
Schnell wie ein Pfeil war Hollingsworth vom Pferde gesprungen, und stürzte mit seinen Pistolen in der Hand die Treppe hinauf.
Ich stieg gleichfalls ab und folgte ihm.
Bei der Treppe angelangt, hörte ich oben schreien, fluchen, den Lärm von herabgeworfenen Gegenständen, dann zwei Schüsse nacheinander fallen.
Ich hörte ferner eine Frauenstimme und das Stöhnen eines Mannes.
In wenig Sekunden war ich auf der Azotea angelangt.
Hier herrschte die tiefste Ruhe. Neben einer Masse prachtvoller Gewächse in Riesentöpfen war hier keine menschliche Seele sichtbar und nur einige zertrümmerte kleinere Blumengefäße schienen an die Katastrophe zu erinnern.
Nach einer andern Seite der Terrasse stürzend, gewahrte ich eine kleine Treppe, die nach den inneren Gemächern des Hauses herab zu führen schien. Auf dieser Treppe mußten sie herabgestiegen sein. Es war nicht der Moment, um über die Grundsätze der Etikette hier viel nachzudenken. Eben im Begriffe gleichfalls hinabzueilen, höre ich den Knall eines Schusses, doch dießmal außer der Mauer des Hauses. Gleich darauf ertönte ein zweiter Schuß.
Rasch kehrte ich um und lief längs der Azotea in aller Hast nach der Richtung zu, aus welcher die beiden Schüsse ertönten. Ueber die Brustlehne nach allen Seiten forschend, sah ich am Fuße des Hügels zwei Männer, einen hinter dem andern laufend. Es war Hollingsworth, der mit dem Säbel in der Hand Ijurra verfolgte.
Ich sah sofort, daß der schwere Reitersmann bei solchem Vorhaben in keinem Falle ein Ziel erreichen werde. Der Mexikaner lief wie ein Hase und erreichte auch in der That eine geraume Zeit früher als sein Verfolger das dichte Gehölz.
Ich eilte die Treppe herab, stieg zu Pferde und eilte im Galopp dem Gehölze zu. Ich irrte in demselben einige Zeit herum, ohne irgend etwas zu gewahren oder zu hören. Nur von der andern Seite des Hügels ertönten lärmende Stimmen; sie kamen von den Vaqueros. Durch sie an meine Pflicht gemahnt, kehrte ich nach der Hacienda zurück.
Hier herrschte tiefes schweigen, keine menschliche Gestalt ließ sich erblicken. Ich war in Verlegenheit. Hollingworth's sonderbares Benehmen hatte alle meine Ideen in Unordnung gebracht. Ich wollte Don Ramon sprechen, um ihm eine Erklärung hinsichtlich der Katastrophe zu geben, während mir eben einfiel, daß ich selbst einer Erklärung bedürfe.
Ich ließ in der Hacienda einige Leute zurück mit dem Befehl, Hollingsworth zu erwarten und dann uns in Galopp nachzukommen, während ich mit Wheatley und der übrigen Mannschaft das massenhafte Convoi in der Richtung nach dem amerikanischen Lager in Marschbewegung brachte.
Ich war in der übelsten Laune und äußerst mißgestimmt gegen meinen ersten Lieutenant, dessen ungeschicktes Benehmen ich mir nicht erklären konnte. Wheatley wußte ebenso wenig dasselbe zu deuten.
Hollingsworth war kein gewöhnlicher Mensch. Ehrlich, kühn, tapfer, mit einer seltenen Charakterstärke begabt, mangelte ihm zu einer echten Soldatennatur nichts als zuweilen einige Fröhlichkeit. Er war aus Tenessee gebürtig und wohnte längere Zeit in Texas. Hollingsworth war einer jener Unglücklichen, welche die traurige Expedition unter hier mitgemacht, dessen Truppen dezimiert, während die übriggebliebenen mit Ketten beladen später nach Mexiko transportiert wurden, und dort bis an die Brust im Kothe in den großen Zandas, welche die Straßen durchschneiden, gleich dem elendesten Vieh arbeiten mußten. Solche traurige Erlebnisse hatten ihn düster und schweigsam gemacht, und niemals habe ich ihn lachen gesehen. Zuweilen aber wenn er sich allein wähnte, da hörte man ihn Drohungen aussprechen, ein konvulsivisches Zittern der Muskeln begleitete seine Worte, er ballte die Fäuste, gleich als ob tiefer Ingrimm nur allein seine Phantasie beschäftigen würde.
Wheatley und ich glaubten die Ursache der jüngsten Geschehnisse in einer alten Feindschaft zu suchen. Möglich, meinte ich, daß er Ijurra —
Bis zu diesem Augenblicke hatte der texanische Lieutenant, weil am andern Ende des Hügels während der gewaltsamen Szene mit der Ochsenangelegenheit beschäftigt, weder Ijurra gesehen, noch seinen Namen nennen gehört.
— Ijurra? rief er ganz erschüttert aus.
Ja.
Rafael Ijurra?
Ja.
Kapitän, wenn dieser Mann derselbe Rafael Ijurra ist, welcher noch vor Kurzem in San Antonio wohnte, so gibt es mehr als einen Texaner, der ihn beim Kopfe packen würde.
Was wissen sie von ihm, Wheatley?
Daß er der schlechteste Schuft in ganz Texas und Mexiko ist, und das ist sicherlich viel gesagt. Rafael Ijurra! — Ja, alle Teufel — er ist es; es kann kein anderer sein. Jetzt wird mir das Benehmen meines Kameraden klar. Kapitän, mit diesem Elenden hat Hollingsworth sehr Wichtiges zu besprechen.
Wie so?
Hier folgt die Substanz seiner Erzählung, mit Auslassung aller emphatischen und sonstigen Exklamationen.
»Rafael Ijurra ist von Geburt ein Texaner von amerikanischer Abstammung. Einst besaß er zahlreiche Besitzungen bei San Antonio de Bejar; nachdem er jedoch Alles verschwendet hatte, wurde er Spieler von Handwerk. Bei der Organisirung der Mier'schen Expedition ließ er sich zum Offizier wählen. Er heuchelte die lebhafteste Anhänglichkeit an die amerikanische Sache, und wurde wegen seiner ausgezeichneten Terrainkenntniß bald die rechte Hand des Befehlshabers. Er war es, der zumeist zu jenem unglückseligen Vorrücken bei Laredo gerathen, wo die texanischen Truppen nach tapferer Gegenwehr in einem Hinterhalte gefangen, dann dezimiert und die Uebriggebliebenen wie schon erwähnt zur Reinigung der Kanäle Mexiko's verurtheilt wurden. Am Tage vor der Schlacht war Ijurra unsichtbar geworden, zwei Tage nach derselben erschien er in mexikanischer Uniform mit der Weisung, die Gefangenen — seine früheren Kameraden — nach der Hauptstadt Mexiko's zu geleiten. Wären wir nicht gefesselt gewesen, wir hätten den meineidigen Verräther mit den Zähnen zerfleischt.
Hollingsworth hatte die unglückliche Expedition mit seinem Bruder mitgemacht. Letzterer, ein Jüngling von äußerst zarter Gestalt, war durch die barbarische Behandlung, welche die Gefangenen erduldeten, zu einem Skelett geworden. Seine wunden Füße und außerordentliche Schwäche gestatteten ihm nicht mehr, den Marsch fortsetzen zu können. Er sank sterbend auf der Straße nieder. Sein Bruder bat Ijurra um ein Maulthier. Der junge Mann hatte Ijurra schon früher gekannt, er hatte ihm sogar Geld geliehen, welches derselbe niemals zurückgegeben. »Auf und vorwärts« war Ijurra's Antwort. — Aber der Kranke kann ja keinen Schritt mehr thun. — Nicht? das wollen wir sehen. Pablo, — hier wendete sich Ijurra an einen Mann bei der Eskorte — gib dem Manne einige Spornhiebe, er ist widerspenstig. Der brutale Soldat näherte sich mit dem Bajonnete gegen den armen Kranken. Dieser versuchte noch eine letzte, äußerste Anstrengung, sank aber alsobald auf einen Felsen hin.
— Vorwärts oder —; Ijurra zog eine Pistole aus dem Gürtel.
— Ich kann nicht, murmelte der Sterbende.
— Vorwärts oder ich schieße Dich nieder.
— Schieße, lispelte der Jüngling.
Ijurra gab Feuer. Er hatte den jungen Mann mitten in die Brust geschossen.
Allgemeines Entsetzen malte sich selbst auf dem Antlitz der Mexikaner. Der Bruder des armen Schlachtopfers stand gefesselt sechs Schritte von diesem Schauspiel entfernt.
Tief ergriffen von dieser Schilderung, versuchte ich dem Gespräche eine andere Wendung zu geben.
— Ist Don Ramon der Onkel Ijurras?
— Ja. Ich sah ihn einige Male in San Antonio, wo er alle Jahre einmal mit seiner Tochter erschien. Ein prächtiges Frauenbild. sie hat vielen Leuten den Kopf verrückt und war eine unerschöpfliche Quelle von Zweikämpfen. sie ritt die wildesten Pferde und warf den Lasso wie ein Comanche.
Ich hätte gerne noch mehr erfahren, allein eine Gattung Furcht mäßigte meine Neugierde.
In diesem Moment kam die zurückgelassene Mannschaft herangeritten. Hollingswoith ritt im Galopp auf mich zu. In diesen Zügen malte sich eine außerordentliche Düsterheit.
Kapitän, — sagte er — mein Benehmen wird Ihnen sehr sonderbar erscheinen. Ich werde es Ihnen aber gelegentlich erklären und bin überzeugt, daß sie mich entschuldigen werden. Es ist eine lange und für mich sehr schmerzliche Geschichte.
— Hollingsworth, haben sie Ihren Zweck erreicht? — frug ich mit gepreßtem Herzen. —
— Nein — entgegnete er finster. — Aber ich werde ihn erreichen, ich schwöre es bei allen —
Er nahm seinen Platz bei der Truppe ein.
In tiefem Schweigen und mit gebeugtem Haupte ritt er an der Spitze seines Zuges, nur zuweilen erhellte ein unglückweissagender Funke sein finsteres Antlitz. Der Mann litt ungeheuer!
Es gibt drei Gattungen von Liebe, die sich ihre Natur und Gewalt unterscheiden. Die erste ist die gegenseitige Liebe, wenn die Gedanken in einen einzigen zusammenschmelzen, Geist und Körper im Einklang sind. Diese ist allein die glückliche, da sie selbst nach dem Erlöschen des materiellen Vulkans, in eine sublime Freundschaft übergeht. Die zweite Gattung ist die stille, vereinsamte Liebe, eine schöne solide Pflanze, auf welche jedoch niemals der belebende Thau eines Wortes oder eines Lächelns träufelt. Sie stirbt endlich an Erschöpfung aus Mangel an Nahrung, wenn nicht die Entfernung oder die Zeit uns von dieser langweiligen Krankheit heilen. Die dritte lebt nur von Ungewißheiten, Zweifelsucht und Weigerungen, welche ihr ohne Unterlaß Nahrung zuführen. Es ist die gefährlichste. Die Eifersucht, welche ihr Innerstes zerfleischt, macht sie nur um so mächtiger lodern. Heute schwelgt sie in der süßen Ueberzeugung des nahenden Triumphes, und morgen fühlt sie sich, ob wirklich oder nur in Selbsttäuschung befangen, zurückgesetzt, verachtet. Was fragt sie darnach, ob das Wesen, welches den Brand in die linke Pulverkammer geschleudert, auch der Explosion würdig?! Was liegt ihr daran, ob es ein geretteter oder gefallener Engel ist? Diese Liebe ist nicht die Logik, sie hat mit dem moralischen Theile unserer Natur nichts gemein; ihr Zweck ist die Schönheit und Schönheit ist nicht immer auch die Moral! — Und doch — ja, ich liebe Isolina, ich liebe sie —
»Sie sind zu gütig, Kapitän« tönte es plötzlich hinter mir.
Ich bedurfte einiger Augenblicke um mich zu fassen. Diese Stimme —
»Entschuldigen sie, Kapitän, daß ich unangemeldet Ihre Behausung betrat. Philosophiren sie immer so laut?!«
»Großer Gott, bin ich wahnsinnig geworden oder nicht? Ja, sie sind es, Señorita — sie sind es.« — sie war in der Tracht eines Vaquero gekleidet, und absichtlich entstellt.
Ich zittere vor Freude, Señorita, diese Gunst« — mein Enthusiasmus zeigte auf Fieberhitze.
»Die Eitelkeit« sprach sie scherzend, »ist die Achillesferse fast bei allen Männern, pflegte meine alte Gouvernante zu sage. Beruhigen sie sich, Kapitän. Wir wollen das Kapitel Gunst noch vor der Hand und heute zumal unerörtert lassen. — Ah, Kapitän, sie lesen Rousseau« — sie wies hier auf ein Buch, das vor mir auf dem Tische lag. »Nun begreife ich Ihren Monolog! Er macht Ihnen nicht viel Ehre.«
Isolina, wie kommen sie hierher? Welchen Gefahren, welchen Verdächtigungen setzen sie sich aus.«
»Gefahren fürchte ich nicht, Kapitän. In dem Rayon Ihres Kommandos vertraue ich auf Ihren Schutz und allenfalls auf die beiden Revolver, welche ich in meinen Calzoneros führe. Nicht wahr, dieses Kleidungsstück steht mir nicht besonders gut? — Außer dem Dorfe erwarten mich einige meiner Leute. Kann ich Ihnen mit schönen Früchten dienen? Sehen sie, hier in diesem Korbe sind einige ganz vortreffliche, sie dienten mir als Sauvegarbe, denn ich sagte Ihren Leuten, daß dieselben für den Herrn »Kapitän« bestimmt sind. — Ja »Verdächtigungen« sagten sie auch. Eine Frau hat allerdings Unrecht und schon wenn sie bloß verdächtigt ist; denn sie muß ja auch pflichtmäßig den äußern Schein wahren; ich glaube, Rousseau hat dies gesagt. Wollen sie nicht in ihm nachschlagen, Kapitän?«
Isolina war sichtlich pikiert.
»Doch nein, lassen wir das,« — sprach sie weiter mit einer plötzlichen Aengstlichkeit. »sprechen wir von ernsthafteren Dingen. Ich kam ja deßhalb her. Kapitän, haben sie die Papiere, die sie vor fünf Tagen meinem Vater vorweisen wollten, bei sich? — Reden sie, suchen sie schnell.« — sie faßte mich hastig beim Arme.
— »Ja gewiß«, antwortete ich. Ich öffnete mein Portefeuille. Hier waren sie nicht. — Isolina zitterte. — Ich suchte überall herum. Die Papiere waren verschwunden.
»Fatales Ereigniß. Also doch?« murmelte sie kaum vernehmbar.
»Señorita — jetzt entsinne ich mich, ich muß sie leichtsinnigerweise in dem Hofraum Ihrer Hacienda verloren haben, als ich « —
»Als sie uns sehr unglücklich machten« unterbrach sie mich traurig.
»Was ist zu thun, wie ist da zu helfen? Reden sie, Isolina, ich thue Alles, Alles was sie nur mir rathen — befehlen.«
»Sie können jetzt wenig helfen, Kapitän. Die Papiere sind, wie ich mich nun überzeugt habe, in unrechte Hände gefallen, und Gott wird mich stärken, um großes Unglück von unserem Hause abzulenken.«
Sie sprach diese Worte mit einer gewissen Düsterheit, die mich erschreckte.
Ich war in Verzweiflung. Ohne zu überlegen, hätte ich mich in einen Krater gestürzt, um meine Unbesonnenheit zu sühnen.
»Wer ist im Besitze der Papiere, Señorita?« — frug ich mit leidenschaftlicher Hast.
»Ijurra, mein Cousin.«
»Ich werde sie von ihm zurückfordern und zwar sogleich, ich muß —
»Ijurra ist nicht mehr in der Hacienda.«
»Wann kommt er wieder dahin und wo ist er jetzt? —«
»Wo er jetzt ist? Ich weiß es nicht, obgleich ich es vermuthen könnte. Wiederkommen wird er aber ganz gewiß. —« sie lächelte wehmüthig.
»Und wenn er wieder kommt, Señorita?« Ich zitterte vor innerer Aufregung. Es war mir, als ob tausend Messer in meinem Herzen wühlten.
»Wenn er wiederkommt, dann ist er im Hause seiner Verwandten, die Niemand Rechenschaft davon zu legen haben,« entgegnete sie mit würdevollem Ernst.
»Señorita — bemerkte ich mit unterdrückter Wuth — hier handelt es sich nicht um einen Eingriff in die Rechte Ihres Hauses, die sie sicherlich mit eben so großer Zuvorkommenheit gegen Ihre Gäste als —«
»Kapitän, sie sehen gar nicht liebenswürdig aus, wenn sie nach Sarkasmen haschen« — unterbrach mich lächelnd und mit dem Finger drohend, die Señorita. «
Das Weib konnte mich rasend machen.
— »Señorita, ich bin weit entfernt die Richtigkeit Ihres Sehvermögens in Zweifel zu ziehen, allein erlauben sie, daß ich mich ausspreche. Ich habe durch meine Unbesonnenheit eine schwere schuld auf mich geladen, die ich als Gentleman und Offizier zu sühnen gezwungen bin. Ich darf daher von Ihrer Güte erwarten, daß sie die Motive würdigen, welche den Entschluß in mir gefestigt haben, um jeden Preis in den Besitz der nun für mich noch weit werthvolleren Papiere zu gelangen.«
»Wir wollen — entgegnete sie sichtlich gerührt — diese Angelegenheit für jetzt ruhen lassen. Auch würden sie in diesem Moment nichts erzwecken. Ich danke Ihnen aber nichts destoweniger für Ihre Theilnahme — sie reichte mir mit Herzlichkeit die Hand, welche ich an meine Lippen führte, — vielleicht wird bald der Augenblick kommen, wo——«
»Ich Ihnen, Señorita, alle meine Energie, mein ganzes Leben zur Verfügung stelle,« fügte ich mit inniger Wärme hinzu.
»Kapitän, sie sind — bemerkte sie mit schelmischer Betonung — im Grunde nicht so abscheulich, als Ihre Grundsätze, deren weitere Exposition ich leider unterbrechen mußte.«
»Isolina, ich liebe sie; ich habe niemals so geliebt. Was sie vernommen, ist vergessen, gestorben.« — Ich wollte ihre Hand ergreifen, sie zog sie zurück.
»Isolina, ich bin ein reuiger Sünder, glauben sie mir,« — Ich sank vor ihr auf meine Knie nieder.
»Kapitän — sprach sie mit heiterm Ernst — lassen wir auch diese Angelegenheit für heute ruhen. stehen sie auf. Sie kennen mich nur wenig und ich bin viel zu wenig eitel, um die Voraussetzung zu hegen, daß die romantische Episode, welche unsere Bekanntschaft veranlaßte, schon vollends genügte um eine dauerhafte und edle Neigung zu begründen. Sehen sie, ich habe auch meine Grundsätze. Sie sind allerdings nicht so geistreich und tief, wie die Ihrigen, allein sie sind wenigstens entschuldigen sie, wenn ich die richtige Bezeichnung wähle, — nicht affektiert.«
Sie täuschen sich, Isolina. Nicht die Romantik hat mich ausschließlich bezaubert; Ihr ganzes Wesen ließ mich alsogleich den Adel Ihrer schönen Seele erkennen, diesen herrlichen Diamant —«
»Ach, Kapitän — unterbrach sie mich mit lächelndem Hohn — Ihre Metaphern sind weder neu noch pikant. Die Liebe ist ein Alchymist. Ein Verliebter gleicht immer einem Manne, der eine Kohle gefunden, und dieselbe mit den Worten in die Tasche steckt: Das ist ein Diamant.«
»Isolina«, erwiderte ich, beschämt und ärgerlich zugleich, »dieses Beispiel gehört mehr in das Bereich meiner verstorbenen, »affektierten« Grundsätze, als in das Album eines Mädchenherzens.« — —
»Sie werden ungalant, Kapitän, — sagte sie mit frostigem Stolze — und ich hätte doch noch eine Erklärung von Ihnen zu erbitten.«
»Sprechen sie, Señorita.«
»Kapitän — mich fror bei dieser kalten Interpellation. — Sie haben ihren Monolog geschlossen: Jugend und Schönheit ist nicht immer auch die Moral. Und doch liebe ich Isolina! — Was hat dieser Vordersatz zu bedeuten, mein Herr?« frug sie mit zitternder, aber erhobener Stimme.
Ich nahm ihre beiden Hände in die meinigen, und blickte ihr ruhig in das entstellte Antlitz. — »Isolina — sprach ich mit gefühlvollem Ernste — es wollte mir das Herz zerspringen, — ich habe sie in meinen tollen End-Reflexionen, die ich mir, ich gestehe es gern, im wüsten Soldatenleben angeeignet, unwillkürlich beleidigt. Verzeihen sie mir!« — Ich glaube eine Thräne rollte mir aus dem Auge. —
— Sie blickte mich lange und forschend an. Wir standen uns eine Minute lang sprachlos gegenüber; freundlich, ja herzlich — — sagte sie endlich: »Warfield, ich bin gar nicht mehr böse auf sie.«
»Doch jetzt muß ich mich auf den Rückweg begeben. Wir bleiben Freunde, Warfield, nicht wahr? Man sagt zwar, — bemerkte sie scherzend — die Freundschaft eines Weibes für einen Mann wäre öfter die Liebe, die sich nur im Profil zeigt — indeß —«
»Isolina,« ich fiel ihr hastig in die Rede »sie machen mich unaussprechlich glücklich, wenn sie auf den Nachsatz so verzichten, wie ich es bereits gethan.« —
»Ich sehe heute abscheulich aus — Warfield — nicht wahr?« — frug sie ganz traurig.
Ich mußte recht herzlich über das tolle, prächtige Mädchen lachen.
»Wenn wir uns wiedersehen — nun lachte sie mit — werden sie mich nicht mehr bemalt, befleckt und in diesen gräßlichen Calzoneros finden. Leben sie wohl, Warfield — also Freunde, nicht wahr, gute Freunde wollen wir sein.«
»Isolina! — Freunde nur, —« frug ich mit gepreßtem Herzen, indem ich ihre schöne Hand küßte.
»Leben sie wohl, Warfield. — Ich werde Ihnen Nachricht von mir geben.«
»Erlauben sie, Isolina, daß ich sie bis an das Ende der Rancheria begleite. —
»Nein, Warfield, ich habe meine Gründe. Sie bleiben auf Ihrem Zimmer.«
»Warum kommen sie nicht zu Pferde, Isolina? Dies hätte sich ja mit Ihrer Maske vereinbaren lassen?«
— Seit meine Lola todt ist, reite ich nicht mehr. Apropos — Warfield, haben sie schon von dem berühmten Prairie-Schimmelhengst gehört, el cavallo blanco de los llanos?
»O ja, Isolina, man erzählt Wunderdinge von diesem Thiere« — erwiderte ich.
»Es soll sich in dieser Gegend aufhalten. Ich habe bereits den Jägern und selbst meinen Vaqueros nahmhafte Summen versprochen, wenn sie dieses Prachtthier mir verschaffen — allein es war noch Niemand bis jetzt gelungen. Einige behaupten sogar, der Schimmelhengst wäre eine Mythe, ein Phantom, — Caramba — das ist nicht wahr — er existiert und einer meiner Vaqueros hat ihn erst kürzlich gesehen. Sollten sie nicht Lust haben, Kapitän, sich selbst davon zu überzeugen? Dieser weiße Renner wurde mir viel Vergnügen verschaffen. — Adieu, Warfield, vergessen sie Ihren garstigen Liebeskoran, sonst werde ich ernstlich böse.«
Noch ein Händedruck und sie war verschwunden.
Ich stieg auf die Azotea. Am Ende des Dorfes standen drei Vaqueros, bald gesellte sich Isolina zu ihnen und die Gruppe zog in frischem Schritte der Hacienda zu.
Diese Begebenheit spielt im Jahre 1847. Das als unabhängiger Staat kaum neu konstituierte Texas wollte sich an die vereinigten Staaten anschließen. Mexiko wollte dies mit Waffengewalt verhindern. Am 1. März 1845 genehmigte der Kongreß von Washington unter der Präsidentschaft Polk's die Einverleibung, und am 4. Juli 1845 gab der Kongreß von Texas seine Zustimmung. Zum Schutze des neu erworbenen Staates wurde General Zacharias Taylor mit einem Heere nach Texas befehligt. Der Rio grande sollte um jeden Preis als Grenzlinie angesehen werden.
Am 8. März 1846 begann die erste Abtheilung des amerikanischen Heeres unter Oberst Twiggs, von Corpus Christi aus, sich in Bewegung zu setzen. Am Ufer des Arroyo Colorado stieß der Vortrab auf eine Abtheilung irregulärer bewaffneter Rancheros, deren Führer erklärte, daß der Uebergang über den Fluß von Mexilo aus als Beginn der Feindseligkeiten betrachtet werde. General Taylor kehrte sich nicht daran, und rückte an das linke Ufer des Rio grande Matamoros gegenüber, und stellte sich auf Kanonenschußweite vor diesem mexikanischen Platze auf. Kleine Scharmützeln folgten, Schlachten wurden geschlagen, die siegreich für das Sternenbanner endigten. Nach der Schlacht bei Buenavista wurde eine Abtheilung des amerikanischen Heeres, welcher auch ich mit meinen Tirailleurs zugetheilt worden, an den obern Rio grande beordert, um dort die militärische Bothmäßigkeit aufrecht zu erhalten, die Guerillabanden unter Canales und Ijurra zu verfolgen, die Mexikaner zu gewinnen und die Bedürfnisse für die Hauptarmee herbeizuschaffen.
Man weiß, daß dieser Krieg später durch die südlichen Angriffe des amerikanischen Heeres unter General Scott entschieden wurde.
Noch war es jedoch weithin zum Friedensschluß von Guadelupe Hidalgo. Die armen Mexikaner oder Peones machten sich wohl bald mit den amerikanischen Truppen am obern Rio grande vertraut, allein zumeist unter der unbeschränkten Herrschaft der Hacendados stehend, hing im Grunde ihr Verhalten gegen uns nur von der politischen Gesinnung ihrer Herren, der größeren Haciendas- oder Ranchosbesitzer ab. Diese fürchteten jedoch noch immer ein siegreiches Vordringen Santa Ana's und von den zeitweise herumschweifenden Guerillabanden in Schach gehalten, versteckten sie sich alle sowie Don Ramon de Vargas unter dem Mantel der Zweideutigkeit, welcher wir die offene Feindschaft vorgezogen hätten.
Seit einer Woche war uns jede Spur von Guerillas entschwunden. Ich konnte einen Ausflug wagen.
Es ist bekannt, daß zur Zeit der Eroberung in dem Lande keine großen vierfüßigen Thiere vorhanden waren, und daß die Spanier, als sie mit ihren Pferden erschienen, von den Eingebornen für höhere unsterbliche Wesen angesehen wurden Cortez ließ nun von den westindischen Inseln, wo die Pferdezucht bereits betrieben wurde, eine Menge Stuten kommen und von Spanien andalusische und Berberhengste, welche die Stammeltern der jetzigen Race sind. Die Pferde vermehrten sich in einer beinahe unglaublichen Masse und bevölkerten die nördlichen und östlich gelegenen Theile des Landes. Die an der Küste gezogenen Thiere sind in der Regel nicht groß, aber wohlgebaut, feurig, ausdauernd und haben feine Knochen. Der Kopf ist klein und die Nase etwas gebogen, der Schweif und die Mähne behaart, die Hufe sind gut und hart und nur in steinigten Gegenden werden dieselben bei großen Reisen beschlagen. Der Farbe nach sind diese Thiere hauptsächlich: Braune, Füchse, Rothschimmel, Isabellen und Weißschimmel Rappen sind selten und haben, da sie immer der Sonne ausgesetzt sind, ein röthliches Haar. Stuten werden nur selten geritten, sondern nur zur Zucht gebraucht. Die Thiere laufen gewöhnlich in Rudeln von 20—30 Stücken, atajos genannt, von einem Hengste geführt, auf ihren Weideplätzen herum und sind überall da zu finden, wo Wasser in der Nähe ist. Man kann am Rio grande stündlich auf solche atajos stoßen, die, wie Rehe über den Weg flüchtend, sich in geringer Entfernung geschützt durch den Hengst aufstellen, der mit aufgerichtetem Haupte und dem Schweife in der Luft majestätisch dasteht, und ihnen das Zeichen zum Bleiben oder zur Flucht gibt. An ihre Weideplätze gewöhnt, entfernen sie sich nie von denselben. In der Mitte dieser Weideplätze sind die Ranchos, in deren Nähe sich das Wasser befindet, welches meistens in Teichen, die sich während der Regenzeit füllen, gesammelt wird, und die mit Umzäunungen versehen sind. In diesen Ranchos leben nun die Vaqueros, Diener der Pferdezüchter, von denen jeder 8 — 10 atajos zu beaufsichtigen hat, die er täglich umkreisen muß und alle zwei Tage zu dem oft Stundenweit von den Weideplätzen entfernten Wasser treibt. Im Frühjahre werden sämmtliche Thiere mit dem Lasso eingefangen, den Stuten die Mähnen und der Schweif abgeschoren, um der Begattung kein Hinderniß in den Weg zu legen, die Fohlen mit dem Eisen des Eigenthümers gebrannt, von denen jeder ein besonderes Zeichen hat, so daß bei jedem Thiere gleich erkannt werden kann, von wem es gezogen worden ist.
In einigen Gegenden und häufig am Rio grande findet man wilde Pferde, Welche nie zum Wasser kommen, und in der heißen Jahreszeit, wo sämmtliche Pfützen ausgetrocknet sind, von den saftigen Blättern des Nopals leben. Man bezeichnet diese Thiere mit dem Ausdrucke Ladinos und außer der Deckungszeit leben sie meistens vereinzelt.
Es ist unstreitig eines der schönsten Schauspiele, eine Heerde ganz wilder Pferde im Zustand der Aufregung in der Nähe zu beobachten. Ich erfreute mich öfters solchen Vergnügens, und manches gute Pferd in unserer Truppe ward schon mit meinem Lasso erobert. Diese wilden Pferde stammen von denen der Altspanier ab, welche von Mexiko aus eine große Anzahl Militärkolonien in diese Gegend vorschoben. Die Ansiedler, auf sich selbst zumeist angewiesen, hatten viel Rindvieh und zogen sehr viele Pferde und Maulthiere. Schon während der Blüthe dieser Kolonien mochte es manchmal vorkommen, daß sich von ihren Pferden welche verliefen, und im sehr günstigen Klima und auf den üppigen Weiden sich auch ohne die züchtende Hand der Menschen erhielten und fortpflanzten. Diese abgelegenen spanischen Vorposten wurden in späterer Zeit von muthigen Indianerhorden verwüstet, die Spanier niedergemacht, skalpiert und aufgefressen. Aus jener Zeit mögen sich wohl hauptsächlich die zahlreichen Heerden wilder Pferde herschreiben, die durch die Indianer ihrer Freiheit überlassen, jetzt über den ganzen Westen Amerikas verbreitet sind, und man kann jetzt noch das altspanische Pferd mit seinen langen feinen Mähnen, seinem kleinen Kopf, langem Halse und herunterhängendem, sehr langem Schweife erkennen. Seitdem jedoch von Osten her das angelsächsische Blut die Civilisation nach dem Westen vorschiebt, sind diese Heerden mit allen möglichen Pferderacen gemischt worden, und zwar nicht durch die schlechteren Exemplare des Geschlechtes, denn die Männer, welche ihre Haut nach der Grenze zu Markte trugen, gaben von jeher ihren letzten Groschen aus, um ein tüchtiges Pferd dahin mitzunehmen, auf dessen Flüchtigkeit und Ausdauer sie sich verlassen konnten, wenn sie mit jenen wilden Indianerhorden in Berührung kamen. Von diesen Grenzansiedlungen, wo die Pferde mit ihrem Unterhalt auf die Weiden angewiesen sind, entkamen nun wieder welche, da die wilden Heerden diese Vorposten stets umschwärmen, und jedes Pferd, wenn es einmal über ein solches Rudel geräth, der Gefangenschaft auf ewig Lebewohl sagt. Man findet daher unter diesen Thieren das volle arabische Blut, man erkennt den schweren englischen Karrengaul, den kleinen Pony, das englische Vollblut, den Tartaren: kurz, er ist eine solche Musterkarte edler Racen, wie kein Pferdemarkt der Welt aufzuweisen im Stande ist. Die wilden Pferde besitzen eine sehr große Schnelligkeit, aber auf eine nicht so lange Dauer, denn bei anhaltendem Rennen können sie es bei ihrer Grasfütterung einem mit Korn genährten guten Pferde nicht gleich thun. Um sie zu fangen, benützt man den Lasso, dessen Schlinge man dem Thiere über den Kopf wirft, worauf es, sobald ihm der Hals zugeschnürt wird, nach wenigen Minuten sich zitternd an die Erde wirft und man Zeit hat, ihm eine Halfter über den Kopf zu werfen. Man löst dann die Schlinge ein wenig und versucht, ob es an der Halfter dem Reiter folgen will; widersetzt es sich, so wird die Operation so oft wiederholt, als es nöthig ist, dem Thiere begreiflich zu machen, daß es sich in seine Gefangenschaft zu ergeben hat.
Ich bezweifelte keineswegs die Existenz des von Isolina so sehnlich gewünschten Schimmelhengstes. Ich hatte sehr häufig von diesem Pferde reden hören, und wußte, daß es schon manchen Kenner und viele Jäger der Wildnis zu unsäglichen Anstrengungen angespornt hatte. Das stete Mißlingen ließ endlich die Sage entstehen, daß der »Stern der Prairie«, das »Licht der Steppe« oder der »weiße Geist der Wildnis« — lauter Epithete, — welche man dem Schimmelhengst gespendet, — ein Phantom sei, wie jenes mythische Pferd, von dem seit Jahren die wunderbarsten Sagen über den Kontinent Amerikas, ja, selbst über das ferne Europa verbreitet waren.
Isolina war nicht getäuscht; der Schimmelhengst lebte leibhaftig und einige meiner Leute selbst hatten ihn erst vor Kurzem bei einer Rekognoszierung, wenige Stunden von der Rancheria gesehen.
Nun wohlan denn, schöne Isolina, wenn es in der Macht eines Menschen und eines Pferdes liegt, so sollen sie, ehe die Sonne zweimal aufgeht, im Besitze des weißen Prairiehengstes sein. — Zwei Stunden nach Isolina's Entfernung verließ ich mit zwölf meiner Tirailleurs die Rancheria und setzte in der Nähe derselben über den Fluß.
Ich wählte zumeist Burschen, welche in der Prairie sich lange herumgetummelt und wovon einige den jüngsten Aufenthalt des Schimmelhengstes sicher bezeichnen konnten. Er konnte schon allerdings 100 Meilen weit entfernt sein, allein der Umstand, daß er in der Gesellschaft von vielen Stuten gesehen ward, die wahrscheinlich zu seinem Harem gehörten, ließ mich voraussetzen, daß er seine Wanderung in weitere Gefilde vielleicht noch nicht angetreten habe.
Die Gegend, welche wir durchritten, hätte einen Botaniker begeistern können. Meine Gedanken waren indeß auf andere Dinge gerichtet. Ich dachte an die kapriziöse Isolina, welche mich gleichsam, als wären wir im blühendsten Mittelalter, in dies gelobte und ungelobte Land zu abenteuerlichem Thun entsandte. Allein das Mittelalter hatte auch seine großen Reize. Wie strebsam, wie tapfer gebärdete sich nicht der Ritter, um den Dank der Dame zu verdienen! — Mir gefiel es immer besser als unsere baumwollene nüchterne Zeit. — Vorwärts — also; den Damen Liebe, den Pferden Tod, wie es bei den einstigen Turnieren hieß.
Wir waren ungefähr 10 Minuten geritten, als ich in noch weiter Entfernung einen schwarzen Fleck bemerkte, den ich durch mein Glas für Pferde erkannte. Meine Leute versicherten, es wäre die Manada, welche wir suchten. Wir näherten uns langsam und sahen von jeder neuen Höhe deutlicher die Umrisse jener Thiere.
