Das Jägerfest.

Plaudereien im Bivouac
von
Capitän Mayne Reid

 

Jagd-Zeitung
Nr. 15-24. 1858

 

 

m Herbste des Jahres 18** flüchtete eine große Anzahl lebenslustiger Leute von Neu-Orleans den Mississippi hinauf nach St. Louis. Sobald nämlich gegen das Ende des Sommers das gefürchtete gelbe Fieber seine Verheerungen beginnt, verliert Neu-Orleans die Hälfte seiner Bevölkerung. Alles, was nicht durch Geschäfte oder durch Armuth zum Bleiben gezwungen ist, enteilt dem Schwerte des Würgengels, der erbarmungslos die Zurückbleibenden dezimiert.

Zur Zeit, als ich selbst mit dem erwähnten Flüchtlingsschwarme nach St. Louis kam, gewährte die Stadt das Bild der höchsten Lebendigkeit und Regsamkeit.

Zu seiner eigenen, nach Yankee-Art thätigen Bevölkerung gesellte sich ein Zuzug von Fremden aus aller Herren Landen, namentlich europäische Touristen, die diese Stadt so gerne als Ausgangspunkt ihrer Ausflüge wählen. St. Louis liegt nämlich so ziemlich an der Grenze abendländischer Civilisation, westwärts von ihr dehnt sich die Prairie in unendlicher Monotonie aus über Hunderte oder richtiger Tausende von Quadratmeilen. Da gab es denn Maler, die nach malerischen Effekten lüstern waren, Naturkundige, die neue Thiere ausstopfen, neue Pflanzen einlegen, neue Mineralien abhämmern wollten, endlich Jäger, die es müde waren, civilisirtes Wildpret zu jagen, und die nach ungewohnter Aufregung sich sehnten.

Zur letzten Gattung gehörte auch ich.

Zwanglos finden sich die Gruppen Gleichgesinnter in Amerika zusammen. Im Nu befand ich mich umgeben von fünf Männern, welche gleich mir in den fernen Westen um seiner Jagd beute willen eindringen wollten.

Der Feldzugsplan war bald gemacht. Jeder sollte sich nach seiner Laune equipiren, nur war ein Pferd oder ein Maulesel unerläßliche Bedingniß. Auf gemeinschaftliche Kosten wurde ein Wagen angeschafft, um die Zelte, die Lebensmittel und das Küchengeschirr aufzunehmen. Zwei Jäger von Profession, welche, wohlbekannt mit der Beschaffenheit des zu bereisenden Landes, gleichzeitig als Führer dienen sollten, wurden der Gesellschaft beigegeben.

Nach Verlauf von ungefähr einer Woche entwickelte sich eines schönen Morgens aus den rauchgeschwärzten Vorstädten von St. Louis ein stattlicher Reiterzug, einem mit sechs Mauleseln bespannten Wagen folgend, den ein freigelassener Neger Namens Jake lenkte. Neben letzterem saß unterm Leinwanddache des Karrens noch ein beständig rauchender Irländer Namens Michael.

Die acht Männer zu Pferde waren folgende: Zuerst Mr. Thomson, ein Vollblutengländer, dessen Anzug vom Wirbel bis zur Zehe von einer Zweckmäßigkeit und Dauerhaftigkeit war, wie man derlei nur bei englischen Reisenden zu finden pflegt. Der Mann war offenbar von vornehmerem Range, als sein Name vermuthen ließ. Sein Reisenecessaire war ein Arsenal von allen nur denkbaren Requisiten auf dem kleinstmöglichen Raum. Er trug einen Patent-Regenschirm und einen doppelläufigen Karabiner von Bishop, Bond-street, London.

Nr. 2 war ein Amerikaner aus Kentucky von großer athletischer Gestalt und beständig Tabak kauend. seine Waffe war ein schwerer Karabiner, der vom Steigbügel bis an seine Achsel reichte. Es war ein reicher Pflanzer, im ganzen Staat Kentucky berühmt als ein glücklicher Wildschweinjäger. 1

Dr. John Jopper war der Dritte, ein Arzt, der lieber in guter Gesellschaft spazieren ging, als Krankenbesuche zu machen. Uebrigens ein jovialer Mann, der hübsch singen konnte.

Nr. 4 war ein Kreole aus Louisiana, ein junger, mit feinen, aristokratischen Zügen ausgestatteter Mann, Zögling eines von Jesuiten gehaltenen Kollegiums, und ein ebenso eifriger als kenntnißreicher Botaniker. Er hieß Jules Besançon.

Noch ein Naturkundiger war mit uns, ein Gelehrter von Profession, Herr A**, wir nannten ihn nur den Jäger-Naturforscher, denn er war beides in gleich ausgezeichnetem Grade.

Ich selbst war der sechste im Bunde, damals noch sehr jung, eben der Schule entlaufen, Fanatiker in der Jagd, Dilettant in den Naturwissenschaften und ein passionierter Reiter — das waren meine persönlichen Verdienste. Ich hatte treffliches Jagdzeug mit, beispielsweise ein Jagdmesser erster Qualität und Revolver-Pistolen von Oberst Colt, ferner eine lange Riflebüchse und einen herrlichen Rappen, der unter andern Dingen auch einen Lasso zum Büffelfangen trug.

Noch sind die beiden Führer zu erwähnen. Sie hießen Isaak Bradley und Mark Redwood, beide vollendete Trappers, jener mager, dieser starkleibig. Bradley trug einen 6 Schuh langen Karabiner (davon 5 für den Lauf), Redwood eine nicht minder lange Flinte, aber eleganter in der Form, so wie sein Pulverhorn, sein Jagdgürtel und seine Waidtasche ebenfalls modernes Ansehen hatten. Dafür war Bradley ein berühmter Jäger in allen Staaten des Westens. sein Beiname war »Old Ike, der Wolftödter.«


So wandte sich denn die Karavane von West nach Süd, den Büffeln entgegen, nach deren Jagd sich jedes Herz sehnte. Zweihundert englische Meilen von St. Louis hatten wir Hoffnung, auf eine Büffelheerde zu stoßen. Heutzutage muß man 100 Meilen zugeben, ehe man ein Stück zu Gesicht bekommt.

Wir hatten erfahren, daß der Büffel sich im laufenden Jahre am Osage-Flusse, westlich von den Ozarkbergen, gezeigt habe. Dahin richteten wir also unsere Schritte und wir hatten Hoffnung, in 20 Tagen dahin zu gelangen.

Zur Zeit, wo unser Jagdzug statt hatte, brauchte man sich nur eine Tagreise von St. Louis zu entfernen, um jede Spur von Civilisation zu verlieren. Wol gab es noch hie und da einzeln liegende Ansiedlungen an den vorzüglichsten Gewässern, aber es waren deren nur sehr wenige, und diese wenigen waren durch eine trostlose Einöde von einander getrennt.

In diesen Wüsten kommt der Jäger selten in den Fall, auf den Ertrag seiner Jagd als Subsistenzmittel rechnen zu können, denn auf den ungeheuren Plateaux braucht es der Anwendung äußerster Vorsicht, um nur dem Wilde auf Schußweite sich nähern zu können.

So kam es denn, daß wir am Abende des ersten Tages, obwol wir das Land einzeln nach allen Richtungen durchstreift hatten, als Resultat des Tages nichts in der Waidtasche hatten.

Dieses Debüt war nicht sehr ermuthigend. Wenn es so fort ginge, meinten einige unter uns, so versprächen sie sich nicht viel Unterhaltung für die nächsten 19 Tage. Nicht so der Botaniker Besançon, der von Entzücken zu Entzücken schwamm, denn mit jedem schritte in der Prairie entwickelten sich neue Pflanzenformen seinem Kennerauge.

Wir schlugen am Abende unsere beiden Zelte am Ufer eines klaren Wassers, eines sogenannten Creeks auf, nachdem wir bereits 40 englische Meilen hinter uns hatten.

Der mitgebrachte Mundvorrath mußte uns über die Unergiebigkeit der heutigen Jagd trösten. Wir hatten eine große Tonne voll Biscuits, eine andere mit Mehl, mehrere geräucherte Speckseiten, etwa 20 geräucherte Rindszungen, einen Sack grünen Kaffee, Zucker und Salz etc. so daß an ein Mangelleiden nicht zu denken war.

Bald nahm die Gesättigten der Schlummergott in seine Arme.


Noch vor Sonnenaufgang war Alles wieder munter. Thompson hatte sich schon eine Stunde lang gekämmt, die Zähne gebürstet, die Nägel gereinigt, der Kentuckier bereits 2 Portionen Tabak gekaut, der Doktor hatte seinen Morgenschluck verschlungen, Besançon seine Pflanzen umgelegt, der alte Naturforscher rauchte seine lange Pfeife, ich selbst fütterte mein Pferd, eine blonde Havanna rauchend.

Bald setzte sich wieder Alles in Bewegung. Die Reise war an diesem zweiten Tage nicht so mühelos wie am ersten. Der Weg war anstrengender, das Erdreich mehr mit Büschen versehen und mehr bergiger Natur. Auch hatten wir mehrere Gewässer zu übersetzen, die sich uns quer in den Weg legten.

Wir bivouaquirten Abends wieder, ohne Feder oder Haar von irgend einem jagdbaren Wild gesehen zu haben.

Obwol wir alle Gebüsche zu beiden Seiten unsers Weges abgepirscht hatten, flogen doch nichts als rothkröpfige Jangaras, Heher, Grasmücken oder Finken auf. Das verlohnte sich doch gewiß nicht der Mühe, unser Pulver und Blei zu verschwenden.

Man erräth unsere abendliche Stimmung, sie war nicht ganz heiter.

Geräuschlos hatte aber Thompson unser Lager verlassen, seine Flinte mitnehmend. Er hatte eine moorige Stelle in einer Tiefe unweit unsers Bivouacs entdeckt und hoffte dort Schnepfen zu finden.

Noch nicht lange war er fort, als wir zwei Flintenschüsse knallen hörten.

Er kam zurück mit drei Vögeln, die allerdings großen Schnepfen glichen; aber der Naturforscher belehrte uns, es seien dies die von Wilson beschriebenen amerikanischen Curlis (Numenius longirostris). Schnepfen oder Nichtschnepfen, genug, sie wurden ihrer flaumigen Hülle beraubt und in die Bratpfanne gethan. Hierauf gaben sie ein sehr exquisites, aber leider nicht ausgiebiges Mahl.

Das Gespräch drehte sich nun um die verschiedenen Vögel, welche Amerika beherbergt. Unter andern kam auch die Rede auf die seltsamen Geschöpfe, die man mit dem allgemeinen Namen: Ibisse bezeichne.

Eine gewisse Gattung Ibisse, so belehrte uns Besançon der Creole, wird von den Indianern auf die Märkte von Neuorleans gebracht und daselbst unter dem Namen spanische Curlis verkauft. Es ist dies der weiße Ibis (Tantalus albus), der, wie unser Naturforscher bemerkte, an den Seeküsten der Vereinigten Staaten sehr häufig zu finden ist. Es gäbe aber in Amerika noch zwei andere Ibisgattungen: den Waldibis (Tantalus loculator), der große Aehnlichkeit mit dem heiligen Ibis der Aegyptier hat, und den schönen rothen Ibis (Tantalus ruber), der aber sehr selten ist.

Unser ehrwürdiger und gelehrter Freund, der die Naturgeschichte so zu sagen im kleinen Finger hatte, theilte uns merkwürdige Einzelheiten aus der Oekonomie dieses interessanten Gevögels mit. Alle hörten sehr andächtig zu, selbst Redwood und der Wolftödter.

Als der Naturforscher-Jäger geendet hatte, nahm der junge Creole das Wort:.

Ad vocem Ibis, meine Herren! fällt mir ein Abenteuer ein, das ich einst in den Morästen von Louisiana hatte. Erlauben sie mir, es Ihnen zu erzählen?

Alle klatschten diesem Vorschlage Beifall zu. Wir gruppierten uns um Besançon, der sich langsam eine neue Cigarette drehte und dann zu erzählen anhub:

»Während meiner Schulferien machte ich einmal einen botanischen Ausflug in den südwestlichen Theil von Louisiana. Ich hatte meinem Freunde versprochen, ihm die Bälge verschiedener, ihn interessierender Vogelarten mitzubringen. Vor Allem aber wünschte er ein Paar Exemplare von dem rothen Ibis zu haben. Ich versprach es ihm, dafür zu sorgen, und war fest entschlossen, mein Versprechen zu halten, theils aus Anhänglichkeit an meinen Freund, theils des eigenen Vergnügens wegen, so ich dabei hatte.

Der südliche Theil von Louisiana ist ein weites Labyrinth von Morästen, Bayous und Lagunen. Man nennt nämlich Bayous Wasserläufe, die zufällig durch das Hervorbrechen einer Quelle entstehen und je nach der Jahreszeit bald nach dieser, bald nach jener Richtung laufen. Die meisten sind Anhängsel des Mississippi, der 300 Meilen von seiner Mündung auszutreten beginnt. Diese Bayous sind tief, mehr oder weniger breit und bilden in ihren mäandrischen und regellosen Windungen viele Inseln.

Die Bayous und die sie umgebenden Moräste dienen dem Alligator und dem Süßwasserhay (dem Gar) zum gewöhnlichen Aufenthalte. Zahlreiche Geschwader von Wasservögeln stolzieren an ihren Ufern und flüchten sich Nachts dahin. Dort haust der rothe Flamingo, der weiße Reiher, der Agami oder Trompetenvogel, die Wildgans, der Kranich, die geflügelte Natter, der Pelikan und der Ibis. Dort kann man auf den Balbusard sehen, der dem weißköpfigen Adler seine Beute streitig macht.

Moräste und Bayous wimmeln überdies von Fischen, Reptilien und Insekten aller Art, die den benannten Wasservögeln zur Nahrung dienen.

An gewissen stellen bilden die Arme der Bayous wirklich eine Art von Netz, dessen Maschen man nach allen Richtungen mit einem Canoe (Kahne) verfolgen kann, und auf diesem Wege findet auch die Kommunikation zwischen den einzelnen Pflanzungen statt. Je näher man dem mexikanischen Meerbusen kommt, desto seltener werden die Bäume, und auf 50 englische Meilen von der Küste würde man sie vergebens suchen.

In den zwei ersten Tagen meines Ausflugs war es mir gelungen, alle Arten von Vögeln zu erlegen, nur keinen Ibis. Dieses Thier ist sehr schlau und läßt den Jäger nicht leicht nahe kommen. Ich hatte nur ein einziges Paar, und zwar in ungeheuerer Entfernung wahrgenommen. Den noch gab ich die Hoffnung nicht auf, meinem Freunde dienen zu können.

Am dritten oder vierten Tage meiner Wanderung ging ich Morgens von einer Ansiedlung ab, die am Ufer eines der breitesten Bayous lag. Ich hatte keinen andern Gefährten als meine Flinte, denn mein Lieblingshund war Tags vorher, während er durch einen Bayou schwamm, durch den Biß eines Alligators verletzt worden, und ich mußte ihn in der Pflanzung zurücklassen.

Wie gesagt, hatte meine Excursion ursprünglich botanische Zwecke, aber ich war auf den rothen Ibis bereits so verpicht, daß ich beschloß, für heute auf alle Pflanzen zu verzichten und blos jene rara avis im Auge zu behalten. Zu diesem Ende bestieg ich eine jener leichten Piroguen, die in diesem Theile von Louisiana den Verkehr zu Wasser fast ausschließlich vermitteln.

Ich ließ mich etwa 4 oder 5. Meilen weit, dem Zuge des Wassers folgend, hinabtreiben, das Ruder nur da gebrauchend, wo eine Gabeltheilung des Bayous sich zeigte, um von dem Hauptarme des Bayous nicht in einen der Nebenarme hineingezogen zu werden.

Da aber der fragliche Vogel noch immer mit Hartnäckigkeit darauf bestand, sich mir nicht zu zeigen, schleuderte ich meinen Kahn in einen dieser Nebenarme und fuhr in ihm stromaufwärts.

Ich kam nun in eine ganz einsame Gegend. So weit das Auge reichte, nichts als ein öder Morast; keine Spur von menschlicher Niederlassung. Ich war vielleicht der erste Mann, der seine Pirogue in diesen einsamen Seitenarm lenkte.

Je mehr ich vorwärts kam, desto zahlreicher wurde das Wassergeflügel. Ich schoß einen schönen Waldibis, einen weißen Ibis, sogar einen schönen weißköpfigen Adler, der ober meiner Barke schwebte, unbekannt mit der Gefahr, die ihm aus meinem Rohre drohte, dessen Metallglanz ihn herangelockt hatte. Aber der Gegenstand meiner Sehnsucht ließ sich nicht sehen. Keine Spur von einem rothen Ibis.

schon hatte ich mich etwa drei Meilen hinaufgerudert, und schon wollte ich meine Ruder niederlegen und mich von neuem dem Spiel des Wassers Preis geben, als ich bemerkte, daß der Bayou sich in einiger Entfernung zu erweitern begann. Die Neugier trieb mich an, meinen Weg fortzusetzen, und nach etwa 100 Ruderstößen befand ich mich an dem Eingange eines länglichen Sees, der etwa eine Meile breit sein mochte.

Es war ein schwarzes, tiefes, schlammiges, mit zahlreichen Alligatoren bevölkertes Wasser. Ich sah ihre scheußlichen Formen, ihre langen schuppigen Panzer auf dem Wasser, wie sie nach allen Richtungen auf die Fische Jagd machten und sich selbst einander bei dieser Gelegenheit anfielen. Alles dies war nicht neu für mich; derlei Scenen waren mir seit meiner Abreise von St. Louis nicht wenige untergekommen. Meine Aufmerksamkeit war namentlich auf eine kleine Insel hingerichtet, die sich aus der Mitte des Sees erhob.

Am Rande dieses Eilands zeigte sich eine lebendige Hecke von rother Farbe. Es war ein Heer von solchen Vögeln, wie ich sie suchte. Aber vielleicht täuschte mich die Entfernung, und es waren nur rothe Flamingos? Dieser Zweifel war quälend genug, um nicht dessen Lösung zu verlangen.

Ich näherte mich der Insel, den Athem einhaltend und in beständiger Furcht, mein Herannahen würde die ganze Schaar verscheuchen. Die Sonne war im Zenith, strahlend und brennend. Das scharlachrothe Gefieder der zweibeinigen Insulaner schien im Reflex der Sonne noch herrlicher zu glänzen und trennte sich prachtvoll von dem grauen Hintergrund der Landschaft ab.

Als ich ganz nahe kam, gewann ich zu meiner unaussprechlichen Freude die Gewißheit, daß es wirklich rothe Ibisse seien. Die äußere Form des Schnabels, die wie eine Säbelklinge geschnitten ist, gab den Beweis dafür; übrigens hatten die Vögel höchstens 3 Fuß Höhe, während die Flamingos 5 Schuh hoch sind.

Es waren etwa zwölf Stück. sie wiegten sich nach ihrer Gewohnheit, auf einem Fuße stehend, anscheinend eingeschlafen oder tiefsinnigen Betrachtungen hingegeben. Sie nahmen den höchsten Theil der Insel ein, während ich von der niedersten Seite derselben ihnen nahte. Das Inselchen selbst hatte kaum 60 Yards im Durchmesser. Konnte ich irgendwo landen, so wußte ich, daß meine Büchse auf so kurze Entfernung mich nicht im Stiche lassen würde. Ich fürchtete nur, das Geräusch meiner Ruder könne sie aufscheuchen und ruderte demgemäß langsam und mit äußerster Vorsicht. Vielleicht war die Hitze (es war einer der heißesten Tage, die ich je erlebte) daran schuld, daß die Vögel keine Notiz von mir zu nehmen schienen.

Ohne Hinderniß kam ich so nahe, daß die Prora meines Kahns die Insel berührte. Langsam hob ich meine Doppelbüchse, zielte und drückte an beiden Läufen los. Als die Rauchwolke, welche die Explosion verursachte, sich verzogen hatte, sah ich, daß alle Ibisse davongeflogen waren, mit Ausnahme eines einzigen, der unweit vom Ufer ausgestreckt auf der Erde lag.

Meine Flinte in der Hand, sprang ich rasch aus dem Kahne und lief zu meiner Beute, um sie aufzuraffen. Das war allerdings in ein Paar Minuten geschehen, aber als ich meinen Kahn wieder besteigen wollte, war er verschwunden und ich entdeckte ihn endlich weit draußen im See.