Wo weilte aber der Sultan dieses glänzenden Harems? — Noch konnte ich den Zielpunkt meiner heißen Wünsche nicht entdecken. Schimmel gab es genug in der Heerde, allein ein Blick genügte, darzuthun, daß unser Sport nicht diesen galt! —
Noch war indes alle Hoffnung nicht verloren, der Schimmelhengst konnte vielleicht im Schatten eines Gebüsches ruhen! »Wenn dem so ist, dann werden wir ihn bald gewahren«, meinte einer meiner Leute.
»Wie so?«
»Ganz einfach«, — versetzte er — »wenn wir die Stuten erschrecken, deren Alarm verkündendes Wiehern ihn schon auf die Beine bringen wird.«
Der Plan schien ausführbar. Ehe wir ihn jedoch erschreckten, schien es geboten, vor allem Andern die Manada zu umkreisen, damit er nicht in entgegengesetzter Richtung uns entkomme.
Wir begannen ohne Zeitverlust die Heerde zu umzingeln.
Das Terrain war unserm Vorhaben günstig; in einer halben Stunde war Alles auf seinem Posten. Die Heerde grasete und spielte noch immer.
Ich hatte meinen Stand in einer kleinen Baumgruppe genommen und war eben im Begriffe mein Jagdhorn an die Lippen zu setzen, um das Allarmzeichen zu geben, als ein durchdringender Lärm hinter mir ertönte und gleich darauf der Hufschlag eines galoppierenden Pferdes immer näher gegen meinen Posten laut wurde.
Ich ritt so schnell, als das Gestrüppe es gestattete, nach der Lichtung zu, allein die letzten Strahlen der Sonne blendeten mich derart, daß ich keinen Gegenstand recht ausnehmen konnte.
Ein fernem Donner ähnliches Dröhnen der Hufe und zeitweises Gewieher schallte mir immer näher entgegen. Ich sehe endlich.
Ich erblicke einen edlen, schneeweißen Renner im Galopp die Richtung gegen die Heerde nehmen.
Die Stuten hatten sein Signal beantwortet. Bei seinem Erscheinen war bereits die ganze Heerde in Bewegung.
Ich blies in's Horn.
Wir reiten im Schritte vorwärts tief hinter die Hälse unserer Pferde gebeugt. Die Pferde waren in einem Haufen zusammengerollt, der Hengst trabte um seine Heerde hin und her.
Wir waren endlich so nahe gekommen, daß alles Verstecken, jedes Strategieren unnütz wurde. Schnelligkeit und der Lasso konnten nunmehr allein das Resultat entscheiden.
Ich hatte mich auf nicht große Entfernung der Heerde genähert. Mein Augenmerk war nur auf das »Licht der Steppe« gerichtet. Ich gab Moro die Zügel und sprengte im Carriere auf das Wunderthier los. Der Hengst kam im hohen Trabe mir entgegen. Ein schöneres Bild kann man nicht malen. Den kleinen Kopf trug er hoch, über seine breite Stirne flatterten lange weiße Locken und von seinem felsigen Halse herab wogten mit jedem Tritte die langen, lockigen Mähnen auf und nieder, während er den Schweif gerade in die Höhe hob, dessen lange, leicht gekräuselte, milchweiße Haare vom Winde nach seiner linken Seite geweht wurden. Sein breiter Rücken glänzte, als wäre er aus karrarischem Marmor gehauen, und seine mächtigen Schultern und Schenkel trugen die zierlichen kleinen Füße mit der größten Leichtigkeit und Kraft.
Ich war nur mehr 20 Schritte von dem Prachtthiere entfernt. Da bäumte sich der Hengst hoch in die Höhe, drehte sich auf den Hinterfüßen um und schoß seiner Heerde nach und an ihr vorbei.
Jetzt donnerte der flüchtige Haufen wilder Pferde nach allen Seiten hin, ihre weitaufgerissenen Nüstern glühten in dunklem Karmin, ihre blitzenden großen Augen blickten wie mit Verzweiflung umher und von ihren schäumenden Lippen schleuderten sie die weißen Flocken um sich. Man sah es den geängstigt dahin rasenden Thieren an, daß Nichts mehr sie in ihrem Sturmlauf aufhalten konnte, und daß sie ihn fortsetzen würden, bis sie zusammenstürzten.
Ich aber eilte nur dem Hengste nach. Fünf Schritte trennten nur mehr Moro und ihn. Der Hengst hatte sich herumgeworfen und einen ungeheuren Satz vorwärts gemacht, wobei ich ihm platt unter die Hufe seiner Hinterfüße sah, während er den Kopf zur Seite hielt und nach seinem Verfolger zurückblickte. Ich bin fertig. Der Lasso flog hoch durch die Luft. Die Schlinge senkte sich über des Hengstes Kopf. Himmel! — sie blieb mit der einen Seite über seiner Nase liegen und in der nächsten Sekunde schleifte sie am gestreckten Lasso auf dem Boden hinter Moro her.
Aber das herrliche Thier schien zu wissen, daß es Fesseln waren, die ihn berührt hatten, denn wie der Blitz schoß es vor der Stute weg. Ich hatte den Lasso wieder aufgewunden und folgte ihm nun über Berg und Thal, über Gras und Steingeröll in fliegender Carriere, wie der Sturmwind von den Bergen herab durch die Thäler bläst. Es war noch immer Hoffnung vorhanden, daß der wilde Hengst mit dem Grasfutter nicht so lange den Athem behalten würde als Moro.
Ueber zwei stunden hatte ich den Hengst verfolgt, als er sich unter den Bergquellen durch nach den Bergen wandte und mit unverminderter Schnelligkeit die Höhen hinaufflog. Der Boden wurde jetzt steinig und unsicher, er schien aber auf ihm ebenso sicher und ebenso in seiner Heimath zu sein als im weichen Graslande, welches er verlassen hatte. Er erreichte die Höhe zwischen zwei steilen Bergen und verschwand vor meinen Augen hinter derselben. Ich überjagte den Punkt, wo ich ihn zuletzt gesehen, doch schon war das edle Thier auf der andern Seite des engen Thales an der steilen Wand, als ich von der Höhe hinunter sauste.
Ich sah deutlich, daß es ihm schwer wurde, an diesem steilen Abhang im Galopp zu bleiben: ich gewann sehr viel den Berg hinunter und durch das leicht mit Gras bewachsene Thal, und war schon an der Wand, als der Hengst die Höhe noch nicht erreicht hatte. Voll Hoffnung konnte ich mich nicht länger zurückhalten. Mit beiden Sporen in den Seiten Moro's flog ich hinauf, von der stählernen Muskelkraft getragen, die nur das Tartaren-Vollblut kann, und erreichte die Höhe zwischen den beiben Berglöpfen, als der Hengst nicht weiter als fünfzig Schritt vor mir in Trab gefallen war.
Vorwärts, Moro! — Es gilt die Ehre deines Herrn!
Aber mein Ruf schien dem braven Flüchtling wieder frische Kräfte durch die Adern gegossen zu haben, und fort stürmte er wieder in das Thal hinab, mit jedem Sprunge auf dem felsigen Boden den weißen Schaum zurücklassend, mit dem er bedeckt war. Abermals kam ich näher und war wohl nur vierzig Schritte hinter ihm, als ich quer vor uns eine schwarz gähnende Felsschlucht sich öffnen sah, aus deren Mund die riesigen trockenen Arme hineingeschwemmter todter Cypressen hevorragten. Hier mußte der Hengst sich wenden und dann links oder rechts an den Bergen hinauf meine Beute werden. Gerade aus ging aber sein Flug dem Abgrund zu — es war nicht möglich, er konnte nicht hinüber; ich blieb hinter ihm, bang für das Leben des edlen Thieres, hielt ich den Athem an — noch einen Sprung — er war am Abhang, und mit der Kraft des Löwen und der Verzweiflung, die nur der drohende Verlust der Freiheit geben kann, zog er sich zusammen und schnellte sich hoch durch die Luft über den mehr als dreißig Fuß hohen Abgrund hinaus. Ich warf Moro herum nach der rechten Seite gegen den Berg und kehrte meine Augen ab von diesem entsetzlichen Schauspiel, um nicht den tragischen Ausgang desselben zu erblicken. Ich blickte mich endlich um und sah, wie am jenseitigen tiefer liegenden Ufer der Hengst mit dem Hintertheil vom Boden aufstand, und nach mir herübersehend im Trabe auf vier gesunden Füßen an der Schlucht hinuntereilte und um die nächste Bergwand verschwand.
Jede Verfolgung war unnöthig. Mit einem tiefen Seufzer fügte ich mich in mein Schicksal und begann über meine Lage nachzudenken. Diese war nicht die angenehmste. Ich mußte mindestens 30 Meilen von der Rancheria entfernt sein, und hatte keine Ahnung, in welcher Richtung dieselbe liegt. Noch konnte das lichte Farbenspiel am westlichen Firmamente die Himmelsgegenden deutlich erkennen lassen, allein ich wußte mich nicht mehr zu erinnern, ob wir unseren Ausmarsch aus der Rancheria gegen Osten oder Westen unternommen. Die Spuren zu verfolgen, kam mir allerdings sofort in den Sinn. Allein das Rennen fand nicht in gerader Linie statt, ja, nach einigen Experimenten mich nach den Spuren zurecht zu finden, mußte ich sogar die traurige Entdeckung machen, daß die Prairie, welche ich durchrannte, auch von den andern Pferden durchkreuzt wurde.
Mein Moro war in sehr aufgeregtem Zustand. Ich führte ihn eine strecke lang zu Fuße, und spähte nach allen Seiten hin, ob ich vor der Hand nicht wenigstens eine Quelle entdecke, wo ich meinen außerordentlichen Durst stillen könnte.
Eine gewisse Unruhe bemeisterte sich meiner unwillkürlich mehr und mehr. Nächtliche Düsternheit hatte bereits ihren Mantel über die Erde ausgebreitet, und wenn auch meine selten erschlaffende Energie und Geistesgegenwart die wachsende Bangigkeit noch bändigten, so war doch stets ihr letztes Wort: Du hast Dich verirrt.
Vor der Hand war das Klügste, auf der Stelle zu übernachten. Ich befreite Moro von Sattel und Zaum, und gestattete ihm die ganze Länge des an einem Baum befestigten Lasso. Die Ressourcen für mein zeitweiliges Feldlager waren nicht sehr bedeutend. Ich hatte bloß einen Karabiner, ein Jagdmesser, eine — leere Kürbisflasche und eine mexikanische Decke zur Verfügung. Hunger verspürte ich keinen, dagegen dürstete mich aber so übermäßig, daß ich ein Glas Wasser einem gebratenen Truthahn vorgezogen hätte. Ich nahm die Decke auseinander, wickelte mich in dieselbe ein, legte mein Haupt in die Höhlung des Sattels und trachtete zu schlafen.
Diese Wohlthat ward mir lange versagt. Die Folter des Durstes im Schlafe ist in ihrem schmerze noch heftiger als das böseste Zahnweh. Nach und nach fühlte ich jedoch meinen Schmerz erleichtert. War es die Kälte und Feuchtigkeit oder eine vollkommene geistige Ermattung, die sich beim schwinden meiner erschlafften Körperkraft meiner bemeisterte, genug an dem, ich verfiel endlich in Schlaf.
Es war kein gesunder; denn böse Träume beängstigten mich. Ich bin der Meinung, daß die Rolle, welche wir im Traume spielen, den Körper in demselben Maße ermüde, als wenn wir sie thatsächlich spielen würden.
Anfangs befand ich mich, — so träumte mir — im Antlitz des schönsten Weibes. Es war Isolina. Ich blickte sie mit Enthusiasmus an, sie lächelte mir entgegen, ich glaubte mich geliebt. Rings um mich herum war Alles rosenfarbig. Dieses Glück dauerte aber nicht lange. Aus der Nähe ertönte wildes Geschrei, das Haus war von Indianern umzingelt. Wir kämpfen. Mehrere Indianer waren bereits von meinen Streichen gefallen, aber ein Wilder, unstreitig der Häuptling des Stammes, stürzt sich auf Isolina und trägt sie hinweg . . . Ich werfe mich auf's Pferd und eile dem Räuber nach. Er ritt einen schneeweißen Hengsten und hielt Isolina in seinen Armen. Ich fliege im Sturmesrennen, allein der Hengst hat beständig einen ungeheuren Vorsprung. Ich gewahre plötzlich, daß der Wilde seine Gestalt verändert. Es war der Teufel selbst, ich sah seine Hörner, den Pferdefuß. Er will mich an den Abgrund locken, und ich habe keine Kraft, mein Pferd zurückzuhalten! Nun hat der Dämon und sein Geisterpferd den Felsen übersprungen. Ich muß ihm folgen. Mein Pferd setzt über den Abgrund. Ich stürze — ich stürze! Ich rolle tief in die Schlucht hinab. Todt bin ich nicht. Aber der Durst peinigt mich, meine Zunge brennt wie geschmolzenes Blei. — Ich höre das Murmeln eines Wasserfalls. Kann ich ihn erreichen, so bin ich gerettet. Es ist nicht möglich, ich bin an die Felsen gefesselt, langsam und mühselig krieche ich dahin! Endlich bin ich da; ich fühle den kalten Schaum des Wassers, das mich begießt. Ich bin gerettet! —
So mein Traum. Er war der Schatten einer Wirklichkeit, allein die angenehmste war die, welche mich aus dem Schlafe erweckte. Ich war durchnäßt, doch nicht von dem Schaum des brausenden Wassers, sondern von einem sündfluthartigen Regenguß.
Zu einer andern Zeit hätte die Regenfluth mir weniger angenehm geschienen. Heute begrüßte ich sie mit einem Freudenschrei. Der Donner grollte ohne Unterlaß, Blitze durchleuchteten die Finsterniß, ich hörte das mächtige Geräusch eines Bergstromes, der unstreitig von zahlreichen Bächen gebildet, durch die nahe Schlucht dahinbrauste.
In fünf Minuten vergaß ich die Qualen des Durstes, ja, ich begriff eigentlich gar nicht, daß er Leiden verursachen könne. Der Regen hörte wieder auf, und ich verfiel in tiesen Schlaf.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als ich erwachte. Das Himmelslicht gab mir meine Willenskraft und Entschlossenheit wieder. Nun galt es den Hunger zu stillen. Rings um mich her war aber mit Ausnahme Moro's kein lebendiges Wesen zu sehen. Ich sattelte mein Pferd. Wohin aber nun? Nach der Rancheria, antwortete ich mir selbst. Jedoch in welcher Richtung? — Ich vergaß beinahe, daß ich mich verirrt hatte.
Der Leser, bequem in seinem Fauteuil sitzend, wird vielleicht voraussetzen, daß meine Verlegenheit nur eine geringe sein konnte, zumal, wenn man ein braves Pferd zur Verfügung hat. Er wird sagen, daß man doch irgendwo hingelangen müsse, wenn man stets in gerader Linie vorwärts schreitet. Allerdings, man kommt irgendwo hin, ja häufig sogar auf den Punkt, den man erst vor mehr oder weniger Stunden verlassen. Zehn Meilen in gerader Richtung in der Prairie machen, ist nur schwer möglich und es sind schon Fälle vorgekommen, daß Männer, welche sehr gut beritten waren, tagelang in einer 50 Meilen großen Prairie herumgeirrt, ja zuweilen selbst dort zu Grunde gegangen sind.
An Einsamkeit zeitweise gewöhnt und mit ihr befreundet, fühlte ich doch jetzt sehr, welch' ein Unterschied es ist, dieselbe gezwungen, ja vielleicht bis zur Verzweiflung ertragen zu müssen.
Ein brutales Sprichwort sagt: schlechte Gesellschaft ist besser als gar keine. Ich hätte nun in meiner Lage dieses Sprichwort sogar sehr geistreich gefunden.
Meine Lage mochte wohl aus der Salonperspektive betrachtet, einen äußerst romantischen Charakter gehabt haben, allein in der Wirklichkeit sind die Einflüße einer gefährlichen Ungewißheit und des prosaischen Hungers leider zu gewaltige Tyrannen, die mit der Romantik niemals allzu freundliche Beziehungen unterhalten.
Seit einer frühen Stunde des vorigen Tages hatte ich keine Nahrung zu mir genommen und vor meinem Prairieritt am wenigsten an das gedacht, was der Soldat und Jäger vor dem Auszug selten vergißt, nämlich fürchsichtlich auch an die zukünftige Wohlfahrt des Leibes zu denken. Es ist dies nur ein dünner Pinselstrich, allein man braucht eben nicht erst ein Labruyere zu sein, um daraus meinen gefesselten Seelenzustand zu erkennen.
Ja wohin?
Es liegt in der Einsamkeit der Wildnis stets ein verwirrendes Gefühl, das im höchsten Grade peinlich ist und von welchem nur die ältesten Prairiemänner frei sind. Die Sinne verlieren ihre Kraft, die Energie erschlaft, die Entschlüsse werden butterweich und schwankend. Sie tauchten wieder auf alle die alten Geschichten, welche mir Indianer und Trapper erzählt, von den vielen hundert starken Männern, die in ähnlicher Lage vom Irrsal geführt, rathlos hin und hergezogen und endlich dem Tode verfielen, die schauerlichen Todtensagen der Prairie tauchten wieder auf in meiner Phantasie, die schon an und für sich in den Umständen, welche mich in meine jetzige Lage geführt, etwas Geheimnißvolles ja vielleicht sogar Unnatürliches erblickte, das meinen Geist umschleierte, meinen Hang zum Aberglauben weckte. Hier ist vielleicht keine Grenze des Irrens, vielleicht war der Weg selbst ein Irrthum! — Doch weg mit diesem widerwärtigen Gedanken. Ich habe nichts gemein mit dem langen, dürren Ritter den Miguel de Ceivantes den phantasielosen Epigonen zur Kurzweil geschaffen, ich —
Mein Hunger bellte immer gewaltiger. Ich hätte mich mit einer Zorilla (Stinkkatze) mit einem elenden Armadillo begnügt. Wie beneidete ich meinen Moro. Er fühlte sich so behaglich von der reichlichen Nahrung in den saftigen Kräutern und blies von Zeit zu Zeit so kräftig durch seine Nüstern, als ob er sagen wollte: Herr da ist gut zu sein, laß mir hier einen Stall bauen.
Ich wußte, daß ich wenigstens ein paar Stunden lang den geraden Weg verfolgen konnte. Die Sonne stand am Himmel und diese würde mich führen bis gegen die Mittagsstunde, dann mußte ich Halt machen, denn in dieser südlichen Breite steht die Sonne am Mittag so genau im Zenith, daß selbst ein Herschel den Norden nicht vom Süden unterscheiden könnte. Ich überlegte, daß ich vielleicht im Stande sein würde, gegen Mittag das Gehölz zu erreichen. Was dann? — In diesen Labyrinten kann man Tage lang reisen, ohne zwanzig Meilen weit von dem Ausgangspunkte hinwegzukommen.
Unschlüssig nach allen Seiten spähend, waren meine Augen durch einige bewegliche Gegenstände angezogen. Es waren Thiere, aber von welcher Art? Größe und Gestalt der Gegenstände gewähren auf der Prairie zuweilen den trügerischesten Anblick. Ein Coyote (Prairiewolf) erscheint so groß wie ein Pferd und ein Tlacualche (Opossum, dydelphis virginiana) das aufgebäumt ist, ward schon für ein riesiges Thier gehalten worden. Es ist die eigenthümliche Beschaffenheit der Atmosphäre in diesen Breiten, welche die Gegenstände so immense Verhältnisse annehmen läßt und nur das scharfe Auge des Trappers vermag in dem vergrößerten Umfang die richtigen Verhältnisse zu erkennen.
Die Gegenstände, welche ich bemerkt hatte, waren weit von mir entfernt und auf dem entgegengesetzten Plateau einer Schlucht. Es waren mehrere Gestalten — ich zählte fünf die sich am Rande des Horizonts wie Gespenster bewegten. Waren es Hirsche oder Berendos? (Antilopen) Meinem Hunger war dies gleichgültig.
Die Barranca (Schlucht) lag zwischen ihnen und mir. Konnte es mir gelingen, daß die Thiere weiter näher auf eine unter dem Grat befindliche kleine Grasfläche herankommen würden, so hätte ich wohl einen Schuß anbringen können. Es waren Berendos, jetzt erkannte ich sie. Die Neugier hatte sie an den Rand der Schlucht geführt, sie hatten mein Pferd und mich aus weiter Ferne erspäht und zuweilen windend und äugend waren sie langsam beim Aufnehmen der Aesung näher gekommen. Weiter zu gehen, schienen sie jedoch offenbar keine Lust zu haben. Und bis dorthin trug meine Büchse nicht.
Ich band wieder mein Pferd an und versuchte alles Mögliche, was ich ersinnen konnte. Ich legte mich im Grase auf den Rücken und schlug mit den Beinen in der Luft herum, aber vergebens. Das Wild wollte nicht in die Schlucht einwechseln. Diese schlanke, herrliche Antilopenart kömmt häufig in diesen Gegenden vor, allein ein Stück zu erbeuten, ist immer eine sehr schwierige Aufgabe für den Jäger, denn es ist das scheueste, vorsichtigste Wild, und macht unter 10 Pirschen sicherlich 9 mißlingen. Nur seine große Neugier bringt es zuweilen in Schußweite des Jägers oder Trappers. Indeß obgleich diese Antilope gegen einen bekannten Feind der es windet oder eräuget ungemein scheu ist, so scheint sie ihre Vorsicht doch in der Nähe eines ihr fremdartigen Gegenstandes zu vergessen, oder vielmehr, ihre Neugier überwindet das Gefühl der Furcht und sie kommt von ersterer getrieben jeder fremden Gestalt sehr nahe und beäuget sie mit verblüffter Miene. Der weniger flüchtige aber sehr schlaue Prairiewolf, kennt diese Schwäche der Antilope vortrefflich und benützt sie eben so. Hat er ein Rudel in die Nase und die Lichter bekommen, so legt sich die Bestie ins Gras, rollt seinen Körper zu einer Kugel zusammen und wälzt sich so an der Erde hin oder vollbringt eine Reihe der seltsamsten Manöver, bei denen er sich den Antilopen immerfort nähert, bis er seinen Rieß mit Erfolg an irgend einem Stücke wagen kann.
Ich mochte die Gymnastik des Wolfes nicht genau nachgeahmt haben und mußte auf ein anderes Mittel sinnen, die Krickeln tiefer in die Schlucht zu locken. Der Wind begünstigte mein Unternehmen. Ich nahm meine serape (wollene Decke), die eine sehr lebhafte Farbe hatte, band die eine Seite an den Ladestock meiner Büchse, nachdem ich diesen vorher durch den obersten Ring der Waffe gesteckt. so konnte ich mit dem Daumen der linken Hand den Ladestock fest und in vertikaler Richtung gegen den Lauf halten. Dann kniete ich nieder, hielt die Flinte an der Schulter und die bunte Serape, die fast in ihrer ganzen Länge ausgebreitet war, hing bis an die Erde herab und deckte vollkommen meine Person. Ich war, ehe ich diese Einrichtung traf, ganz bis an den Rand der Schlucht gekrochen. Die bunte Decke übte bald ihre Wirkung aus. Die fünf Antilopen kamen langsam von dem Grat herunter, sie verhofften zuweilen und windeten unruhig, aber die Yerba de la Doncella oder die Terba buena mußten am Abhang der jenseitigen Schlucht süßer gewesen sein, denn die Decke beäugend und wieder äsend kamen sie alle 5 auf den grünen Felsenschopf. Ich richtete mich etwas empor, ein Pfiff ertönte und im Nu machte sich die Gesellschaft auf die Läufe, aber mein Finger hatte auch schon den Drucker berührt und das letzte Stück stürzte im Feuer zusammen.
Hunger du wirst befriedigt werden.
Nun galt es über die Schlucht und auf den Hang zu kommen. Die Büchse konnte mich beim steigen hindern, ich ließ sie bei Moro zurück. Nur mit meinem Messer bewaffnet stürzte ich über das Gerölle und Gestein in die Schlucht hinab. Dort brauste in der Nacht der Strom, ich sah die Spuren der Gewitterfluth an dem Felsgestein. Das Wasser war aber schon vollends verronnen, versickert in den Sand oder in der erhitzten Atmosphäre wieder zu den Wolken emporgestiegen. Die jähen Abhänge derselben waren mit einigen Lebenseichen geschmückt, die aus dem spärlichen Gesträuche von Rhododendron?- und Azaleaarten emporragten.
Mit einiger Mühe gelang es mir, mich durch das Gestrüppe durchzuwinden und mit Hilfe der Aeste von dem zwischen den Felsen emporwachsenden Strauchwerk begann ich den Abhang zu ersteigen.
Zu meinem Erstaunen bemerkte ich, daß Menschen oder Thiere denselben Weg genommen haben müssen. Das Gras war stark zertreten, die Steine hier und da aufgeritzt, die Zweige des Strauchwerks geknickt. Doch was kümmerten mich diese Merkmale? Mich hungerte.
Endlich gelangte ich auf die Felsenbank, und alsofort stürzte ich im hastigen Lauf, wie ein Raubthier zu meiner Beute hin. Mit gewaltiger Gier brach ich die Antilope auf, und — »machte Feuer«, so wird mancher Leser den Gedankenstrich ergänzen.
Nein, ich machte kein Feuer. Roh verzehrte ich eine bedeutende Fleischmasse. Roh? Ja, bei Gott, und es schmeckte mir vortrefflich —
Mit gutem Proviant beladen schlug ich den Rückweg ein. Ich war bereits in der Schlucht angelangt, als ich fast in derselben Richtung, in welcher ich zu meinem Pferde gelangen wallte, einen dunkeln, kolossalen Körper sich vorwärts bewegen sah. Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht. Es war ein grauer Bar, vollkommen ausgewachsen, ein Thier, dessen Dispositionen ich sehr gut kannte.
Es galt Moro, meinem treuen Thiere, das ich unmöglich im Stiche lassen konnte. Also ein Kampf mit dem Messer! Es ist dieß eine harte Aufgabe. Oft hörte ich, daß Jäger ohne jede anbere Waffe und bloß mit dem Messer den grauen Bären erlegten, immer war aber der Kampf ein schrecklicher und anhaltender und stets trug der Jäger bedeutende Wunden davon.
Meine Aufregung ward immer fieberischer. Zerrissen und blutig langte ich auf einem Umweg auf der Höhe an. Welch' schrecklicher Anblick bot sich mir dort dar. Der Bär war kaum 40 Schritte von Moro entfernt. Das Pferd hatte den Feind erblickt, und galoppierte in rasenden Sprüngen in einem Zirkel herum. Armer Moro! Der Lasso, ein starker Riemen von ungegerbtem Leder, konnte nicht reißen, und den Eisenpfahl hatte ich mit aller Kraft in die Erde geschlagen. Zitternd und mit schmerzhafter Angst beobachtete ich einen Moment lang die Peripetien dieser Szene. Das Pferd entwich stets den Tatzen des Bären und setzte in Todesangst seinen Kreislauf fort. Mehreremale verwickelte sich das Raubthier in den Lasso und fiel zu Boden. Solche Unfälle schienen seine Wuth aber nur zu neuer Energie anzufachen. Plötzlich erfaßt der Bär mit den Zähnen und den Vorderbranten den Lasso. Ich meinte, er wolle ihn zerbeißen, allein zu meiner Bestürzung gewahrte ich, daß er ein anderes, aber sicheres Manöver beabsichtige.
Es hielt mich nicht länger. Ich konnte dies Schauspiel nicht mehr ertragen. In raschem Lauf stürzte ich nach der Gegend hin, wo mein Karabiner lag, den ich glücklicherweise nach dem Schusse auf die Antilope noch geladen hatte.
Ich kam eben zurecht. Der Bär hatte sein Opfer noch nicht erreicht, allein er war nur höchstens 6 schritte mehr von ihm entfernt. Hastig näherte ich mich und gab auf 10 Schritte Feuer. In demselben Augenblicke riß der Lasso entzwei und Moro flog mit wildem Gewieher nach der Prairie.
Ich sah den Bären zeichnen, allein offenbar hatte ich ihn nicht tödtlich verwundet.
Die Reihe kam nun an mich. Es war keine Zeit mehr zum Laden. Das Raubthier erhob sich knirschend und ging wüthig auf mich zu. Ich schlug mit meinem Karabiner nach ihm, schleuderte aber bald die unnütze Waffe weg und ergriff mein Messer. Es war ein Bowie, dessen erprobte Klinge ich dem Bären entgegenhielt. Es dauerte nicht lange, und ich fühlte seine Branten, seine Umarmung. Noch war aber mein rechter Arm frei. Mit der Kraft der Verzweiflung bohrte ich die scharfe Klinge zwischen die Rippen meines Gegners.
Alsobald rollten wir gemeinschaftlich wie ein großer, beweglicher Klumpen auf dem Terrain, einer auf dem andern, beide mit Blut bedeckt. Ich stieß zu wiederholten malen das Messer in seinen Körper und aus seinem Rachen stürzte eine Flut von Schweiß hervor. Ich war rasend, — wahnsinnig. Rachedurst entflammte alle meine Kräfte zu verzweifelten Anstrengungen: noch einen tiefen Messerstich, allein schon fühlte ich, daß ich ermatte, daß meine letzte Stunde geschlagen; — ich ward besinnungslos.
Ich glaubte mich in einer andern Welt gegen irgend welchen Dämon kämpfend. Täuschung! Die Formen. welche ich um mich gewahrte, gehörten der Erde an. Ich lebe noch. Aber meine Wunden brennen fürchterlich. Ein Mann verbindet sie. Der liebevolle Ausdruck seines Blickes spiegelt ein edles Gemüth ab. Wer ist er? Wie komme ich hierher?
Noch bin ich in der weiten Savanne. Ich kann es deutlich gewahren. Wo ist mein furchtbarer Gegner? Ich erinnerte mich lebhaft aller Vorgänge während unseres schrecklichen Kampfes, allein ich wähnte mich für immer unterlegen.
Ja, ich bin todt! Doch nein, es kann nicht sein! Ich lebe noch, ja, ich lebe. — Ueber mir wölbt sich der blaue Himmelsdom, um mich herum sehe ich menschliche Gestalten, ja sogar Pferde. Wo bin ich?
Zwei Männer standen um mich herum, der eine hatte einen großen Bart und einen dichten Schnurrbart, der andere ein runzliges, mageres und kupferfarbenes Angesicht. Meine Augen ruhen wechselweise auf den beiden Gestalten, entfernte Erinnerungen werden in mir lebendig. Diese Züge, — ich kann sie nicht deutlich erfassen — ich sehe sie gar nicht mehr. Es war nur eine vollkommene Gefühllosigkeit, in welche ich versank. Als ich wieder zum Bewußtsein kam, fühlte ich mich gestãrkt.
Ich sah das Scheiden der Sonne am Horizont. Eine Büffelhaut, von zwei Stangen getragen, schützte mich vor den Strahlen. Meine Decke lag unter mir, mein Kopf ruhte in der Höhlung meines Sattels. In meiner Nähe brannte ein Feuer, an demselben waren zwei Männer, hohe kräftige Gestalten, die beim ersten Anblick das mühe- und gefahrvolle Handwerk eines Trapper und die angelsächsische Race verriethen.
Die Kleidung dieser Leute zeigte den, fast bei allen Trappern gleichförmigen Charakter. Ein Jagdrock von der Decke des Damwildes, Kamaschen bis über die Knie und Bundschuhe, unter dem Jagdrock eine Gattung Hemd von der Decke einer jungen Antilope, über dem Jagdrock ein kurzes, ledernes Collet und auf dem Kopfe eine Pelzmütze, das ist die ganze Toilette, welche die ausdauernde und verwogene Race der Trapper von Beginn des Handwerks bis zum Tode trägt.
Der eine dieser Leute hatte eine Physiognomie, die ganz eigenthümlich war. Er sah Niemand in der Welt ähnlich, seine ganze Persönlichkeit schien bizarr und auffallend. Er glich mehr einem mit der Haut des Damwildes überzogenen Baumstrunk, als einem lebendigen Zweifüßler. Dieser merkwürdige Mann mochte ungefähr 60 Jahre zählen, allein nicht bloß die sonnverbrannten, eckigen Züge, die kleinen scharfen Augen, sondern noch ein anderes Kennzeichen machte ihn sondergleichen bemerkbar. Er hatte keine Ohren.
Es liegt etwas schreckliches in dem Anblick eines Menschen ohne Ohren. Man wird dabei unwillkürlich an ein furchtbares Drama, an eine entsetzliche Rachethat, an die grausame Sühnung eines begangenen Verbrechens erinnert.
Diese düsteren Konjekturen würden mich vielleicht beschäftigt haben, hätte ich nicht gewußt, wie dieser Mann um seine Ohren kam. Ich sah vor mir nur die Wiederholung einer alten Szene. Vor Jahren hatte ich diesen Menschen zum erstenmale und in derselben Situation gesehen. Wie heute, saß er auch damals beim Feuer und aß in derselben Stellung, das auf Kohlen halb gebratene Fleischstück. Beim ersten Blick erinnerte ich mich des alten Rube, wie man den Trapper Rawlings allgemein zu nennen pflegte. Auch den jüngeren erkannte ich, es war Bill Garey, die zweite Berühmtheit unter den Trappern dieser Gegend und der treue Genosse des alten Rube.
Ich war also unter Bekannten. Eben wollte ich sie ansprechen, als mein Blick zufällig in die Prairie auf eine Gruppe Pferde schweifte.
Träume ich wieder? Dort erblickte ich meinen Moro neben dem alten, mageren Mustang des alten Rube, und dem großen, soliden Fuchse Garey's, aber dort sah ich auch noch ein anderes Pferd. Täuschte ich mich, oder war es eine Illusion? War ich noch das Spielzeug meiner Augen oder meiner krankhaften Einbildungskraft!
Nein, es war Wirklichkeit. Ich sah die edlen Formen, die graziösen Linien, das prachtvolle Silberkleid, den wellenförmigen Schweif des verhängnisvollen Schimmelhengstes. Es war das Licht der Prairie!
Die Ueberraschung, so wie die Anstrengung welche ich beim Erheben gemacht, überwältigten mich, und ich sank ohnmächtig zurück. Es war nur ein momentaner Schwindel; mein Bewußtsein lehrte bald zurück. Ich hörte jedes Wort was die beiden Männer sprachen.
— »Der Kukuk hole die Weiber!« — Es war die Stimme Rube's. »Weiber-Regiment, nimmt selten ein gut End.«
— »Man sagt, sie sei erstaunlich schön, Rube! Die Liebe ist mächtig,« antwortete Garey gedehnt.
Der gurgelnde Laut einer Flasche verkündigte mir, welche Wirkung Garey's Pathos bei seinem Gefährten hervorgebracht hatte.
— »Ich will verdammt sein, Bill « versetzte Letzterer endlich, — wenn du nicht ein ebenso großer Narr bist, wie der junge Bursche hier. Ja die Liebe ist ein starkes Gefühl. hi, hi, hi, ho, ho, ho — Nun, ich denke, sie muß es sein, da sie solche Narren aus vernünftigen Geschöpfen macht! —
— Du hättest nie gewußt, was Liebe ist? alter Biber?
— Schlechte Fährte, Bill. Hab's einst gekannt. Prächtiges Mädchen wie ein Hirschkalb.«
Diese zerhackten Phrasen schlossen mit einem Seufzer, der dem Schnaufen eines Büffels glich.
— War es eine Negerin oder Indianerin? — frug Garen nach einer Pause.