In meiner Hast hatte ich vergessen, den Kahn am Ufer festzumachen, und der Schwall des Bayous hatte ihn fortgerissen! Zwar war er nur etwa 100 Brassen vom Ufer, aber — ich konnte nicht schwimmen!

Mein erster Gedanke war, mich ins Wasser zu stürzen, aber ich sah, daß es sehr tief sei, wenigstens 7 Schuh. Die Barke war für mich verloren!

Anfangs bedachte ich nicht gleich das Gefährliche meiner Lage. Ich war auf einer Insel, ein paar tausend Schritte vom festen Lande und einige Stunden Weges von der Behausung eines Freundes.

Nach und nach kam ich zum Bewußtsein der Gefahr. Meine Barke verschwand endlich aus meinen Augen. Ich war allein auf einem Inselchen, inmitten ungeheuerer Moräste; selbst wenn ich die Ränder des Morasts erreichen könnte, würde mein Fuß versinken und ich verloren sein. Die Gegend trug den Charakter des Urzustandes so entschieden, daß an eine Begegnung mit einem andern Schiffer nicht zu denken wäre. Wie sollte ein Nachfolgender (gesetzt es gäbe einen solchen) unter allen Seitenarmen gerade den wählen, der mich hierher gebracht?

Und die Insel enthielt keinen Baum, kein Gesträuch, nicht einen Zweig, um ein Floß zu bauen.

Dumpfe Verzweiflung bemächtigte sich meiner, als ich dies Alles bedachte.

Wer je in einer ähnlichen Lage gewesen, kann ungefähr den Zustand eines heftigen Fiebers ermessen, in dem ich mich befand. Manchmal war's mir, als ob ich träumte, als könne es nicht Wahrheit sein.

Ich blickte um mich! die zahlreichen Sumpfvögel, deren Schaaren mich umgaben, waren zutraulich und ohne scheu — ein Beweis mehr, daß ich der erste Mensch sei, den sie gesehen. Selbst mein lautes, vom Instinkt der Furcht und Todesangst mir eingegebenes Geschrei störte sie nicht in ihrer naiven Behaglichkeit. Und doch schrie ich so lange, als ich Kraft dazu in meiner Lunge hattet.

Ein Zwischenraum von einer minder fieberhaften Stimmung trat ein. Ich strengte mein Hirn an, um an die Möglichkeit des Entkommens zu denken. Die Pflanzung, die ich am Morgen verlassen, war von Menschen bewohnt, denen ich nichts war, als ein junger Wagehals, der mit kecker Jugendlust auf Abenteuer ausging. Zum Ueberfluß hatte ich ihnen gesagt, sie möchten sich über mein Ausbleiben nicht beunruhigen, ich würde nach einigen Tagen meinen Hund wieder abholen. Von dieser Seite war also keine Rettung zu erwarten.

Von einer andern noch weniger!

Ich warf mein Gewehr weit von mir und wälzte mich auf der Erde in ohnmächtiger, sinnloser Wuth.

Von Neuem begann ich dann zu schreien; aber nichts antwortete mir als das dumpfe Echo der Moräste, das melancholische Geschrei der Nachtraben und das sarkastische Gelächter des weißköpfigen Adlers, der mich umschwebte.

so war ich denn allein! Man denke sich die Gefühle eines Mörders im einsamen Kerker, aber er war zu beneiden, mit mir verglichen. Mit seiner Angst vor der Strafe, mit seinen Gewissensbissen hätte ich dennoch tausend Mal mit ihm tauschen mögen. Seine Empfindungen müssen weniger furchtbar sein, als diejenigen, die damals mein Inneres zerfleischten. Der Gefangene sieht Menschen, und seien es auch nur Kerkermeister, ihm mangelt blos die Freiheit. Auf meinem Eiland aber war ich allein und gefangen. Es war zugleich ein Ocean und ein Gefängniß. Ich fürchtete über diese Betrachtung den Verstand zu verlieren; ich fürchtete mich vor mir selbst, die seltsamsten Bilder flogen durch mein Gehirn, fantastische Erscheinungen gaukelten mir die Erinnerung vor an gesellige Stunden, mein ganzes vergangenes Leben rauschte auf Windesflügeln vorüber an meiner geängstigten Seele.

Endlich raubte mir ein gnädiger Gott die Besinnung.

Ich weiß nicht, wie lange ich bewußtlos gelegen. Als ich wieder zur Besinnung kam, war das Ohr das erste Organ, welches wieder seine Funktionen aufnahm. Ich vernahm ein eigenthümliches Geräusch. Es klang wie das Gebrause eines mächtigen Windofens in einem Eisenhammer, der Lärm wuchs und ähnelte bald dem Gebrülle eines Stiers.

Ich schlug die Augen bebend auf. Da regte es sich nach allen Richtungen von schwarzen Gestalten. Im scheine der scheidenden Sonne gewahrte ich endlich, daß ich umgeben sei von einer Unzahl riesiger Alligatoren.

Es waren ihrer wenigstens hundert, die ihre eckelhaften Leiber nach allen Richtungen bewegten, vor mir, hinter mir, zu meinen Seiten. Mir schien es, als spürte ich den warmen, übelriechenden Hauch, der aus ihren weitgeöffneten Rachen kam.

Von Todesangst erfaßt sprang ich auf, und mit solcher Heftigkeit, daß die erschreckten Reptilien sich durch einander in den See stürzten. Ihre häßlichen Formen verschwanden in den Gewässern.

Dieser neue Zwischenfall machte auf mich nicht den Eindruck, den man vermuthet. sollte man es glauben: ich war froh, nicht mehr allein zu sein. Freilich waren meine Gesellschafter Krokodile. Einige Energie kehrte in mein erschlafftes Wesen wieder. Ich umkreiste das Eiland, untersuchte die Ufer und alle Details des Erdreichs — vergebens, das Resultat meiner Untersuchung war, daß an kein Entrinnen zu denken sei. Das Inselchen war nur eine zufällige Anschwemmung, nur eine breite Sandbank, die höchstens ein Jahr alt war. Keine Spur von Vegetation, weder Bäume noch Sträucher, nicht einmal ein Rasen war zu sehen. Woher also ein Floß zusammensetzen? Ich stieg ins Wasser; aber so wie ich ein Paar schritte vorwärts machte, belehrte mich das vorsichtige Vorsetzen eines Fußes, daß die Tiefe schon einige Schuh vom Ufer beträchtlich zunehme und daß sich nirgends eine Furth zum Durchwaten befinde. Aber selbst wenn das Wasser zu Fuß passierbar gewesen wäre, so war es mit zu unheimlichen Bewohnern gefüllt. Die Demonstrationen jener gräulichen Individuen zwangen mich bald, das Ufer wieder zu gewinnen, wo ich naß wie eine Ente ankam.

Endlich kam die Nacht, finster und unheimlich, und mit ihr begann ein widriges tausendstimmiges Concert unsichtbarer Musiker. Da war der Reiher mit seinem Gequack, die Eule mit ihrem Geheule, die Rohrdommel, der Frosch mit seinem Geschrei, die Schlange mit ihrem Gezisch, die Grille der Savanen mit ohrendurchdringendem Gezirp, endlich das Täucherlein mit monotonem Gekrächze.

An einen Schlaf war demnach nicht zu denken, auch noch aus andern Gründen nicht. Saß ich einen Augenblick stille, so krochen die entsetzlichen Alligatoren ans Land und gruppierten sich um mich. Ich sprang auf und schwang mein Gewehr im Kreise um mich; die Amphibien sprangen erschreckt ins Wasser zurück. Aber nachgerade begannen sie sich an diese Drohung zu gewöhnen, und ich bemerkte mit Entsetzen, daß dieselbe immer weniger Wirkung auf sie ausübte.

Ich lud mein Gewehr und schoß auf sie fast à bout portant, ohne eines dieser Ungethüme zu verletzen. sie sind schußfest, man kann sie blos ins Auge oder unter der Achsel treffen; es war aber zu finster, als daß ich hätte zielen können. So prallten denn meine Kugeln wirkungslos an ihren zähen Panzern ab. Nichts destoweniger wurden sie durch den Knall der Flinte etwas eingeschüchtert; sie verschwanden, um bald wieder zu kommen.

Als sie wieder kamen, hatte ich eben angefangen einzuschlafen; denn trotz alles Widerstrebens verlangte die erschöpfte Natur ihre Rechte. Aus meiner Betäubung riß mich die Berührung mit einem kalten und feuchten Körper; ein starker Moschusgeruch drang in meine Nase. Ich streckte den Arm aus und fühlte etwas Glattes und Schuppiges. Es war ein ungeheurer Alligator, der sich zum Angriff bereit machte.

Er hatte sich aufgerichtet und stand so zu sagen auf seinen Hinterfüßen. Kaum hatte ich Zeit aufzuspringen und hörte gleich darauf, wie sein mächtiger Schweif an der Stelle aufschlug, wo ich gelegen hatte. Ich gab Feuer, aber auch diesmal ohne andern Erfolg, als daß die schwarze Bande sich wieder ins Wasser zurückzog.

Von nun an verlor ich alle Lust zum Schlafe; ich brachte die Nacht, wenn auch mit übermenschlicher Kraft gegen die Ermüdung kämpfend, auf den Beinen zu.

Die endlose Nacht machte endlich dem Morgen Platz, aber dieser brachte keine Aenderung meiner Lage mit. Im Gegentheile begann eine glühende tropische Sonne auf meinen Scheitel niederzubrennen, und ein Heer von Mosquito's begann sich an meinem Blute zu letzen. Bald war ich übersäet von ihren Bissen.

Am Himmel war keine Wolke zu sehen, die etwa einen flüchtigen Schatten auf meine Insel hätte werfen können; der Glanz der Sonne, zurückgeworfen von dem unbeweglichen Spiegel des Bayous, blendete meine Augen, die heftig zu schmerzen begannen.

Gegen Abend begann das Bedürfniß des Hungers sich einzustellen, denn seit 36 Stunden hatte ich nichts gegessen. Um meinen Durst zu löschen, hatte ich nichts als das schlammige Wasser des Sees; dennoch trank ich große Quantitäten davon, ohne Linderung zu verspüren.