— Bill, ein Wort bricht Einem kein Bein. Aber das will ich nicht mehr hören. Eine Negerin oder Indianerin! Die Pest komme Über dich. Nein, sie war weiß, weiß wie der gebleichte Schädel eines Hirsches, und welches Haar! Es war so roth wie die Lunte eines Brandfuchses. Und die Augen! sie waren so groß wie die eines Damthieren, und so sanft wie eine gegerbte Rehdecke. sie hieß Charity, und wenn ich mich recht besinne, hörte sie auch auf den Ruf Holmes. — Charity Holmes. — Es war vor dreißig Jahren in Tenessee. Ich traf sie beim Zuckerkochen. Wir aßen einen Zuckerstengel zusammen, und aßen so lange, bis er endlich ganz verschwunden war, und unsere Lippen an einander hingen. Pest! das waren süße Küsse. Wir sahen uns noch einmal beim Maishülsen und später beim Deckensteppen, dann nahm's ein Ende. Charity, sagte ich, ich friere um Deinetwillen. Sie sagte: Rube, ich will die Baumwolle sein. Nun gings zum alten Holmes. Der Schwarze hole das alte Wasserschwein! Er gab sie mir nicht . . . Bald darauf kam ein Krämer aus Connectikut, ganz geschnickelt und geputzt, machte dem Mädel die Cour und sie heiratete ihn. Schöne Weiber und zerschnittene Kleider bleiben gerne hangen. Einige Tage später schlug ich dem Krämer den Kopf ein, und flüchtete mich in die Ebenen. — — — Doch halt — der Kapitän ist erwacht.
Es schien mir Alles mysteriös. Das weiße Pferd, — die beiden Trapper, meine alten Bekannten hier! — Woher kannten sie die Veranlassung, die mich hierher geführt? Wer hatte ihnen Auskunft ertheilt? Keiner von ihnen war in der Rancheria, noch bei unserem Armeekorps gewesen; ja, Beide würden sich mir zu erkennen gegeben haben, da die gemeinsame Gefahr uns einst wochenlang gute Freundschaft hegen ließ.
— »Rube, Garey, sagte ich, indem ich die Hand ausstreckte. —
— »Hollah, Kapitän, kommen sie wieder zu sich? — Gut. Aber nur still gelegen. Die Kräfte werden schon wieder kommen. Es war ein Unglück. Wenn's Unglück will, fallt sich eine Katze vom Stuhl zu Tode — Nehmen sie einen Schluck hiervon sagte der Andere mit der Miene einer rauhen Freundlichkeit, indem er mir eine Feldflasche hinhielt, welche ich an die Lippen führte. Es war ein starker Gin, der meine Nerven wunderbar stärkte.
— Ich glaube, daß sie uns erkennen, Kapitän, — sagte Garey mit sichtlicher Freude.
— Recht gut, alte Kameraden.
— Nun wir haben sie auch noch nicht vergessen. Rube und ich haben oft von Ihnen geplaudert. Wir hörten, daß sie wieder in die großen Städte gezogen, ein großes Vermögen geerbt und den Namen hätten ändern müssen, um es den Schurken aus den Fängen zu reißen. Mein Kapitän, wir hatten sie niemals vergessen, fuhr der junge Trapper fort — Keiner von uns.
— Das haben wir nicht gethan! setzte Rube mit Emphase hinzu. sie zu vergessen, der sie mir zweimal das Leben gerettet haben.
— Laßt gut sein, Freunde, ihr habt mir's vergolten und mich von einem Bären befreit erwiderte ich.
— Ja, nur von Einem, dem Andern haben sie selbst den Pelz geflickt. — sie führen prächtig das Bowie. —
— Was? waren es zwei Bären?
— Blicken sie dorthin! —
Der Trapper zeigte auf das Feuer. Dort lagen zwei Bärendecken und ihr Wildpret zerwirkt.
— Ich habe nur mit Einem gekämpft. —
— Nun das war für einmal wohl genug. Wer zuviel faßt, läßt viel fallen. Es gibt nicht Viele, die nach einer Balgerei mit einem erhobenen Grizzly noch Gin trinken. Aber das muß ein verdammter Kampf gewesen sein. Als Bill und ich an die Stelle kamen, war der Bär so todt wie Pöckelfleisch. Wir dachten, es wäre mit Ihnen nicht besser. Sie lagen in den Armen des Grauen, als ob sie beide wie die Kinder im Walde eingeschlafen wären. Aber Ihr Rothwein bedeckte den Ort mehrere Ellen weit. Sie hatten nicht so viel Blut im Leibe, wie viel ein Blutegel zum Frühstück bedarf.
— Und der andere Bär —? frug ich.
— Er kam nachher aus der Schlucht. Bill war hingegangen um nach dem Schimmel zu sehen. Ein prächtiges Thier, — möge es der Satan holen. Weiber Augen, Feuer Spiegel. Ja der Bär. Ich saß eben neben Ihnen, Als die Bärin uns einen Besuch abstattete, um nach ihrem Gatten zu sehen. Ein gutes Weib, des Lebens Heil. Ich schickte der Bestie eine Kugel in die Lichter. Doch hören sie mich jetzt an Kapitän. Ich bin kein Pflasterschmierer und Bill auch nicht, aber ich verstehe genug von Wunden, um zu wissen, daß sie still liegen und aufhören müssen, zu reden. Sie sind etwas stark zerkratzt, allein das heilt. Gugen sie nochmals in diese Flasche. Nun komm' Bill, und laß' den Kapitän allein! Wir wollen uns an die Bärenzungen machen.
Mein Geist war noch umwoben vom trüben Nebelflor; alle die Erinnerungen und Erscheinungen der jüngsten Zeit, meine Umgebung, ihr Einblick in meine intimen Gedanken, die sinneverwirrende Erscheinung des weißen Pferdes erleuchteten meine Phantasie, so gespenstischhell, die Traumgebilde gestalteten sich oft so buntscheckig toll, daß mich vor Wahnsinn vielleicht nur der Schlaf gerettet.
Ich schlief lange und fest. Es war schon Mitternacht als ich erwachte. Die Luft war bedeutend abgekühlt, wie das Bisschen Blut, das in meinen Adern quoll. Die sorgsame Pflege meiner Freunde hatte mich jedoch im Schlafe geschützt, denn mein Serape und eine Büffelhaut lagen auf mir und wärmten mich ganz behäbig. Als ich erwachte fühlte ich meinen Körper bedeutend erstarkt, die ebenfalls munter gewordene Vernunft hatte das blinde Tappen meiner Fieberfantasie vollends zurückgedrängt. Dagegen trat der Gedanke an ein künftiges Glück, meine schönste Hoffnungsfreude wieder in den Vordergrund. Man sagt, das sicherste Zeichen einer tiefen Neigung ist, wenn sie dem Menschen beim Erwachen aus dem Schlafe alsobald sich vergegenwärtigt. Wenn dies jedoch auch während des Schlafes selbst geschieht? Wie wird das enden? Zum erstenmal im Leben begegnete mein abenteuerlicher Sinn dieser Frage. Sollte dies auch ein Symptom sein?
Ich blickte nach meinen Gefährten. Das Feuer war unzweifelhaft absichtlich verlöscht worden, auf daß die Flamme nicht in der Dunkelheit herumirrende Indianer herbeilocken sollte. Die Nacht war klar, wenn auch der Mond nicht leuchtete, denn über den schwarzen Umrissen der bewaldeten Sierra strahlte das Zodiakallicht im milden Glanze, weit überstrahlt vom Leuchten der Milchstraße und dem Sternenschimmer. Tiefer Friede lag auf dem Nocturno der Natur. Ich konnte die Gestalten der beiden Trapper und die Gruppe weidender Pferde bemerken. Einer schlief, der Andere wachte. Er hockte regungslos auf dem Boden wie eine Botija (hohes irdenes Gefäß), aber der kleine Funke, der in seinem Pfeifenkopfe wie ein Leuchtkäfer glühte, verkündigte seine Wachsamkeit. Es war Rube, der Trapper ohne Ohren.
Meine Ungeduld verlangte nach einer Erklärung.
— Rube, wie hast du mich entdeckt? frug ich leise den Trapper.
— Wir haben Ihre Spuren verfolgt.
— Von der Rancheria aus? —
— Nein. Bill und ich paßten im Chapperal. Es sollte ein Panther sich dort herumtreiben in einem Frack, der seine 30 Dollars werth. Da kam Ihre wilde Jagd als ob eine Rotte Cuguars hinter ihrem Mustang her wären. Ein braves Thier. Ich und Bill hatten sie gleich weg. Draußen hat man hundert Augen, daheim kaum Eines. Eine Pfeife Taback drauf sahen wir einen Quarteron (Sohn einer Mulatin und einer Weißen) herbeigaloppieren. Es war nicht Ihr Führer. Ich hab' s gesehen, wie dieser schuft Ihre Leute und die Vaqueros in schlechten Wind gelockt. Der Teufel pfeift einem süß, ehe er aufsizt. Der mexikanische Guaje (dummer Mensch) kam aus einer Hacienda unweit von dem nächsten Pueblo.
— Es ist meine Station, Rube — ich kenne auch die Hacienda, rief ich mit glühender Hast aus.
— Aha! — Nun beim Auskehren findt's sich's, was in der Stube g'stunken hat.
— Fahre fort, — rasch — Der Quarteron erzählte uns, daß seine Nisia (Tochter vom Hause), ich habe vergessen, ob sie Cuca, Concha oder Choucha (Abkürzung von den Mariennamen: Refugia, Concepcion und Maria de Jesus) heißt, sie in die Prairie geschickt um den verhexten Schimmel zu fangen. Der Bursche that sehr eilig und schien auch traurig. Er ritt gleich fort und bat uns sie aufzusuchen. Sein Pferd hinkte abscheulich. Es blutete auch. — Unweit der Hacienda ward es von einer Kugel am Fuße gestreift, sagte der Mexikaner. —
— Es war Garey, der mit diesen Worten seine Theilnahme an der Erzählung kundgab.
— Da ein Unterrock bei dieser Jagd im Spiel war, — fuhr Rube fort — so sagte ich gleich zu Bill: Bill, der brave Kapitän wird hinter diesem Pferd einen langen Galopp machen. Folgen wir ihm, er wird sich auf der großen Prairie verirren. Es ist nicht die größte Prairie in der Welt, aber der Teufel wohnt darin; man kommt leicht hinein, aber schwer heraus. Wir saßen bald im Sattel und folgten Ihrer Spur. Aber die Nacht kam dazwischen und am Morgen war die Fährte von dem Gußregen weggewaschen und wir brauchten ziemliche Zeit dazu, ehe wir an die Schlucht kamen. Nun sagte Bill, das Pferd ist hier herunter gesprungen und da führt die Fährte des Kapitäns in die Schlucht. — Bill, reich' mir die Flasche. Das Unglück kommt in Galopp einher und geht auf Krücken fort. — Nun wir wollten eben selbst in die Schlucht heruntersteigen, als wir Ihr Pferd ein tüchtiges Stück draußen auf der Prairie ohne Sattel und Zaum sahen. Wir ritten gerade auf dasselbe zu und als wir näher kamen, sahen wir etwas an der Erde gerade unter der Nase des Mustang. Dieses Etwas waren Sie selbst und der Bär, — es kam mir vor, wie ein paar schlafende Opossums. Aber Glück ist der Narren Vormund. Sie waren nur ohnmächtig, der Graue jedoch todt. Wir fingen nun an Sie wieder lebendig zu machen und -
— Aber das weiße Pferd, — der Schimmel?
— Bill pirschte ihn in der Schlucht an, die weitet unten durch hohe Mauer versperrt wird. Wir kennen dieses Teufelsloch. Herein gehts, hinaus nicht. Das Pferd mußte da sein. Was dem Marder entrinnt frißt des Fuchs. Bill versteht den Lasso zu werfen. Hat schon manchen Corral (eingefriedigten Raum, in welchem die Thiere eingeschlossen werben) besucht zum Aerger der Tamalfresser. Der Schimmel war sein, und da haben sie die ganze Geschichte.
— Und das Pferd, Kapitän, gehört Ihnen, — fügte Garey hinzu. Es ist schon so ein alter Gebrauch bei uns Trappern. Wer das Wild aufspürte und verfolgte, dem gehort's. Einer hilft dem Andern. Hätten sie den Schimmel nicht ganz müde geritten, so hätte ich ihn sicherlich nicht bekommen. Es ist ein herrliches Thier.
Man findet diese Trappers überall, wo die berüchtigte Herrschaft des weißen Menschen noch nicht vollends respektirt wird, wohin seine Gesetze und sein raffinierter Eigennutz noch nicht gedrungen. Die ganze Existenz der Trapper dreht sich um die Vertilgung der wilden Thiere. Sie erlegen den Büffel, den Hirsch und die Antilope, der Kleidung und Nahrung wegen, den Bären um auf seiner Decke zu schlafen, den Wolf aus Jagdlust, den Cuguar, Panther, Biber, um für Decke und Fell Pulver, Blei, Jacken, Flanellhemden, Garn zu Netzen und Whisky einzutauschen.
Die einen treibt pure Jagdlust und unabhängiger Freiheitsdrang, die andern irgend ein schwerer Konflikt mit den Gesetzen in die Prairien und Berge. Die Ersteren würden dies Leben in ungeregelter, zur wilden Lust gewordener unbegrenzter Freiheit nicht gegen die glänzendste Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft vertauschen. Es sind brave, aufopferungsfähige, edle Urmenschen, wie Rube und Garey. Von der zweiten Kategorie rede ich nicht, bei ihr ist die Gewinnsucht eine ebenso mächtige, scheußliche Triebfeber wie in der civilisirten Gesellschaft, und gewöhnlich bezahlt von zweien solcher Auswürflinge, die sich bei der Suche nach Biberbauen begegnen, einer mit dem Leben.
Das ganze Jahr hindurch in den Savannen, Wäldern und Gebirgen, haben Schnee, Frost, Hitze, Regen, Sturm und Entbehrungen aller Art ihre Glieder so abgehärtet, ihre Haut so verdichtet, wie die des Buffels, den sie jagen. Nur Stahl und Blei kann da noch durchdringen. Die stete Nothwendigkeit sich auf ihre Körperkraft zu verlassen, erzeugt in ihnen ein Selbstvertrauen, welches vor keiner Gefahr zurückbebt. Eine schärfe des Auges, eine Richtigkeit des Urtheils, von welcher der civilisirte Mensch sich kaum einen Begriff machen kann, kommt ihnen zu statten. In die wilde, unbegrenzte Natur hinausgeworfen, entwickelt sich ihr Verstand häufig auf eine so eigenthümliche, scharfsinnige Weise, wie ihn unsere Schulbildung, unser gesammtes Trachten und Wirken auf den breitgetretenen Weisheitspfaden niemals entwickeln können.
Meine beiden Freunde, welche das Handwerk des Krieges mit dem des Trappers vertauscht hatten, waren wieder auf dem Wege an dem neuen Felbzuge Theil zu nehmen. Die barbarische Behandlung, welche ihnen von einer Abtheilung der unter General Ampudbia stehenden Truppen zu Theil geworden, hatte ihren, Rachedurst furchtbar entflammt. Die Geschichte hatte sich in einer der mexikanischen Grenzstãdte Cohahuila's ereignet, wo man die Trapper unter einem geringfügigen Vorwande verhaftete und auspeitschte.
— »Ja,« sagte Rube — »und die Worte zischten schauerlich durch seine Zähne, »ja ausgepeitscht. Ein Trapper von einem verdammten, gelbhäutigen mexikanischen Affen ausgepeitscht. Zu viel zerreißt den Sack. Drum bei Zeiten auf den Zaun, so trocknen die Windeln. Ich schwör's, zwanzig Schufte müssen dran, es ist gerade die Anzahl Hiebe, welche sie mir gegeben. Auch Bill hat's geschworen. Da sind schon ihrer zwei. — sehen sie diese Büchse an.«
Es waren eine Menge von Kerben und Kreuzen an dem Schafte seines Stutzens zu sehen. An manchen Stellen dieses eigenthümlichen Jagdprotokolls liefen die Kerbe ihrer großen Menge wegen so ineinander, daß sie vielleicht auch bei voller Tageshelle nicht mehr zu zählen waren. Das waren lauter erlegte Büffel, Bären, Wölfe, Panther, Hirsche u. s. w. Allein unter der Bezeichnung red und withe underloppers (rothe und weiße Zwischenläufer) waren auch noch andere ganz sonderbare Einschnitte sichtbar. Ich wußte etwas von der Bedeutung dieser furchtbaren Hieroglyphen, es waren die Schriftzüge eines furchtbaren und blutigen Lebens.
Ich wendete die Augen ab und schwieg.
— Kapitän — keinen Irrthum — sagte Rube, der den fatalen Eindruck bemerkte, den die letzten Kapitel seines Tagebuches auf mich gemacht. »Ehrlicher Tausch ist kein Schelmenstück. Wir lieben ehrlichen Kampf, und tödten nicht um Gewinn. Man muß die Feste feiern, wie sie fallen. Aber Grausamkeit und Rohheit kennt der alte Rube nicht. Nothwehr ist ein bös' Ding. —
— Garey, du möchtest wohl in ein Jägerkorps eintreten? fragte ich nach einer Pause.
— Ja, aber Rube will's nicht. Ich hätte gerne unter Ihnen gedient, — antwortete der jüngere Trapper.
— Nichts da, rief der Andere entschieden, ich will für eigene Rechnung kämpfen. Ich bin mein ganzes Leben lang unabhängig gewesen und kann mich in das Soldatenspiel nicht finden. Wer zu empfindlich ist wird oft beleidigt. Wir können nun einmal nicht nach Vorschrift leben. Bill, wir machens auf eigene Faust mit?
— Wie, Junge?
— Das denk ich auch, alter Wolf, antwortete Garey mild, aber ich glaube wir würden unter dem Befehl des Kapitäns gut fahren. Er wird uns die Soldatengeschichten so leicht wie möglich machen. Nicht wahr, Kapitän?
— Die Disziplin bei uns ist nicht sehr streng. Wir sind freiwillige Jäger und unser Dienst ist ein anderer wie bei den regulären Truppen.
— Nutzt nichts, — ich kenne die Geschichten. — Nichts für ungut, Kapitän, — fiel Rube gleichsam entrüstet mir ins Wort. Es ist besser erhalten, als vorbehalten. Ich bleibe bei der Freiheit. Je näher dem Bein, desto süßer das Fleisch. Der Teufel hole den Sold und die Rationen, — hier stampfte der Alte mit der Büchse grimmig. auf den Wiesenboden — der Teufel hole die Amerikaner, ich kämpfe nur für die Rache. — Sehen sie, Kapitän — fuhr Rube in freundlicherer Stimmung fort — wenn ich auch keine Lust habe, einer von Ihren Burschen zu werden, so mochte ich doch —
— Nun Rube? —
— Daß sie Bill und mich bei sich bleiben oder Ihnen folgen lassen, wohin sie gehen. Ich brauche keine Rationen. — Ein Stück Wild wird sich in Mexiko noch überall finden. Und wenn keines da ist — es ist nicht so schlimm, es ist zu Etwas gut, — so können wir einen Mexikaner verzehren! Nicht wahr Bill? Nun, du Stinkkatze?
— Aufrichtig gesagt, wäre ein Stück Wildpret mir wohl lieber, als so ein Aasgeier meinte Garey — aber wenn's sein muß. —
— Rube, Garey — sagte ich, ihr bleibet bei mir ohne alle Bedingung.
— Hurrah, das schmeckt am besten. Bill! gib noch einen Schluck aus deiner Flasche her. Hurrah für Texas. Gib auch dem Kapitän den Brief, den dir der Bote aus der Hacienda gegeben.
— Einen Brief? — frug ich hastig.
— Ja. Ein zierlich gefaltetes Rosenblatt. Pure Morgenröthe, wenn sie in Garey's Tasche nicht einigen Bockgeruch erhalten. Der Bote hielt uns für redliche Leute und gab uns den Brief, falls er sie in der Prairie nicht treffen sollte. Die Hauptsache wußte er auswendig. — Vorsicht schadet nicht.
In diesem Augenblick fuhr ein kalter Luftstrom über die Prairie. Er verkündigte den Aufgang der Sonne. Ich sage dies nur darum, weil sie mir eben recht kam, um die feinen Schriftzüge Isolina's entziffern zu helfen. Das schreiben lautete.
Lieber Warsield.
Kehren sie rasch nach Ihrer Rancheria zurück. Ich bitte sie darum, ich will es. Vergessen sie schnell meinen indiskreten Wunsch. Wie konnten sie auch in Ihrer Stellung, umgeben von Feinden, daran denken ihn zu erfüllen? Oder wäre nur bloße Eitelkeit der Beweggrund gewesen? Das wäre traurig. Ich bin überhaupt sehr verdrießlich. Nennen sie es immerhin Laune. Ich habe so viele Untugenden, daß ich mich um ihre Benennung eigentlich gar nicht mehr bekümmere. Aber ein solcher Eifer beim Anfang soll gewöhnlich kühl enden. Ich glaube daß dies ebenfalls Rousseau sagt. Hat er Recht, so verdienen sie, daß ich keine Sylbe mehr hinzufüge. Vielleicht strafe ich mich dabei selbst. Jedenfalls ist dieses Billett eine Thorheit, allein kommen sie schnell zurück und verirren sie sich nicht in trügerischen Reflexionen über gewisse Widersprüche, das würde mir wehe thun, und vielleicht auch Ihnen. J.d.V.
Wenn auch tief, waren meine Wunden nicht gefährlich und schlossen sich bald in Folge der kauterisitenden Wirkung der lechuguilla. Ich konnte keine geschickteren Aerzte finden, als die beiden Trapper. Während ihres abenteuerlichen Lebens hatten sie eine tüchtige Praxis in der Medikasterei erlangt; ihnen und der Anwendung des Saftes der Pitapflanze verdankte ich die rasche Wiederkehr meiner Kräfte. Unterdessen sorgte Garey für die Küche und in der That waren Prairiehühner und frisches Wildpret selbst für einen Invaliden Lederbissen.
Nach drei Tagen war ich ich wieder stark genug zum Aufsitzen. Unser schöner Gefangener war noch immer so scheu wie ein Hirsch, allein mit einem soliden Lasso an die Sättel der Trapper befestigt, ließ er sich leicht führen.
Meine Absicht war, den Rio grande gerade oberhalb der Rancheria in der kürzesten Zeit zu erreichen.
Der Himmel war bleigrau, die Sonne unsichtbar. Ohne Führer am Firmament konnten wir leicht die Richtung verfehlen. Meine Trapper wußten sich jedoch zu helfen. sie steckten einen Baumast in die Erde, an dessen Spitze sie ein Stück Bärenhaut befestigten, welches Zeichen in der offenen Prairie noch in weiter Entfernung zu erkennen war. Unter dem Erkennungszeichen dieser Signalstangen, welche theilweise an die Brüche des Jägers erinnerten, ritten wir nach kurzer Rast, welche meine Rekonvalescenz noch bedingte, ungefähr 6 Stunden im Schritte fort, bis wir gerade vor uns, allein noch in weiter Entfernung ein Gehölz erblickten.
Mein Chronometer zeigte eben auf 12 Uhr Mittags, als wir die ersten Baumgruppen erreichten. Es war der reizendste Park, den wir vor Augen hatten, nur mangelte ihm Wasser, dessen unsere Thiere ebenso als wir selbst bedürftig waren. Keiner von uns besaß indeß Moses Wundergabe und so mußten wir wieder weiter, wo mir — wie Rube schwor — bald der Anblick eines Arroyo (Bach) zu Theil werden sollte, der irgendwo in den Rio grande mündet. Nachdem wir ungefähr eine lange, für mich schon sehr lästige Meile durch die Waldichtungen geritten waren, gelangten wir an den Rand einer Prairie von ansehnlicher Größe, die sich auffällig von jener unterschied, welche wir hinter uns gelassen hatten. Das Gras war sehr hoch und von der Sonnengluth des Sommers vollkommen trocken gebrannt, während die neu aufkeimende Pflanzenwelt auf dem Grunde kräftig im Schatten des alten Grases ausschoß.
Anstatt gerade über diese Prairie zu reiten, folgten wir dem Rande derselben und kamen nach kurzer Zeit am Ufer des Baches an, welcher die Prairie begrenzte.
Der Bach floß durch ein kleines, niedriges Thal inmitten grüner Grasflächen und Ulmengruppen. Dorthin trugen wir unsere Sättel und Decken und befestigten in der Nähe die Pferde, löschten unsern Durst und zündeten unser Lagerfeuer an. Es mangelte uns nichts als eine etwas weichere und saftigere Kost, denn unser einziger Fleischvorrath bestand aus einem, wenn auch ansehnlichen Stück gedörrten Fleisches vom grauen Bären, welches selbst einem Trappermagen sehr armselig und sohlenartig erschien.
Der Bach versprach Fische zu liefern. Obgleich Rube eine große Abneigung vor einem Fischdiner hatte, so waren wir andere doch der Meinung, daß es uns während seiner Pirsche gelingen müßte, eine Verschiedenheit in unser heutiges Menü zu bringen. Garey führte in seiner Jagdtasche Angel und Schnur, somit stand unserer Absicht nichts entgegen.
Wir hatten bereits eine gute Stunde ohne Erfolg gefischt, jegliche Köder versucht, ja sogar einige Stücke Goldschnur, die meine Uniform lieferte, als plötzlich der Knall der Büchse Rube's zu unseren Ohren drang. Offenbar war der Schuß auf der Prairie gefallen; wir eilten auf die Höhe, um zu sehen, welchen Erfolg der Schuß gehabt hatte. Rube befand sich allerdings auf der Prairie fast eine halbe Meile vom Lager. Ich sah durch das Glas seine Gestalt in einem Wald von Sonnenblumen, welche ihre großen goldenen Häupter hoch über ihn erhoben und deren lange Stengel mit schönen buntfarbigen Winden umrankt waren. Er bückte sich endlich an einer Stelle. Wir erblickten ihn nicht mehr, allein dagegen wußten wir, daß seine Jagd einen besseren Erfolg hatte.
Wir gingen ohne ein Wort zu wechseln, wieder zu unserer Lagerstätte, führten die Pferde zur Tränke und während Garey darauf beim Feuer einige Stäbe zum Braten des Wildprets zurecht machte, versuchte ich trotz des heranrückenden Sturmes die müden Augenlider zu schließen.
Ich mochte kaum 10 Minuten lang geschlafen haben, als es neben mir ertönte:
»Hollah, da geht's los.«
Ich blickte über mich, der Himmel war wie mit grauem Flor überzogen, wurde hinter mir trüber und dunkler und legte sich nach Westen hin ganz schwarz auf den Gesichtskreis der Prairie. Eiskalt lief es mir durch die Glieder, denn ich kannte das furchtbare Element, das sich mit dem Sturme gepaart hatte, und nun aus weiter Ferne sich zerstörend über dieses Grasmeer heranwälzen würde. Die Prairie stand in Flammen. Zwar sah ich noch nicht das Feuer selbst, aber die schwarzen Rauchwolken drängten sich schon dicht über einander fortrollend am Horizont herauf und der Sturm trug sie bald vor mir über die letzte blaue stelle des Himmels.
Für uns selbst und unsere Pferde hatten wir nichts zu fürchten, aber desto mehr für unsern Gefährten. Seine Lage erfüllte uns mit Besorgniß. Befand er sich noch an der Stelle, wo wir ihn gesehen hatten? So fragten wir uns im Nu gegenseitig. In diesem Falle befand er sich auf der Prairie in großer Gefahr und an ein Entkommen war fast nicht zu denken. Einen Rückzug zu Fuß nach der andern Seite der Prairie zu versuchen, wäre thöricht gewesen, denn der Rand derselben war drei Meilen entfernt. Selbst zu Pferde würde ihn die Flamme eingeholt haben.
Ich sah mich um; auf der ganzen weiten Fläche hinter mir lag es düster und dunkel, wie einbrechende Nacht, und unter den schwarzaufsteigenden Rauchwolken reckten die dunkelrothen, nach unten hellglühenden Flammen ihre langen Zungen daran hinauf und warfen ihr furchtbares Licht auf die Umrisse der wolligen Rauchsäulen. Die ganze Ebene schien lebendig zu werden; so weit das Auge reichte, waren einzelne fliehende Bewohner dieser Wildnis sichtbar, deren schwarze Gestalten mit einem Feuerschein umgeben waren und sich über die in der Gluth zitternde Fläche fortdrängten. Es war wie das Bild des jüngsten Gerichtes, das mir meine Phantasie oft gemalt hatte.
Eine Rückkehr in unser grünes Lager war nicht möglich, denn das Feuermeer, welches in mehreren Strömungen die Prairie durchzog, war bereits kaum 100 Schritte von uns entfernt. Ein dichter Aschenregen, die zischelnden und knisternden Flammen und der Rauch versperrten uns endlich die Aussicht auf die Prairie. Ein einziger Blick war uns noch gestattet. Es war ein schrecklicher. Rube befand sich noch auf dem Ort, wo wir ihn zuletzt sahen. Vielleicht hatte ihn das Bewußtsein, daß jeder Rettungsversuch mißlingen müßte, verhindert, einen solchen zu wagen. Vielleicht hatte er den Gedanken erfaßt, daß er eben so gut an dieser Stelle sterben könne, als auf der Flucht!
Gab es keine Hoffnung? Konnten wir keinen Versuch wagen ihn zu retten? War keine Möglichkeit vorhanden, daß er im Stande sein würde, einen Kreis um sich frei zu machen und eine Strecke abzubrennen, ehe die Feuerlawine herankam? Ein solches Mittel hat oft genützt, aber nein — nie auf einem solchen Boden. Die Pflanzen standen zu dicht und hoch — es konnte nicht geschehen, — Garey sagte, es sei unmöglich.
Es gab also keine Hoffnung. Der arme Rube war verloren, lebendig gebraten.
Noch fünf Minuten und dann war's aus. Der Feuerstrom mußte ihn bald erreichen, und der Tod, welchen diese furchtbare Feuerkohorte vorwärtstrug, war sicher wie die Kugeln des Karabiners oder der Hieb des scharfen Säbels. Hier und da zogen hohe Zungen, die plötzlich in die Höhe leckten, der Hauptlinie weit voraus als feurige Riesen mit rothen, ausgebreiteten Armen, als ob sie ihre Beute erfassen wollten. Ihr glühender Hauch berührte ihn bereits, noch eine Minute und er mußte umkommen. Keiner von uns sprach ein Wort, aber unsere Herzen schlugen hörbar, das meine wurde bitter bewegt, denn ich sah, daß mein Begleiter erschrecklich litt. Ich blickte zu seinem Auge auf; es bohrte starr und fest in einer einzigen Richtung, als ob es das Flammenmeer zertheilen wollte, das immer näher dem verhängnisvollen Punkte zuwogte. Eine einzige Thräne rollte über die wettergebräunte und wenig an solchen schmerzensthau gewohnte Wange hinab. Die breite Brust wogte schwer und krampfhaft und es war deutlich zu sehen, daß der Mann mit seinem Athem kämpfte.
Die Ungewißheit dauerte nicht lange, obgleich kein Todesschrei das Ende des Drama's verkündete. Wir hätten ihn freilich auch gar nicht gehört.
Die Flammen waren bereits über die Stelle hinaus, wo wir Rube zuletzt gesehen hatten, — weit darüber. Das unglückliche Opfer hatte vollendet.
Bis zu diesem Moment hatte Garey von der Verzweiflung gelähmt still und starr wie eine Bildsäule dagestanden.
Jetzt wo die Krise vorüber war und er die Gewißheit hatte, daß sein Kamerad umgekommen, erschlafften seine so lange angespannten Muskeln plötzlich — seine Arme sanken zu beiden Seiten herab, — die Thränen rollten rasch nacheinander über seine Wangen, er beugte den Kopf und rief mit dumpfer, heiserer Stimme:
Todt — er ist todt. Barmherziger Gott, er ist todt! Wir werden unsern armen, alten Rube niemals wiedersehen!
Meine Betrübniß war, wenn auch vielleicht minder tief, wie die meines Gefährten, dennoch eine sehr schmerzliche. Ich habe den alten Trapper unter seltsamen Umständen, bei Gefahren kennengelernt, welche die Herzen der Menschen enger an einander führen, wie gewöhnliche Lebensverhältnisse. Ich wußte, das trotz der Verwilderung seines Charalters, ich könnte hinzufügen, trotz seiner Verbrechen, sein durch die frühere Erziehung auf einen falschen Weg geführtes und durch spätere Umstände irre geleitetes Herz doch viele Tugenden besaß, die weit schwerer wiegen mochten, als jene Verdienste, welche die Civilisation mit Ehren und Würden bezahlt.
Die Bande zwischen Garey und Rube hatten freilich einen andern Charakter. Eine lange, unzertrennliche Kameradschaft, Jahre der gemeinsamen Ertragung eines Lebens von Beschwerden und Gefahren, gleiche Gedanken und Gewohnheiten, wenn vielleicht auch Charakter, Alter und Neigungen sehr verschieden waren, — dies Alles hatte die beiden Männer zu einem festen Freundschaftsbunde vereint. Um ihre eigene so ausdrucksvolle Phrase zu gebrauchen, sie waren an einander angefroren.
Ich konnte Garey keinen Trost bieten. Meine Augen waren eben so feucht wie die seinen.
»Kommen sie, Kapitän, — sagte er nach einer Pause. »Es nutzt nichts, wenn wir wie ein paar Squaws heulen. Es ist jetzt Alles vorbei. Wir wollen nach seinen Knochen sehen, und ihnen ein christliches Begräbniß geben.«
Es wurde wieder Tag und der Himmel blau über uns. Wir machten unsere Pferde los und ritten über die verbrannte Prairie hin. Die Hufe der Thiere warfen die glühende Asche auf, der Rauch wurde beschwerlich für unsere Augen und verhinderte uns, weit vor uns zu sehen. Aber wir verfolgten so gut wir konnten, den Weg nach dem Orte, wo der Trapper uns zuletzt erschienen.
Nahe dabei fielen unsere Augen auf eine dunkle Masse, welche auf der Erde lag. Wir konnten nicht recht erkennen, was es war, bis wir uns nur noch wenige Fuß davon befanden und selbst dann wurde es uns schwer, den Körper eines Büffels darin zu erblicken, obgleich es dies in Wirklichkeit war. Den hatte Rube erlegt. Wir konnten sehen, daß der Arme den Büffel fast abgedeckt hatte, denn die auf dem Rücken abgeschnittene Haut war am Rücken und von den Seiten zurückgeschlagen und hing mit der schweißigen Seite nach außen auf die Erde herab, so daß sie die untere Hälfte des Körpers verbarg. Die ganze Oberfläche war verkohlt.
Aber wo waren die Ueberreste des Jägers? Wir konnten sie nirgends in der Nähe erblicken. Der Rauch hatte sich hinlänglich verzogen, wir konnten mehrere hundert Schritte weit um uns überschauen, Gegenstände von geringer Größe, geröstete Schlangen, zahlreiche kleine Raubvögel waren jetzt auf der kahlen Fläche zu erkennen. Ja! Neben der Carcasse lag allerdings eine Masse, die unsere Aufmerksamkeit für einen Augenblick erregte: es war indeß nur der Aufbruch des Büffels, zum Theil, geschwärzt und halb gebraten.
Waren Rube's Knochen vollständig verbrannt, — verkalkt — in Asche verwandelt? Der dürre Körper des alten Trappers unterstützte eine solche Voraussetzung. Allein es war doch nicht wahrscheinlich, daß bloße Grasflammen sämmtliche Ueberreste in wenig Minuten wie ein Blatt Papier zu Asche verwandelt hätten. Unstreitig war Rube entflohen und sein verbrannter Leichnam mochte an einer andern Stelle zu finden sein.
»Nein,« sagte Garey mit einem tiefen Seufzer, »der arme alte Rube ist hier verbrannt. Es ist nicht so viel von ihm übrig geblieben, um damit eine Tabackspfeife stopfen zu können.«
»Eins nach dem Andern; so ißt der Farmer seine Wurst,« antwortete eine Stimme, bei deren Ton wir im Sattel zusammenfuhren. »Zum Teufel auch,« fuhr dieselbe wie aus der Tiefe kommend fort, »es ist noch genug von dem alten Rube übrig, um den Wanst dieses alten Büffels zu füllen. Wagh! Ich ersticke. Reiche mir deine Brante, Bill, und ziehe mich aus der Falle da.« Die herabhängende Haut des Büffels wurde zu unserem Erstaunen von einer unsichtbaren Hand erhoben und darunter erschien nicht Banquo's Geist, sondern die unverkennbare Physiognomie des ohrenlosen. Trappers.
Die Szene war so komisch, daß ihr Anblick im Verein mit der freudigen Reaktion unserer Gefühle, sowohl Garey als mich in ein krampfhaftes Lachen versetzte.
»Der Teufel hole euer Lachen,« rief Rube.
»Ich bin's. Die Kutte macht den Mönch nicht. Komm', Bill, Junge. Packe hier an und hilf mir. Das verdammte Loch ist nicht so groß, als es war, wie ich hineinkroch. Spute Dich. Ich bin mehr wie halb gebraten.«
Garey sprang jetzt vom Pferde, faßte seinen Kameraden an den Läufen und zog ihn aus der Büffelhöhle. Aber das Aussehen des alten Trappers, als er aufrecht, — roth, dampfend und schweißend vor uns stand, war in so hohem Grade burlesk, daß wir wieder in ein tobendes Gelächter ausbrachen.
Rube nahm von unserer Heiterkeit diesmal keine Notiz. Er bückte sich, holte seine lange Büchse von dem Orte hervor, wo er sie unter dem herabhängenden Felle in Sicherheit gebracht hatte, untersuchte sie sorgfältig und lehnte sie dann mit zufriedener Miene an die Hörner des Büffels, dann nahm er das Bowie aus dem Gürtel und fuhr ruhig fort die Haut abzudecken, als ob nichts geschehen sei, was die Operation unterbrochen hätte.
Offenbar war Rube wegen der Art und Weise, wie wir ihn wieder im Leben willkommen geheißen hatten, etwas ärgerlich gestimmt, denn er wich eine Zeit lang unsern Fragen mürrisch aus. Erst nachdem Garey ihm die Flasche reichte, glättete sich seine schweißende Stirne und nach einem tüchtigen Zuge kam auch seine Zunge in mittheilsame Stimmung.
»Ja, es verdirbt Keiner, er könne denn nicht rechnen. Glaubt ihr, ich hätte mich 40 Jahre lang umsonst mit grauen Bären und Indianern herumgeschlagen, um von einem so lumpigen Feuer wie das da, mir die Nase verbrennen zu lassen? Bill, reich mir noch einmal deine Flasche, in dem engen heißen Loch ist auch meine Zunge durstig geworden. Sie kommt mir wie ein Ladstock vor. So! — Nun als ich das Krautwerk brennen sah, wußte ich, daß es nichts nütze, wenn ich mich auf die Strümpfe mache, hätt' ich das Feuer eher gesehen, so wär's mir schon gelungen, zu entwischen. Aber ich war eben mit dem Aufbrechen und dem Abnehmen der Haut beschäftigt, und sah nicht eher etwas von dem Feuer, als bis ich das Knistern hörte. Dann war's schon zu spät. Ich brach schnell den Büffel vollends auf, machte das Loch der Noth wegen größer als wir es sonst zu thun pflegen, kroch in den fleischenen Sarg hinein und deckte mich mit dem abgenommenen Hautstück schön zu. Es war hohe Zeit, denn als ich den Kopf so ziemlich halb durch hatte, kam das Feuer gepfiffen und sengte mir fast die Ohren ab. Hi, hi, hi. — —
Rube pflegte gerne über seinen Ohrenmangel zu scherzen.
»Wagh!« fuhr der Trapper fort. »Wen man nicht jagt, der soll nicht laufen. — Es ging mir nicht ganz schlecht dort und draußen sah's weit ärger aus. Es brüllte und kreischte und heulte und zischte und das Kraut knisterte, wie eine Million Pferdepeitschen. Drinnen war's wohl auch etwas heiß, und ich wäre beinahe erstickt, aber sonst war's erträglich. Man muß die Feste feiern, wie sie fallen!«
Mit den besten Stücken des Büffels beladen, kehrten wir nach dem Lager zurück. Wir hatten an diesem Abend keine Ursache mit der Gastfreundschaft der Prairie unzufrieden zu sein.
Allein wie war das Prairie-Feuer entstanden? Weder der glimmende Pfropf aus Rube's Büchse noch unser Lagerfeuer konnten es veranlaßt haben, denn der Wind kam von der Prairie, und Garey sah es deutlich, wie die Feuerflammen auf mehreren Punkten einhergewälzt kamen, ehe sie sich in eine einzige furchtbare Masse vereinigt hatten. Auch Indianer konnten das Feuer nicht angelegt haben. Sie pflegen nur gegen das Frühjahr hin solches zu thun, und dann nie in solcher Weise.
Einige Büffelsteaks à l'indienne, von Garey's kunstgeübter Hand zubereitet, mit einem Schluck Chinguirito (Branntwein aus Zuckerrohr) bespült, bildeten ein ganz solides Frühstück, welches bis zur Heimkehr nach der Pueblita sicherlich jede Hungersnoth zurückweisen mußte. Dann wurde rasch gesattelt und der Heimweg eingeschlagen. Wir konnten höchstens 10 Meilen von meiner Station entfernt sein, denn kaum 1 Meile weit lag bereits auf unserem Wege der eigenthümliche hohe Erdhügel, den ich bei hellem Wetter von der Azotea des Alcalden in der nordwestlichen Richtung öfter erblickte.
Die seltsame Form des Prairie-Hügels und seine Isoliertheit hatten stets meine Neugierde erregt, ohne daß es mir bis jetzt möglich war, seine Bekanntschaft zu machen. Dieses Vergnügen sollte mir nun zu Theil werden.
Der Hügel hatte das Aussehen eines auf die Prairie gesetzten Riesenkasten. Aus der Ferne erschienen seine Hänge vollkommen vertikal, und der Gipfel ebenso wagrecht wie die Ebene worauf er stand. Die düstern, einer Brustwehr ähnlichen Streifen, nahe dem Gipfel zu, ließen einen Anwuchs von Gehölze erkennen, aber im hohen Grade phantastisch glitzerten die kreidigen, von Milchquarz und Selenit geschwängerten Abhänge, jenen schimmernden Felsenhügeln gleich, die in den wüsten, dürren Ebenen Tamaulipas und Cohahuilas nicht selten vorkommen, und von den Indianern als Werke früherer Riesengeschlechter betrachtet werden, während sie uns wilde Mährchen vom Goldberge versinnlichen.
Einige Meilen westlich von Altamira erhebt sich plötzlich auf einer Ebene, welche 100 Stunden im Umfang hat, ein pyramidaler Berg, der Cerro de Bernal de Magiscatzin, 3600 Fuß hoch über dem Meere. Ich habe diesen merkwürdigen Berg gesehen, allein er bot mir kein so hohes Interesse als dieser Mesa. Dieser Name deutet auf die flachen, tischähnlichen Gipfel, welcher derlei Hügel von anderen Erhöhungen am Rio Grande unterscheidet. Es schien mir als wäre hier der Mensch und nicht die Laune der Natur thätig gewesen. Als wir näher kamen, änderte sein Charakter etwas. Die viereckige, kastenartige Gestalt erschien weniger regelmäßig, man konnte schmale Vorsprünge an der Seite des Felsens hinlaufen sehen, hier und da wurden die rechtwinkeligen Linien gebrochen und auf allen Seiten erhob sich eine Steile Wand von 50 Fuß Höhe, die noch von Niemanden erstiegen worden war, wie meine ortskundigen Begleiter behaupteten.
Unsere Unterhaltung hatte aufgehört, wenigstens so weit ich in Betracht kam, da sich meine Gedanken theils mit einem andern Gegenstand theils mit dem herrlichen Charakter des üppig zunehmenden Pflanzenwuchses beschäftigten.
Plötzlich wurde ich durch die Stimme Gareyes aus meinen mehr oder minder harmlosen Grübeleien aufgerüttelt, welche nachdrücklich ausrief: »Indianer sind da!«
Ich bedurfte keiner weiteren Erklärung. Das Auge Garey's leitete mich; ich folgte der Richtung desselben und sah in der That eine Anzahl Reiter eben hinter dem Mesa hinausreiten und die Ebene gewinnen.
Wir saßen alle drei regungslos im Sattel und beobachteten dieses plötzliche Erscheinen. Jetzt waren zwölf Reiter hinter dem Mesa hervorgekommen und ritten gerade auf uns zu.
Die Distanz, welche uns von ihnen trennte, war noch immer groß genug, um ein richtiges Unterscheiden zwischen Weißen und Indianern zu erschweren. selbst auf die Hälfte dieser Entfernung gerathen die ältesten Trapper oder Vaqueros deshalb in Verlegenheit. Die Toilette ist oft nicht sehr unähnlich, auch verändern Sonnenbrand und Staub bekanntlich die Farbe. Wir blieben demnach eine Zeit lang noch im Zweifel, ob Garey richtig gerathen.
»Wenn es Indianer sind,« sagte Garey, »so sind es Comanches.«
»Und wenn es Comanches sind,« setzte Rube mit bedeutungsvollem Nachdruck hinzu, »so müssen wir kämpfen. Wer ungebeten zur Arbeit kommt, geht ungelohnt davon. Wagh! Auf's Kraut geschaut!«
Die Comanches hausen eigentlich am Red River, der sich in den Mississipi ergießt, allein dieses streitbare Reitervolk beunruhigt bis auf den heutigen Tag nicht allein die nördlichen Ansiedelungen von Texas, sondern auch die am Rio Grande gelegenen Staaten. sie theilen sich in Hauptzweige: Tuzamekes, Jupes, Jamparicas und Tenavas. Ueber ihre Herkunft haben sie keine bestimmte Vorstellung und das Einzige, was sie wissen, ist, daß ihre Vorfahren aus dem Norden kamen, daß ihnen später die Weißen ihre Weideplätze geraubt und daß sie sich an diesen rächen müssen. Ackerbau treiben sie nicht, und ihre Pferde und Maulthiere rauben sie den Mexikanern. Die Stämme stehen unter sich in freundschaftlichen Beziehungen, sprechen dieselbe Sprache und haben dieselben Zeichen. Meistens halten sie sich in kleinen Rancherias auf, die sie verlassen, sobald die Weide nicht mehr ergiebig ist. Ueber denselben stehen 7 Häuptlinge, welche meistens im Kriege sich ausgezeichnet haben oder im Pferdestehlen eine größere Fertigkeit als die Uebrigen besitzen. Ein höchstes Wesen verehren sie nicht. Unter sich ist Mord, Raub und Diebstahl eine Seltenheit. Ihr Hauptgeschäft besteht in der Pferde- und Maulthierzucht und sie treiben mit diesen einen ausgezeichneten Handel, und verschaffen sich aus dem Erlöse die nöthigen Geräthschaften und Waaren. Ihre Tracht ist einfach und besteht aus gegerbten Fellen. Sie haben keine Kopfbedeckung und bestreichen sich das Haar, das sie in Zöpfen gewunden lang tragen, mit Schlangenfett. Ihr Gesicht bemalen sie mit verschiedenen Farben, wobei roth, weiß und schwarz die hervorstechendsten sind. Vielweiberei herrscht nicht unter ihnen und die Frauen werden gegenseitig geachtet. Erlaubt sich eine Frau eine Untreue, so wird ihr die Nase aufgeschlitzt und der Verführer muß dem Manne als Ersatz ein Pferd und einige Pferdeschlingen geben. Die Mädchen leben mit den jungen Indianern vor der Verheirathung zusammen. Macht ein junger Indianer einem Mädchen den Hof, so streichelt er sie auf dem Nacken; Küsse, diesen zuweilen und unter Verhältnissen beseligenden Ausdruck des Gefühls, kennen sie nicht. Ist das Mädchen ihm geneigt, so läuft sie davon, auch die Comanchesdamen üben eine Gattung Koketterie, wie hier ersichtlich — und der Liebhaber ihr nach; erwischt er sie, was gewöhnlich der Fall sein soll, so — — — — — — und gibt ihr dann als Zeichen seiner innigen Zuneigung einen Tritt mit dem Fuße. Ländlich, sittlich.
Ziehen die Comanches zum Kriege aus, so umreitet der Häuptling den Wohnplatz, stimmt einen Gesang an, in welchem er die große Nation, zu der sie gehören, preist, und sie anspornt nicht müßig und unthätig zu bleiben. Des Abends versammeln sich sämmtliche Krieger, der Häuptling reicht die Kriegspfeife herum, und von dem, welcher aus ihr raucht, wird angenommen, daß er die Campagne mitmacht. Die Art und Weise, wie sie ihre Gefangenen opfern, ist wirklich kannibalisch. Die Gefangenen werden einem alten Brauche gemäß in der Regel den Frauen während 3 Tagen zur Tortur übergeben. Die Frauen verstehen sich bekanntlich überall am besten darauf, die Männer zu quälen. Freilich gibt es herrliche Ausnahmen. Die Comanchesweiber legen den Gefangenen mit dem Rücken auf die Erde und befestigen ihn an kleine Pfähle, so daß seine Arme und Beine weit ausgestreckt werden. Nachdem er den Tag über so gelegen, wird er Abends losgebunden und zum Tanze geführt, das heißt, man stellt ihn in einen Kreis, den seine Peiniger bilden; er muß tanzen und singen, während die Furien innerhalb des Kreises so lange auf ihn zuschlagen, bis sie ermüdet sind. Dasselbe gräßliche Schauspiel wiederholt sich an den beiden nächstfolgenden Tagen. Haben die Krieger in dem Kampfe viele der Ihrigen verloren, so binden sie den Unglücklichen an einen Baum, schneiden ihm, ohne die Arterien und Venen zu verletzen, das Fleisch vom Leibe und tödten ihn so langsam unter den gräßlichsten Schmerzen. Aus Rachsucht verzehren die Comanches manchmal auch ein Stück Fleisch des Hingeopferten. Derjenige, durch welchen das Opfer eingebracht wurde, erhält den Scalp (Kopfhaut), mit dem er sich schmückt.
Diese braunen Freibeuter standen eine Zeit lang mit den angloamerikanischen Kolonisten von Texas auf friedlichem Fuße. Es war nur ein kurzer, von Sam Houston im Jahre 1836 herbeigeführter Waffenstillstand, welcher bald wieder unter der minder friedlichen Präsidentschaft Mirabeau B. Lamar's 1838 gebrochen wurde. Der Krieg bis zum Westen ward erklärt und geführt, die Feindseligkeiten zwischen den englisch?amerikanischen Ansiedlern und Indianern wurden immer heftiger.
Wenn die Gereiztheit möglicherweise noch einer Vergrößerung fähig war, so war eben ein Umstand bekannt geworden, der dies bewirken konnte. Ein Comanchesstamm hatte dem Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee seine Dienste angeboten. Sie sagten: »Laßt uns an Eurer Seite kämpfen. Ihr seid Krieger, wir achten Euch. Wir wollen nur gegen die feigen Mexikaner kämpfen, welche unser Land geraubt haben. Wir kämpfen nur für Moctezuma!«
Diese Worte, welche an der ganzen nördlichen Grenze von Mexiko gesprochen wurden, haben eine tiefe Bedeutung.
Der amerikanische Befehlshaber lehnte das Bündnis ab, und die Folge hiervon war der bittere dreifache Krieg, den wir nun führten.
Waren daher die herankommenden Reiter Comanches, so hatte Rube ganz richtig gesagt: wir müßten kämpfen.
Nachdem wir dies wußten, nahmen wir ohne Zeitverlust eine Defensivstellung ein. Wir stiegen schnell von den Pferden, stellten uns zwischen dieselben, und erwarteten, was der Himmel uns beschieden.
Unsere Kriegsbereitschaft war bald geordnet, während die Reiter noch weit waren. Aber sie hatten sich regelmäßig formiert und ritten zu Zweien.
Das war offenbar keine indianische Taktik. Niemals marschieren die Indianer in doppelten Reihen. Wer waren also die Reiter?
Mein Geist wurde von einer plötzlichen Hoffnung erfüllt, daß es ein Theil meiner eigenen Leute sein könnte, die ausgegangen seien, mich zu suchen. Allein weder in meiner Truppe noch in der ganzen amerikanischen Armee gab es eine einzige Lanze. Die Reiter führten lange Lanzen mit flatternden Fähnchen. Aber es waren auch keine Comanches.
»Wagh«! — rief Rube, nachdem er aufmerksam die herannahende Kavalkade betrachtet hatte, »wenn das Indianer sind, so bin ich ein Erdfloh. Die Kerle tragen Bärte und Sombreros. Es sind nichts weiter als eine Bande gelbhäutiger Mexikaner und da sind sie.«
Wir hatten alle Drei die gleiche Meinung. Die Reiter waren Mexikaner. Diese Entdeckung brachte keine Veränderung in unserer Defensivstellung hervor. Ich wußte, daß eine so wie diese bewaffnete Bande Mexikaner nur feindselig, und zwar von bitterer Feindseligkeit beseelt sein könne. Der kleine Krieg war seit mehreren Wochen mit wüthendem Ingrimm geführt worden. Der neutrale Boden hatte schaudervolle Szenen der Wiedervergeltung und entsetzliche Rachethaten gesehen.
Eines befremdete mich. — Was konnte eine Guerillabande hierher geführt haben? Der neutrale Boden — der Schauplatz der Guerillaoperationen — lag zwischen den beiden Armeen, und wir befanden uns jetzt im nördlichen Westen Cohahuila's, also beinahe ganz von den Ansiedlungen entfernt. Andererseits hatte ich sichere Nachricht, daß die letzte Guerilla, die sich in dieser Gegend gezeigt, nach der Züchtigung, die ich ihr gegeben, in voller Auflösung nach Monterey geeilt war. Was mochte diese Lanziers, Guerilleros oder Räuber herausgelockt haben? Auf meine Truppe, die zehn Meilen von hier auf Vorposten stand, konnten diese paar Leute es doch nicht abgesehen haben? Das Einzige, was sie in der Nähe des Mesa antreffen konnten, war vielleicht eine Partie Comanches, und ich kannte die Mexikaner gut genug, um überzeugt zu sein, daß sie, gleichviel ob Freibeuter oder Soldaten, diese nicht aufsuchten.
Diese im raschen Schritt gemachten Reflexionen zogen durch meinen Geist, während wir die herankommende Mannschaft erforschten.
sie waren nunmehr eine Viertelmeile von unserer Stellung entfernt; anstatt jedoch gerade auf uns loszureiten, machten sie eine scharfe Wendung nach Westen. Ohne Zweifel wollten sie uns in den Rücken gelangen. Dieses Manöver brachte uns auf ihre Flanke und wir konnten nun deutlicher ihre Umrisse, Bekleidung und Bewaffnung erkennen. Fast Alle trugen breitkrämpige Sombreros, Jacken, Schärpen und Calzoneros. sie führten Lanzen, Lasso's, Säbel und Karabiner oder Eskopetas, die gewöhnlichen Waffen des mexikanischen Ranchero. Regelmäßige Truppen waren es nicht. sie mußten entweder Guerilleros oder echte Salteadores sein.
Sie waren fast im Halbkreis herumgeritten, wobei sie sich fortwährend in der nämlichen Entfernung hielten. Plötzlich machte der Trupp gegen uns Front und Halt.
Seit meiner Jugend an das Kriegshandwerk gefesselt und auch mit den Pfiffigkeiten der Guerilleros ziemlich vertraut, war es mir bei alledem ein Räthsel, was dies Manöver zu bedeuten habe.
Den Rückzug wollten sie uns nicht abschneiden, denn das Gehölz im Hintergrunde lag meilenweit entfernt, und der Umstand, daß wir schon vor geraumer Zeit eine Defensivstellung zu Fuße genommen, mochte sie wohl belehren, daß wir großentheils nicht so beritten waren, um einen derartigen Fluchtversuch machen zu können. Meinen Mustang und den Schimmel, den ich um keinen Preis aus der Hand gelassen hätte, würden sie wohl schwerlich erreicht haben, allein was wäre aus Rube und Garey geworden, deren Monturen zu einem Parforceritt fast gänzlich untauglich waren? Das erschien mir wohl klar, warum sie uns durch ihre Bewegung den Mesa offen ließen. Er lag eine halbe Meile von uns, und wir hätten ihn vielleicht durch einen scharfen Ritt erreichen können, aber es wuchs in dessen Nähe kein Baum, — nur der Gipfel war, wie schon gesagt, bewaldet — und seine schroffen Felsenwände konnten uns am Ende keinen größeren Vortheil darbieten, als die Ebene.
Rube löste das Räthsel: sie hatten zwischen uns und der Sonne Halt gemacht. Es war ein schlaues indianisches Manöver. Offenbar hatten wir es mit einem geriebenen Gegner zu thun. Denn näherten sie sich uns von dieser Gegend, so hatten sie entschieden ihren Vortheil vergrößert, da unser Visieren durch die Sonne, welche jetzt tief über dem Horizonte stand und uns gerade in die Augen schien, erschwert wurde.
Die Reiter bereiteten sich zum Angriff vor. Wir hatten keine Wahl als zu kämpfen. Als Offizier der amerikanischen Armee und als Gentleman mußte ich nur diese Alternative beachten. Anderseits hatten auch, so schien es mir meine Genossen Gründe, eine feige Transaktion zu fürchten. Zwölf gegen Drei war allerdings ein ungleiches Verhältniß, allein man kann sich die Zahl der Gegner nicht immer nach Wunsch und Billigkeit wählen. Außerdem war es nicht mein erstes Renkontre gegen eine bedeutende Uebermacht von Indianern sowohl wie Mexikanern, und am Ende ist es für den Soldaten ziemlich gleichgültig, in welcher Situation ihn ein Stück lauen oder kalten Eisen niederstreckt. Die Vorsehung hat ihn gütig bedacht: sie hat ihm den Tod auf dem Schlachfelde beschieden.
Eine genaue Prüfung unserer Vertheidigungsmittel gewährte uns die minder düstere Ueberzeugung, daß die Ungleichheit der Streitkräfte immerhin eine relative sein könnte. Jeder von uns war seines Schußes sicher und es handelte sich also bloß darum, ob die Gegner dasselbe Selbstvertrauen besitzen. War dieß nicht der Fall, so drohte uns nur ein Angriff von 9 Reitern und dann mußte es sich zeigen, welche Wirkung mein sechsläufiger Revolver — auch Garey besaß einen ähnlichen — und Rube's Schnelligkeit beim Laden hervorbringen würden.
— »Und die Bowie's zum Konfekt« meinte Rube, als wir mit dem Kalkül fertig waren.
Wir bildeten ein Carre — mit unseren Pferden! Es waren ihrer 4, unsern Ladinos, das goldene Vließ, das ich auf der Prairie erobern sollte, mit eingerechnet. Garey, der wie ein Comanche ritt, hatte den herrlichen Schimmel schon ziemlich lenksam gemacht, und der Schatten eines Lasso machte es so gefügig wie ein Lamm. Es ist dies eine Eigenthümlichkeit der wilden Pferde sowohl in den Ranchos als in den Prairien Mexikos, daß sie außerordentlich rasch gezähmt werden und selten ausschlagen.
Die vier Pferde wurden Kopf an Kopf und »Rasch die Knoten und Lasso's gelöst, und auf zu Pferde,« rief ich meinen beiden Genossen zu.
Die durch den Anblick dieses neuen Feindes ohne Zweifel demoralisierten Guerilla's hatten nur einen kurzen Halt gemacht. Sie schwenkten nun wieder links ab und flohen zwischen den beiden Reiterkolonnen in die Ebene hinaus.
Ich versuchte in der höchsten Aufregung die störrigen Knoten mit den Zähnen zu zermalmen. Es war umsonst.
Als die Comanches sahen, daß die Mexikaner eine andere Richtung eingeschlagen, manövrierten sie in der Diagonale, um ihnen den Rückzug abzuschneiden, während die schon ziemlich nahe herangekommenen Jäger eine ähnliche Bewegung gemacht. Die Indianer und meine Leute flogen jetzt im Winkel auf einander zu. Wahrend ich mit fieberhafter Ungeduld beschäftigt war mit Nägeln und Bowiemessern die gordischen Knoten zu lösen, hörten wir den Zusammenstoß der feindlichen Trupps, vernahmen den Kriegsruf der Comanches, der sich mit dem Geschrei der Jäger vereinigte, wir hörten das einladende Krachen unserer Karabiner, den scharfen Knall unserer Revolver, das Klirren der Säbelklingen auf Lanzenschäften. Endlich saß ich auf meinem Moro, und stürmte im scharfen Rennen nach dem Schlachtfeld zu. Gegen Süden floh die Guerilla, im Westen galoppierten Reiter einzeln oder in zerstreuten Gruppen davon, aber das Hurrahgeschrei welches vom Kampfplatz ertönte, verkündete mir, daß meine braven Leute gesiegt.
»Es ist vorüber, Kapitän, — rief Wheatley mir entgegen. — »Gott sei Dank, daß wir sie wieder haben.« —
»Kapitän, — ich habe lange Zeit keinen so freudigen Augenblick erlebt, als in diesem Moment, wo ich sie wiedersehe —« fügte Hollingsworth mit ernster Rührung hinzu.
»Ein Hurrah für den Kapitän,« — ertönte es aus den Reihen meiner Tirailleurs, — welche Aufforderung alsofort den aufrichtigsten Anklang gefunden.
Der indianische Kriegsruf schien den Guerilleros die Waffen aus den Händen gezaubert zu haben, denn da, wo sie sich zuerst getheilt hatten, war der Boden mit Karabinern, Escopetas und Lanzen ziemlich besäet. Indeß hatte nicht nur den Mexikanern, sondern auch den Comanches der Zusammenstoß bedeutende Verluste gebracht. Fünf von den Guerilleros und die doppelte Zahl von Comanches lagen todt auf der Ebene. Auch meine Truppe hatte 10 Verwundete und den Verlust von zwei tapfern Jägern zu beklagen. Die Revolvers meiner Leute hatten die Schlacht zu unsern Gunsten entschieden.
Das Uebrige der Sache war, während wir unsere Pferde versorgten und uns ebenfalls stärkten, bald erklärt.
Hollingsworth wurde von einem Vaquero benachrichtigt, daß eine Guerilla die Prairie durchstreife, wohin ich den Jagdzug unternommen, und daß ich mich bereits als Gefangener in ihren Händen befinden müsse. Von dem Vaquero geführt, war Hollingsworth mit 50 Mann rasch nach dem Mesa geritten — wo die Guerilla wahrscheinlich — aus den Gründen, die der Vaquero nicht mittheilen wollte, — lagere. Meine Leute hatten den Hügel umritten, um ihr Erscheinen so lange als möglich vor dem Feinde zu verbergen und waren fast in seine Nähe gerückt, als der Schlachtruf der Comanches zu ihren Ohren drang und sie auf die fliehende Bande trafen. Da sie wußten, daß aus jener Gegend nur Feinde heranrücken konnten, so richteten sie ihr Feuer gegen die herankommenden Reiter, galoppierten dann vorwärts und befanden sich den bemalten Kriegern vom Red River gegenüber, die eben, — wie wir von einem verwundeten Comanche erfuhren — auf einem Streifzug nach einer mexikanischen Grenzstadt begriffen waren und en passant die silberbeschlagenen Sättel, die karierten Serape's, die Mangas, Waffen oder endlich einige Onzas oder eine Hand voll Medios der mexikanischen Guerilleros mitsichnehmen wollten. Die Ueberraschung der Jäger sowohl, wie der Indianer, gereichte der leider viel zu wenig gezüchtigten Guerilla zum Heil, welche das rasch engagierte Scharmützel in die angenehme Lage versetzte, davongalopieren zu können.
Die Gefährten meiner jüngsten Abenteuer waren nun mit den Pferden ebenfalls herbeigekommen und wurden von manchem der Jäger als alte Bekannte und mit allerhand liebesnährenden Spenden begrüßt. sie ritten später mit uns der Rancheria zu, und freuten sich in Gesellschaft so wackerer und aufgeweckter Krieger dem Drang ihres Herzens folgen zu können. Holingsworth blieb mit einer Abtheilung Jäger auf dem Schlachtfelde zurück, um die Beute aufzulesen und unsere unglücklichen Kameraden sammt den übrigen Todten zu begraben. Ich schaute einen Augenblick lang nach ihm hin, denn seine Beschäftigung schien Wheatley, der neben mir ritt, äußerst seltsam. Holingsworth drehte nämlich die Leichen der Mexikaner um und suchte unstreitig einen Feind, der meines Erachtens nicht auf dem Kampfplatz geblieben war.
— Wheatley, was gibt es Neues? —
— Große Neuigkeiten, Kapitän! Es scheint, als ob die Schreiber uns auf falscher Fährte wähnen. Das glaubt wenigstens Präsident Polk. Man meint, wir würden Mexiko auf dieser Linie nicht erreichen und wir sollen daher Alle abgerufen und in einem tiefer unten am Meerbusen gelegenen Hafen eingeschifft werden.
— Wheatley, das ist in der That eine große Neuigkeit.
— »Mir gefällt sie gar nicht«, fuhr der Lieutenant fort, »und um so weniger, seitdem das Gerücht geht, daß der alte »D'rauf und D'ran« zurückgerufen und der Gamaschenknopf Scott das Oberkommando übernehmen werde; das wäre ein schlechtes Benehmen gegenüber dem alten Veteranen (Taylor), der doch nur allein die Sache auf die Beine brachte. Sie fürchten dort in dem Quäkernest, daß er das nächste Mal für die Präsidentschaft auftreten könnte. Der Teufel hole diese Philisterpolitik! Beim Jupiter, ich meine, es ist eine erbärmliche Schande, ich sage, es ist abscheulich.
Ich begriff, warum der neue Feldzugsplan die Mißlaune meines Lieutenants erregte. Von der langen Weile des Garnisonsleben gepeinigt, hatte er sich auf die Erforschung seiner Annehmlichkeiten geworfen und verbrachte bereits seine Mußestunden recht angenehm in der Gesellschaft Cuca's (Abkürzung des Weib. Heiligenvornamens Refugia), der drallen, schwarzäugigen Tochter des Alcalde, und ich hatte das zärtliche Paar schon öfter wider Willen bei seinem verliebten Geplauder oder in dem Bestreben gestört, die rasche Polka auf dem ernsten Baum der spanischen Contradansa zu pfropfen. Die Rancheria mit ihren Adobshütten und schmutzigen Gäßchen war in den Augen des Texaners eine Stadt voll vergoldeter Paläste, und jeder Liebesblick Cuca's eine Anweisung auf 1000 Fanegas Mais, welche zu Zeiten auch mit 12 Dollars bezahlt wird. Kurz, Wheatley war ganz im Zuge, den Kriegerstand gegen den Nährstand vertauschen zu wollen.
Noch war kein Befehl gekommen, welcher das Picket zurückrief, aber mein Lieutenant glaubte, daß das Lagergerücht begründet sei und daß wir eine solche böse Ordre jeden Augenblick erwarten durften.
Was sagte man von mir während meiner Abwesenheit? fragte ich.
— Nichts, kein Wort, wenigstens im Hauptquartier und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie noch nicht als vermißt gemeldet sind.
— Gibt es sonst keine Neuigkeiten, Wheatley? frug ich mit möglichst gleichgültiger Miene.
— Nein, lautete die Antwort. — Doch ja, — dem Alcalde wurden zwei Maulthiere gestohlen und seine Tochter hat einen ihrer schönen Zähne verloren. —
Wir ritten ein Paar Minuten schweigend weiter. — Wheatley war in der That unausstehlich. —
— Wheatley, haben wir keinen Besuch auf unserem Posten gehabt? Jemanden aus dem Lager?!
— Keine Seele, antwortete er, und versank wieder in ein boshaftes Schweigen.
— Durchaus keinen Besuch? — Hat Niemand — ich ärgerte mich bereits über dieses diplomatische Anschleichen — nach mir gefragt!
— Nein, — antwortete er mit einer förmlichen Leichenbittermiene. — »O halt, o, ach, ja wirklich«, setzte er sich verbessernd hinzu und mit einen kennbaren Absichtlichkeit —« ja, Kapitän, es ist wirklich nach Ihnen gefragt worden!« — Von wem? — entgegnete ich gähnend, während Wheatley das Pochen meines Herzens hören konnte.
— Nun, das kann ich gerade nicht sagen, antwortete der Lieutenant in scherzhaftem Tone, aber es scheint Jemand gewaltig unruhig um Ihretwillen zu sein. Ein mexikanischer Groom ist etwas weniger als eine Million Mal hin und hergelaufen. Es ist ein verschwiegener Bursche, er will nicht sagen, wer ihn ambassadirte oder was er will, er fragt nur, ob denn Kapitän Warfield noch immer nicht zurückgekehrt wäre, und sieht sehr niedergeschlagen aus, wenn er mit einem Nein den Weg nach der Hacienda einschlägt. Wir hätten den Groom als Spion arretieren können, — fuhr Wheatley im Tone ruhiger Ironie fort, — aber wir glaubten, daß er von einem ihrer Freunde geschickt sein könnte.
Ich hatte meinen Lieutenant öfter mit des Alcalden Cuca geneckt, jetzt übte er Wiedervergeltung aus. Sonderbar, daß selbst die vernünftigsten Menschen keine Ahnung davon haben, daß sie mit ähnlichen dergleichen nur das Herz vor Freude schwellen machen.
Nach kurzer Zeit fielen meine Augen auf einen glänzenden Gegenstand; es war die vergoldete Wetterfahne der kleinen Kapelle und darunter leuchteten die von dem milden Lichte des Mondes überströmten weißen Mauern der Hacienda. Mein Herz wogte von seltsamen Gefühlen, als ich auf das wohlbekannte Haus blickte und an die Bewohnerin desselben dachte. schlief sie, träumte sie — wovon — von wem träumte sie?
Ueber den Rand des östlichen Himmels zog eben ein matter Purpurschein, als wir unsere joyssuss entrée in die Rancheria hielten. Meine Nerven waren von den jüngsten Ereignissen, von manchen wüsten, trostlosen Bildern derart abgespannt, daß mein todtmüder Körper kaum das nöthige Bad erwarten konnte, um dann im langen Schlummer die Sorgen, Befürchtungen und Szenen der letzten Tage zu vergessen.
Ich mochte vielleicht 12 Stunden geschlafen haben. Für einen Soldaten vielleicht zu viel, allein dafür hatte die außergewöhnliche Siesta die erwünschteste Wirkung, und gab sowohl meinem Körper wie meinem Geiste ihre Kraft wieder. Ich erwachte voll Gesundheit und Hoffnung. Hoffnung? — — Ja, wunderbare Blumenbilder kamen heraufgeschwommen aus der Tiefe meiner Seele, und dufteten und leuchteten und verschwanden wieder —!
Ich öffnete die Thüre, die zu dem Zimmer meines Dieners führte. Der Bursche saß mit Rube bei einer ungeheuren Schüssel Atole (Maisbrei), neben welcher eine Botija (ein hohes irdenes Gefäß) stand, und schien die Pflichten der Gastfreundschaft schon leidlich erfüllt zu haben.
»Guten Morgen Rube, wie gefällt Ihnen das Leben hier?«
»Noch passabel, Kapitän,« antwortete der Trapper. »Jedes Holz hat seinen Wurm und jedes Mehl seine Kleie.
»Ist das Quartier in Ordnung? Hat John für Alles sorge getragen?«
»Alles prompt. Aber ich fürchte, es wird mir hier unter den Greasern bekommen, wie dem Hunde das Gras.«
»Es geht nicht anders. Rube, Ihr müßt eine Zeitlang an meiner Seite bleiben. Erprobte Freunde sind das schönste Geschenk, welches die Vorsehung uns beschieden. Die Prairie wird auch nicht davongehen.«
»Nun, ich werd's wohl eine Weile aushalten. Honig essen ist gesund; zu viel macht sp . . . «
»Wo ist Garey?«
»Im Dienst. Er reitet den verd . . . Schimmel zu.«
»John,« sagte ich zu meinem Diener, »Garey und Rube sind meine Gäste und sehr werthe Gäste. Also aufgepaßt!«
»Nun Kapitän, kein Huhn scharret umsonst, wir werden uns schon das Bisschen Leben verdienen. Wenigstens an Wild soll es nicht fehlen; — dort neben der Hacienda.«
»Kapitän,« — John fiel plötzlich hier dem Trapper in die Rede — »der Groom, welcher alle Tage sich nach Ihrer Rückkehr erkundigte, war heute wieder da. Kaum erfuhr er Ihre Ankunft, so galoppierte er auch schon auf dem Mustang davon, als ob den alten Hacendado der Schlag gerührt hätte.«
»Mit guten Nachbarn hebt man den Zaun auf,« bemerkte Rube, »ich gratuliere Kapitän, der Eine schlägt 'nen Nagel ein, der Andere hängt den Hut daran.«
Toilette und Frühstück waren bald überwunden und die Cigarre im Munde stieg ich zu meinem Lieblingsaufenthalt auf die Terrasse hinauf.