Zur Stillung meines Hungers hatte ich wol den Ibis, aber wie sollte ich ihn zubereiten? — Mir fiel ein, daß auch Robinson rohes Fleisch gegessen, ich beschloß ihn nachzuahmen. Ich rupfte das schöne Thier und verzehrte es roh mit vielem Appetit. Freilich ging damit das Objekt meiner verhängnißvollen Wanderung verloren, aber in diesem Augenblicke hatte ich wenig Sinn für die Naturgeschichte. Ich verfluchte sogar die Stunde, wo ich meinem Freunde die unglücksschwangere Zusage gegeben. Ich glaube, ich verfluchte auch den Freund selbst.

Der Ibis wog nicht drei Pfund, Knochen und Klauen mitgerechnet. Es war das schmackhafteste und zugleich schauderhafteste Frühstück meines Lebens. Ich bemerke ausdrücklich, daß ich kein Atom von den Knochen übrig ließ.

Im Laufe des Tages gelangte ich dahin, einen Alligator an seiner Achillesferse d. i. unter der Achsel zu verwunden und zu tödten. Der hörnene Siegfried blieb als Nothnagel für die Küche; freilich dachte ich mit schaudern daran, ein Gericht zu verspeisen, das selbst alle Reptilien verschmähen. Aber zwei Tage Hunger reichten hin, diesen natürlichen Abscheu zu bezwingen. Ich verspeiste, unter uns gesagt, mit vielem Appetit ein Stück von dem Schweife eines zweiten, von mir getödteten Alligators, denn der erste war schon nach 24 Stunden in Folge der großen Hitze in Fäulniß übergegangen, und die Ausdünstungen seines Cadavers füllten die Luft mit einem pestilenzialischen Gestanke, der sich auf die Brust legte und fast das Athmen verhinderte.

Mit vieler Mühe gelangte ich dahin, das Aas mit Hülfe meines Gewehres ins Wasser hinabzustoßen, wo es auf der Oberfläche schwamm.

Dieser Anblick erregte in mir eine Reihe von Gedanken, die ich fortspann. Auf einmal sprang ich auf mit dem Gefühle eines paradiesischen Entzückens. So wahr ist es, daß die Noth den unpraktischsten Menschen erfinderisch macht.

Ich bedachte nämlich, daß der Cadaver nur deshalb auf der Oberfläche erhalten wurde, weil er von Kohlensäure-Gas erfüllt war. Vielleicht könnte ich mir also aus den Eingeweiden eines solchen Thieres einen Rettungsgürtel machen, wenn ich sie mit Luft füllte?

Gesagt, gethan! Ich lud meine Flinte und wählte mir ein großes Krokodil, zielte und traf es glücklich ins Auge. Ich zog es ans Ufer, weidete es aus und blies in die Eingeweide Luft mit Hülfe des Kiels einer Schwungfeder, welche der getödtete und verzehrte Ibis lieferte.

Nachdem ich diesen Gürtel um meine Hüfte befestigt, stieg ich ins Wasser hinab und bemerkte zu meiner unaussprechlichen Freude, daß es mich trug. Meine Flinte hielt ich mit dem Kolben nach oben in beiden Händen, um mich ihrer gleich einer Keule gegen die Alligatoren zu bedienen. Vorsichtigerweise aber hatte ich die Mittagsstunde zur Abreise gewählt, wo diese Thiere wegen der großen Hitze in eine Art Betäubungsschlaf verfallen.

Bald hatte mich der Zug des Wassers gefaßt und spülte mich langsam, ich möchte fast sagen behaglich aus dem See in einen der Arme, die seinen Ausfluß bilden. Aber wie groß war meine Ueberraschung, als ich in diesem Arme, offenbar von derselben Strömung getragen, meinen Kahn wieder fand, der in einem sogenannten todten Winkel wie vor Anker lag.

Ein rascher Sprung hinein und nach wenig Augenblicken stieß mit kräftigen Ruderschlägen meine Barke dahin wo ich wollte.

Hier endet eigentlich mein Abenteuer. Aber ich bin es der historischen Wahrheit schuldig anzuführen, daß ich nach einigen Tagen frohen Herzens wieder nach dem Inselchen zurückkehrte, aber dies Mal nicht vergaß, den Kahn anzubinden. Ich kam zurück mit einem prachtvollen rothen Ibis, mit dem ich meinen Freund überglücklich machte. —

Besançon schwieg. Man hatte ihn mit vielem Interesse angehört. Mehr als einer unter uns schien geneigt, auch seinerseits ein Jagdabenteuer zum Besten zu geben. Aber die Nacht war vorgerückt und lud zur Ruhe ein. Wir gingen auseinander, nicht ohne vorher ausgemacht zu haben, daß gleichwie in Boccaccio's Decamerone jeden Abend ein anderer von uns aus dem reichen Schatz seiner Erinnerungen einen kleinen Beitrag zur allgemeinen Unterhaltung Preis geben solle.

Diese Plaudereien im Bivouac sollten einzig und allein auf jagdbares Wild des amerikanischen Continents sich beziehen.

Der folgende Tag, der dritte unserer Wanderung, glich seinen Vorgängern; nur war er bezeichnet durch eine Begegnung mit einer zahlreichen Schaar von Wandertauben, unter welchen unsere Büchsen eine nicht geringe Verheerung anrichteten. Diese Thiere stellen ihre Wanderungen namentlich im Herbste an, und in solcher Anzahl, daß die einzelnen Banden oft einen Raum von einer (engl.) Quadratmeile in Anspruch nehmen. sie verfinstern die Sonne und wo sie niederfallen, bedecken sie einander drängend und verdrängend den Boden, so daß letzterer nicht selten den Anblick einer bewegten See darbietet. Die Anzahl der Individuen übersteigt oft alle Glaubbarkeit; so spricht der berühmte Audubon von Milliarden, ja sogar von — Billionen! Ihr liebster Aufenthalt sind hochstämmige Buchenwaldungen, wo die sogenannten Bucheckern (Bücheln) und Waldbeeren ihnen die leckerste Kost gewähren.

Es ist klar, daß unser heutiges Jagdvergnügen bei der Abendrast fast alleiniger Gegenstand des Gespräches war. Es ergab sich, daß nahe an hundert Tauben unserer Schießlust zum Opfer gefallen waren; ungleich größer hätte die Ausbeute sein können, wenn dieser zwecklose Abschuß im Stande gewesen wäre, länger als eine kurze Zeit unsere Jagdlust rege zu erhalten.

Wer erzählt eine Geschichte von einer Taubenjagd? fragte einer aus der Gesellschaft.

Ich, und eine recht lustige noch dazu, erwiderte zu unserer Aller Verwunderung der kleine Doktor.

Er begann:

Ich praktizierte vor einigen Jahren zu Cincinnati, und hatte das Glück, einem reichen Pflanzer und Milizobersten P** sein zerbrochenes Bein so glücklich wieder in Ordnung zu bringen, daß seines Dankes kein Ende wurde.

Kaum daß der Oberst so weit hergestellt war, um wieder zu Pferde steigen zu können, so drängte es ihn nach seiner Pflanzung zurück, denn die Zeit des Durchzugs der Wandertauben war nahe.

Sie gehen mit, Doktor, sagte er, das versteht sich von selbst, es sind nur 50 Meilen bis nach meinem Hause, und ich verspreche Ihnen manche Unterhaltung.

Ich war es einmal wieder satt, Pillen zu drehen und Pflaster zu schmieren (zwei Dinge, die bei uns in Amerika jeder wissenschaftlich gebildete Arzt aus dem Grunde verstehen muß), ich schnürte mein Bündelchen und folgte willig meinem Obersten.

Das Haus dieses Gentleman war der Typus eines amerikanischen Waldschlosses, wenn ich es so nennen darf. Da lag es mitten drinnen in einem Kranze freudiggrüner Buchen auf einem Platze, den man von eben solchen Buchen gereinigt hatte, um mit dem gewonnenen Holze das Herrenhaus zu bauen. Da war also keine Spur von einem Steine, nur Holz vom First zur Schwelle!

Die Tauben kamen durch Oberst P**'s Besitzthum durch und so regelmäßig um dieselbe Zeit, daß man ihre Ankunft fast auf einen Tag vorhersagen konnte.

Wir fanden im Blockhause unseres Wirths eine zahlreiche Gesellschaft, Verwandte und Freunde, die gekommen waren, um seine Wiederherstellung zu feiern, darunter eine Anzahl schöner Damen, so frisch und jagdlustig, wie unsere schönen es nur sein können.

Wir waren kaum im Hause etabliert, als die ersten Züge der Wandertauben (Columba migratoria) sich ankündigten und zwar durch ein Geräusch, das einem Aneinanderklatschen von tausend Händen glich, gefolgt von einem dumpfen Pfeifen, als ob eine starke Windsbraut den Wald durchsause.

Alles griff nach Flinte oder Büchse, wie es ihm eben zur Hand war, auch die schönen Hände der Damen griffen nach dem mordenden Werkzeuge. Der Wahrheit gemäß muß ich leider gestehen, daß die Gewehre unserer Dianen mehr den Jägern als den Täubchen gefahrdrohend waren. Nichtsdestoweniger war die Unterhaltung aufregend und allgemein. Eine erkleckliche Anzahl von den Lieblingsvögeln der Aphrodite deckte das Blachfeld, und ein Theil derselben würzte, von der kunstreichen Hand des Koches geschmackvoll zubereitet, den gemeinsamen Abendtisch.

Meine Herren und Damen! begann nach aufgehobener Abendtafel der Oberst, heute hatten wir Männer gemeinsam das Glück, unsere schönen Jägerinnen zu begleiten. Von Morgen an soll das anders sein. Die Damen werden diejenigen begleiten, die am Tage zuvor die größte Jagdbeute gemacht. Zu diesem Behufe werden wir uns durch das Loos in zwei Parteien von gleicher Anzahl Schützen theilen.

Manche von den jungen Herren zogen bei diesem Vorschlage schiefe Gesichter. Ich hatte gleich bei der Ankunft Gelegenheit zu bemerken, daß unterschiedliche »Verhältnisse« zwischen den jungen Leuten beiderlei Geschlechts bestanden. Die Aussicht, von der Geliebten einen ganzen Tag getrennt zu sein, und dieselbe in Begleitung galanter Nebenbuhler zu wissen, mochte für manchen eifersüchtigen Liebhaber nichts Anziehendes bieten.

Aber der souveräne Wille des Wirthes gebot und ihm mußte Folge geleistet werden.

Bei der Theilung wollte es der Zufall, daß die besten Schützen, den Obersten mit inbegriffen, zu einer Partei, ich aber zu der andern kam, welche größtentheils aus Anfängern im edlen Waidwerk bestand.