Die nahe gelegene Reitbahn, wo Garey den Schimmel abrichtete, war von einer ansehnlichen Menschenmenge umgeben. Die Jäger, die Pueblanos, einige Vaqueros, Weiber und Mädchen, die indianischen Höckrinen, mürrische Leperos, ja selbst der Tendero (Kleinhändler) der Rancheria, welcher nur selten seine Pulperia (Spezereiladen, wo auch Getränke verkauft werden) verließ, standen umher und betrachteten den prächtigen Ladino mit bewundernden Augen.
In der neuen Metamorphose gewährte das herrliche Thier noch einen weit entzückenderen Anblick. Garey, der das Beschlagen der Pferde wie ein arabischer Hufschmied verstand, hatte den Schimmelhengst mit leichten Eisen beschlagen, und zwar ohne Hindernisse, indem er ihm eine Bremse mit einem mit Erde gefüllten Freßbeutel anlegte. Es war ein wirkliches Racepferd, wie vielleicht in der ganzen amerikanischen Armee kein zweites vorhanden. Der Hengst hatte kurze, bewegliche Ohren, starke aber feine Knochen, fleischlose Wangen, weite Nasenlöcher, einen wundervollen Hals, die Brust gewölbt, das Widerrist vorspringend, kräftige Nierenpartie und Flanken, gerundeten Leib und Kruppe, kurz es war ein herrliches Geschenk und einer Königin würdig.
»Tausend Dollars unter Brüdern werth,« meinte Wheatley, den Dienstgeschäfte auf die Azotea führten.
Daran habe ich in der That nicht gedacht, obgleich diese Summe mir manche Annehmlichkeiten emporzaubern konnte. Auch Kavallerie-Offiziere sind menschlichen Schwachheiten unterworfen.
Anfänglich hegte ich die Idee, mit meiner Trophäe nach der Hacienda zu reiten und selbe mit eigener Hand der reizenden Herrin zu übergeben. Dieser Vorsatz, den das Herz erdacht, ward bei reiflicher Ueberlegung verworfen. Mein Besuch konnte die Familie kompromittieren, denn Enthusiasmus und Fremdenhaß loderten immer heftiger auf Seite der Mexikaner und eben in diesen Tagen mußte es in der Hacienda von Menschen wimmeln, da das wichtigste Fest im Jahre, der Herrardero, herangerückt war[4]. Meine Anwesenheit dort mußte auffallen. Ein amerikanischer Offizier auf Besuch in einer mexikanischen Hacienda, diese welterschütternde Begebenheit wäre vom Rio del Norte bis nach Chiapas (der südlichste Staat Mexiko's) gedrungen, und hätte den Besitzer derselben sammt seiner Tochter beim Abzuge unserer Truppen dem Pöbelpatriotismus überliefert.
Ich mußte auch noch andere Rücksichten beobachten. Meine rauhen Jäger waren Männer von scharfem Verstande. John hatte in seinem Rapport über meine inneren Angelegenheiten unwillkürlich einige Andeutungen fallen gelassen, die mich deutlich belehrten, daß die Jäger sämmtlich ahnten, warum ich in die Prairie geritten. Die dramatische Tournüre, welche dieser Ritt erhalten, die ziemlich durchsichtige mexikanische Intervention, welche die Jäger auf meine gefährliche Lage aufmerksam gemacht, dann die öfteren Erkundigungen aus der Hacienda, hatten ohne Zweifel der Neugierde bedeutende Anhaltspunkte zu einer bestimmten Voraussetzung geliefert, die ich nicht gelten lassen wollte. Auch die kleine Cuca, welche bezüglich des nunmehr um zwei Personen vermehrten Hausstandes meine Willensmeinung einzuholen kam, machte ernstlich Miene, mich mit der schönen Nisia der Hacienda nach Weiberart necken und vertrauliche Mittheilungen anregen zu wollen. Da indeß die einzige Konfidenz, welche man der diskretesten Dame machen kann, darin besteht, daß man sie schön findet, so hüllte sich die niedliche Cuca bald in ihren Rabozo und trollte etwas verstimmt von dannen. Ein Mann macht sich immer lächerlich, der seine geheimsten Gefühle auf den Markt trägt, oder damit von Freund zu Freund hausieren geht. Echte Liebe ist eine so zarte Blume, daß sie schon Kolorit und Wohlgeruch verliert, wenn ein zweiter daran riecht. Wer seine Liebe vor den Menschen nicht verheimlichen kann, dessen Gefühl ist nichts weiter als pure Sinnlichkeit.
Allein ein Plan mußte gefaßt werden. Er war's und sollte noch heute zur Ausführung kommen.
Mein treuer John hatte vor Jahren den Beruf gefühlt, sein Glück auf den Brettern zu versuchen. Nach längerem Herumtreiben in verschiedenen Musentempeln vertauschte er die Illusion mit der Wirklichkeit und wurde Soldat. so viel mußte er dem Schauspielerthum abgelernt haben, um einen Reiterkapitän bis zur Unkenntlichleit in einen Lepero verwandeln zu können, dem die Mission nach der Hacienda anvertraut wurde.
Jacke und der große mexikanische Hut, Calzoneros, Caloncillos, Schärpe und Seraps waren herbeigeschafft, im Uebrigen that John wirklich das Möglichste. Meine Maske war so gelungen, daß mich sogar mein treuer Snodgraß anbellte.
Den sechsläufigen Revolver in der Tasche schlich ich in meiner Vermummung gegen Abend durch eine Hinterpforte in's Freie, wo ungefähr 1000 schritte von der Rancheria Garey mit dem Schimmelhengst im Wäldchen meiner harrte. Der in einen Zaum verwandelte Lasso war dem Thiere bereits um den Kopf gelegt und in wenigen Minuten stand ich vor der Pforte der Hacienda.
Sie war geöffnet. Ringsherum herrschte reges Leben. Rinder und Pferde wurden herumgejagt von zahlreichen Peons und Vaqueros, die alsobald alle herbeikamen, um das prachtvolle Roß mit aufgesperrten Mäulern zu begaffen.
»Ich soll das Pferd der Nisia (Tochter des Hauses) übergeben,« sagte ich zum Thorwächter.
»Maria santissima, welch' schönes Pferd!« tönte es im Chor neben mir.
»Hörst du Compadre (Gevatter) — der Nina?« fügte ich mahnend hinzu.
»Der Teufel ist dein Compadre — Bozal! (rohes Pferd),« erwiderte pikiert der Cerberus.
Maria santissima, welch' schönes Pferd!« kreischte wieder die Galerie.
»Ich soll das Pferd der Nisia übergeben, alte Stinkkatze, hörst du — sonst kehre ich um.«
— »Maria santissima, welch' schönes Pferd.«
»Stinkkatze du selbst,« entgegnete der Wächter, wüthend auf mich eindringend und schreiend: »Um der heiligen Jungfrau willen, welche ohne Sünde empfangen worden, schlagt den Lepero nieder.«
Im Nu pfiff aber ein Huf des Schimmels an der Nase des Cabron, der eine Klafter weit zurückprallte und ein halb Dutzend Peons mit sich zu Boden riß.
Die Lage schien offenbar den Charakter einer Szene anzunehmen. Der ergrimmte Thorwächter und die lädierten Peons hatten sich nämlich kaum von ihrer Niederlage erholt, als sie auch schon Miene machten, dieselbe handgreiflich zu rächen.
Eine Katastrophe war unter solchen Verhältnissen unvermeidlich. Ich tröstete mich, sie wenigstens nicht herbeigezogen zu haben, und griff ruhig in die Tasche nach meinem Revolver.
In diesem Moment erblickte ich eine bekannte Arabeske über dem Haupte des Thorwächters, die über seinen Kopf herabfiel, am Halse sich zusammenpreßte, und den Mann selbst pustend und stöhnend zu Boden stürzen.
Isolina ließ ihn die Annehmlichkeiten des Lasso verkosten.
Sie war's, begleitet von ihrem Vater.
Die Peons stürzten erschrocken zu ihren Heerden.
Der Thorwächter röchelte erbärmlich.
»Mach' ihn los,« herrschte die Doña einem Peon zu.
Sie war reizend, obgleich etwas angegriffen. War es die Sorge um — — Mein Herz pochte, sie mußte es hören.
»Was ist's mit dem Pferde,« frug der Señor.
»Ein wunder — wunderherrliches Thier. schöner wie mein Lola,« rief Isolina ganz in Betrachtung des Schimmels versunken. »Welche Formen! — welche noble Haltung! —«
»Ich küsse Ihre Füße,« antwortete ich im erzwungenen Bariton. — »Ein Caballero, der neulich das Pferd der Nina erschossen, sendet mich hierher mit diesem da und er bittet, es für das unglücklicherweise von ihm getödtete anzunehmen, da es ohnedies auf Eurer Prairie gefangen wurde.«
Ich hatte mich bis jetzt auch nicht im Geringsten um die Ausdehnung des Besitzthumes von Isolina's Vater bekümmert, und konnte daher ohne Gewissensbisse diese katastralische Sünde begehen.
Isolina's Aufmerksamkeit war schon bei meiner in Mexiko sehr gebräuchlichen Eingangsphrase rasch von dem Pferde abgelenkt worden. Es kam mir vor, als erwache sie wie aus einem dämmernden Traume; ihre schönen Wangen wurden bald blaß, bald roth und sie betrachtete mich so dringend mit ihren großen verwunderten Augen, und schüttelte voll Ungeduld die wallend schwarzen Locken, daß mir schon bange wurde, ob ich nicht in Anwesenheit des diplomatischen Papas über mein Inkognito straucheln werde.
»Ja — ich weiß,« antwortete sie erröthend und mit zufriedenem Lächeln, »es war ein Mißverständniß der Tod meiner Lola, der Caballero ist nicht so böse, wie ich glaubte. — sage du ihm — «
Dieses Du wurde so absichtlich akzentuiert, daß es mich vom Scheitel bis zur Sohle durchzuckte.
»Daß ich den Tausch mit Vergnügen eingehe, ja, daß ich dem Caballero sehr dankbar bin.«
Papa schien einige Einwendungen machen zu wollen, deren Tragweite ich nicht zu beurtheilen vermochte, weil der Dialog in aztekischer Sprache geführt wurde. Allem Anschein nach hatte die reizende Beherrscherin der Domäne den Sieg davongetragen. 1
Don Ramon zuckte gleichgültig mit den Achseln und trippelte einige Schritte zurück, um den Schimmelhengst aus der üblichen Entfernung zu betrachten.
»Ja — ich sag's dir noch einmal,« sagte die Graziengestalt mit zurückgehaltenem Lächeln, daß mich die Aufmerksamkeit des Caballero recht sehr erfreut hat und —« hier blickte sie verstohlen nach dem Papa — »daß ich mein ganzes Leben hindurch sehr traurig gewesen, hätte er bei der sehr gefährlichen Jagd einen Unfall erlitten.«
Die letzteren Worte wurden sehr leise gesprochen, denn Don Ramon hatte den unglücklichen Gedanken gefaßt, dem Schimmelhengst schmeicheln zu wollen.
»Bist Du aus der Rancheria?« frug Isolina mit schalkhaftem Blick.
»Nein,« versetzte ich, »ich bin ein armer Arriero (Maulthiertreibery aus El Paso del Norte und kam zufällig heute in die Rancheria, wo mich der Caballero gedungen, das Pferd, hierher zu bringen.« — Ich biß mich in die Lippen, um nicht zu lachen.
Don Ramon war unausstehlich. Er wollte durchaus nicht das Pferd auch von der anderen Seite betrachten.
»Du sprichst das Spanische nicht ganz genau,« bemerkte Isolina mit sarkastischem Lächeln.
»Ich lebte seit meiner Jugend in den vereinigten Staaten.«
»Bist du verheiratet?« Diese Frage wurde mit einer mich empörenden Gleichgültigkeit gestellt, während Isolina die diamantenen Halsknöpfe ihres schwarzseidenen Kleides enthäckelte. Es war allerdings sehr schwül und die mexikanischen Frauen halten es nicht lange in zugemachten Kleidern aus.
»Ja, Doña,« entgegnete ich mit fester Stimme, »ich bin verehelicht und habe zehn Kinder.«
Die zwei schweigenden Blumen, welche wie weise Poesie hervorleuchteten, waren wieder verschwunden, allein auch das Lächeln auf dem göttermäßigen Antlitz.
Der Schimmelhengst wurde unruhig.
Don Ramon ließ einen gellenden Pfiff erschallen. Zwei Vaqueros kamen herbeigeeilt. sie führten das Pferd in den Hofraum.
Isolina schien verdrießlich gestimmt. Sie starrte geraume Zeit wie in Gedanken verloren, auf eine verwelkte Agave, bis sie endlich von Don Ramon de Vargas aufgefordert wurde, nach der Hacienda zu gehen. Diese Mahnung schien sie nicht zu erfreuen, denn die schönen Locken wurden wieder in jener Weise geschüttelt, wie die Frauen es zu thun pflegen, wenn sie irgend einen trüben Gedanken loswerden wollen. Trotzdem war gleich darauf die Sonne auf ihrem Antlitz wieder aufgegangen und das Lächeln auf die Rosenlippen zurückgekehrt, aber jenes schalkhaft-kokette Lächeln, dessen Anblick mir immer beinahe das Herz durchsägte.
Sie verlangte vom Vater die reichlich bevölkerte Geldbörse.
Die Situation wurde höchst anziehend.
Mit innerer Bewegung aber noch immer das sardonische Lächeln auf den feinen Lippen trat sie ganz vor mich hin, und reichte mir eine Hand voll Onzas.
»Doña, ich bin bereits bezahlt worden,« bemerkte ich lachend, indem ich die schöne Hand sanft zurückstieß.
»Schon? —« versetzte sie schalkhaft. »Ich glaube es nicht. Nun so schenke ich dieses Geld deinen — wie viele Kinder sagtest du —« Ihr Antlitz strahlte wieder im heitersten Sonnenglanze.
»Hija meneate« (Tochter, spute dich), rief der Alte.
»Zweihundert, Isolina,« antwortete ich leise.
— »Maria santissima! so viel Onzas habe ich nicht,« — sagte sie mit unbeschreiblicher Anmuth, allein da nimm. sie zog einen Ring vom Finger und reichte mir ihn.
Ich nahm ihn und ihre Hand, die ich mit Küssen bedeckte.
— Hija meneate — schrie wieder Don Ramon de Vargas.
— »Meinen herzlichsten — herzlichsten Dank« — sprach Isolina tief bewegt. Eine Thräne — ich wußte sie nicht zu deuten schlängelte sich über die stolzgeschwungenen Formen des antiken Gesichtes. In diesem Moment ertönte ein schriller Pfiff. Unsere Hände trennten sich und ich blicke nach der Hacienda.
An einem Fenster war das Gesicht Rafael Ijurra's zu erkennen gewesen. Auch Isolina hatte es erblickt.
Dämonische Gedanken krampften sich in mein Gehirn, und ich schaute wild dem Weibe in's Antlitz, dessen Dankgefühl so eben mein Herz erwärmt hatte.
Sie war leichenblaß.
Hija meneate — rief Don Ramon mit höchster Ungeduld.
Ich stürzte fort, — dreißig Schritte hinter der Hacienda flog ein Pfeil neben mir vorüber. In wenig Minuten war ich bei Garey und auf dem Wege nach der Rancheria.
Rafael Ijurra sollte mir nicht mehr entkommen. Meinen Weisungen zufolge konnte ich die Hacienda bis auf den letzten Stein zerstören lassen und jegliche Maßnahmen gegen den Besitzer und die Bewohner derselben in Ausübung bringen. sie diente unzweifelhaft dem Feinde als zeitweiliger Schlupfwinkel, den Guerrilleros als Vereinigungspunkt. Barg sie nicht einen der gefährlichsten Gegner unseres Banners, der aus diesem Bau wie ein Fuchs um unsere Vorpostenkette herumschlich, jegliche Bewegungen des Armeekorps auskundschaftend und unter gegebenen Verhältnissen unser Piket jeden Augenblick bedrohen konnte? Rache und Pflicht waren ein hinlänglich weiter Mantel um alles Nebensächliche zu decken. Kein Mensch konnte meine schritte gegen das tückische Nest mißdeuten. —
Nur Isolina! — —
Mein Blut stürmte furchtbar durch die Adern! -
Isolina? — Wohnt sie nicht mit dem feigen Meuchelmörder unter einem Dache? Athmet sie nicht dieselbe Luft mit ihm dem — Feinde unserer Sache? Hat sie nicht mit mir nur eine brutale Komödie gespielt, um durch seine Hand mich in's Verderben zu stürzen? Welche Rücksichten kann die gleißnerische Ochsenprinzessin von mir anfordern? —
Rachedurst und gekränkte Eitelkeit sind freilich in ähnlichen Lagen schlechte Richter.
Eine andere Stimme bekämpfte die in mir tobende Trunkenheit der Leidenschaft. sie sprach: Ijurra ist ein naher Verwandter des Hauses. Der bankerotte, landläufige Schuft konnte trotz seiner entschieden feindseligen Gesinnung gegen euch, die er als Spion, Freubeuter und Meuchelmörder offenkundig bethätigte, trotz seiner sittlichen Verkommenheit im Hause des Onkels immerhin ein Asyl beanspruchen. Vom Standpunkt der Ritterlichkeit hast du kein Recht nach den geheimen Fäden dieser verwandtschaftlichen Beziehungen und deren Ausdehnung gewaltsam zu forschen. Isolina fürchtet Ijurra. Nun wohlan! Wo die Furcht herrscht, hauset die Liebe nicht. Sie hatte dir wirkliche Theilnahme bewiesen, ja sogar mehr; der herrliche Sonnenstrahl, der dir aus ihrem innersten Herzen zeitweise entgegenglühte, ihre Warnung, die heutige Haltung unmittelbar vor der Erscheinung Ijurra's bürgen dafür.«
Wie verführerisch klingt doch die Logik der Selbsttäuschung! Wie glitzert und flimmert sie gar, wenn sie den Pikör der Eitelkeit macht!
Und weiter sangen diese Sirenen, daß Isolina's herrliche Gestalt auch eine edle Seele berge, daß sie ungeachtet ihrer Manie frivol zu scheinen — diese Spezialität ohne Konsequenzen ist schon einmal den Amazonen eigen — mich nicht aus purem Zeitvertreih — agacirte — daß ihr männlicher Charakter in mir des Mannes Ernst erkannte, der kleine bloße Liebelei ein Garnisonsbedürfniß — in die Szene setzen wollte, daß sie einen ihr widerwärtigen Druck nur um ihres Vaters Willen, des doppelzüngigen Hacendado, ertrage, Ijurra verabscheue und nur mich -
Es sollte noch ein Punkt in Erwähnung kommen. An diesen hatte ich jedoch nur einen Augenblick lang geglaubt. Isolina war viel zu geistreich, um aus exaltiertem Patriotismus die abgeschmackte Rolle einer Art Judith gegenüber einem so unbedeutenden Holofernes — einem simplen Reiterkapitän, am Rio Bravo del Norte zu improvisieren.
Mein Blick fiel auf Isolina's Ring, den ich in der Aufregung zu einem Knäuel gepreßt hatte. Wie grell leuchteten meine Gefühle und dieses zerknitterte Kleinod einander entgegen!
Die Schlacht blieb vor der Hand unentschieden. Die nächsten Tage sollten jedoch alle Zweifel lösen.
Jedenfalls hätte übrigens auch der Sieg der pazifizirenden Partei einen Entschluß keineswegs beseitigen dürfen. Die Pflicht gebot mir, Holingsworth mit einer Anzahl Jäger nach der Hacienda zu entsenden. Das Signalement Ijurra's war mit Flammenschrift in seinem Gedächtniß eingegraben, — und der hätte ihn sicher gefunden. Ich verwarf einen solchen Gedanken eben so rasch als ich ihn erfaßte. Mein Stolz, mächtiger als die Pflicht, empörte sich gegen jede auffällige Gewaltmaßregel. Ich war nicht in die Reihen der amerikanischen Armee getreten um bei Gelegenheit auch Schergendienste zu verrichten. Demungeachtet sollte Ijurra mir nicht entkommen.
Es gibt nichts Lächerlicheres als zur schau gestellte Eifersucht, zumal, wenn man noch nicht einmal dazu berechtigt ist. Eine militärische Durchsuchung der Hacienda, mochte sie auch vom Standpunkt der Politik erklärlich scheinen, hätte mich immerhin bei Isolina in obigem Kolorit erscheinen lassen. sie sollte diesen Triumph nicht haben.
Am folgenden Tage wurde die heilige Jungfrau von Guadalupe in der Rancheria gefeiert. Schon am frühen Morgen erschallten die Glockentöne und die Klänge der Jaranas (eine Gattung Guitarre). Die Poblanas erschienen in ihren buntesten Anzügen, die Indianerinnen in hellen Naguas mit rothen Wollenfäden in dem schwarzen Haare, die Bewohner der Rancho's (Bauernhöfe) und der Rancheria strömten auf den Plaza und nächst der Kirche begannen Frommgläubige schon frühzeitig sich wegen der bevorstehenden Prozession zu ordnen. Von der Azotea aus gewahrte ich zahlreiche Menschengruppen, die nach und nach aus dem großen Thor der Hacienda traten und ihren Weg nach der Rancheria einschlugen. Es waren die Vaqueros und Peons des Hacendado, die zur Kirche zogen.
Ob sie wohl auch kommen wird? — Nach einer Viertelstunde bemerkte ich, daß das Thor wieder geschlossen wurde. Ich hätte Isolina frömmer gewünscht.
Die Prozession begann. Ein Theil Meiner Jäger ritt voran; dann folgte die Volksmasse in Reih und Glied geordnet, dann der Priester mit dem Allerheiligsten in den Händen und hinter ihm mehrere vielfarbig bemalte Leute, in sonderbare Kleider vermummt, auf deren schultern die braune heilige Jungfrau von Guadalupe thronte.
Ich wunderte mich, daß die Herrenleute der Hacienda nicht auch zum Gottesdienst gekommen waren. sollten Don Ramon und seine Tochter sich noch immer als Spanier fühlen?[5]
Die kleine Cuca unterbrach meine Morgenpromenade. Sie brachte mir in einer sehr unfreundlichen Stimmung mein Frühstück und zugleich die Meldung, daß zwei Indianerinnen mit Körben im Vorzimmer harrten, und nach dem Kapitän fragen.
»Woher kommen sie und was wollen sie?«
»So frug ich auch,« entgegnete die Tochter des Alcalden giftig, »allein mögen sie das schwarze Erbrechen bekommen. Stellen sie sich vor Kapitän, was diese Chichimekenkatzen (Chichimeken ist ein Indianerstamm im nördlichen Mexiko) mir geantwortet haben.«
»Nun?«
»Ich möchte mir den Rebozo über der Mund ziehen und nicht um Dinge fragen, die mich nichts angehen.«
Unten in meiner bescheidenen Behausung angelangt, erblickte ich in der That zwei auffallend gekleidete und hübsche Indianerinnen, von denen die eine mir ein Billett übergab, während die andere alsofort die Foulards, mit welchen die Körbe zugedeckt waren, wegnahm, und den Inhalt derselben auf die eben zur Hand gelegenen Räumlichkeiten auskramte.
Beim Anblick von Isolina's Schriftzügen lief mir Etwas ganz sonderbar durch's ganze Blut. Ich stürzte in mein Zimmer und öffnete dort in einer Aufregung, die ich selbst in der ersten Schlacht nicht verspürte, das zierlich gefaltete Schreiben und las:
Kapitän, vergessen sie was gestern vorgefallen. Ich bitte sie dringend darum. Ich konnte die ganze Nacht kein Auge schließen, vor Schmerz über die schändliche That. Der arme Vaquero! Wie freundlich geruhte er mir eben in das dankbare Auge zu blicken, als das abscheuliche Fenster — —. Apropos, wie konnten sie sich nur so schlecht maskieren. Ich habe sie gleich beim ersten Blick erkannt. Sie verdienen gar nicht daß ich Ihnen dieses Geständniß mache. — So im Zorne fortzustürmen! — Als ob ich eine Cascabel (Klapperschlange) wäre! Die Luft ist rein. Papa sendet dem Kapitän aus Dankbarkeit für das prächtige Pferd einige Kistchen Zigarren. Papa meint, es wären die besten, welche auf seiner Besitzung der Havanna erzeugt werden. Ich kann es nicht behaupten, weil ich gar nichts liebe, was im Rauch aufgeht. Notieren sie dieß. Die Geldsumme ist für die Leute bestimmt, welche den Schimmel — ich habe ihn Trotzkopf getauft — vor bösen Menschen gehütet. Den Teppich habe ich für sie gestickt, während sie auf den Trotzkopf jagten. Er ist kein Meisterstück, da ich stets lieber auf dem Pferde als beim Stickrahmen saß. Wenn sie aber Ihre Füße darauf setzen, so werden sie vielleicht sich erinnern, daß man Damen, die Ihnen wohlwollen, nicht mit zornigem Antlitz und ohne Abschied den Rücken kehrt. Sie sahen ja aus, als ob sie die Eifersucht erfunden hätten! — Kapitän, bessern sie sich, sonst geht aus Gram in ein Kloster
Ihre
ergebenste Dienerin
Isolina de Vargas.
P. S. Morgen um 12 Uhr bin ich auf der kleinen Lichtung, auf dem Gipfel des Chapparal, wo das Kreuz errichtet ist. Um die Konversation Ihnen zu erleichtern, sende ich Ihnen — ich lese auch englisch — Shakespeare's Othello. Wir wollen mit einigen Abänderungen die zweite Szene des vierten Aktes rezitiren. Sie beginnen bei der Stelle: Täubchen, komm' hierher! — Meine Rolle weiß ich bereits auswendig. Nur mit dem fünften Akt verschonen sie mich. Der kam mit immer sehr langweilig und unnatürlich vor.
Um halb zwölf Uhr sah ich den Schimmel mit einer Reiterin auf dem Rücken durch das Thor der Hacienda kommen und schnell den Hügel hinabreiten. Eine Minute später verbarg das dichte Laub der Platanen die scharlachrothe Manga Isolina's und den »Trotzkopf« meinen Blicken.
Ich bemerkte, daß sie am Rande des Waldes einen Augenblick hielt, und aufmerksam nach dem Dorfe blickte.
Mein Moro war gesattelt. Rasch eilte ich von der Plaza an dem Yuccaranchos vorüber und spornte, als ich das Freie erreichte, mein Pferd zum Galopp an. Der Weg führte am Fluße hinauf durch eine dicht mit Gummibäumen und Silberpappeln bedeckte Niederung. Diese waren von der seltsamen Tillandsia überzogen, deren Silberguirlanden sich von einem Zweige zum anderen zogen, und reizende Waldgänge bildeten. Ich kam bald am Fuße des Hügels an, auf welchem die Hacienda stand, verließ dort die Hauptstraße und folgte einem um die Anhöhe führenden Reitpfade. Ein paar hundert Schritte brachten mich an die Stelle, wo ich die scharlachrothe Manga zuletzt bemerkt hatte. Jetzt leiteten mich die Hufspuren des Schimmels und ich betrat auf seiner Fährte den Wald.
Sie folgte eine Zeit lang einem vielbesuchten Wege, aber plötzlich verließ sie diese und bog in eine dicht bewaldete Niederung, wo es keine Spur vom Pfade gab. Ich behielt die Fährte im Auge und ritt ihr nach.
Als ich weiter kam, wurde das Gehölz immer dichter. Das Unterholz von Arundinaria und Sabalpalmen versperrte den Weg und hinderte mich am sehen; unten hemmten hervorragende Wurzeln einen raschern Ritt; während mich weiter oben das Geflecht von Lianen, Bambus, Sasaparilla und riesigen Weinranken zwangen mich im Sattel zu bücken, um darunter hinwegzukommen.
Die Hufspur war verloren und erst nach vielem Herumreiten durch das Netzwerk des Rohres und der Lianen gelang es mir die Richtung zu erblicken, wo der Hügel lag. Ich kam in einen Wald, der hier und da mit Lichtungen abwechselte. Wiederum traten die Laubbäume hervor und ringsum wuchsen viele schöne Formen der Inga, Akazie und Mimose. Auch die Myrthe mischte ihr Laub mit den wilden Zitronen und ihre Aeste waren von blühenden Schlingpflanzen umwunden.
Es war ein wilder Blumengarten und die Luft mit lieblichem Duft erfüllt, während hell, sanft und melodisch die Musik der Vögel ertönte.
Ich war in der Nähe des Gipfels angekommen. Ich sah die Lichtung auf allen Seiten von blühenden Wäldern umringt. Es war ein herrlicher Fleck Erde, der vollständige Heimlichkeit und Ruhe bot. Geschah es absichtlich, daß Isolina eben diesen poetischen und Verträglichkeit erweckenden Ort gewählt?
Sie saß im Sattel und schien sich am Gesang der Vögel, dem Summen der Bienen und dem Duften der Blumen zu erfreuen. Zuweilen zog sie ihre Uhr aus dem Busen und schaute eifrig über die Gipfel der niedrigeren Bäume nach der Ebene.
In wenig Minuten rief eine melodische Stimme:
»Hola! Quien vive!«
Ich stand meiner schönen Brunette gegenüber.
Reizender habe ich Isolina noch nie gesehen. Mit 50 solchen Reiterinnen würde man die Welt erobern können. Aber auch das Aeußere war entzückend schön. Das war keine heutige europäische Amazonentracht, deren Geschmacklosigkeit selbst das schönste Weib verunziert! Es war ein Bild, welches einen Maler unsterblich machen konnte. — Isolina trug ein mit Lilabändern geschmücktes und nach oben ausgeschnittenes Kleid von perlgrauer Seide, lang genug, um die Schickllichkeit selbst beim raschen Galopp zu versöhnen, obgleich der schöne in weiße Atlasbottinen gehüllte Fuß sichtlich bestrebt war, seine Freiheit geltend zu machen. Ein schwarzes Spitzentuch, mit einer diamantenen Agraffe befestigt, schützte die schneeweißen Schultern vor den boshaften Sonnenstrahlen. Die freie, wogende Lockenfülle, ein Federhütchen à la Louis XV., von welchem ein grüner Schleier faltig und frei auf die scharlachrothe und goldgestickte Manga niederfiel, fleischfarbige Stolphandschuhe und eine elegante Reitgerte harmonierten in der anziehendsten Weise mit dem ganzen herrlichen Wesen der schönen Reiterin.
»Warfield, sei auf deiner Huth,« flüsterte eine warnende Stimme mir zu. Ich bedurfte dieser Warnung nicht. In meinem Innern wachte das Bewußtsein, daß die bevorstehende Unterredung von tief ernster Bedeutung für mein ganzes zukünftiges Leben sein werde.
»Buenos dias, cavallero,« sagte Isolina, mit zaubervollem Lächeln mir die Hand reichend. »Ich erwartete sie schon lange. Wissen sie, Kapitän, daß meine grandiose Eitelkeit sich eigentlich sehr verletzt fühlen sollte; die Dame zuerst beim Stelldichein, das ist in der That sehr demüthigend.«
»Entschuldigen sie, Señorita,« versetzte ich mit höflichem Ernst, »ich habe mich verirrt. Es scheint, als ob solches Mißgeschick mir seit einiger Zeit vom Schicksal beschieden wird.«
Isolina betrachtete mich mit großen verwunderten Augen.
»Por Dios! Kapitän. sie sehen ja aus wie eine gespannte Pistole, oder als ob Ihnen der Oberbefehl über die amerlkanische Armee soeben anvertraut worden wäre. Gestern waren sie noch so liebenswürdig, so freundlich, bevor —
»Señorita, ich bedaure sehr, Ihnen gestehen zu müssen, daß ich in einer viel zu ernsten Stimmung bin, um Ihre frivole Heiterkeit theilen zu können,« bemerkte ich kalt.
Isolina schaute mich neuerdings so sonderbar an. Mir war zu Muthe, als ob ich plötzlich in dem heftigsten Kugelregen stünde. Doch was hat diese steigende Röthe auf ihrem edlen Antlitz zu bedeuten?
Es war eine furchtbare Pause. Sie schien offenbar gewaltsam mit einem Gedanken zu kämpfen.
»Kapitän!« sagte sie endlich mit bebender stimme, jedoch Stolz auf mich blickend, indem sie den einen Stolphandschuh wieder über die Hand zog, »Ich habe diese Zusammenkunft gesucht, um Ihnen Manches zu sagen, was mir am Herzen lag. Neben meinem Danke für Ihre ritterliche Freundlichkeit wollte ich auch Ihre Verzeihung erbitten, daß ich sie um eines barocken, ja ich will ganz offen sprechen, um eines unbesonnenen Wunsches willen, in Gefahren gestürzt habe, die niemals aus meiner Erinnerung schwinden werden. Ich hatte ferner dieses Rendezvous — sie lächelte bitter — auch benützen wollen, um über den gestrigen Vorfall zu sprechen. sie kommen aber mit Zorn im Auge und ungalanten Worten auf den Lippen. Ich werde demnach ein andermal Ihre Zeit in Anspruch nehmen. Adios.«
Mit einem Satz stand mein Moro als Barriere vor dem Schimmel.
»Isolina! ich muß dringend mit Ihnen sprechen, ich lasse sie nicht von der Stelle,« rief ich in ungeheurer Aufregung.
»Kapitän, Ihr Mustang kann das Schicksal meiner Lola theilen, wenn er mir noch einmal den Weg versperrt,« entgegnete sie mit Leidenschaft, aber demungeachtet mit eisiger Kälte.
Sie hatte nach dem Revolver gegriffen, der in einem Lederüberzug am Sattelknopf befestigt war.
»In solchem Falle werden wir unsere Konversation, Señorita, zu Fuße führen müssen,« versetzte ich kaltblütig. Ich hatte bereits auch meinen Revolver in der Hand.
»Kapitän, ich bin ein Weib. Wissen sie, was sie dem schulden?« herrschte Isolina mir hocherzürnt zu.
»Ich weiß es, Señorita,« erwiderte ich, den Aufruhr im Innern mit größter Anstrengung unterdrückend. »Aber es können auch Fälle eintreten, wo das Weib auf die von der Sitte und der Ritterlichkeit ihr zugesprochenen Rücksichten Verzicht leisten muß, wenn es mit der Ruhe und dem Leben eines ehrlichen Mannes muthwillig, ja sogar unweiblich gespielt, wenn —
»Por Dios! Warfield,« fiel Isolina mit ihrer ätzenden Ironie ein, »sie fallen aus der Rolle. Beginnen sie die Szene doch verständig, sie haben zuerst zu sagen:
»Laß' mich Dein Auge seh'n! sieh' mir in's Gesicht!« Darauf muß Desdemona sagen: »Gott, was willst Du denn?«
»Ich verlange ein offenes, aufrichtiges Wort von Ihnen, Señorita, und kein Puppenspiel,« sagte ich in heftiger Aufregung.
Dem Verlangen, Kapitän, willfahre ich nicht. Der Bitte vielleicht,« entgegnete Isolina entschieden.
»Señorita, die Lage ist sehr ernst. Ich mahne sie an ihre Pflicht. Ich verlange Offenheit — ich — bitte sie darum!«
»Was bedeutet dieser Blick, den sie mir zugeworfen und dessen Strahlen sich über meine Seele ergossen, gleich einem langen Lichtstreif, den der Mond über das nächtliche Meer dahin gießt, wenn er aus dem Wolkendunkel hervortritt und sich schnell wieder dahin verbirgt.«
»Ein solches Rendezvous,« sprach sie mißmuthig lächelnd, ist im hohen Grade pikant. Maria santissima! Ich werde diese Gruppe zu zeichnen versuchen. Romeo und Julie mit dem Revolver in der Hand! Kapitän, ich gratuliere Ihrer zukünftigen Gattin. Sie müssen ein wahres Urbild von einem zärtlichen und höflichen Ehemann werden. Doch darf ich wissen, welche Pflicht sie von mir verlangen?«
»Isolina, affektieren sie nicht einen Hohn, der wenigstens keinen Bezug auf mich haben kann. Geben sie mir Wahrheit.«
»Por Dios, Warfield,« rief sie lachend aus, »sie werden immer liebenswürdiger. — soll ich Ihnen vielleicht sagen, daß ich in sie verliebt gewesen?«
»Señorita,« versetzte ich gereizt, die Frauen glauben oft zu lieben, selbst wenn dies nicht der Fall ist. Die Beschäftigung mit einer Intrigue, die Emozion, welche die Galanterie dem Geiste gewährt, der natürliche Hang zu dem Vergnügen, geliebt zu werden, malen ihnen häufig das Vorhandensein einer Leidenschaft vor, während im Grunde Alles nur bloße Koketterie gewesen. Sie sehen, Isolina, daß ich selbst Ihren Scherz nicht zu meinem Vortheil auslegen will.«
»Sie sind sehr aufrichtig, Warfield,« erwiderte Isolina kaltblütig, »und ich danke Ihnen dafür.« Stolz und Ironie spielten um ihre Lippen.
»Ich glaube sogar selbst,« fuhr sie lächelnd fort, »daß ich kokett bin. Man hat mich verzärtelt. Wir sind aber Alle sündige Menschen. Meine Gouvernante, es war eine gescheidte Frau, meinte indeß, daß die Männer öfter die Frau, welche ihnen gefällt, kokett nennen, wenn es den liebenswürdigen Herren nicht gelungen war, deren Herz zu bezwingen. Kapitän, ich beneide sie ebenso wenig um Ihre Erfahrungen, als ich meine Gouvernante um ihre Maximen beneidete.«
»Isolina, ich sprach nur im Allgemeinen und nicht — «
»Entschuldigen sie sich nicht, Kapitän. Ich weiß, das sind noch Reminiszenzen aus der ersten Zeit unserer Bekanntschaft. Ich dachte, sie haben diese banalen Weisheitssprüche schon längst mir zu Liebe in die Gosse geworfen, wohin sie gehören.«
Die letzten Worte klangen so wehmüthig aus Isolina's Munde, daß ich nur mit Gewalt mich beherrschen konnte.
»Nun, Kapitän, was wünschen sie von Isolina de Vargas?« frug sie mit einem Ernste, der mir wie eine Schlange über den Rücken zog.
Ich sah auf den herrlichen Zügen Isolina's einen unheimlichen, trüben Schatten gelagert. Mein Herz war schwer. Ich gab keine Antwort und saß mit zur Erde gesenkten Augen im Sattel. Ein Windstoß hatte ein Ende der Manga nach dem Auge des Schimmels geführt, der alsofort sich zu bäumen begann. Ich fuhr rasch mit der Hand nach dem Zügel des Trotzkopfs, riß ihn herunter, während Isolina sich nach dem Kopfe desselben neigte und seinen Hals streichelte. In diesem Momente flatterten mir ihre wallenden Locken in's Gesicht. Es war ein langer Augenblick. Die wiederholte Frage: »Nun, Kapitän, was wünschen sie von mir,« traf mich bereits in einer vollstãndigen Deroute.
»Isolina, ich wünsche ein aufrichtiges, ehrliches Wort aus Ihrem Munde zu hören. Lassen sie uns offen gegen einander sein.« Ein unbeschreibliches Gefühl des Schmerzes, der Lust und Angst durchwogte meine Brust.
Isolina betrachtete mich lange mit ihren seelenvollen Augen. Ein Strahl der Freude glänzte in ihnen. Sie schien zu ahnen, welche mächtige Gefühle sich in meiner Brust kreuzten.
»Offenheit ist gerade das, was ich wünsche. Nachdem sie es in einem so hohen Grade gewesen,« setzte sie schalkhaft hinzu, »so ziemt es mir, Ihrer Aufrichtigkeit Revanche zu geben. Rechnen sie auf meine Diskretion.«
»Isolina, wenn sie die verblutenden Töne in meinem Herzen hören, diese ahnende Angst erfassen könnten, welche ein ganzes Leben zertrümmern kann, so würden sie Mitleid mit mir empfinden,« versetzte ich traurig und mit bitterem Lächeln.
»Warfield! schließen wir Waffenstillstand,« sprach sie gerührt und gleichsam flehend. »Reichen sie mir Ihre Hand.«
»Möge er mir den langersehnten Frieden bringen,« entgegnete ich mit einem tiefen Seufzer, zog den Stolphandschuh von der schneeweißen Hand herab, und preßte sie an meine heißen Lippen.
»Seine Präliminarien — ich glaube, man nennt dies so — werden wir später diskutieren,« sagte Sie mit freudigem Lächeln.
»Also?«
»Isolina, was ist Ihnen Ijurra?« frug ich mit fieberhafter Gluth.
Sie blieb eine Zeit lang wie in tiefes Nachdenken versunken. Die lieben Züge erhellten sich, ich sah wieder jenes holde Antlitz ganz so hingehaucht zart, so überselig edel, wie ich es in meinem Herzen getragen.
»Warfield,« sagte sie nach einer Pause, »wollte ich Ihre Frage so beantworten, wie es in Folge Ihrer vorhergegangenen und für mich keineswegs sehr schmeichelhaften Aeußerungen konventionell geschehen sollte, so warde ich ganz einfach sagen: Ijurra ist mein Kousin. Da sie jedoch früher auch von »Pflicht« sprachen, so kann ich dieses Verlangen einzig und allein nur auf den gestrigen Vorfall beziehen und erkläre Ihnen demnach, daß Rafael Ijurra der Dämon unseres Hauses, daß er mein und Ihr Todfeind ist.«
Die Leidenschaft, mit welcher sie diese Worte sprach, ja ein beinahe wilder Ausdruck in den sonst so schönen Engelszügen, enthüllten mir zu Genüge, daß eine Besorgniß und vielleicht die lebhafteste, beunruhigendste nicht länger mehr an meinem Herzen nagen darf. Ich war wie von einem eisernen Joche befreit.
»Dank, Dank, Isolina,« tönt es wie ein freudiger Jauchzer aus meinem Munde. Und ich beugte mich tief zu ihrem schneeweißen Gesicht hinab, blickte in die schwimmende Tiefe der, großen fragenden Augen und flüsterte:
»Isolina! Verzeihung. Gnade! Es war die innigste, heißeste Liebe, welche mich beinahe wahnsinnig machte.«
Die Worte zitterten auf meinen Lippen, aber ihr Ton verbürgte ihre Aufrichtigkeit.
Das gewohnte Lächeln war von ihren Lippen verschwunden, die zarte Röthe wurde tiefer und stieg höher auf ihren Wangen, die schwarzen Lider senkten sich und verbargen zur Hälfte die glühenden Sterne. Das Gesicht des sonst so frivolen Mädchens hatte plötzlich die ernste Miene der Weiblichkeit angenommen.
Aber die geröthete Wange, der rosige Nacken, der wogende, tiefathmende Busen sprachen freudig zu mir, daß in jener Brust sich Empfindungen regen, Empfindungen — —
»Alfred,« sagte sie endlich mit mildem Lächeln, »ich verzeihe Ihnen. Ich kenne sie besser, sonst wäre ich Ihnen schon bei Ihrer garstigen Apotheose auf meine Wenigkeit trotz Ihres Revolvers und Mustangs davongerannt. Sie sind auch kein so böser Mann, wie ich früher erwähnte. Aber sie sprechen schon die Friedensbedingungen aus, ehe wir noch die Präliminarien besprochen hatten,« fügte sie mit niedergeschlagenen Augen und dem anmuthigsten Lippenspiel hinzu.
»Ja, meine theure, liebe Isolina, mein einziges Leben, ich liebe sie und spreche es Ihnen nochmals aus der Tiefe meiner Seele aus.«
Die langen Wimpern erhoben sich und das Licht der Liebe strahlte aus ihren schwimmenden Augen; es glühte einen Augenblick fast und überströmte mein Herz mit Balsam. Der Himmel selbst hätte keinen freundlicheren Strahl in meinen Geist werfen können.
Aber plötzlich spielte ein Lächeln um ihre Lippen, in welchem ich die heitere Sorglosigkeit zu erkennen glaubte, jene sarkastische Fieber, deren Durchbruch mein ganzes Gemüth stets in Feuer und Flamme versetzte.
»Nun und was wünschen sie, Kapitän, was ich thun soll?« sie stellte diese Frage geradeso, als ob sie sich erkundigt hätte, wie es meinem Mustang geht.
Nun ich meine, Señor, daß ich bei diesem Friedensschluß doch auch eine Stimme beanspruchen darf,« fügte sie wieder heiter hinzu.
»Isolina!«
»Da haben wir den tapfern Mann,« sprach sie mit lebhaftem Feuer, »sie, der sie Muth genug haben, zwanzig Feinden entgegenzutreten, ja sogar einer Dame das Kapitel zu lesen, sind nicht tapfer genug, um ein Mädchen zu fragen, ob es sie liebt!«
»Isolina, sie haben Recht,« versetzte ich traurig. »Ich habe nicht den Muth. Ich bin ein armer Reiteroffizier, ich besitze nichts als meine Charge, meine Waffen, meinen Moro und ein ehrliches, treues Soldatenherz, das nur für sie allein schlägt.«
»Alfred, sagen sie mir noch einmal, daß sie mich lieben!« unterbrach sie mit Heftigkeit meine Rede.
»Daß ich sie liebe. — Ja, Isolina, ich schwöre es Ihnen bei meiner guten Mutter, welche oben Gottes segen auf mich und sie herabfleht.«
»Und ich besitze Ihr Herz, Ihr ganzes Herz?«
»Nie, nie kann ich eine Andere lieben.«
»Dank, Dank, Alfred!«
»Isolina, nichts weiter als Dank?!«
Sie blieb einige Sekunden stumm und schien mit einem Zwiespalt im Innern beschäftigt. Eine Thräne rieselte über das antike Gesicht. Welche Poesie in so einer Weiberthräne! Was sollte sie bedeuten?
»Ja, mehr wie Dank,« rief sie endlich mit Enthusiasmus, immerhin jedoch mit einer gewissen stolzen Verdüsterung aus. »Noch drei Dinge, wenn das genügt, um Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen. Hören sie mich an, Alfred. Auch mich hat ein gewisses Etwas hierhergeführt, allein nicht der Drang, um Ihnen eine Szene zu machen, wie sie abscheulicher Zweifler selbe mit so wenig Reverenz und mit so viel schwellendem Ungestüm mir zugedacht.«
»Isolina, Verzeihung. Ich werde sie niemals mehr durch die gelbe Loupe des Mißtrauens betrachten.«
»Sondern um Ihnen, falls die Situation es gestattet hätte, offen zu gestehen,« um ihre Lippen schwebte wieder jenes gefühlvolle, durchgeisterte Lächeln, daß —. Doch bleiben wir in der Reihenfolge. Ich habe gesagt drei Dinge. Alfred, blicken sie um sich! Im Norden, Süden, Osten, Westen ist das Land, was sie sehen, mein; — Isolina bietet es Ihnen als Geschenk ohne jeglichen Vorbehalt an, wenn sie wollen.
»Isolina, daran habe ich niemals gedacht,« versetzte ich rasch mit einer schauerlichen Beängstigung. »Ihr räthselhaftes Wesen überbrauste stets in mir all' die kleinmüthigen Gedanken. Als mein Schiff ohne Anker und mein Herz ohne Hoffnung war, als ich sah, wie der Mast brach, wie die Winde das Tauwerk zerrissen, da wollte ich wenigstens einen Versuch wagen.«
»Mich zu terrorisieren, Alfred, nicht wahr?« frug sie mit schmollender Miene.
»Ich wollte den Versuch wagen — ob sie die Hand nach mir ausstrecken werden.«
Die ganze Gestalt des herrlichen Mädchens war wie von einer ätherischen Süßigkeit umflossen.
»Hier haben sie die Hand, Alfred, auch diese kann ich verschenken.«
Ich umfaßte sie mit glühender Aufregung.
»Isolina, dieses Geschenk allein macht mich zum reichsten Manne der Welt!«
»Nur keine Uebertreibung, Alfred,« sagte sie mit gemüthlicher Naivetät. »Man kann nicht immer elegisch träumend auf der Sonnenblume der Liebe sitzen und wird auch des Irdischen zuweilen gedenken müssen.«
»Und das Dritte, Isolina?«
»Ich habe mich anders besonnen, das Dritte kann ich Ihnen nicht mehr geben, es gehört schon Ihnen.«
»Und dies ist?«
»Mi corazon — mein Herz.«
Die herrlichen Rosse schienen wie vernünftige Geschöpfe zu verstehen, was gesprochen wurde. sie waren allmälig näher zu einander gegangen, bis sich ihre Nüstern berührten und die stählernen Gebisse gegen einander klirrten. Bei den letzten Worten traten sie wie vor einem Wagen gespannt neben einander. Es schien ihnen Vergnügen zu machen, daß sie ihre stolzen wogenden Körper gegen einander drücken konnten, während sich ihre Reiter mit den Armen umschlangen, hinüberbeugten und die Lippen in dem wilden, glühenden Kusse vereinten, der das Siegel der Liebe bildet.
Es war ein langer Kuß, gleichsam ein Dahinstreben in trunkener Einheit, ein Moment, der mehr dem Traumreich der Poesie als der sinnlichen Wirklichkeit des Lebens zu gehören schien.
Isolina erlangte zuerst ihre Fassung. Alfred,« sagte sie, ihren schönen Kopf an meine Brust lehnend, »ich habe Dir, da wir nun das geworden, was man den Einklang zweier gleich gestimmter Seelen nennt, ein schauerliches Geheimniß mitzutheilen.«
»Und das ist, mein theures Leben?« frug ich mit frohem Lächeln.
»Siehst Du Alfred, die Stimme drang so süß heimlich in meine Seele, ich muß Dir sagen, daß ich gleich nach unserem ersten Begegniß in Dir eine wohlverwandte Natur entdeckte und ein Interesse empfand, welches nicht bloß eine Beschäftigung mit einer Intrigue, ein Streben nach Emozionen, welche die Galanterie dem Geiste —«
»Isolina, Verzeihung!« rief ich flehend.
»Die habe ich bereits gewährt, Alfred,« versetzte sie mit Engelsmilde. »Ich wollte damit nur darthun, daß ich für Dich reelle Empfindungen hegte, die ich aber anderseits bei Dir noch nicht in solcher Weise voraussetzen konnte. Diese Empfindungen beherrschten mich und in ihren kühlen Schatten flüchtete sich oft meine Seele. Du warst verliebt, voila tout. In der That war die kurze Zeit unserer abenteuerlichen Connaissance auch ungenügend, unseren inneren Werth —«
»Por Dios, Alfred, nicht wahr, ich spreche wie eine Gouvernante?«
Ich störte ihr Lachen mit einem zweiten Kusse — »uns gegenseitig anschaulich zu machen. Da ich jedoch,« fuhr sie mit lächelndem Liebreiz fort, »nicht so leichtsinnig und frivol bin, wie gewisse Leute vielleicht meine bizarre Offensive beurtheilt haben —
»Isolina, dieser Vorwurf muß bestraft werden.« Und wieder ruhten meine Lippen auf ihrem Rosenmunde.
»Und meine Seele stark genug ist, um Empfindungen unterdrücken zu können, wenn sie malplazirt oder nicht im Einklange mit jenen Pflichten sind, die ich meiner Familie und mir selbst schulde, so nahm ich mir die Freiheit, an Deinen Chef den General Taylor, der mir während eines Besuches bei meinem Onkel in Virginien sehr emsig den Hof gemacht, ein Briefchen zu senden, in welchem ein liebendes, aber auch vorsichtiges Herz sich erkundigte, wie es mit der Konduite eines gewissen Kapitän Warfield steht, der am Rio Bravo del Norte ein armes Mädchen mit allen Tücken des kleinen Gottes plagt.«
»Isolina, Du hast an den General geschrieben?« frug ich erstaunt.
»Ja, Alfred. Du siehst, daß ich, falls es nöthig, sogar ein verkleideter Notar sein kann.
»Und was antwortete der General?« Ich mußte ebenfalls mitlachen.
»Der General ließ mir durch den Onkel schreiben, daß Warfield der zweite Sohn eines irischen Lords sei, daß er wegen politischer Umtriebe, derer er sich in Irland als englischer Offizier schuldig gemacht, die Heimat verlassen mußte, daß er aber sonst einen echten, männlichen Charakter besitze. Ich glaube, Taylor sendete mir ein förmliches Inventar aller deiner Tugenden. — Leider sind die Männer immer parthetisch und ich fürchte, daß —«
»Ich Dich ewig, Du mein schöner, vorsichtiger Engel, lieben und achten werde.«
»Dieser Brief, Alfred, kam durch eine Niederträchtigkeit in Jurra's Hände. — Er ist Dein Todfeind. — Nehme Dich in Acht vor ihm. Er erschreckt vor keiner Schandthat. Gegenwärtig hauset er nicht in der Hacienda, allein wir sind niemals vor seiner Zudringlichkeit sicher. Er kann schon morgen wieder hier sein. — Mein armer Vater!«
Wir trennten uns auf dem Gipfel des Hügels. Noch war uns Vorsicht geboten. Isolina ritt zuerst davon.
Wir nahmen mit einer langen Umarmung »hasta mañuana« bis auf morgen Abschied von einander. Morgen wollten wir diesen lieblichen Ruheplatz wieder besuchen, um über unsere Zukunft zu sprechen.
Beim Nachhausereiten traf ich mit Rube und Garey im Walde zusammen. sie trugen einen Hirsch, den sie auf der Morgenpirsche geschossen.
Ein halber Monat war verflossen. Ihr prachtvollen Pinones, Plantanillos und Olmo's, ihr grünen Cypressen und Mimosen, du blauer Himmel von Anahuac! Ihr allein waret unsere Zeugen.
Unsere Truppen waren in Puebla eingezogen. Allein Santa Ana hatte mit seinem rührigen Organisationstalent ein neues Heer hervorgezaubert, und drohte aus dem Thal von Mexiko alle von der amerikanischen Armee bis jetzt errungenen Vortheile mit einem Schlag nichtig zu machen. Der neue Oberbefehlshaber Scott — so lauteten die Nachrichten aus dem Hauptquartier — wird genöthigt sein, alle verfügbaren Truppen an sich zu ziehen. Auch General Worth's Division, zu welcher mein Freikorps gehörte, wird ihre Linie verkürzen und gegen Süden vorrücken müssen.
Also die Krisis nahte. Wir sollten uns trennen auf ungewisse Zeit — hasta que ge acaba la guerra — bis der Krieg vorüber. Trennen in der beseligendsten Spanne Zeit meines Lebens, und um eines kalten Eides und Wortes willen, die mich an eine fremde Fahne binden! Der Soldat, der für seine Heimat ficht, dem glüht ein Funke mächtig in der Brust, der ihn aufrecht hält in der Stunde der Trennung von Haus und Hof, von Eltern und Geschwistern, von — ihr. In meiner Brust glitzerte auch nicht ein Atom von jenem erhabenen Gottesfunken. Ich hatte bis jetzt nur für ein fremdes Land gekämpft, ohne Ansprüche, ohne Enthusiasmus, die Sache Amerika's interessierte meine abenteuerliche Soldatenlust so wenig als der Opiumstreit in China. Und dennoch mußte diese kalte, eiserne Spange, ein Sympathieloses Gelöbniß — mich aus dem Himmel meiner schönsten Traum- und Glückseligkeit erbarmungslos stürzen! —
Schon der nächste Tag sollte diese Lagergerüchte bewahrheiten. Ein Dragoner traf mit Briefschaften ein. Sie waren verschiedenartiger Natur, denn unter ihnen erkannte ich auch die Schriftzüge meines Jugendfreundes Arthur Wolsey's, derzeit englischer Geschäftsträger in Washington.
Ich riß die erste Depesche auf und las;
»Sir. sie rücken morgen mit Ihren Leuten in Monclova ein. Beiliegendes Schreiben langte aus dem Hauptquartier General Taylor's bei dem Divisionskommando an. Wie sie selbst ersehen können, hat General Taylor auf der Enveloppe die Worte »sehr dringlich angeführt. — —
An Kapitain Warfield.
Holmes, Divisions-Adjutant.«
Seit langer Zeit war mein brieflicher Verkehr mit Wolsey unterbrochen. Mein Cousin abenteuerte in den Wirrsalen der festländischen Diplomatie herum, mich hat das Schicksal nach einer andern Hemisphäre geworfen, wo mein unstätes Soldatenleben mich vollends allen verwandtschaftlichen Beziehungen entrückte. Aus den Journalen erfuhr ich, daß Eduard nach Washington versetzt worden, das war aber auch Alles, was ich seit 5 Jahren von dem liebenswürdigen Adepten Klio's erfahren konnte. Ueberaus freudig von seinem Lebenszeichen erregt, öffnete ich daher das Schreiben. Es lautete:
Theurer Alfred!
Mit Umgehung allen Pathos, Kondolenzsprüchen und Reflexionen theile ich Dir die unangenehme Nachricht mit, daß dein Vater, der Earl of Howth vor 4 Wochen — wenn Du dieses Schreiben liest, durfte es bereits an die 8 Wochen sein — sammt Charles deinem Bruder, bei einem Jagdausfluge zur See, in einen jener schauerlichen Nebel gerathen war, die sich häufig und ganz unerwartet an der Küste deines grünen Eilands einzufinden pflegen. Ich glaube indeß, daß diese Naturerscheinung immerhin nicht so langweilig sein kann, als der Washingtoner soziale Nebel, der zeitweise mich ganz verdrießlich stimmt. — Doch höre weiter, aber ermanne Dich. Der Teufel führte während dieser Nebelzeit ein mit Nutzholz beladenes New-Yorker Schiff, es gehört dem Schiffrheder Copperwaithe & Comp., dem du einen Partezettel senden mußt — in jene Gegend hin, wo die Yacht deines Vaters lavierte. Der New-Yorker fuhr so heftig an die Yacht an, daß im Nu dieselbe zu sinken begann und nicht mehr auftauchte. Du bist nun der gesetzmäßige Erbe deines Vaters, seines Namens und Besitzthums, wozu ich Dir von Herzen Glück wünsche. Im künftigen Jahre sage ich den abscheulichen Tabakkauern Lebewohl und hoffe dann, nach Abwickelung meiner Geschäfte, in Howthcastel einige prächtige Jagden an deiner Seite tentieren zu können. Onkel Brodheam hat Dir durch Zuthat des amerikanischen Gesandten in London — in dessen Frau Du sehr verliebt gewesen sein solltest — die Verzeihung der Königin ausgewirkt und da bei dem New-Yorker Hause Bottom & Comp. eine Anweisung auf einige tausend Pfund deiner harret, so glaube ich, daß Du alsogleich dein Schwert in die Scheide stecken wirst, um von nun an in den Annehmlichkeiten des häuslichen Herdes oder in den qualreichen Bestrebungen um das Wohl und Weh aller Bewohner Großbritanniens den Schlußpunkt deines reichbewegten Lebens zu finden. Du besuchst mich doch auf deiner Heimfahrt? Dann kannst Du mir auch von der schönen Mexikanerin erzählen, für welche Du gar erschrecklich schwärmen sollst. Eine eigene Art Weiber, die Mexikanerinnen. Kannte auch eine. Kokett wie eine Tänzerin, leichtsinnig wie eine Italienerin, aber die weißen Zähne und gar erst die Körperformen! Ein inneres Grauen durchfröstelt mich noch immer, wenn mein leider sehr deroutirtes Erinnerungsvermögen mich an die Liebesgluth jener Dame mahnt.
Lebe wohl Dein alter treuer Eduard.«
Des Menschen Glück und Leben ist nichts als ein flatterndes Stäubchen im Weltall. Niemals fühlte ich die Wahrheit dieses Axiom so mächtig, als nach Lesung dieses Schreibens. Vor wenig Minuten sah ich in mir nur einen bettelarmen Abenteurer, der mit Scham und Besorgniß dem Moment entgegensah, wo er Isolina's Hand von dem Vater erbitten sollte. Nun bin ich eben so reich, ja vielleicht noch reicher als Don Ramon de Vargas.
Mein armer Vater, mein armer Bruder! Ohne daß ich mich einer unehrenhaften Handlung je schuldig gemacht, habet ihr mich gemieden, verstoßen! Möge der Allmächtige es euch verzeihen, wie ich es euch verzeihe!
Kaum hatte ich meine beiden Lieutenants von dem nahen Abmarsch verständigt, so saß schon auf meinem Moro und ventre a terre gings gegen die hacienda, wo ich Isolina noch antreffen mußte.
Ich hielt bei einer Hinterpforte an, übergab mein Reitpferd einem Peon, und ging in die Veranda. Ein halb Dutzend männlicher und weiblicher Diener glotzte mich lächelnd an; einige verdächtige Burschen machten sich erschreckt aus dem Staube. Ich frug nach dem Gemache Don Ramon's. Eine junge Indianerin geleitete mich von einem Zimmer zu dem andern, von dem cuarto nach der sala und von da wieder zu einem Gemache, das durch eine Glasthür von dem Saal getrennt war.
»Hier sind sie, Senior, an Ort und Stelle,« sagte das Indianermädchen mit einem sonderbaren Lächeln.
Ich trete in das Zimmer. Es war ein Damensalon. Die zierlichste und geschmackvollste Eleganz deutete auf den Schönheitssinn der Herrin, welcher ich nach des Schicksals und des Indianermädchens Fügung zuerst meine Metamorphose mittheilen sollte. Auf einem prachtvollen Mosaiktischchen lag Isolina's Stickereiapparat, und auf selbem der Blumenstrauß, den ich ihr gestern Abends auf dem cerro — so hieß unser Lieblingshügel — gepflückt hatte.
Die reizende Bewohnerin des Salons war nicht zugegen. Doch im Nebenzimmer, das ebenfalls durch eine Glasthüre von dem Drawing room geschieden war, vernahm ich deutlich ihre Sprache. Allein auch eine Stimme, die mir gleichsam das innerste Mark in den Knochen zerbröckelte, gellte in meinen Ohren. Meine Knie begannen zu zittern, das Blut strömte zum Kopfe, mir ward schwindlig. Ich klammerte mich an den Thürpfosten, als ob ein jäher Abgrund vor mir läge.
Diese stimme gehört Rafael Ijurra, sagte meine Phantasie. sie täuschte sich nicht.
Ich wurde von einem unbeschreiblichen Gefühl erfüllt.
Nach diesen innigen Schwüren und jenen Thränen und jenen glühenden Küssen, und sobald! — Mein Glaube an Isolina glich einem gestörten Taume, — einem Wachen zwischen Licht und Schatten. Es war mein Unglück, mein Irrthum, vielleicht mein Verbrechen, daß ich mich zu vieler Paare schöner treulosen Lippen erinnerte.
Die Unterhaltung im Nebengemach ward im lauten Tone geführt. Kein Wort konnte mir entgehen.
»Du weigerst dich also?«
Es war Ijurra, welcher diese Frage stellte.
Dein Benehmen, Rafael, bietet mir keinen Grund dar, meine Ansicht zu ändern.
— Du wirst es thun müssen. Höre mich an, Isolina. In meiner Tasche befindet sich ein Brief von Don Ramon de Vargas an den Generallommissär der amerikanischen Armee, nebst einem anderen an deinen Kapitän. Wenn ich diese Dokumente dem General Santa Ana vorlege so ist es um Euch geschehen. Was die Besitzung anbelangt, so wird sie verfallen und konfisziert werden, — mein werden — mein!
— Rafael, du vergißt bei aller deiner selbstsüchtigen und infamen Schlauheit, daß hier nicht Santa Ana gebietet. Oh, wie die pfiffigen Leute oft dumm sind!
— Echauffire dich nicht, Cousine. Morgen schon wird er hier gebieten. Por todos santos! Morgen marschieren die Gringos ab; Canales der Chapparalfuchs ist mit seinen Guerillos bereits in der Nähe und einige tüchtige verwegene Burschen stehen schon jeden Moment zu meinen Diensten.
Isolina blieb stumm. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, um die Wirkung jener Drohungen zu beobachten. Ijurra fuhr fort:
— Nun, Señorita! Jetzt begreifst du unsere gegenseitige Stellung vielleicht besser. Hast du nun Lust meine Gattin zu werden?
Nie! Lautete mit fester Entschiedenheit die Antwort.
— Carrai! — rief Ijurra wüthend, du liebst diesen Kapitän. — Und du willst ihn heiraten? fragte er mit Nachdruck.
— Ich werde ihn heiraten und ewig lieben, antwortete sie schnell.
Meine Fassung war gänzlich zurückgekehrt. Ein tiefer Seufzer entkam meiner Brust und ich richtete mich auf.
Ijurra hatte mich hinter der Glasthür erblickt. Der Schurke erbleichte.
— Ewig lieben, das ist so ein poetischer Ausdruck, dessen sich die Verliebten gerne bedienen. Allein bei dir kann es wahr sein. Von A bis Z., wie es dort auf deinem Wandtische in Effigie zu sehen ist. Von General Almonte bis Ijurra und Kapitän Warfield. Die Ewigkeit ist allerdings vorhanden, da du bloß das Objekt zu vertauschen pflegst.
Während Ijurra diese verhängnisvollen Worte rasch gesprochen, hatte er sich nach und nach dem offenen Fenster genähert, aus welchem er bei meinem ungestümen Eintritt ins Zimmer wie ein Clown in den Garten sprang.
Isolina stand bleich, regungslos, den gezückten Dolch in der Hand, neben dem Fenster.
Mit einem Sprung war ich ebenfalls dort. Ich sah Ijurra einem Buschwerk zueilen. Mein Revolver knallte, dann noch einmal. Ich habe gefehlt. Ijurra war verschwunden.
Alfred! — tönte es von den weißen Lippen Isolina's. — Mein Alfred! — sie sank halb ohnmächtig in meine Arme.
Don Ramon de Vargas stürmte im Neglige wie der Gouverneur im Don Juan mit bloßem Degen in das Gemach.
— Was soll diese Szene bedeuten, Señor? frug mit gebührlichem Pathos Isolina's Vater.
Ich hatte mich rasch gesammelt. Ruhig und kalt geleitete ich Isolina zu einem Fauteuil, zog meinen Säbel und stellte mich dem Gouverneur gegenüber. Don Ramon starrte mich verwundernd an.
— Señor — sprach ich zu ihm im kalten, gemessenen Tone — diese Szene hat keine andere Bedeutung, als daß ein entschiedener Feind Amerika's, ein ehrloser Schuft und Spion, der in dieser Hacienda sammt seinem Räubergesindel zu jederzeit einen Schlupfwinkel gefunden, eben durch dieses Fenster mir entwischte. — Die beiden Schüsse, welche sie vernommen, haben ihm gegolten. Nachdem sie den Räuber Ijurra wahrscheinlich niemals frugen, wie er bis in die Gemächer Ihrer Tochter einzudringen sich unterfange, so hoffe ich mit Bestimmtheit, daß Ihr bekannter Neutralitätseifer auch mich mit einer ähnlichen Frage verschonen wird.
— Señor, diese Sprache — rief kleinlaut der unglückliche Diplomat aus.
— Es ist die Sprache der Dienstpflicht und eines Gentleman; falls sie aber gewillt sind, Ihre Waffe bei Seite zu legen, werde ich Ihnen alsobald erklären, daß nur eine bloße Privatangelegenheit mich hierher geführt, deren Chancen oder vielmehr rosige Hoffnungen leider so eben mächtig getrübt wurden.
Isolina lag fast bewußtlos im Fauteuil. Auf ihrem Antlitz bemerkte ich Zuckungen, wie sie der Galvanismus auf einer Leiche hervorbringt. Bei meinen letzten Worten war sie jedoch wie aus einem tiefen Schlafe erwacht, sie rieb mit ihren schönen Händen die Augen und diese schauten mich weitgeöffnet an.
Don Ramon legte seinen Degen auf einen Tisch, auf welchem viele schon verwelkte Blumensträußchen reinlich nebeneinanderlagen. Unstreitig hatte Isolina meine Geschenke sehr werthgeschätzt.
Señor — sagte ich, nachdem meine Waffe ebenfalls versorgt worden, — gestatten sie vorerst, daß ich mich Ihnen vorstellen darf. —
— Ich weiß — Kapitän Warfield — hatte schon die Ehre, bemerkte Don Ramon, sehr höflich mit dem Haupte nickend.
— Gegenwärtig Lord of Howth, Pair von Großbritannien und kurze Zeit noch in amerikanischen Diensten.
— Empfangen sie, Mylord, meine herzlichsten Glückwünsche. Inwiefern kann ich Ihnen zu Diensten stehen? Sie sprachen von einer Privatangelegenheit. — so ist es, Señor. Ich kam, um sie um die Hand Ihrer Tochter zu bitten.
— Mylord, — die Befriedigung dieses Wunsches hängt nicht bloß von mir allein ab, sondern —
— Auch von Ihrer Tochter, natürlich. Darf ich sie darum bitten, mir die Anwesenheit Isolina's ohne Zeugen zu gönnen, indem wir manche wichtige Angelegenheiten zu besprechen haben, die übrigens Ihrem väterlichen Einfluße nicht entzogen werden sollen.
Isolina ist unwohl, Mylord. Vielleicht ist es Ihnen gefällig ein andermal —
— Señor, wir marschieren morgen. Gewähren sie mir gütigst meine Bitte. —
— Mylord, à la disposicion de Usted — betrachten sie mein Haus wie das Ihrige.
Don Ramon nahm in höflicher Weise Abschied und ich befand mich mit Isolina allein.
Ich näherte mich dem Fauteuil, ergriff die beiden Hände meiner Verlobten und blickte ihr lange in's Angesicht.
Sie sah mich ernst und düster an. Mein Blick schien ihr zu sagen, was in meinem Inneren vorgeht.
— Alfred, — hob sie nach einer Weile an — Du hast gehört, was er gesprochen?
— Ja, Isolina — antwortete ich trocken.
— Und was gedenkst Du zu thun? frug sie in fieberhaften Spannung?
— Ich möchte vorerst erfahren, was Don Ramon de Varga's Tochter dazu sagt, versetzte ich mit heiserer Stimme.
Isolina erhob sich, ein fahles Roth färbte die Wangen, das sich rasch und intensiver dort ö ausbreitete, und unwillig schüttelte sie ihr schönes Lockenhaupt.
— Alfred, diese Sprache gefällt mir nicht, bemerkte sie nach einer Pause vorwurfsvoll.
— Es ist leider nicht der Ton, der am Cerro herrschte, — entgegnete ich kaltblütig. Hier waltet aber ein eigenthümlicher Fall vor, den ich eben aus chevalereskem Zartsinn von Dir zu allererst aufgeklärt wissen wollte, —
— Das heißt ziemlich deutlich, daß Isolina de Vargas sich verantworten soll? Du meinst wohl Aehnliches, Alfred, nicht wahr? Stolzer Unmuth spiegelte sich auf ihrem Angesicht.
— Isolina, lassen wir alles Pathos bei Seite und sprechen wir aufrichtig und ernst, wie es zweien Verlobten in einer solchen Lage geziemt. Du täuschest Dich, — fuhr ich mit kalter Entschiedenheit fort. — Was Ijurra gesprochen, hat kein Echo in meinem Herzen gefunden und ich verlange demnach auch keine Vertheidigung von Dir. Hier handelt es sich aber um einen andern Umstand. Wie kommt es, daß bei aller Entschlossenheit, bei allem Unabhängigthun dich dennoch schon die einfache Erwähnung von Ijurra's Namen mir gegenüber immer erbeben machte, während anderseits dieser so gefürchtete Cousin in der Hacienda, in welcher Du die unbeschränkte Herrin bist, ganz zwangslos sich bewegte? Wie kommt es ferner, daß Du noch gestern gar nichts von seiner Anwesenheit erwähntest, obgleich Dein Cousin vielleicht seit mehreren Tagen schon mit Dir unter einem Dache lebt und Dich sogar mit unliebsamen Anträgen bestürmen kann? Die Lösung dieses Räthsels hätte ich gerne gleich bei Beginn dieser Unterredung von Dir erwartet, — falls nicht zärtliche Erinnerungen Dich daran verhindern.