Am Abende dieses Jagdtages kehrten wir heim im stolzen Selbstgefühle, 640 Stück geschossen zu haben. Die Gegner zählten 726!

Wie wurde uns zu Muthe, als am andern Morgen die fröhliche Schaar, schäkernd und jubelnd, mit ihren schönen Jägerinnen nach dem Gehölze abzog.

Wir beschlossen diesmal das Unmögliche möglich zu machen. Lassen sie sich erzählen, wie ich, von keinem andern Motive, als dem eines löblichen Ehrgeizes getrieben, das Meinige zu dem Resultate des Tages beizutragen bestrebt war.

Die Tauben kamen an diesem Tage in so großer Anzahl, der Boden war mit ihnen buchstäblich so bedeckt, daß die eine über die andere stieg. sie wandern in einer und derselben Richtung fort; die rückwärts befindlichen drängen auf ihre Vorderleute mit merkwürdigem Ungestüm. Eine Anzahl junger Tauben nahte dem Platze, wo ich mich befand. Unglücklicher Weise hatte ich nur eine Büchse mit einem Laufe, ich konnte also höchstens auf zwei Opfer rechnen. Ich feuerte nichts destoweniger herzhaft loß, bemerkte aber zu meinem Erstaunen, daß die überlebenden sich durch den Knall des Gewehres durchaus nicht in ihrer irdischen Wanderung stören ließen, während ich erwartet hatte, sie würden auffliegen! Aber ihre Unerfahrenheit schien groß zu sein, sie liefen mir so zu sagen zwischen die Beine.

Da war mein Entschluß gefaßt; ich drehte meine Büchse um und begann auf die unglücklichen Geschöpfe so lange loszudreschen, als ich Kraft in meinen Armen fühlte.

Siebenunddreißig Stück waren das Resultat meiner Anstrengungen.

Am Abende zählten wir die Häupter unserer Lieben. Wir hatten 800, die Gegenpartei um 100 Stücke mehr.

Es war klar, daß unsere Gegner bessere schützen waren, als wir; der Oberst allein konnte es in dieser Beziehung mit drei andern aufnehmen. Es wurde also großer Kriegsrath gehalten, wie man der Monopolisirung der Damenwelt von Seiten unserer Gegner ein Ende machen konnte.

Da kam einem von uns eine erleuchtete Idee. Er erinnerte sich, daß wenige (engl.) Meilen von uns eine Militärstation der Vereinigten Staaten sich befand, die mit einigen leichten Feldmörsern versehen war. Noch am späten Abend mußte ein Dampfer vorbeipassiren, der Stromaufwärts an den Baraken von Covington vorbeizufahren hatte. Mit ihm wurde in der Nacht ein Bote dahin befördert, der am andern Morgen in einer Barke zurückkam, und in aller Stille und Heimlichkeit einen kleinen Mörser landete. Der mir befreundete Commandant der Station hatte sogar die Gefälligkeit gehabt, einen geschickten Vormeister mitzuschicken, der das Geschütz meisterhaft zu handhaben wußte.

Man erräth, daß wir uns von der andern Gesellschaft so ferne als möglich zu halten suchten, damit sie die Detonation nicht vernehmen konnten.

Die Haubitze richtete unter den Lieblingen Cytherens wahrhaft scheußliche Verheerungen an. Mit einem Schuße fielen einmal 123 Stücke! Am Abende hatten wir 3000 Stücke erlegt, und es war gewiß: von nun an gehörten die Damen unser für den ganzen Rest der Saison.

Aber es hatte bei der ganzen Geschichte nur ein kleines Bedenken. Wenn uns morgen die anmuthigen Schönen begleiten und unseren feuerspeienden Bundesgenossen bemerken würden, so war bei der liebenswürdigen Aufrichtigkeit des schönen Geschlechtes wol zu fürchten, daß die Ursache unserer Ueberlegenheit bei unsern Gegnern nur zu bald ruchbar werden würde.

Da kam ein Schlaukopf aus unserer Mitte sogleich auf ein gutes Auskunfsmittel. Er schlug vor, von nun an sich blos unserer Büchsen und Revolvers zu bedienen, und täglich Abends zu der erzielten Beute so viel von den heutigen Opfern dazu zu legen, als zur Herstellung eines Plus nothwendig wäre. Wir hinterlegten dieses Depositum bei einem vertrauten Farmer und thaten, wie vorgeschlagen. Die Gegner konnten nicht begreifen, wie sie, die erfahrenen Nimrode von solchen Sonntagsjägern wie wir waren, jeden Tag besiegt werden konnten.

Nur einmal wollte es das Geschick, daß der Donner des Geschützes an ihr Ohr drang, wir waren ihnen zu nahe gekommen. Aber da es wenige Wochen nach dem bekannten Erdbeben war, das das obere Mississipi-Thal heimgesucht hatte, so blieb es ausgemacht, und wir bestärkten sie darin — daß dies die letzten Nachwehen des Naturereignisses gewesen seien.

Am Tage der Abreise lösten wir ihnen das Räthsel.

Da gab es einige blitzende Augen. Es waren Tollköpfe genug unter ihnen, die geneigt waren, die Sache ernstlich zu nehmen, aber der liebenswürdige Oberst wußte sie zu beruhigen. Er lachte am lautesten über die gelungene List und erzählt noch heutigen Tages von der »Taubenjagd mit Artillerie!«

Der folgende Tag war durch ein selbst in Amerika seltenes Jägerglück bezeichnet. Unsere beiden Führer Mark und Old Ike schossen einen amerikanischen Panther oder Cuguar, wie er nach seinem Geschrei genannt wird.

Der Cuguar (felis concolor) ist die einzige langgeschwänzte Katzenart in Amerika. Die sogenannten wilden Katzen sind Luchse mit kurzem Schwanze. Der Cuguar heißt bei den Anglo-Amerikanern Panther, in Südamerika und Mexiko erhält er den stolzen Namen: Löwe (Lion), in Peru heißt er puma oder poma. Er hat weder Zebrastreifen wie der Tiger, noch Flecken wie der Leopard, noch Rosetten wie der Jaguar. Seine Farbe ist die der Gerberlohe mit ins weißliche gehender Schattierung am Bauche und am Untertheile des Kopfes. Er hat sechs Fuß Länge. sein Vaterland ist der ganze amerikanische Continent von Paraguay bis an die großen kanadischen Seen. Er ist ein vortrefflicher Kletterer und erklimmt die höchsten Bäume ohne Schwierigkeit; wenn er klettert, so hört man die Rinde unter dem Eindrucke seiner Krallen vernehmlich knistern.

Von dort lauscht er auf seine Beute: Hirsch, Reh, Antilope oder Büffel, und schwingt sich mit Blitzesschnelle auf deren Rücken.

In den Vereinigten Staaten jagt man den Cuguar wie anderes Wild, mit Flinte und Hund. Das Nahen eines Hundes bewegt ihn zur Flucht, denn er weiß, daß hinter dem Hunde der Jäger schreitet.

Geht ihm aber der Hund auf den Leib, so genügt eine Bewegung des Schweifes, um ihn niederzuwerfen.

In die Enge getrieben, postiert er sich auf einen Baum, streckt die Krallen aus, wölbt den Rücken, sein Haar sträubt sich, der Rachen geifert, die Augen blitzen und so betrachtet er den Jäger mit einem Schrei, der dem Miauen der Katze gleicht, aber ungleich lauter tönt. Zuletzt balgt er sich, wenn auch verwundet, mit den Hunden, und letztere behalten von seinen Bissen oder Krallen Narben, die sie bis an ihr Lebensende kennzeichnen.

Alles dies erzählte uns der Naturforscher. Old Ike hörte, die Wahrheit des Erzählten durch Kopfnicken bestätigend, sehr aufmerksam zu.

Sein Kamerade Mark bemerkte uns, daß Old Ike ein berühmter Panthertödter sei und in dieser Beziehung die merkwürdigsten Abenteuer erlebt habe.

Wir drangen in Old Ike, uns etwas aus seiner waidmännischen Vergangenheit zu erzählen.

Er ließ sich nicht lange bitten und erzählte uns folgende seltsame Geschichte.

Sie wissen, meine Herren! — so begann Old Ike seine Erzählung — daß Louisiana voll ist von ungeheuren Strömen. Ich habe mir sagen lassen, daß ein einziger dieser Flüsse genügen würde, um ganz England bis zur Höhe seiner Kirchthürme unter Wasser zu setzen. Zu Zeiten überschwemmen diese Flüsse, wenn sie austreten, alles umliegende Land, so daß nichts aus der Wassermasse hervorragt, als die Wipfel der Cypressen, gleichsam als ob sie fragen wollten, ob denn die Ueberschwemmung noch kein Ende nehmen wolle.

Vor etwa fünfzehn Jahren wohnte ich unten am rothen Flusse, ungefähr 50 Meilen von Nocketosh, in einer Hütte, die ich mir selbst gezimmert hatte. Weib und Kind hatte ich im Staat Mississipi zurückgelassen mit dem Vorsatze, mich im nächsten Frühjahre wieder mit ihnen zu vereinigen. Ich war also allein mit meiner alten Maulthierstute und meinem Carabiner, der mich wie bekannt nie verläßt.

Ich war mit meiner Hütte fertig geworden, Thür und Rauchfang ausgenommen, als urplötzlich eine jener fürchterlichen Ueberschwemmungen das Land überkam, womit der Teufel den Leuten in Louisiana dann und wann die Köpfe wäscht. Es war Nachts und ich eben eingeschlafen auf dem Fußboden von gestampfter Erde in meiner Hütte: ich schlief wie ein Ratz, als eine plötzliche Kälte und Nässe durch meine wollene Schlafdecke mir bis auf den Leib drang. Ich hatte eben seltsame Träume, als ob ich im Mississipi schwämme, und als ich aufwachte, mochte ich wol einen Augenblick glauben, mein Traum sei Wirklichkeit, bis ein kurzes Besinnen mir die Gegenwart klar machte.

Mit beiden Füßen sprang ich aus der Hütte.

Meinen Augen bot sich ein merkwürdiges Schauspiel dar. —

Ich hatte um meine Hütte herum den Wald ausgehauen, aber in gemessenen Distanzen die Stämme bis zur Höhe einer Klafter stehen gelassen, um mir später einen Schutzzaun gegen wilde Thiere zu errichten, wobei diese Stämme willkommene Stützpunkte abgeben sollten.