Isolina schien gänzlich ihre Frische und ihr bezauberndes Wesen zurückgewonnen zu haben. Sie legte ihren weißen Arm auf mein wüstes, mit bangen Sorgen beschwertes Haupt, und lächelte mir treuherzig ins Angesicht. Kokette Frauen lieben diese Taktik, wenn eine unangenehme Szene über sie heranstürmt. Verstimmt wendete ich mein Auge von ihr weg. Mein Blick fiel auf eine in der Nähe befindliche Etagere. In meinem Herzen begann es schmerzlich zu klopfen. Dort sah ich Almonte's Porträt — ich kannte ihn von Washington aus, — [6] dann noch mehrere andere Porträte von mexikanischen Offizieren, nebst Schärpen und anderen Erinnerungen. Eifersucht und Verdacht waren im Nu mit klingendem Spiele in mein Herz eingezogen.
Isolina wußte was in meinem Innern vorging. Warum blickt sie mich so schweigsam, ja mitleidig an?
Das war eine gräßliche Pause.
Alfred, — sagte sie endlich mit der unbefangensten Miene — Rechenschaft gebe ich niemals, am wenigsten, wenn Rauhheit und Verdacht sie fordern. Aber bei alledem will ich den Gefühlen, welche sie für eine gewisse Zeitperiode zu meinem Leidwesen bestürmen werden, — der alte Hohn lag wieder ganz behäbig auf dem schönen Munde — Rechnung tragen. Ein volles Jahr liegt vor uns. Ich werde mein Gelöbniß halten. Neue Lebensverhältnisse werden sich Ihnen gestalten, sie werden Muße haben, darüber nachzudenken, ob es für Ihr Lebensglück ersprießlich sein dürfte, sich an ein kapriziöses eigensinniges Wesen zu ketten, auf dessen Nipptische schon vor der Hochzeit, wie sie eben bemerken, gar verdächtige Trophäen prangten. Auch mir wird Zeit genug übrigbleiben, darüber zu grübeln, ob es sich wohl der Mühe lohnt, meine ganze Hingebung an einen sonst sehr liebenswürdigen Mann zu vergeuden, dessen Gemüth, bei aller Vortrefflichkeit, dem Argwohn und Mißtrauen stets zugänglich ist.
— Isolina, sie wissen, daß ich Ihren affektierten Hohn nicht vertrage, — versetzte ich erbittert.
Isolina ergriff meine Hand, schlang ihren Arm um mich und drückte einen glühend heißen Kuß auf meine Lippen.
Verbittern wir uns nicht die Stunde der Trennung, Alfred. sei heute so, wie du gestern am Cerro gewesen. Die Szene, welche Du herbeiwünschest, kann ich um keinen Preis mehr abspielen. Denke morgen, übermorgen, in Wochen und Monden, alles Ueble von mir, nur heute sollst Du mein alter guter Alfred sein.
Will das Weib mit mir nur Komödie spielen? Aber es war eine reizende Schauspielerin, und sie rezitirte ihre Rolle mit solcher Innigkeit und Anmuth, daß Don Ramon mehrere Minuten lang Zeuge unserer Umarmungen gewesen sein mochte.
Papa — Alfred wird mit uns frühstücken. Sei recht liebenswürdig mit ihm, sagte Isolina, in dem sie Don Ramon auf die Stirn küßte.
Ich befand mich in einer sonderbaren Stimmung. Von Natur mit einem ernsten Charakter begabt, rasselten all' die Erscheinungen und Begebenheiten des heutigen Morgens mit rasendem Ungestüm in meiner Seele herum, während ich anderseits mit wonniglicher Heimlichkeit an Isolina's Arm in den Speisesalon trat, und an der Seite des schönen Weibes nur an der Liebe Glückseligkeit dachte.
Heißt dieser Widerspruch etwa Leichtsinn oder gar Schwäche? — Oder ist er nur ein Wahrzeichen von der ungeheuern und unbesiegbaren Macht, die weibliche Schönheit und Grazie in der menschlichen Gesellschaft behauptet?
Isolina zog an einer Glocke. Ein alter Diener erschien. Es war der Haushofmeister. Isolina ging ihm entgegen.
— Gutierez, was für verdächtige Menschen treiben sich in der Hazienda herum?
Der Alte schien verlegen.
— Antworte rasch und ohne scheu herrschte Isolina ihm zu.
— Es sind die Diener des — —
— Ijurra? nicht wahr? — fügte Isolina hinzu. sie sollen augenblicklich den Grund und Boden meines Vaters meiden, falls sie nicht Lust haben, gebunden nach der Rancheria zu wandern.
Don Ramon stieß einen besorgnißvollen Seufzer aus.
— Wo ist Ijurra? — frug weiter die Tochter des Hauses.
— Er ist vor einer Viertelstunde in aller Eile fortgeritten.
— Gutierez, wenn mein Cousin wiederkehrt, so muß er in fünf Minuten an dem großen Baume bei meinen Reitstall hängen.
— Maria santissima! — schrie Don Ramon auf.
— Serä como Usted dice (Es wird so sein, wie sie meinen), entgegnete der Alte.
— Gutierez, Garza soll augenblicklich nach der Rencheria reiten und dem amerikanischen Offizier melden, daß Kapitän Warfield in einer Stunde 12 Mann an der Hauptpforte der Hazienda erwartet. —
— »Serä como Usted dice.«
Vorsicht, lieber Alfred, schadet nie. Der ehrlose Mensch weiß Dich hier und könnte Dir Schlimmes zufügen. Eifersucht ist eine böse Leidenschaft, meinst Du nicht? frug lachend Isolina.
Diesmal war es an mir, zu seufzen.
Das Frühstück nahte gegen Ende; in der Nähe ertönte das Horn. Meine Jäger waren angelangt.
Isolina füllte unsere Glaser und erhob sich.
Alfred, die Trennung naht und ich möchte daher in Gegenwart meines Vaters einige Worte an Dich richten. Höre mich an.
— Ich verlor in frühester Kindheit meine Mutter. Der Vater — Isolina küßte ihn hatte aus lauter Liebe mich verzärtelt, er hat meinen Gewohnheiten und Neigungen — ich verstehe darunter nicht Liebesaffairen, bemerkte lächelnd das herrliche Mädchen — keine Schranken geboten; ich bin ein eigensinniges halsstörriges Mädchen geworden. Die Art und Weise wie unsere Liaison entstand und gefestigt wurde, — Don Roman nieste — vertrug sich allerdings nicht mit jenen Gesetzen, welche eine weise Konvenienz der edlen Weiblichkeit auf das Kerbholz geschnitten.
— Isolina —
Ich mußte in deinen Augen — Verliebte sehen zwar schlecht — immerhin zeitweise etwas leichtsinnig, unweiblich erscheinen, obgleich Papa Dir sagen kann, daß ich mich einer solchen Gewaltthat an der Sitte und Konvenienz noch niemals schuldig gemacht habe. Diese Hinwegsetzung über ein Formelwesen, welches ein sittliches Mädchen — Don Ramon lachte und auch mich kitzelte das naive pathetische Geständniß der schalkhaften Sprecherin — stets respektiren muß, ferner die heute gegen mich erhobenen Anklagen — ich leugne nicht, daß gar viele Männer für mich schwärmten dieß Alles ist hinreichend, um Argwohn und Mißtrauen selbst in dem vortrefflichsten Gemüthe anzuregen. Ein Jahr genügt meiner Ansicht nach, um mit ruhiger Ueberlegung und vielleicht auch durch mannigfache Nachfragen —
— Isolina du thust mir wehe — zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß nur allen die Zukunft und nicht mehr die Vergangenheit, Argwohn und Mißtrauen anregen dürfen. Alfred, in einem Jahre und nicht früher siehst Du mich wieder. Frage mich dann, ob ich deine liebe gute und treue — letzteres versteht sich von selbst — Gattin werden will. — Gott erhalte Dich! —
Ein einziger Wagen mit seiner weißen Plane und dem langen Gespann von Maulthieren, die bereits angehängt waren, stand in der Plaza. Er bildete den ganzen, Gepäcktrain des Korps und diente zugleich als Ambulance für unsere Invaliden.
Der Hornist erwartete bereits im Sattel meinen Befehl, das »Vorwärts« zu blasen.
Ich war zu meinem »Lieblingsrauchzimmer«, der Azotea, hinaufgegangen. Vielleicht war es das letzte Mal, daß ich den Fuß auf diese angestrichenen Ziegel setzte. Mein Auge flog über die Plaza, obgleich ich nur wenig auf das, was dort vorging, achtete. Nur die Hauptpunkte des Bildes wurden von mir beachtet, — gesattelte und gezäumte Pferde, Männer, welche zusammengelegte Decken, Halftern und Mantelsäcke anschnallten, ein Paar, die bereits aufgesessen waren, einige Andere, die an den Köpfen ihrer Pferde standen, und noch Andere, die um die Thür der pulperia versammelt waren und einen letzten Schluck mezecal oder catalan mit ihren braunen mexikanischen Bekannten tranken. Hier und da konnte man vor einer Adobéhütte einen zärtlicheren Abschied bemerken. Der Jäger in voller Rüstung — mit Waffen, Brotsack und Feldflasche — stützte sich gegen die dichten Barren eines Fensters, mit dem Gesicht nach dem Innern, als ob er mit einem Gefangenen durch das Gitter eines Käfigs spreche. Aber er selbst ist der Gefangene, während seines kurzen Aufenthaltes in das Netz gegangen und wird noch immer von der olivenfarbigen pueblana, deren schwarze schimmernde Augen man auf der andern Seite der Reja vor Liebe blitzen, oder bei der Aussicht auf die Trennung in trauriger Zärtlichkeit zerschmelzen sehen kann, in Ketten gehalten.
Andere nahmen ihren Abschied an abgelegenen Winkeln unter dem Schatten der Kirchenmauer, oder noch offener in Gruppen von Vieren oder Fünfen auf der Plaza selbst. So zeitig es ist, sind die Leute doch alle aufgestanden und nicht Wenige von den braunen, kurzröckigen Mädchen in rebosos haben bereits den Weg nach dem Brunnen mit dem jarro auf dem Kopfe angetreten. Dort werden die Krüge gefüllt und von den Jägern, welche den Dienst mit der ganzen, ihnen zu Gebote stehenden, rauhen Grazie leisten, — vielleicht zum letzten Mal auf die Köpfe gehoben. Dann folgen Verbeugungen und Lächeln und ein Gespräch, wobei der Jäger sein ganzes spanisch in Anwendung bringt, welches in den Worten besteht;
»Mucho bueno muchacha!«
Die gewöhnliche Antwort, welche von einer Schaustellung schneeweißer Zähne begleitet wird, lautet:
»Mucho bueno cavallero! Mucho bueno Tejano!« und wird ebenso ungrammatikalisch ausgesprochen, damit sie dem Angeredeten verständlich sein soll.
Ich bin oft über das Glück meiner großen, ungeschlachten Begleiter bei diesen kleinen schwarzäugigen Damen von Anahuac verwundert gewesen, aber Viele von den Jägern sind wirklich Burschen von gar nicht häßlichem Aeußern. Im Gegentheil, es gibt schöne Männer unter ihnen, wenn sie nur in reinen Hemden stecken und sich ein wenig sorgfältiger rasierten. Aber das weibliche Auge ist in solchen Dingen scharf; es durchschaut leicht die Hülle des Staubes, den Sonnenbrand und die zottige Larve eines schlecht gepflegten Bartes, und kein Auge ist in dieser Beziehung scharfsichtiger, wie das der schönen Mexikanerin. In dem großen, scheinbar rohen Individuum, welches ein »Jäger« heißt, erblickt sie ein Bild der Kraft und des Muthes, ein Herz, das lieben, und einen Arm, der sie schützen kann. Dies sind Eigenschaften, welche von jeher die Liebe des Weibes gewonnen haben.
Es zeigt sich nun, daß nicht Alle, welche wir zurücklassen, Freunde sind. Man kann feindliche Gesichter sehen, von denen viele durch offene Thüren oder Fenster blicken. Hier und da schleicht ein mürrischer Lepero in seiner Decke umher, oder kauert an der Straßenecke, wo er grimmig unter seinem breitkrämpigen Hute hervorschielt. Die Mehrzahl von dieser Klasse ist abwesend wie wir lange wissen — bei der Guerilla. Aber es gibt noch Einige, welche dem Bilde Schatten verleihen. Sie sehen den Gesprächen mit den Frauen mit schlecht verhehltem Zorn zu und würden diese Höflichkeit strafen, wenn sie es wagten.
Selbst bei dem hastigen Blicke, welchen ich auf diese Abschiedsszenen warf, konnte ich nicht umhin, in den Gesichtern einiger der jungen Mädchen einen Ausdruck zu bemerken, der eine seltsame Bedeutung hatte. Es war etwas mehr wie Trauer, — es glich mehr dem unruhigen Blick, welcher Befürchtungen verkündet.
Vielleicht schärfte der Geisteszustand, in welchem ich mich befand, mein Beobachtungsvermögen. In diesem Augenblick ging in meiner eigenen Brust ein Kampf vor und ein Gefühl der Unentschlossenheit lastete schwer auf mir. Mein Geist hatte sich die ganze Nacht hindurch mit dem nämlichen Gedanken beschäftigt, und als der Morgen anbrach, kämpfte ich immer gegen die nämliche krampfhafte Unentschlossenheit.
Das Horn schallte laut und hell und seine heiteren Töne vereinigten sich, als ich in den Sattel sprang.
Auf der Straße fanden wir Hufspuren und sahen ein Mal ein paar Bewaffnete in der Ferne einen Abhang hinabgaloppieren. sie gehörten ohne Zweifel zu der Bande Ijurra's. Als wir die Stadt erreichten, war die Division noch nicht abmarschiert. Im Hauptquartier erfuhr ich sogar mit Bestimmtheit, daß auch wir unter 8 Tagen nicht marschieren würden.
Ich schrieb an General Taylor, meldete ihm die günstige Veränderung meiner Lebensverhältnisse und ersuchte ihn um die Erwirkung meiner Entlassung aus dem amerikanischen Heeresverband.
Wir waren gewöhnlich durch den Dienst von unserer Division getrennt und als irreguläre Truppe, wenn eben abwesend, selten als vermißt gemeldet. Diese Art von Unabhängigkeit wollte ich einmal auch zu einem Streifzug in Privatangelegenheiten benützen. Ich mußte nämlich um jeden Preis erfahren, ob Don Ramon mit Isolina nach San Antonio de Bexar schon abgereiset, wo sie weit vom Schauplatz der Gefahr die Ereignisse abwarten konnten.
Eben im Begriffe, meinen beiden Lieutenants die kurze Abwesenheit zu verkünden, erhalte ich den Befehl binnen 15 Minuten mit einem Theil meiner Leute nach der Rancheria zurückzukehren, da dort eine Guerilla abscheuliche Verwüstungen an Gut und Körper der uns befreundeten Bevölkerung verübe.
Schnell saßen wir im Sattel.
Wir waren einem einsamen Rancho, der auf der Hälfte des Weges lag, schon ziemlich nahe gekommen, als ein seltsames Gemisch von Tönen zu unseren Ohren drang. Es waren weibliche Stimmen. Zuweilen hörten wir auch rauhe Töne. Der Nachtwind führte auf seinen Schwingen uns Jammer und Wehklagen entgegen.
Da sind Weiber in Noth, bemerkte einer der mir Folgenden in lautem, bedeutungsvollem Ton.
Die Worte veranlaßten uns Alle zu gleicher Zeit, unseren Pferden die Sporen einzusetzen, um vorwärts zu reiten.
Noch ehe wir dreißig Schritte weit galoppiert waren, sahen wir einen Mann aus der entgegengesetzten Richtung und mitten auf der Straße schnell auf uns zukommen. Wir erkannten den Späher Garey, machten wieder Halt und erwarteten seine Annäherung.
Ich befand mich an der Spitze des kleinen Trupps und als der Trapper herankam, konnte ich sein Gesicht im hellen Mondschein erkennen. Der Ausdruck desselben verkündete schlimme Nachricht.
Er sprach nicht eher, als bis er die Hand auf meinen Sattel gelegt hatte, und dann in gedämpftem, traurigen Tone. seine Worte lauteten:
Das sind häßliche Nachrichten, Kapitän. Sie haben den Teufel in der Rancheria gespielt. Jene Schurken haben sich schlimmer benommen, wie es Indianer thun könnten. Aber kommen sie vorwärts, Kapitän, und sehen sie es selbst, die Weiber sind ganz in der Nähe in dem Schuppen.
Ich ritt rasch vorwärts. Zwei Minuten führten mich zu dem Rancho und dort erblickte ich ein Schauspiel, bei dem mir das Blut in den Adern gerann.
Auf dem freien Raume vor der Hütte befand sich eine Gruppe von Frauenzimmern, größtentheils junge Mädchen, es waren sechs bis sieben, ich zählte sie nicht. Unter ihnen befanden sich zwei bis drei Männer, — Mexikaner. Rube stand in ihrer Mitte und bemühte sich, in seinem gebrochenen spanisch sie zu trösten.
Die Frauen waren halb nackend, — Einige von ihnen nur mit einem Hemd bekleidet. Ihr langes schwarzes Haar fiel ihnen lose über die Schultern herab und sah verwirrt und naß aus. Ich erblickte Blut daran und auf ihren Wangen stand Blut in halb getrockneten, aber noch tropfenden Streifen. Das nämliche Roth befleckte ihre Nacken und Busen und an den Händen, welche sie abgewischt hatten, klebte Blut. Auf der Stirn einer Jeden zeigte sich ein rothbrauner Fleck, es sah im Mondschein aus, als ob die Haut verbrannt worden sei. Ich ritt näher zu der Einen und untersuchte es, es war ein Brandmal, — das Feuerzeichen von glühendem Eisen, die Haut ringsum sah scharlachroth aus, aber in der Mitte dieses entzündeten Umkreises konnte ich an der dunkleren Farbe die Umrisse der beiden Buchstaben erkennen, welche ich auf meinen Knöpfen trug, das wohlbekannte U. S.
Diejenige, welche mir zunächst stand, erhob die Hände, warf das dicke, starre Haar von den Wangen zurück und rief:
»Miralo, Señor!
»O Himmel! Mein Blut erstarrte, als ich auf die Quelle jener rothen Fluth blickte, ihre Ohren waren abgeschnitten worden, sie fehlten!
Ich bedurfte keines weiteren Erhebens ihrer Hände, um mich zu überzeugen, daß mit den Anderen auf gleiche Art verfahren worden sei; der rothe Strom, der noch über ihre Nacken Hinabrieselte, war ein genügender Beweis. Auch Männer waren auf gleiche Weise mißhandelt worden. Zwei von ihnen hatten noch eine weitere Verstümmlung der Lippen; sie hoben den rechten Arm in die Höhe, nicht die Hand. Sie hatten keine Hände! Ich sah den herabhängenden Aermel und den mit Blut gedrängten Verband am Stumpfe. Die Hände waren ihnen am Gelenke abgehackt worden. Entsetzlicher Anblick!
Die Männer sowohl, wie die Frauen sammelten sich um mich und umfaßten meine Knie unter Bitten und Flehen. Die Meisten von ihnen waren mir unzweifelhaft bekannt, aber jetzt konnte ich ihre Züge nicht erkennen. sie waren die Freunde und Geliebten meiner Soldaten gewesen.
Die Eine schien reicher gekleidet zu sein wie die Anderen und auf diese war mein Auge gefallen, als ich herbeiritt. Ich fürchtete fast, mich ihr zu nähern, da sie ein wenig abseits stand, aber nein, — es konnte nicht sein — sie war nicht groß genug — und überdieß würden es die Schurken nicht gewagt haben —
»Ihr Name, Señorita?«
»Conchita, Señor. — la hija del alcalde.«
Die Thränen entströmten ihren Augen und mischten sich mit Blut, als sie über ihre Wangen hinabrannen. O, daß ich auch hätte weinen können! Der arme Wheatley, er war nicht bei uns, er sollte den Schlag noch erhalten und dieser mußte bald fallen.
Mein Herz glühte und ebenso die meiner Begleiter. sie fluchten mit schäumendem Munde. Einige zogen die Pistolen und Messer und riefen mir zu, sie vorwärts zu führen. Noch nie hatte ich Männer in so rasender Wuth gesehen. Die kaltblütigsten unter ihnen schienen plötzlich wahnsinnig geworden zu sein.
Ich konnte sie kaum zurückhalten, bis wir die Geschichte gehört haben würden; wir erriethen sie bereits, aber wir bedurften näherer Auskunft, um uns bei der Ausübung der Rache zu leiten. Sie wurde von vielen Zungen erzählt, die einander unterbrachen oder bestätigten. Einer von den Männern sprach zusammenhängender es war Pedro, der Mezcal (Branntwein) an die Truppe zu verkaufen pflegte. Diesen hörten wir zu. Das Wesentliche seiner Geschichte war Folgendes:
Kurz nachdem wir die Rancheria verlassen hatten, waren die Guerilleros unter dem Geschrei: »Viva Santa Anna! Viva Mexiko!« und »Tod den Yankees!« in das Dorf gedrungen. Sie fingen damit an, daß sie mehrere Tiendas erbrachen und Mezcal und was sie sonst noch finden konnten, tranken. Mit diesen vereinigte sich der Pöbel des Ortes, — die Leperos und noch Andere. Pedro bemerkte, daß der herredero — der Schmied — und der matador — der Ochsenschlächter — eine hervorstechende Rolle spielten, es befanden sich auch viele Weiber unter der Menge, — die Geliebten der Guerilleros und andere aus dem Orte.
Nachdem sie eine Zeit lang getrunken hatten, geriethen sie in größere Aufregung. Dann erschallte das Geschrei: ‚»Mueran los Ajankieados!« worauf sich die Menge nach verschiedenen Richtungen zerstreute und in die Häuser drang, während sie brüllten: »Sacarlos fuera! Matarlos!« — Schleppt sie hinaus! Schlagt sie todt! — Die armen Mädchen und alle Diejenigen, welche freundlich gegen die Americanos gewesen waren, wurden unter den Fluchen und Verwünschungen der Guerilla und dem Zischen und schimpfen des Pöbels auf die Plaza geschleppt. Sie wurden angespien, mit schmutzigen Namen belegt, mit Koth und Melonenschalen beworfen und dann riefen Einige unter der Menge, daß man sie zeichnen sollte, damit ihre Freunde, die Tejanos, sie wiedererkennen möchten. Die Weiber benahmen sich wilder, wie die Männer und reizten Letztere zu der That auf, indem sie dem Schmied zuriefen: »Traiga el herro!« »Traiga el herro!« — Bringe das Eisen! Andere riefen: »Cortar las orejas!«
— Schneidet ihnen die Ohren ab! —
Der rohe Schmied und Schlächter, die Beide halb betrunken waren, kamen der Forderung nach. Beide bereitwillig, wie Pedro behauptete. Ersterer gebrauchte das schon in Bereitschaft gesetzte Brandmarkungs-Eisen, während Letzterer sein blutiges Amt mit dem Messer seines Gewerbes ausübte!
Die Mehrzahl von den Guerilleros trug Masken, die Anführer waren alle maskiert und sahen die Vorgänge von dem Hause des Daches des Alcalde mit an. Den Einen erkannte Pedro trotz seiner Verkleidung an seiner großen Gestalt und dem rothen Haar; es war der Salteador El Zorro. Andere errieth er, aber er bezweifelte nicht, daß es die Bande Don Rafael Ijurra's war, — und wir ebenso wenig.
Ich fragte Pedro, ob sie die Rancheria verlassen gehabt hätten, ehe er von dort entkommen sei.
Pedro glaubte es nicht; er und die anderen Opfer waren, sobald sie den Händen des Pöbels entkamen, nach dem Chapparal geflohen und eilten nach dem amerikanischen Lager, als unsere Kundschafter sie trafen. Sie waren einzeln die Straße entlang gekommen, und Rube hatte sie bei dem Rancho zurückgehalten, bis wir denselben erreichten.
Pedro fürchtete, daß sie noch nicht Alle wären, — daß es noch andere Opfer gäbe; er fürchtete, der Alcade habe ein noch schlimmeres Schicksal gehabt, als verstümmelt zu werden, — er sei ermordet worden.
Diese letzte Mittheilung machte mir der arme Bursche flüsternd, indem er einen traurigen Blick auf Conchita warf. Ich hatte nicht den Muth, weiter zu fragen.
Jetzt erhob sich die Frage, ob wir nach einer Verstärkung zurückschicken und deren Ankunft erwarten oder sogleich gegen die Rancheria vorrücken sollten. Dies erstere wurde einstimmig verneint, wir waren stark genug und der Durst nach Rache wußte nichts von Geduld. Der Entschluß freute mich; ich hätte nicht warten können.«
Wir ließen die Frauen ihren Weg nach dem Lager der Jäger fortsetzen, Pedro sollte hinter einem der Leute aufsitzen und uns begleiten. wir brauchten ihn zur Ueberführung.
Als wir vorwärts reiten wollten, zeigte sich eine Gestalt auf der Straße, welcher wir zu folgen beabsichtigten. Als sie uns erblickte, sahen wir, wie sie zurückwich und sich im Gebüsch versteckte. Rube und Garey eilten schnell vorwärts und kehrten nach wenigen Minuten mit einem jungen Mexikaner — einem weiteren Opfer zurück.
Er hatte den Schauplatz seiner Leiden etwas später verlassen wie die Uebrigen.
Ich fragte, ob sich die Guerilla noch im Dorfe befinde.
Nein, sie hatte es verlassen.
Wohin ist sie gegangen? fragte ich ängstlich.
Sie habe den Weg am Flusse entlang nach der Hacienda de Vargas eingeschlagen. sie sei an dem Jüngling vorübergekommen, während er hinter einigen Aloes versteckt gelegen habe, und er hätte ihr Geschrei beim Vorüberstürmen hören können.
Was für ein Geschrei?
Sie brüllten: Mueran el traidor y la traidora! Mueran padre y hija — Isolina la p-t-a.
O barmherziger Gott!
Ich trieb meinem Pferde die Sporen in die Flanken, die Meilen flogen unter den Füßen unserer Rosse wie der Staub der Straße.
Was bedeutet jenes Licht? Geht die Sonne im Westen auf? Steht der Chapparal in Flammen?
Holla! — Die Hacienda brennt!
Wir kommen aus dem Walde. Die Hacienda liegt vor unseren Augen. Das Haus steht aber unverletzt da, und nur ein mächtiger Scheiterhaufen brennt vor dem Portal. Wir können bei der gewaltigen Flamme das Gebäude und seine ganze Umgebung wie bei Tageslicht sehen!
Um das Feuer herum stehen Männer, Weiber, gesattelte Pferde. Riesenhafte Stücke Fleisch werden gebraten, andere gierig verschlungen. Wir sehen ein Bivouak der Guerilleros vor uns. Es sind die Schurken, die wir suchen.
Wir flogen wie Jagdhunde, die angesichts des Hirsches von der Leine entkoppelt sind, mit einem Hurrahgeschrei vorwärts.
Der vorlaute Ruf warnte die Bande. Ehe wir den Gipfel des steilen Hügels erreichten, war der größte Theil der Guerilla aufgestiegen und galoppierte in der Finsterniß nach dem Walde zu. Zehn fielen unter unseren Schützen und ebenso viele blieben mit ihren Gefährtinnen in unseren Händen. Eine Verfolgung wäre vergeblich gewesen.
Ich ließ alle Zugänge besetzen und ritt in den von dem Scheine des Feuers beleuchteten Hof. Welches Bild der Zerstörung. Ich stürmte durch eine Reihe von Gemächern. Alle waren verlassen.
Ein Hoffnungsstrahl durchzuckte mich. Vielleicht haben sie meinen Rath befolgt und sich entfernt, ehe der Pöbelhaufen erschien! Unwillkürlich fühlte ich mit Entsetzen, daß ich mich täusche.
Ich eilte hinaus um die Gefangenen zu befragen. Ein Blick sagte mir, daß ich zu spät kam. Die Männer wenigstens konnten mir keine Auskunft mehr geben. An den Aesten des nahen Pekanbaumes hingen zehn menschliche Gestalten mit gesenkten Köpfen und den Füßen hoch über der Erde. Unter ihnen waren die grausamen Wütheriche, welche an den Vorgängen des Tages betheiligt waren. So sagte man mir. Ich sah mehrere von den gefangenen Weibern bis zum Gürtel entkleidet und Männer damit beschäftigt sie mit Maulthierzügeln und stricken von ungegerbtem Leder zu peitschen. »Misericordia! madre de Dios« tönte es furchtbar in den Lüften.
Es gehörte der ganze Nachdruck eines Befehls dazu, diesem jammervollen Schauspiel ein Ende zu machen.
Auch diese Megärenbrut konnte oder wollte mir keine Auskunft geben.
Mannschaft und Pferde bedurften der Rast und Nahrung. Physisch und moralisch erschöpft ließ ich mich in unserm Bivouak nieder, und betrachtete theilnahmslos die nächtliche Lagerszene und den rührigen Eifer, mit welchem die braven Jäger zuerst ihre Thiere und dann sich selbst versorgten. An Proviant gebrach es den wackern Burschen nicht. Die Guerrilleros ließen viel übrig, das Mangelnde ward rasch aufgefunden. Nur mir — — — — — —
»Kapitän, es ist kein Topf so schief, er findet seinen Deckel; wir gehen auf die Pürsche.« Diese Worte Rube's störten momentan meine düstern Träume. Ich sah ihn mit Holingsworth und Garey die Treppen hinaneilen.
Tausend verworrene Gedanken kreuzten sich sich in meinem Kopfe. Ich weiß nicht, welche innere Stimme mir sagte: Du stehst auf der schwelle des Lebens; zwei Wege sind dir geöffnet; der eine geheimnißvoll, unbestimmt, voll leidenschaftlicher Erregungen und Zweifeln, der andere sicher und bestimmt. Auf diesem ist eine glückliche Zukunft dir beinahe verbürgt. Sieh, welch' eine süße lachende Existenz! Du besitzest genug Reichthum, um mitten unter allen Zaubern des Luxus und den Segenswünschen Derer zu leben, die du unterstützest, deinem Geiste bieten die Angelegenheiten deines großen Landes jegliche Befriedigung, suche den inneren Frieden und entsage den stürmen der Leidenschaften, denen dein Leben an Isolina's Seite stets preisgegeben sein wird!
Da fielen mir ihre Abschiedsworte ein: »Wenn du nicht an dich selbst glaubst, wirst du auch nie an die Andern glauben, und das ist ein entsetzliches Unglück.
Der Trauerflor sank von meinem Augen, das offene, reine Gesicht Isolina's blickte auf mich. Durch eine unerklärliche und plötzliche Rückwirkung hielt ich alle jene theuern Erinnerungen und Gefühle fest, welche der Skeptizismus aus meinem Herzen stehlen wollte. Ich mußte Isolina wiederfinden.
»Misericordia, Misericordia!« gellte es erschrecklich in meinen Ohren.
Rube und Holingsworth trugen einen Menschen — das Blut rann ihm aus den Augen und der Nase, ich sah's beim Fackelschein aus der Hacienda und geradehin zu der gewaltigen Feuergluth, aus deren Lichtkreise einige Jäger auf Holingworth's Kommando rasch zurückwichen. Mein »Halt« erschallte zu spät. Mit einem einzigen Wurf und einem gräßlichen Schrei ward die blutige Gestalt in die Flammen geschleudert, während der Texaner mit verschränkten Armen und beinahe wahnsinnigem Lächeln in die hochauflodernden fressenden Flammen schaute.
Rafael Ijurra war gerichtet!— — — — — — — —
Voll Entsetzen blickte ich von dem schrecklichen Gottezurtheil hinweg, und gewahrte an Garey's Seite Isolina's Groom, dem ein Freudenschrei bei meinem Anblick entschlüpfte.
— Wo sind sie hin, wohin? —
— Carrai, Señor; jene schlechten Menschen haben die Señorita und Don Ramon fortgeschleppt; ich weiß nicht wohin.
— War der dabei? — ich wies nach dem Feuer.
— Der eben hat's befohlen, Señor. Gutierez war mit dem Gepäcke, den Pferden, der Schimmel ist auch darunter, dann mit mehreren Leuten und Maulthieren am Morgen voraus nach St. Antonio de Bejar abgereist; Don Ramon und die Señorita wollten zu Wagen Nachmittags nachkommen, da brachen aber viele bewaffnete Männer plötzlich in das Haus ein und schleppten, madre des Dios, auf Befehl des Señor Ijurra, ay de mi, — er hat mich sehr geschlagen Don Ramon und die Señorita auf den Patio hinaus, wo sie auf die Maulthiere gesetzt und fortgeführt wurden.
— Wohin?
— Ich weiß es nicht.
— Aber ich,« versetzte Holingsworth finster und farblos — falls der Schurke, dessen Seele bereits in der Hölle angelangt sein muß, Wahrheit gesprochen.
— Er wollt's nicht gleich sagen, fiel Rube ein — als wir ihn aus dem Kamin gezogen. Aber schlechter Patient macht unbarmherzigen Arzt.
— Sie wurden zu der Guerilla des Canales eskortiert, sagte Holingsworth, übrigens sind hier vielleicht einige nähere Daten. Wir fanden sie in der Tasche des Mörders meines Bruders.
— Ich habe kein Wort mit Holingsworth über die schreckliche Szene gewechselt. Es war Gottesfügung!
Garey kam mit einer Fackel. Ich griff mit fieberhafter Hast nach den Papieren. Eines davon enthielt den Verhaftsbefehl, lautend auf Don Ramon de Vargas und seine Tochter, kraft welchem dem Oberst Rafael Ijurra die Weisung ertheilt wird, die Beiden wo möglich nach Mexiko zu schaffen, um dort von der Audiencia (obersten Gerichtshof) abgeurtheilt zu werden. Unterschrieben: Santa Ana. Ein zweites eng beschriebenes Papier war ganz materieller Natur, nämlich ein Verzeichniß sämmtlicher Liegenschaften und Mobilien Don Ramon's. Unstreitig huldigte Ijurra in hohem Grade dem Nützlichkeitsprinzipe. Die andern Schriften enthielten eine kurze Korrespondenz zwischen Don Ramon de Vargas und dem Generallkommissär der amerikanischen Armee, ferner einige Brouillons über die Bewegungen der amerikanischen Truppen am Rio Bravo del Norte. Ein zierliches Billett, in welchem mein Auge den Namen Isolina entdeckte, reizte meine Aufmerksamkeit. Es war von General Almonte und an Isolina gerichtet. Ijurra hat es unterschlagen. Die geckenhaften und blumigen Phrasen im Stile der Perrückenzeit, die lächerliche Geziertheit des Ausdrucks machten mein Herz nicht erbeben. Einen solchen Gecken konnte Isolina nicht lieben. Waß bedeutet aber die Phrase: »Sie sagten, in einem Jahre sehen wir uns wieder! O kürzen sie doch, göttlicher Stern von Mexiko, diesen langen Zeitraum — — — — — — «
Ein Windstoß löschte die Fackeln aus.
Ich empfand ein sonderbares Gefühl; es schien mir, als steige mein Geist schnell aus einer idealen Sphäre, mit bezaubernden Figuren bevölkert, herab zu einer finstern endlosen Wüste.
Ein physischer Vergleich wird diesen rein moralischen Eindruck erklären. Die Flügel, die mich seit zwei Tagen wieder in der Region des erhabensten Glaubens erhalten hatten, ließen mich plötzlich im Stich, und ich stürzte herab auf den dürren, verheerenden Boden der Analyse, mitten unter die Trümmer meiner ersten Hoffnungen.