Es war ein Gluck, daß meine Hütte auf einem etwas erhabenen Punkte lag, denn die klafterhohen Baumstumpfe waren bereits vom Wasser bedeckt. Ich hatte eben noch Zeit, bis um die Mitte des Leibes im Wasser watend, mein Gewehr zu holen, welches ich ziemlich hoch im Zimmer an die Wand aufgehängt hatte. Dann schaute ich mich nach dem Maulthiere um.

Ich hatte es von außen an dem Thürpfosten befestigt. Es stand zitternd bis an den Hals im Wasser. Von allem Sattel und Zeug war ihm blos die Halfter übrig geblieben, an die es angebunden war, das übrige schwamm bereits Gott weiß wo!

Nicht ohne Mühe schwang ich mich auf seinen Rücken und bediente mich, so gut es eben anging, des Halfterstrickes als Zügel.

Wohin sollte ich mich nun wenden? Die nächste mir bekannte Wohnung war ungefähr Meilen weit entfernt; sie stand allerdings auf einer Anhöhe, die das Wasser noch nicht erreicht haben konnte, aber da es stichdunkle Nacht war, so war kaum zu vermuthen, daß ich sie finden würde.

Und dennoch war schleunige Flucht geboten! Die Fluten stiegen mit grausenerregender Schnelligkeit. So wenig mir am Ende um mich selbst bange war — denn ich konnte nach einem Baume schwimmen und dort das Fallen der Gewässer abwarten — so wollte ich doch mein treues Maulthier nicht verlassen. Ich gab ihm also die Sporen, oder eigentlich die Fersen in die Weichen und halb schwimmend, halb watend arbeitete sich das arme Thier vorwärts, mit wunderbarem Instinkt eine Art Fußsteig verfolgend, den ich nothdürftig im Walde ausgehauen, als ich meinen Wohnsitz gewählt.

Die Finsterniß war dicht, nichts desto weniger strengte ich meine Augen so weit an, daß ich in einiger Entfernung eine Gruppe von Cypressen zu erkennen glaubte. Ich war nämlich aus dem Walde herausgekommen und hatte die endlose Prairie betreten, welche bekanntlich nur einzelne Bauminseln zeigt, diesmal aber gewiß mehr als je einem Meere glich.

Ich steuerte auf diese dunkle Baumgruppe los, immer hoffend, daß die Wässer endlich zu fallen anfangen würden. Diese meine Hoffnung war aber eine vergebliche, im Gegentheile schien es mir, als ob sie noch im Steigen begriffen wären. Schon hatte mein Gaul Mühe, den Kopf über dem Wasser zu halten. Meine Lage begann etwas kritisch zu werden. Einen Augenblick dachte ich daran, zurückzukehren — das hieß das arme Thier einem sichern Tode entgegenführen.

Ich begann es zu streicheln, ihm gute Worte zu geben, kurz Alles anzufangen, um es zur Aufbietung seiner äußersten Kräfte zu bewegen. Es war dies nicht nöthig. Das kluge Geschöpf schien so gut wie ich zu begreifen, daß es hier um Leib und Leben ginge — es that sein Möglichstes! Aber wir kamen dennoch nur sehr langsam vorwärts.

Schon sah ich den Augenblick kommen, wo das Maulthier einzig und allein auf sein Schwimmtalent angewiesen sein würde.

Der Augenblick war näher als ich glaubte. Mit einem Male verschwand das Thier unter mir mit einer Art von Seufzer, um nach einiger Zeit wieder schnaubend und stöhnend an der Oberfläche zu erscheinen. Es war offenbar in eine Vertiefung getreten.

Dieser Unfall wiederholte sich noch einige Male, später aber nicht mehr, als das Thier überhaupt keinen Boden mehr fand, sondern unter den Symptomen zunehmender Ermattung schwimmen mußte. Wir kamen nur äußerst langsam vorwärts und es war zu berechnen, daß nach kurzer Frist die Kräfte das Maulthier verlassen müßten.

Ich kam auf den Gedanken, daß es dem Thiere eine Erleichterung sein würde, wenn ich meinen Sitz verließe und mich blos nachschwimmend an seinem Schweife hielte. Demgemäß ließ ich mich von seiner Croupe rückwärts hinuntergleiten und faßte den Schweif fest mit beiden Händen.

Dies half auf einige Zeit, das Maulthier schien sich etwas zu erholen. Aber bald zeigte das tiefe, keuchende Athemholen und die zunehmende Langsamkeit der Bewegungen, daß sein Kampf mit dem Elemente seinem Ende nahe, und ich mußte verzweifeln, mit ihm ans andere Ufer des ausgetretenen Stromes zu kommen.

Da bemerkte ich etwa zwanzig Schritte weit von mir in der Dunkelheit etwas auf dem Wasser schwimmen, das ich für einen Baumstamm hielt. Ich beschloß mich hinauf zu schwingen und die Stute ihrem Schicksal zu überlassen. Es war doch möglich, daß die letztere von der Last meines nachschwimmenden Körpers befreit, länger aushalten könne. Ich wartete also, bis ich dem Baumstamme auf ein paar Schritte nahe gekommen war, ließ hierauf den Schweif des Maulthieres fahren und schwang mich rittlings auf den Strunk.

Das Maulthier setzte seinen Weg fort, unbekümmert um die ihm entfallene Last, und ich hütete mich wol, ihm nachzurufen, denn ich fürchtete mich, wenn es mit seinen eisenbeschlagenen Hufen an mein Fahrzeug stieße, daß dasselbe scheitern könnte.

Mein Baumstamm kam gar bald in einen Schwall und trieb darin langsam fort.

Da ich an einem Ende saß, so wurde dasselbe durch das Gewicht meines Körpers so ins Wasser gedrückt, daß ich bis an den Gürtel darin steckte. Ich beschloß, mich langsam gegen die Mitte des Holzes zu schieben, um mehr Gleichgewicht herzustellen.

In diesem Augenblicke richtete sich etwas am andern Ende des Baumstammes empor.

Was es sei, war schwer zu entscheiden, denn die Dunkelheit war groß. so viel wurde mir dennoch bald klar, daß es ein großer Vierfüßler sein müsse — vielleicht ein Bär oder ein Cuguar — für beides war gleiche Wahrscheinlichkeit vorhanden.

Ich sollte nicht lange in Ungewißheit bleiben. Unser Baumstamm begann hastig sich im Kreise zu drehen, als ob ein Strudel ihn gefaßt hätte — es war das Thier, das ihn in Bewegung setzte. Auf einmal sah ich durch die Nacht ein großes Auge phosphoresciren! Kein Zweifel, so blickt kein Bär, so blickt nur der gefürchtete Cuguar.

Die Situation verwickelte sich auf unbehagliche Weise. Ein Schauer umfaßte mich und trieb kalten Schweiß aus meinen Poren. Man wird mir glauben, daß ich keine Lust verspürte, gegen die Mitte des Stammes vorzurücken, im Gegentheile drückte ich mich ans äußerste entgegengesetzte Ende.

Dort verweilte ich einige Augenblicke unbeweglich, die Augen fest auf die Bestie gerichtet, die mit zwinkernden Augen mich anblickte und von Zeit zu Zeit gähnend mir zwei Reihen scharfer Zähne zeigte, deren unbarmherzige Bisse ich bereits zu spüren vermeinte. Ich wagte nicht die geringste Bewegung, aus Furcht, mein Reisegefährte könnte sie für eine Herausforderung ansehen und seinen Angriff beginnen.

Ich hatte keine andere Waffe als mein Waidmesser, denn die Büchse war mir beim Herabrutschen von dem Rücken des Maulthieres entfallen. Ich hatte keine Hoffnung, in einem etwaigen Kampfe mit der grimmigen Katze Sieger zu bleiben. Ich beschloß also den Angriff abzuwarten.

Mittlerweile setzte unser Fahrzeug seinen Weg fort; es glitt langsam die Strömung hinab. Wir beide blickten uns eine lange Stunde einander an, ohne uns von der Stelle zu bewegen. Manchmal theilte der Schwall dem Baumstamme eine oszillierende, gefährliche Bewegung mit, und wir beide, der Cuguar und ich, mußten durch wechselseitiges Balanciren dahin arbeiten, das Gleichgewicht des Stammes zu erhalten, wie ein paar harmlose Kinder, die auf einer Schaukel sitzen. Das Thier heftete beständig seine unheimlichen Blicke auf mich, ich desgleichen auf den Cuguar, denn ich wußte, dies sei das einzige Mittel, ihm zu imponieren.

Diese Reisegesellschaft wurde nach und nach im höchsten Grade unbequem und ich sann mit allen Sinnen darauf, ihr ein Ende zu machen. Es bot sich sehr bald eine willkommene Gelegenheit dazu.

Durch die allmälig in Dämmerung übergehenden Schatten der Nacht gewahrte ich eine Art Insel, nämlich eine kleine Erhöhung, welche von den Wässern nicht erreicht worden war, und gegen welche unser Baumstamm mit ziemlicher Geschwindigkeit antrieb. Mit einem raschen Entschlusse ersah ich den richtigen Moment und zu meiner unaussprechlichen Freude befand ich mich in Folge eines glücklich bemessenen Sprunges im Trockenen.

Es war, als ob ein Alp von meiner Brust gefallen wäre.

Aber — der Cuguar sprang nach.

Diese Anhänglichkeit meines neuen Freundes wollte mir ganz und gar nicht behagen. Eine Hoffnung blieb mir, nämlich mich unter dem dichten Gebüsche, das die kleine Insel bedeckte, zu verbergen.

Der Morgen begann zu dämmern. Was ich aus der Ferne für Gebüsche gehalten hatte, war etwas ganz anderes, nämlich eine Gruppe Thiere, welche sich während der Nacht vor der Ueberschwemmung dahin geflüchtet hatten.

Ich war mitten unter eine vierbeinige Gesellschaft gesprungen, deren Beschaffenheit ich augenblicklich erkannte. Es war ein Rudel Hirsche. Dazwischen stand ein Geschöpf ohne Geweihe. Es konnte ein Bär sein, oder ein Bisamthier, oder ein Pferd.

Es war wirklich ein Pferd, oder vielmehr ein Maulthier, mein lieber alter Gaul, der ebenfalls dahin gelangt war, und mich mit einer kläglichen Miene ansah, bald aber mit freudigem Wiehern sein nasses Haupt an mir rieb. Ich schwang mich auf seinen Rücken, denn instinktmäßig meinte ich, daß ich an dieser stelle ein wenig sicherer als auf meinen Füßen sei.