Es war mir stets unangenehm, von den Gleichgültigen erkannt oder erforscht zu werden und gefährlich oft selbst bei den Freunden. Wenn in der moralischen Organisation eines Jeden ein Kulminationspunkt stattfindet, welcher der Ausgangspunkt und das Ziel aller Gedanken, aller Wünsche, aller Begierden ist; wenn es endlich edel oder schmachvoll, eine Art von fixer Idee gibt, die man so zu sagen stündlich in sich klopfen fühlt — denn oft möchte man behaupten, daß das Herz seine Stelle verrückt — so ist es besonders dieser stets klopfende Punkt, den der vernünftige Mensch am gewandtesten der Kenntnis eines Jeden entziehen muß.
Ich steckte kaltblütig die Papiere in meine Tasche und befahl Holingsworth in einer Stunde satteln zu lassen.
Ich war allein.
Jene fixe Idee kannte ich nicht. Das Große, Erhabene, Edle, was in meinem Herzen vorhanden war, trug stets den Sieg über das Niedrige, schwache und Egoistische davon. Letzterem entströmte allerdings häufig die erste Regung, aber die Ueberlegung behauptete das Schlachtfeld. Der Mann welcher sich einer großmüthigen Anziehungskraft entzieht, weil er sich getäuscht glaubt, ermangelt der Kraft, der Größe, des Adels. Mächtiger denn je tauchten Isolina's Abschiedsworte wieder in mir auf. Sie weckten wieder jenes blühende, strahlende Glück, geschmückt durch tausend köstliche Erinnerungen, eben so berauschend, als der namenlose Duft eines Bouquets, der auch aus tausend süßen, frischen Wohlgerüchen zusammengesetzt ist.
Die erschütternden Eindrücke des heutigen Tages, die wilde, schauerliche Szene, welche bei der nun halb erloschenen Feuergluth abgespielt wurde, mußten der beginnenden Thatkraft weichen.
Der hereinbrechende Vollmond fand uns im Sattel. Wir flogen den Hügel hinab, wateten schnell durch den Fluß, durchritten das nahe Gehölz und erreichten bald die offene Prairie.
Dorthin waren sie gezogen.
Durch den letzten Regen war der Prairierasen feucht geworden und wir konnten die Fährten der Guerilleros erkennen, ohne abzusteigen. An trockenen Stellen sprang Rube oder Garey aus dem Sattel und ging zu Fuße voraus. Die Schurken waren im schritt geritten. Wir mußten ihnen nachkommen.
Wenn nur der Mond aushält, sagte Garey.
Der Schwarze hole den Mond, er wird aus löschen, fiel ihm eine Stimme in das Wort.
Es war Rube, der die unangenehme Prophezeiung ausgesprochen hatte.
Alle Augen richteten sich nach oben. Der volle weiße Mond zog an einem wolkenlosen Himmel und fast im Zenith dahin. Wie sollte er daher erlöschen?
Seht dorthin! antwortete Rube, erkennt ihr die schwarze Linie dort, tief unten auf der Prairie?
Im Ost zeigte sich am Horizont ein dunkler Streifen.
Nun, fuhr Rube fort, dort ist kein Wald — kein Reis — und auch keine Erhöhung. Das ist eine Wolke. Vagh! In zehn Minuten wird das verwünschte Ding den bleichen Laternenmann oben bedecken, und den hübschen blauen Himmel so schwarz wie das Fell eines afrikanischen Neger's machen — das wird er.
Wir blieben nicht lange in Ungewißheit. Am Himmel stiegen Wolkenmassen herauf, bis die schwarze Wand den Mond bedeckte. Plötzlich lag die Prairie düster, wie von einer Mondesfinsterniß beschattet, da.
Die Fährten waren nicht mehr zu erkennen. Mir machten Halt. Einige Jäger hatten Fackeln mit sich genommen, allein ein heftiger Wind machte sie öfters verlöschen und nur mühselig konnten wir weiter gelangen.
Fünf volle Stunden waren wir bereits zu Pferde, als ich anfing eine seltsame Empfindung in den Augen zu spüren. Ich schrieb es dem Mangel an Schlaf zu. Meine Leute glaubten, daß sie auf dieselbe Art belästigt würden. Erst in einer Stunde ward uns die richtige Erklärung. In der Luft war Rauch.
Die Bewohner der Prairie betrachten solche Zeichen nie mit Gleichzeitigkeit. Wo Rauch ist, gibt es Feuer, und wo Feuer ist, gibt es Gefahr, — wenigstens auf den weiten, mit Gras bewachsenen Steppen des Westens. Einem brennenden Walde kann man aus dem Wege gehen. Man kann in der Nähe eines in Flammen stehenden Waldes verweilen, und ein solches Schauspiel mit Interesse betrachten, aber eine lodernde Prairie ist ein Phänomen von ganz anderer Art und man findet nur selten einen Platz, von wo aus man dieses erhabene Schauspiel ohne Gefahr betrachten kann.
Als wir weiter vorrückten, wurden die Blicke der Männer unruhig. Der Rauch verdichtete sich, der Morgenhimmel wurde immer düsterer, die Schmerzen in unseren Auge immer heftiger, die Pferde wollten nicht mehr vorwärts.
Die Prairie und der Wald vor uns stehen in Feuer, die Guerrilleros haben den Wind benützt um sich vor der Verfolgung zu sichern, meinte Rube. Es ist ihnen gelungen, so wahr sich heute der mexikanische Mörder die Knöchel verbrannte.
Der Dampf wurde immer dichter, ich glaubte das Prasseln der Flamme hören zu können. Ein heißer Wind trieb die weiße Asche von verbrannten Blättern in der Luft herum, Pferde und Menschen konnten nicht mehr weiter.
Es war hohe Zeit. Als Offizier war ich für meine Mannschaft verantwortlich. Obgleich diese Retraite mir peinlich, ja abscheulich schien, durfte ich sie doch nicht vermeiden, und entschloß mich also dazu.
Eine Viertelstunde von uns, war ein Chapparal, in dessen breiten Schluchten der Luftzug uns wenigstens theilweise vor dem abscheulichen Rauch schützen konnte. Der Chapparal, mit seinem dichten und saftigen Pflanzenwuchs konnte nicht brennen, obgleich der Rauch zeitweise ganz unerträglich wurde. Auch dieser böse Feind mußte bald schwinden, denn wir hörten bereits das Feuer in der Nähe. Die Halme des dicken Riedgrases knallten wie Flintenschüsse.
Von Zeit zu Zeit sprang ein Hirsch aus dem Gebüsch und zog flüchtig an uns vorüber. Ein Rudel Antilopen kam in die Schlucht herab und blieb dicht neben uns unschlüssig stehen. Hinter ihnen erschienen flüchtig mehrere Prairiewölfe, aber keineswegs in der Absicht dieses sonst so bevorzugte Wild zu werfen. Auch ein schwarzer Bär und ein wunderschöner Panther suchten die behäbigere Schlucht auf, auf den Zweigen kreischten die größeren Wald- und Prairievögel, ganze Hühnerketten liefen zwischen den Pferden herum und wir konnten durch den Dampf die Geier kreisen sehen, allein von der Luft, auf die Beute herabzustoßen. So war es vielleicht in der Arche Noah's gewesen, welche Illusion indeß die beiden Trapper und einige der Jäger aus Instinkt und Nothwendigkeit rasch zerstörten. Es mußte Fleisch gemacht werden und es ward in Fülle.
Mitten in der Schlucht wurde ein Feuer angezündet. Jeder schnitt sich ein Stück Wildpret herab, die Trapper rückten mit ihrem Salzvorrath heraus, das Fleisch wurde an die Säbelpitze gesteckt beim Feuer gebraten, und unter Scherzen über die »räucherige Küche« verzehrt. Die Heiterkeit dauerte aber nicht lange.
Ein dringenderes Verlangen wie der Hunger erfüllte meine Jäger und ich spürte es wie sie, — es war der Durst. Alle hatten seit mehreren Stunden daran gelitten. Die Einen kauten ihre Bleikugeln oder Kiesel, welche sie aufgelesen hatten; Andere gebrauchten das rohe Präservativ, daß sie den Schweiß von dem erlegten Wilde schlurften, die Meisten versuchten an den saftigen Stengeln der Agave und des Cactus ihren Durst zu stillen, welche Erleichterung böse Folgen nach sich zog.
Unsere armen Pferde litten ebenso als die Mannschaft. Unter solchen Umständen verliert selbst die militärische Autorität ihre Macht. Die Natur ist stärker als das Kriegsgesetz.
Glücklicherweise fing der Rauch an sich zu verziehen und die Luft klärte sich auf. Das Feuer war bis an den Rand des Chapparals gekommen, wo sich ihm jetzt die saftreichen Bäume entgegenstellten. Das sämmtliche Gras war verbrannt, — die Feuersbrunst hat ihr Ende erreicht.
Wir führten unsere Pferde aus der Schlucht und gelangten endlich aus dem Dickicht an den Rand der verwüsteten Ebene.
Das Feuer hat auch dort aufgehört, selbst der Rauch, außer wo die feuchte Erbe noch von der Hitze dampfte, aber rechts und links und in der Entfernung vor uns hatte die Oberfläche bis zum Rande des Horizontes nur eine einzige Farbe, als ob sie mit einem unendlichen weiten, schwarzen Leichentuch bedeckt wäre.
Es war ein fürchterliches Schauspiel — entsetzlich ohne erhaben zu sein. Selbst der dornige Chapparal gewährte dem Auge keine Erleichterung mehr. Die Umrisse seines niedern Gebüsches waren unter dem Horizont versunken, und auf allen Seiten dehnte sich die verkohlte Fläche schwarz und grenzenlos bis an den Rand deß bleifärbigen Himmels aus. Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich mich leicht dem Gedanken hingeben können, daß die Welt gestorben sei.
Die Fährten waren von dem Feuer getilgt worden. Mit finstrem Blicke und tiefer Niedergeschlagenheit hörte ich Rube's Hiobspost an. Meine Adern pochten, als wollten sie die Haut sprengen. Ich konnte nicht mehr weiter meine Leute führen. Zwischen den tausend stürmenden Empfindungen, die meine Seele durchkreuzten, empfand ich ein Gefühl tiefen Mitleids mit meinen Jägern, den hart mitgenommenen Pferden. Ich mußte so handeln, wie die strengen Gesetze Gottes und der Menschheit es vorschreiben, wie der Diensteid es gebot. Also zurück! Zurück, während ihre Schergen vielleicht nur 2 Stunden vor uns lagen! Entsetzliches Verhängniß! Unter großen Mühsalen und Entbehrungen kamen wir endlich im Lager an. Wir? Ein Drittel der Jäger und Pferde waren auf dem Rückmarsch zu Grunde gegangen! Das hat die brennende Prairie, der Durst in der Schlucht des Chapparals gethan!
Auf meinen Wanderungen in Amerika, kam ich im September 1848 auch nach Neu-Orleans, nachdem ich den Mississippi entlang fast ein volles Jahr auf den besten Jagdplätzen und amüsanteren Städten mich herumgetrieben.
Der erste Besuch galt dem bewährten Freunde Sir Eduard Wolsey, meinem Pollux aus der sündigen Seinestadt, der wegen seiner einigermaßen undiplomatischen Lebenslust von dem sittenstrengen Lord Aberdeen zu den Quäkern nach dem freudenlosen und sehr melancholischen Washington gesendet worden und seit drei Monaten interimistisch die höchst langweiligen Geschäfte des englischen Generalkonsulats in Neu-Orleans besorgte.
Wolsey war noch ein junger Mann; es fehlte ihm nicht an einem gewissen geläufigen und fühlbaren Geiste, auch vertrug sich seine sehr liebenswürdige Gutmütigkeit recht gut mit einer gewissen Skepsis, deren feine Stacheln von dem oberflächlichen Urtheil freilich oft als ganz grimmige Mordwerkzeuge der Spottsucht und Medisance ausgeschrien wurden, obgleich diese Anklage nicht im mindesten seinen Ruf als guter Gesellschafter und ergebener Freund bloßstellte. Er war ein großer Kenner von Pferden und zeigte sich als eben so großen Sportsmann wie Weltmann, welche Eigenschaften bekanntlich nicht immer verbunden sind.
Ich fand Wolsey in seinem Empfangsalon und in Gesellschaft einiger Herren, deren Mehrzahl, wie ich alsobald wahrnahm, keineswegs der Nobility der Baumwollenstadt, sondern Englands feinerer Welt angehörten. Die Zeremonie meiner Vorstellung und der übliche Höflichkeitsaustausch belehrten mich, daß ich mich in der nächsten Umgebung Mr. Baumwollsohn's und dreier Engländer befinde, die gleich mir jenseits des Ozeans jagdliche und anderweitige Aufregungen gesucht und nach Einbuße der schönsten Illusionen eben daran waren, in den ganz eigenthümlichen Genüssen Neu-Orleans einen Ersatz für die vielen Entbehrungen und Mühsale ihres Jagdzuges zu suchen.
Mein edler Freund Wolsey schien auch in Neu-Orleans wie einst in Paris sein zu Haus, diesen verborgenen Diamant des Lebens mit Takt, Geschmack und Erfahrung zu pflegen. Der Sardanapal war wenigstens überall sichtbar.
Unstreitig würde der mit schönen Jagdbildern, seltenen Kupferstichen aus der wüsten Zeit der Regentschaft, allehand Waffen und Nippsachen verzierte Salon, in seinem Ensemble jedem Lebemann als ein Muster raffinierter Ueppigkeit erschienen sein. Hier waren tiefe Fauteuils, breite Divans, die interessantesten Albums, eine bewunderungswürdige Sammlung von Rauchwerkzeugen und Materalien jeglicher Art von dem indischen mit Gold und Edelsteinen besetzten Huka bis zu den brule-gueules des rauchenden Proletariats, von dem weichen duftigen Blatte Makedoniens, Atakias oder der Havanna bis zu dem schwarzen Kautabak, mit dem der Amerikaner allerlei kühne Fresken malt, von dem feinsten Produkte der Havanna bis zu der auf nackten Negerknien zusammengerollten Matrosenzigarre. Im Einklang zum Ganzen trugen zwei durch ihren lebensfrischen, tropengluthigen Formenreichthum auffällige Negerinnen Erfrischungen oder Zigarren herum, deren Vorhandensein in dem Hause eines unverheiratheten Diplomaten alle Familienkreise Alt-Englands in Aufruhr und Ingrimm versetzen mußte. Es waren aber auch in der That zwei herrliche Gestalten, die selbst manches Auge, das über die weißen Schönheiten nordischen Stammes noch nicht blasiert geworden, nachsichtig gegenüber den afrikanischen Schönheitselementen gestimmt haben würden. Und welche Toilette! Man denke sich den bloßen Oberkörper in ein schneeweißes und reich gesticktes Hemd gehüllt, dann eine weiße Atlastoga unten mit breiten Spitzen behangen dazu, um den nackten Fuß einen weißen Atlasschuh, auf dem Kopfe ein rothes Spitzentuch, welches das abscheuliche Wollhaar maskiert, alle Formen wie aus Basalt meisterhaft herausgemeißelt, und man wird meine Behauptung gerechtfertigt finden, daß Wolsey wie Wenige die heitere Seite des Lebens praktisch zu erfassen verstand.
Es fand an diesem Tage ein Steeple-chase statt. Wolsey war Richter und machte mir und den andern Herren den Vorschlag ihn nach der eine halbe Stunde von der Stadt entfernten Rennbahn zu begleiten, worauf das Steeple-chase anfängt und endet.
— Ist das Rennen interessant? — frug ich.
— Leider nur zu sehr, entgegnete Eduard. Ueber zwanzig Minuten zu reiten, mehrere Fuß hohe Hecken und Barrieren, zwei Doppelsprünge, die gar nicht zu einem »Faires« Jagdterrain passen, mehrere sehr breite Gräben, und als Endpunkt noch einen Sprung über eine 51/2' hohe feste Barrier — — —.
— Ich rieche Menschen- und Pferdeleichen, bemerkte Thompson.
— Ihr Geruchsorgan täuscht sie nicht, werther Sir, sagte Wolsey seufzend, ich bin deßhalb auch in Verzweiflung, Richter oder eigentlich Zeuge dieser Art mörderischer Herausforderung zu sein, welche einem der braven jungen Männer das Leben kosten kann, wo nicht allen beiden. Aber ich konnte die Annahme dieses peinlichen Amtes einem meiner besten Freunde und nahen Verwandten nicht abschlagen.
— Aber was ist denn die Veranlassung? fragte ich.
— O, erwiderte er, das ist ein ganzer Roman. — Eine der schönsten Damen Mexikos hat sich hier mit ihrem Vater vor einigen Monden angesiedelt. Man ißt ein gutes Stück Fleisch bei Don Ramon de Vargas. Sie haben, meine Herren, fast alle die Dame auf ihren Promenaden zu Pferde gesehen; mit meinem Kousin, Lord Howth, sie wissen, daß er in der amerikanischen Armee aus purer Abenteuersucht gedient, unter höchst romantischen Verhältnissen verlobt, kam Miß Isolina de Vargas direkt hierher aus dem Staatsgefängniß in Mexiko, aus dessen feuchten, unkomfortablen Mauern die schöne Señora sammt ihrem Papa durch die waghalsigste und gefährlichste That meines Kousins glücklich entführt wurde. Ich glaube es setzte bei dieser Affaire nur einige Schüsse und Dolchstiche ab.«
— This fair votary of Diana im schmutzigen Gefängniß!« bemerkte einer der Engländer mit Entsetzen.
— Die Familie, erzählte Wolsey weiter, — wurde durch einen intriganten Nebenbuhler, soll so ein Mittelding zwischen Spion und Henker gewesen sein, der seine exquisite Landsmännin, oder viel mehr ihr Vermögen meinem entsetzlich verliebten Kousin nicht gönnen wollte, des Hochverraths angeklagt. Vater und Tochter wurden eines Tages, letztere inmitten der schönsten Liebesträume von des Nebenbuhlers Bande gewaltsam festgenommen, mit einer Eskorte nach Mexiko gebracht und dort allen Schauern der Todesahnung ausgesetzt. Es schien als ob Santa Ana eine ganz besondere Pique gegen die schöne Señora hatte. Man sagt, sie wäre Ursache gewesen, daß sein natürlicher Sohn, der erwähnte Mitbewerber um ihre Hand und Fortüne, lebendig gebraten wurde. Der Schurke soll aber diese Unannehmlichkeit wirklich verdient haben. Durch den Frieden von Guadelupe Hidalgo kam der Grenzstaat, in welchem Miß Isolina's Vater Ländereien, groß wie ein Königreich besitzt, unter die Bothmäßigkeit der Union, welche erwünschte Schicksalswendung dieser mexikanischen Familie den nun vollends gesicherten Genuß von 200.000 Dollars jährlichen Renten verbürgt. Es ist dieß allerdings eine ganz angenehme Summe, über welche die prächtige Perle vom Rio Bravo del Norte mit der bizarrsten Laune verfügt.
— Ist sie wirklich so schön? — fragte einer der Engländer.
— Außerordentlich, versetzte Mr. Baumwollsohn, der Löwe von Neu-Orleans. Aber ihr Geist ist sehr boshaft, sehr beißend; dabei ist sie geringschätzend und eigensinnig bis zum Exzeß, indem sie daran gewöhnt ist, sich Alles vor ihr beugen zu sehen. Ihre Koketterie überschreitet alle Grenzen und um ihre Schilderung zu vollenden, macht sie die lächerlichsten Ansprüche; denken sie nur, worauf? auf ernste und abstrakte Wissenschaften, auf die Künste, auf was weiß ich! Um die Leute vollends verrückt zu machen, ist sie nicht nur eine schöne, bezaubernde sondern auch eine hardie Reiterin, die mit allen Franconi's der Welt um die Wette reiten würde. Aber ihr Stepper, der Schimmel, das ist auch ein Pferd! sein Pedrigee ist unbekannt, aber man braucht ihn nur anzusehen, um sich alsofort zu überzeugen, daß er scion of a bit of blood[7] ist. Es ist ein schön geschnittenes, tiefes, langes Pferd, mit einem wundervoll reinen, trockenen Kopf und Hals, seine ganze Erscheinung ist diejenige eines ersten Klasse-Pferdes über schwieriges Terrain. Wahrlich für einen bessern Hunter ward noch nie ein Zaum geschnitten. Aber Gott behüte mich vor der Dame. Ihre Koketterie, ihr Leichtsinn — Mr. Baumwollsohn,« bemerkte Wolsey sichtlich aufgeregt, will Ihnen, meine Herren, die schöne Mexikanerin nicht in den lichtesten Farbentönen malen. Es ist bekannt daß die gute Gesellschaft sich mit echt christlicher Demuth stets darein fügt, ihre hohe und seltene Welterfahrenheit zu vergessen, um bis zur dümmsten Leichtgläubigkeit und Urtheilslosigkeit herabzusteigen, sobald es sich darum handle, eine Verleumdung zu glauben. Daphne, reiche Herrn Baumwollsohn eine andere Zigarre. Er scheint kalt zu rauchen!
Der Neu-Orleanser Sportsman ward dunkel roth und belächelte in blöder Verlegenheit die ziemlich unverschleierte Attacke Wolsey's.
— Daß Miß Isolina kokett sei, fuhr Wolsey mit Wärme weiter fort — kann ich aus eigener Erfahrung nicht bestreiten. Aber ihr kokettes Wesen ist ganz eigenthümlicher Natur. Es Besteht nicht in falscher Zuvorkommenheit, in einem eben so schmeichelhaften als lügnerischen, ebenso ermuthigenden und trügerischen Empfange. Ihr Charakter ist zu Stolz um sich auf diese vulgäre Weise Huldigungen zu gewinnen. Ihre Koketterie liegt in der unbeschreiblichen Anmuth, die Isolina ihren scheinbar gleichgültigsten Stellungen zu geben weiß, und diese Anmuth ist mit der angeborenen Eleganz ihres Wesens so künstlerisch in Einklang gebracht, daß es unmöglich ist, etwas Lieblicheres zu betrachten, als Don Ramon's Tochter. Mit der reizendsten Aufrichtigkeit hatte sie mir selbst oft gestanden, sie fände ein großes Vergnügen darin, sich mit dem vollkommensten Geschmack zu kleiden und auch zu Pferde sehr interessant zu erscheinen; sie liebte es sehr, ihre anmuthige Stellung aus einem Spiegel zurückgeworfen zu sehen; sie begreife nicht weshalb man mehr darüber erröthen soll, seine Schönheit zu pflegen und zu schmücken, als seinen Geist; sie gestand auch noch, daß sie sich in dieser Koketterie weit mehr für sich selbst gefalle, als für die Andern, daß sie deßhalb auch ihre eigene Bewunderung sehr vorziehe und sich an selbe halte. In ihrer Koketterie ist demnach eine gewisse Methode. Ich gestehe auch offen, niemals eine Dame gekannt zu haben, welche so hoch diese Kunst, reizend zu sein, gesteigert hätte, wie Isolina. Aber das ist noch nicht Alles; sie hat einen Kinderfuß, den schönsten Arm, und eine Hand zum Entzücken. Rechnen sie noch dazu, daß sie in der That die kühnste und gewandteste Reiterin in ganz Amerika ist, so wissen sie Alles, warum die Welt diese unverschämte Vereinigung so seltener Vorzüge mit so geringem Wohlwollen beurtheilt.
— Du vergißt ganz, lieber Eduard, uns die Ursache des Duells mitzutheilen.
— Ach ja, meine Ritterpflicht hat mir die Frage gänzlich aus dem Kopfe gerückt, entgegnete er ernst. Ich kann dieß Geheimniß leicht mittheilen, weil es binnen hier und einer Stunde bei dem Anblick der letzten Barriere Jedermann errathen wird. Mein Kousin, Isolina's Verlobter, kam aus England zurück, und wollte die Ueberzeugung errungen haben, daß die schöne Braut, den regen Aufmerksamkeiten, welche ihr Don Alvarez, ein junger fein gebildeter Mexikaner bewiesen, nicht jene Zurückhaltung entgegenstelle, die einer Braut in solchen Fällen zukommt. Mein Kousin gebrauchte sein Recht. Von zu feinem Ton, um sich wegen einer Dame zu schlagen, wählten sie den Modus eines halsbrecherischen Rennens. Endet es unentschieden, so wird es später wiederholt. Ich konnte diese mörderische Wette nicht verhindern. Aber die Zeit drängt, es ist zwei Uhr; bestellen wir unsern Wagen — — — — — —
Ich war ungeduldig, nach dem, was Wolsey uns erzählte, an den Ort des Rennens zu gelangen. Der Platz lag am Nordende der Stadt, weit ab von ihrem Getümmel, hinter hüttenartigen Wohnungen. Mächtig kontrastierte hier aber heute die Stille, schweigsame Natur gegen das Menschentreiben. Für die Bewohner Neu-Orleans war dieser Tag ein gesundes Essen.
Auf dem Rennplatze mischten wir uns unter die gewöhnlichen Besucher von Wettrennen, unter denen Wolsey mehrere Bekannte fand. Eine ansehnliche Menschenmenge wogte neben den gewaltigen Hindernissen herum. Man fragte sich, weshalb zwei junge reiche Weltmänner so verwegen ihr Leben wagten? Man erkundigte sich ob wenigstens die Höhe der eingegangenen Wette bis auf einen gewissen Punkt ein so wahnsinniges Bravourreiten begreiflich mache? Aber die Wette betrug nur 200 Onzas. Einzelne schienen auf der rechten Fährte zu sein. Ich hörte ausrufen: Ist es möglich? Jetzt erklärt sich in der That Alles! Aber welche Thorheit! Welches Zartgefühl! Welche Verwegenheit! Die teuflische Mexikanerin! Nur sie kann solche Handlungen veranlassen! u. s. w.
Wer ist der Favorite?[8]« fragte ich Wolsey.
Diese Frage kann ich unmöglich beantworten. Beide Kämpfer reiten auf mexikanischen Mustangs, deren Ausdauer und Leistungsfähigkeit mir fast gänzlich unbekannt. Soviel ich weiß, hat mein Kousin auf seinem Mustang Moro schon erstaunliche Ritte gemacht, allein ob ein und das andere Pferd ein Jagdrennen in diesem Stil zu überwältigen vermag, muß ich dahin gestellt sein lassen.
Mit jedem Moment kamen neue Wagen an und immer mehr drängte sich die Menge nach dem Mittelpunkt der Linie hin. Ich betrachtete mir das letzte Hinderniß. Es war ein fürchtbares.
Lord Howth, ein interessanter Mann, mit edlem, wettergebräunten Antlitz und streng militärischer Haltung und Don Alvarez waren zu Wagen angekommen und bestiegen die Pferde, um sich an den Abrittplatz zu begeben.
Lord Howth trug eine seidene, weiß schwarze Casaque und eine ähnliche Mütze. Don Alvarez hatte die roth grüne Farbe gewählt. Er war klein von Statur, von angenehmen Aeußern und höchstens 25 Jahre alt. Er ritt einen wunderschönen Mustangschecken.
Lord Howth näherte sich dem Mexikaner, das Lächeln auf den Lippen und reichte ihm die Hand, welche Don Alvarez mit der größten oder wenigstens mit der scheinbarsten Herzlichkeit drückte. In den Zügen der zunächst stehenden Zuschauer war deutlich eine allgemeine und peinliche Theilnahme für die beiden jungen Männer zu lesen. Ein ältlicher Mann näherte sich dem Lord und schien diesem dringende Vorstellungen zu machen. Sie wurden mit der größten Artigkeit aufgenommen, blieben aber ohne Erfolg.
Die Gentleman riders verfügten sich zur Wage, und saßen bald darauf im Sattel.
Während die Menschenmenge mit fieberhafter Neugier die Vorbereitungen zum Abritt betrachtete, erblickte man aus dem Gewühle der Wagen einen Reiter im Trab herankommen. Es war ein wunderschöner junger Mann mit weiblichen Zügen und ebenfalls in schwarz weißen Farben. Er ritt einen herrlichen Schimmel.
Sie sind abgeritten,« tönte es wie Meeresbrausen in der Menschenmasse.
»Die Mexikanerin,« erschallte es einige Sekunden darauf.
Man hörte einen Schrei. Er kam aus dem Munde jenes ältlichen Mannes, der ohnmächtig zusammensank.
Eine furchtbare Verwirrung entstand.
»sie ist's — die Sirene, die Kokette, die Mörderin u. s. w.« rief die Masse.
Die beiden Reiter hatten die erste Barriere neben einander übersetzt und auch den Doppelsprung bald hinter sich. In fliegenden Sprüngen und schärfster Gangart war der Schimmel ihnen gefolgt. Dort war die Bahn durch ein Gehölze gedeckt. Eine furchtbare Pause, welche das innerste Mark aufwühlte. Da kamen sie endlich wieder heran, allein nur wenige Längen hinter ihnen auch der Schimmel in schnellster Pace.
Es war ein herrliches Rennen.
Da hörte man wieder den Boden unter dem Hufschlage der heranstürmenden Pferde ertönen. Die beiden Kämpfer flogen dicht hintereinander heran; aber Lord Howth hatte bereits die Führung übernommen. Beim 16 Fuß breiten Graben, den ersterer bereits brillant übersetzte, brach Don Alvarez Schecke aus und konnte von seinem Reiter nicht mehr auf die Bahn gebracht werden. Wie ein Pfeil kam indeß der Schimmel herangeflogen. Kaum verdunkelte der Schweiß die glänzende Farbe des Haares. Mit schnaubenden weitgeöffneten Nüstern, lang aus gestreckt, den Schweif niedergebeugt und die Ohren angelegt, raste er mit einem wundervollen Sprung über den Graben hinweg. Sein Reiter hatte die Mütze verloren. Lange Locken fielen auf die seidene Casaque herab. Es war in der That ein Weib und niemals habe ich ein schöneres gesehen.
»Alfred! Alfred!« tönte es zwei Pferdelängen hinter dem Mustang.
Sie waren beide vor der furchtbaren Barriere. ö
Mustang und Schimmel machten einen ungeheuern Satz und stürzten hinter diesem letzten Hindernisse zusammen.
Da stieß die ganze Menge einen einzigen Angstschrei aus.
Alles umgab die Stelle des Unglücks, und in mächtiger Aufregung drängten sich Wolsey und der früher erwähnte ältliche Mann durch den knorrigen Menschenknäuel.
Isolina erhob sich rasch. Sie war bleich, verstört und schaute erschreckt nach Lord Howth hin, den man eben von seiner Last, dem Mustang zu befreien suchte. Ihre Stimme stockte. Sie versuchte zu reden, sie konnte nicht, aber sie stieß einen gellend unnatürlichen Schrei aus.
Alfred, Alfred, por el amor de Dios! Por la santissima madre! erscholl es plötzlich aus dem schönen Munde, während die kastanienbraunen Locken wild herumrollten.
Nina, Nina mia! que es esto rief der bestürzte Vater.
Lord Howth lag bewußtlos am Boden.
Alfred, Alfred, amigo mio, mi corazon, schluchzte das engelgleiche Geschöpf, indem sie den Körper ihres Verlobten umschlungen hielt, und diesem wie wahnsinnig in die Augen stierte.
Ein Mann drängte herbei.
Es verdad? Perdido para siempre? stöhnte sie aus hohler Brust.
Hollah! Es schlägt nicht immer ein, wenn's donnert.« Diese Worte kamen aus dem Munde eines seltsamen Menschenexemplares ohne Ohren, das mit einer wahren Riesenkraft den besinnungslosen Reiter zu Wolsey's Wagen trug.
Eine schöne Orange-Halbkutsche, von zwei prachtvollen Rappen gezogen, fuhr vor. Es war die Equipage des Don Ramon. Sie verschwand bald mit ihm und seiner halbohnmächtigen Tochter aus den Augen der versöhnen Menge, die immer dichter die beiden tobten Pferde umstand.
* *
*
Lord Howth erholte sich schon am nächsten Tage von der heftigen Erschütterung seines Gehirnes und Rückenmarks. Acht Tage später ward ich zu seiner Hochzeitsfeier geladen.
Ueber das eigentliche Motiv von Isolina's Betheiligung an dem halsbrecherischen Rennen konnte ich keine Gewißheit erlangen. Wolsey glaubte steif und fest, daß ein tiefer, schrecklicher Ernst die reizende Dame dazu veranlaßte. Die treue und innige Liebe, welche sie ihrem Gatten stets bewiesen, ließ mich später selbst daran glauben. — — — — — — — —
Auf meine Frage, am Hochzeitstage, antwortete Lady Howth in einer allerdings erkünstelten heitern Stimmung:
Was wollen sie? — Ich besah mir am Tage vor dem Rennen die Hindernisse. Meine Eitelkeit war gekränkt. Die Herren glaubten einen Rennkampf um's Leben eingegangen zu sein, während solche Hindernisse, por todos Santos, sogar ein schwaches Weib wie ich über winden konnte.
Offenbar hat sie nicht die Wahrheit gesprochen.
-Ende-
[1]Um vielfachen Aufforderungen zu genügen, beginnen wir neuerdings die Veröffentlichung dieses aus mancherlei Gründen sistierten Romans, welcher nunmehr keine Unterbrechung erleiden wird. Hinzugefügt muß werden, daß wir hier dem hochverehrten Publikum keine vulgäre Uebersetzung, sondern nunmehr eine sorgfältig bewerkstelligte Bearbeitung bieten. D. R
[2]Ich wünsche mir etwas in meinem Leben: Ein gutes Pferd, eine schöne Freundin. Hundert Dukaten, wenn ich will Und das Paradies, wenn ich sterbe.
[3]Nur ein Gott konnte am Kreuze für alle Menschen sterben. Wir Menschen aber werden ungeachtet aller Bestrebungen und Einwirkungen niemals Kosmopoliten werden.
[4]An diesen Tagen werden alle die Thiere die zur Hacienda gehören, selbst von den entferntesten Weideplätzen eingetrieben. Das junge Vieh, das noch nicht mit dem Eisen des Besitzers gezeichnet ist, wird gebrannt und die Anzahl der Thiere genau aufgenommen. Bei dieser Gelegenheit werden die zur Mast bestimmten Thiere kastriert, andere getödtet, das Fleisch derselben, in feine Riemen geschnitten, aufgehängt, an der Sonne getrocknet. Dieses Fleisch, Tasajo genannt, wird in Mexiko vielfach verbraucht und auch exportiert.
[5]In Mexiko wurden seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zwei heilige Jungfrauen, und zwar die de los Remedios und die von Guadalupe verehrt. Während eigenthümlicherweise der Schutz Ersterer von den Anhängern der Spanier angerufen wurde, betrachteten die Mexikaner die Jungfrau von Guadalupe als die Schutzpatronin ihres Landes und riefen sie an. Man erinnert sich dabei unwillkürlich an die Kämpfe vor Troja, wo die Mythe Juno und Minerva dem einen Theil, Mars und Venus dem anderen Theile schützend zur Seite stellte. Das Bild der Jungfrau de los Remedios war von Kortez bei der Eroberung mitgebracht worden und es ist dasselbe, welches der große Feldherr im Tempel der Azteken aufhängen und vor dem er die erste Messe halten ließ. Während der Revolutionszeit wurde die Jungfrau mit militärischen Abzeichen bekleidet, und von den Spaniern zur Kriegsgöttin erhoben. D. R.
[6]Almonte, durch seine diplomatischen Sendungen nach Washington und Madrid, durch sein Auftreten in Mexiko bekannt, ist der natürliche Sohn des Insurgentenführers Morelos, welcher ihn schon als kleinen Jungen während seinen Streifzügen mit sich führte. Bei einem Ueberfall der spanischen Truppen ließ Morelos, Gefahr für sein Leben fürchtend, den namenlosen Jungen nach einem nahe gelegenen Dickicht bringen und rief seinen Begleitern zu »mi hijo al monte«, »mein Sohn in den Wald,« woher ihm der Name blieb. In den vereinigten Staaten erzogen, war er einer der besten Freunde Santa Ana's und ist heute ein politischer Stützpunkt der französischen Expedition in Mexiko.
[7]Ableger eines guten Stück Blutes.
[8]Favorit wird das Pferd genannt, welches die größte Wahrscheinlichkeit des Gewinnens für sich hat.