Was that unterdessen der gute Cuguar?

Sein plötzliches Erscheinen auf der Insel hatte eine augenblickliche Aufregung unter der Versammlung hervorgerufen.

Zweifelsohne fürchtete Alles den Appetit der furchtbaren Bestie. Aber keines wollte dennoch die Insel verlassen und sich ins Wasser stürzen, wahrscheinlich hatten sie während der Nacht des Wassers genug gehabt. Aber auch der Gefürchtete schien an nichts weniger als an ein anzurichtendes Blutbad zu denken. Im Gegentheil nahm er inmitten der Gesellschaft eine ernste und würdevolle Haltung an.

Die Insel war eine wahre Arche Noahs.

Ich selbst spielte die Rolle des Patriarchen, unter mir mein Maulthier, dann der Cuguar, mein edler Reisegefährte, vier Hirsche, ein Männchen und drei Hirschkühe, hierauf ein Känguruh, hinter ihm ein schwarzer Bär, dick wie ein Büffel, ein Raccoon, ein Bisamochse, ein Paar graue Wölfe, ein Sumpfkaninchen und — das Beste kommt zuletzt — eines jener Stinkthiere, deren Ausdünstung die Sinne in beständigem Aufruhr erhält.

Diese bunte Gesellschaft lebte wie im Para diese friedlich eines neben dem andern. Der Cuguar ruhte neben den Hirschen, die Wölfe lustwandelten, und Meister Petz betrachtete mit väterlichem Wohlgefallen die Capriolen des Kaninchens, während alles sich in bescheidener Entfernung von dem Spender infernalischer Gerüche hielt.

Wie aber, wenn der Appetit des Cuguars mit einem Male sich mächtig regen wollte? Ich schloß auf den Zustand seines Magens von dem meinigen; dieser forderte nach einem langen Fasten gebieterisch seine Rechte. Mit großer Lüsternheit betrachtete ich die Hindinen, deren feiste Weichen recht gute Cotelettes abgeben mußten, aber kaum wagte ich diesen Gedanken zu denken, aus Furcht, ähnliche Wünsche im Busen meines Freundes rege zu machen.

Mittlerweile war es völlig Tag geworden, die Fluthen begannen zu fallen. Ich trieb mein Maulthier ins Wasser selbst auf die Gefahr hin, von dem thierischen Gefolge begleitet zu werden, wozu sie übrigens wenig Lust zu haben schienen. Halb schwimmend, halb watend erreichte ich die Hütte eines Freundes, dem ich in voller Hast mein Abenteuer erzählte.

Es war dies ein unersättlicher Jägersmann. Schweigend nahm er eine Büchse von der Wand, drückte mir eine zweite in den Arm und so bewaffnet fuhren wir in einem Kahne nach der Insel zurück.

Hier hatte sich unterdessen Manches in der Sachlage verändert. Das Kaninchen und das Känguruh hatten aufgehört zu existieren, sie hatten wahrscheinlich ein leckeres Frühstück für meinen Gespielen auf dem Baumstamme abgegeben. Auch von einer Hirschkuh war nur mehr eine Hälfte zu sehen. Die übrigen zwei nebst deren Gemal fielen unter unseren Büchsen, sowie auch die Nemesis den Cuguar und Bären erreichte.

Der letzte Schuß galt dem fatalen Stänker, den wir alsbald ins Wasser warfen, damit er uns bei der Mahlzeit den Appetit nicht verderbe.

Als die Exekution vorüber war, kehrten wir nach der Hütte zurück, mit Wildpret versehen auf mehrere Wochen.

Auch meine Buchse war nicht verloren. Als die Wasser sich verlaufen hatten, fand ich sie auf der Prairie liegen, halb im Kothe begraben.

Der Vorfall hatte mich belehrt, für mein Blockhaus eine andere Ortswahl zu treffen. Auf einer Anhöhe stand bald mein schmuckes Landhaus.

Im Frühling holte ich Weib und Kind ab. — Meine Herren, ich bin zu Ende.«

Alles klatschte Beifall über die schmucklos, aber nicht ohne Humor vorgetragene Erzählung des alten Waidmanns.

Am nächsten Tage sahen wir nichts Neues, als eine Bisamratte. Der glückliche Schütze war unser Naturforscher. Als wir ihm zu seiner Beute gratulierten, sagte er: Das war ein leichter Sieg, wenn ich aber an jene andere Rattenjagd denke . . .

Erzählen sie! — rief alles wie aus Einem Munde.

Er begann.

Ich brachte einen Winter in der Nähe eines Stammes sogenannter Ojibways-Indianer zu. Unter diesen war ein gewisser Chingawa, der auf 20 Stunden im Umkreise einen famösen Ruf als Rattenjäger hatte. Ich erwarb mir die Freundschaft dieses Indianers durch das Geschenk eines alten, schartigen Jagdmessers, eines Instruments, nach dessen Besitz jene Naturkinder so sehr geitzen, obwol mein Exemplar nicht den Werth von zwei Pence hatte.

Zum Danke dafür lud mich Foxey (so lautete sein Yankee-Spitzname) zu einer Rattenjagd ein.

Die Zeit zu diesem Sport nahte nämlich heran — es ist die Zeit des strengen Winters.

Unser Jagdapparat war ebenso einfach als ungewöhnlich.

Er bestand aus einer etwa fünf Schuh langen Eissäge, aus einer kleinen Haue, einer Pike und einer andern Stange, die lang und biegsam war. Hierzu kam Mundvorrath und etwas Brennholz — ohne letzteres geht kein Indianer auf die Rattenjagd, — wir nahmen auch noch unsere Bettdecken mit, da wir ein paar Nächte an den Ufern der Seen unter freiem Himmel zuzubringen hatten.

Nach einem mehrstündigen Marsche durch kalte, lautlose Forste und über ein paar gefrorne Landseen gelangten wir an einen großen Morast, das Ziel unserer Wanderung.

Dieser Morast war gleich den andern Gewässern so fest gefroren, daß ich mich wol getraut hätte, mit einem vierspännigen Lastwagen über seine Eisdecke zu fahren.

Bekanntlich gehört die Bisamratte, auf die wir es abgesehen hatten, zu den Wasserratten und verfällt gleich diesen in den Winterschlaf der Nagethiere.

Wir bemerkten auf der Oberfläche des gefrornen Sumpfes kleine Erdaufwürfe, die gleich Kuppelgewölben über die Eisdecke hervorragten. Diese Hügelchen bestehen aus Lehmerde, die mit Pflanzen zu einer Art von festem Teig zusammengebacken ist, der durch den Frost noch mehr gefestigt wird.

Der alte Foxey versicherte mich, daß unter jeder dieser Kuppeln sich wenigstens ein Dutzend Bisamratten befänden, eine über der andern liegend und sich gegenseitig erwärmend.

Aber das Auge suchte vergebens eine Oeffnung, durch welche die Winterparteien ihre behagliche Wohnung bezogen haben konnten.

Mein erster Gedanke war, mit der mitgebrachten Haue die Hügelchen zu bearbeiten, und auf diese Weise zu den Bewohnern vorzudringen.

Mein Begleiter belehrte mich eines Bessern. Diese Erdaufwürfe, sagte er, haben eine Dicke von nicht weniger als 3 Fuß und die Kälte hat sie dermassen gehärtet, daß eine Ziegelmauer nicht mehr Widerstand leisten könnte. Gesetzt aber auch, es gelänge Ihrer Schaufel, in die Veste eine Bresche zu machen, so würden sie das Nest leer finden.

Ich war neugierig, auf welche Weise der neue Rattenfänger von Hameln sein Geschäft vollbringen würde.

Er wählte sich zuerst eine der Kuppeln und begann etwa zwei Schritte davon das Eis aufzuhacken; als dieses Loch offen war, wiederholte er diese Operation noch dreimal an andern Stellen, so daß diese 4 Oeffnungen die vier Ecken eines Vierecks bildeten, in dessen Mitte eben der Erdhügel sich befand.

Dasselbe Manöver wiederholte er bei einem zweiten, dritten und vierten Hügel.

Hierauf nahm er aus seiner Jagdtasche ein langes, aus den Flechsen einer Hirschkuh geknüpftes Netz, kniete nieder und zog die vier Enden des Netzes sehr geschickt und schnell durch die vier Löcher.

Das Haus der Bisamratten hat nämlich nach unten eine Oeffnung, durch welches ihnen das Aus-und Einspaziren ermöglicht wird.

So waren denn die armen Geschöpfe gefangen.

Mit einigen gewaltigen Hieben der Haue war die Schale des Hauses zerschlagen; wir fanden darin eine Besatzung von 8 Stück feisten Bisamratten, die nicht wenig betroffen schienen, in ihrer behaglichen Winterruhe auf so brutale Weise gestört worden zu sein.

Der zweite Hügel ergab 6 und der dritte 3 Gefangene.

Bei Eröffnung der letzten Festung ergab sich aber ein seltsames Schauspiel. Sie enthielt nichts anders, als eine einzige, entsetzlich abgemagerte Ratte, umgeben von einigen Gerippen ihrer Schwestern. Es war die Geschichte von Ugolino und seinen Kindern im Kleinen.

Die Lösung des Räthsels gab mir Foxey; das Eingangsloch war gefroren, die Bewohner hatten, vielleicht aus Trägheit, unterlassen, es beständig offen zu erhalten, in Folge einer plötzlich eingetretenen stärkeren Kälte war das Eis dann wahrscheinlich so dick geworden, daß sie es nicht mehr durchbrechen konnten. so hatten sie denn aus Hunger eins das andere aufgefressen, nur das stärkste war übriggeblieben.

Für mich hatte das Vergnügen nun ein Ende. Nicht so für den alten Foxey, der ein Feuer anzündete und sich Ratten-Beefsteak's bereitete, die er dann mit vielem Appetit verzehrte. Vergebens bot er mir einige besonders fette Bissen zur Kost; der starke Moschusgeruch erzeugt bei minder starken Geruchs- und Geschmacksorganen einen unüberwindlichen Eckel.

Auf der Rückreise hatten wir einen Kampf mit einem Rudel Wölfe zu bestehen, denen wir einen Damhirsch abjagten. Die nähern Umstände dieses Kampfes erzähle ich nicht, weil sie sie für einen großartigen Humbug halten würden.

Am andern Morgen tödteten wir ein Raccoon.

Dieses Thier, welches Linne unter die Bären einreiht, hat aber mehr Aehnlichkeit mit einem Fuchse, wird auch von den Spaniern der schwarze Fuchs (zorro negro) genannt. Es bewohnt Amerika vom Polarmeer bis nach Guyana.

Ein Schriftsteller beschreibt es folgendermaßen: Das Raccoon hat die Glieder eines Bären, den Leib einer Fischotter, den Kopf eines Fuchsen, die Schnautze eines Hundes, den Schweif einer Katze; es hat lange Krallen, die es zur Besteigung der höchsten Bäume befähigen. Es ist sowohl Fleisch- als Pflanzenfresser, man könnte es in dieser Hinsicht einen Allesfresser (omnivorum) nennen. Ehe er aber seine Nahrung genießt, taucht er sie jedesmal ins Wasser, eine Gewohnheit, die übrigens auch die Fischotter hat.

Es besteht eine eigene Antipathie zwischen dem Raccoon und dem Neger; ersteres scheint es ordentlich zu wissen, daß die söhne Chams sein Fleisch für einen der besten Leckerbissen halten. Da den Negern in den Vereinigten Staaten der Besitz und das Tragen von Feuerwaffen unbedingt verboten ist, so bleibt ihnen von allem Jagdsport nur der auf Raccoon's: die Jagd auf selbe findet nämlich mit Hülfe einer Hacke und einer Haue statt.

Mit dieser Jagd bin aber ich selbst seit langem vertraut. Ich entsprach also um so williger dem Ansinnen, durch eine abenteuerliche Erzählung den heutigen Abend zu verkürzen.

Ich begann wie folgt:

Es war während meines Aufenthalts im Staate Tennessee, daß ich zum ersten Male Gelegenheit fand, einer Raccoonsjagd beizuwohnen. In den westlichen Staaten gibt es in jedem Dorfe einen befugten Raccoonsjäger, gewöhnlich einen alten, gegen alle Strapazen gestählten Neger.

Gewöhnlich besitzt er zu seinem Gewerbe einen eigens dressierten Hund; sehr oft wählt er aus den Hunden seines Herrn ein besonders talentiertes Individuum, um es in die Mysterien der Raccoonsjagd einzuweihen. Die Race, zu welcher dieser Candidat gehört, ist ziemlich gleich? gültig. Ich habe Schäferhunde gesehen, die sich zu vortrefflichen Raccoonsfängern qualifizierten, aber auch Mastiffs[1], Terriers und Pointers.

Die Hauptsache ist, daß sie feinen Geruch haben, gut laufen können und etwas stark gebaut sind, weil sie mitunter einen harten Strauß mit dem an seiner Rettung verzweifelnden Thiere auszufechten haben.

Mein Einführer in den Raccoon-sport war Onkel Abe, ein starkgebauter Gentleman äthiopischer Race, ein vollendeter Meister seiner Kunst. Sein Hund hieß Pompo und war seines Zeichens ein Dachshund erster Klasse mit sehr nervigen Pfoten. In solcher Begleitung ließ sich die aufregendste Unterhaltung prophezeien.

In der Nähe der Pflanzung befand sich ein Thal, bewässert von einem Creek. Dieses Thal war der Lieblingsaufenthalt der Raccoons. Dort fanden sich hohle Bäume, in welchen sie so gerne ihre Wohnstätte aufschlagen, dort wuchs als parasitisches Gewächs der wilde Wein. Wer seinen Lafontaine gelesen hat, wird wissen, daß Alles, was Fuchs heißt, den Weintrauben hold ist.

Eine hammerartige Hacke war die einzige Waffe Onkel Abe's, ich selbst führte meine zweiläufige Büchse mit. Pompo, der Hund, war voll von seligen Empfindungen, welchen tolle Sprünge und ein unausgesetztes Wedeln mit dem Schwanze den passenden Ausdruck gaben. Vergebens suchte er sich der Leine zu entreißen, an der ihn sein Herr führte.

Wir hatten uns Abends auf die Jagd begeben, denn bei Tage steckt das Raccoon im dichten, unnahbaren Walde. Jetzt aber, bei klarem Mondenscheine, war Aussicht, ein solches Thier auf dem Wege ins Maisfeld oder zurück in den Wald zu ertappen. Es war die Zeit, wo der Mais milcht, wie man zu sagen pflegt.

Die Maisfelder sind mit Barrieren umfangen, die in der Regel 10 Schuhe Höhe haben. Abe stellte sich an den Zaun, um seinem Hunde hinüber zu helfen. Der Hund sprang wohlgemuth in den Mais hinein und es dauerte nicht lange, so zeigte ein kurzes Gekläffe an, daß er etwas erspürt habe.

Achtung, Massa! rief der Neger, und während er noch sprach, sahen wir den Hund mit äußerster Schnelligkeit zwischen den Maisstengeln gegen die Barriere laufen.

Gleichzeitig gewahrte ich einen schwarzen Gegenstand, der über den Zaun schlüpfte und mit Blitzesschnelle in der Richtung des Waldes verschwand.

»Ein Raccoon, Massa!« rief Abe, indem er seinem Hund über die Barriere half. Wir folgten rasch dem Hunde, der seinerseits der Spur des Wildes folgte.

Nach etwa fünf Minuten verwandelte sich das Kläffen Pompo's in anhaltendes, zorniges Gebellle.

»Das Thier ist auf dem Baume, Massa!« erklärte Abe. »Wenn der Baum nur nicht hohl ist, denn dann wäre es schwer, das Raccoon zu kriegen.«

Wir waren am Fuße des Baumes angekommen, wo Pompo in größter Aufregung stand und unaufhörlich bellte.

»Dummer Hund,« brummte der Jäger, »du hast dich für einen Narren halten lassen. Das ist ein Knopfbaum, und wer hat je ein Raccoon auf einem Knopfbaume gesehen?«

Ich betrachtete den Baum. Es war eine Sykomore (Platanus occidentalis), den die Amerikaner Knopfbaum nennen, weil sie aus seinem Holze Knöpfe drehen.

»Aber warum,« fragte ich, »soll denn der Raccoon nicht auf diesem Baume sich befinden können?«

»Weil die Rinde zu glatt ist, Massa. Das Raccoon steigt nur auf Eichen oder Pappeln. Aber halt, mein braver Pompo hat doch Recht. Die Bestie ist am Weinlaub hinaufgekrochen.«

Eine große Liane wand sich, wie ich jetzt sah, am Stamme der Sykomore hinan. Mit Hülfe dieser Art von Strickleiter hatte das Raccoon den Gipfel des benachbarten Baumes gewonnen.

Mit dieser Wahrnehmung war für uns nichts gewonnen.

Hoch oben, in einer Höhe von 50 —60 Fuß hatte wahrscheinlich ein Blitzstrahl eine Oeffnung im Baumstamme erzeugt; dorthin hatte sich das Thier geflüchtet, uns unerreichbar: denn um es zu erlangen, hätte man den ungeheuren Baum umhauen müssen. Dazu fehlte Kraft und Zeit.

Also zurück ins Maisfeld, vielleicht daß ein zweiter Versuch glücklicher ausfällt.

Freund Pompo wurde wieder über den Zaun geworfen und nicht lange, so zeigte er neue Beute an.

Es geschah wie das erste Mal. Mit einem Satze war der Schwarze über der Barriere, diesmal aber folgte der Hund, in Folge einer übermäßigen Anstrengung, den Zaun übersetzend. Nach einigen Minuten hatte auch das zweite Raccoon Zuflucht auf einem hohen Baume gefunden und zwar, wie es schien, nicht weit vom ersten.

Als wir näher kamen, mußten wir zu unserm Schmerze bemerken, daß beide auf demselben Baume saßen, und zwar beide in Sicherheit.

Der unermüdliche Pompo jagte ein drittes im Maisfeld auf, aber auch dieses verschwand auf demselben Baume, in derselben Höhlung.

»Hexerei, Massa!« jammerte Onkel Abe, »da hat der Teufel sein Spiel; es ist immer dasselbe Raccoon, das wir jagen. Heute ists nichts mit der Jagd, gehen wir nach Hause!«

So ganz mit leeren Händen in die Pflanzung zurückzugehen, widerstrebte meiner Jägereitelkeit. Ich schlug ihm vor, das Gehölz zu durchpirschen; vielleicht daß uns doch eines jener Thiere unterkäme. Pompo schien uns zu verstehen. Jetzt, da es keine Zäune mehr zu übersetzen gab, steigerte sich noch sein Eifer. Richtig jagte er, diesmal im Walde, weit von der verhexten Sykomore, ein viertes Raccoon auf. Dasselbe flüchtete auf ein niedriges Bäumchen. Kaum aber war so viel Zeit verflossen, um meine Büchse an die Wange zu bringen, so hatte es bereits mit ein paar Gambaden das Weite gesucht.

Der Hund und wir hinterher durch Dick und Dünn.

Auf einmal verschwand es in einer Höhlung, und als wir aufblickten, war es dieselbe Sykomore, welche uns bereits drei Mal zum Narren gehabt hatte.

Das war dem alten Neger zu viel. »Ich fürchte mich, Massa!« winselte er, »nach Hause, nach Hause!«

Mich hatte der Vorgang nicht wenig aufgeregt.

»Wir werden den Baum umhauen,« sagte ich.

»Er ist zu groß,« meinte Abe.

»Wir werden ihn umhauen,« versetzte ich, »und wenn wir 8 Tage hier bleiben müßten.«

Bei diesen Worten ergriff ich ingrimmig das Beil des Negers und schlug auf den Baumstamm los. Zu meiner großen Verwunderung klang es hohl unter meinen Schlägen, und ich nahm bald wahr, daß der Baum bis an die Wurzel herab hohl sei.

Da gewann auch Onkel Abe, den Sachverhalt ahnend, wieder Muth und half mir bei der Arbeit. Binnen Kurzem war eine Bresche gemacht, daß man den Kopf durchstecken konnte.

Eiligst sammelten wir dürre Zweige und Blätter, warfen sie hinein und zündeten sie an. Ein gewaltiger Rauch erhob sich und stieg in bläulichen Spiralen endlich auch oben aus dem improvisierten Rauchfang empor.

Den guten Raccoons mochte es unbehaglich sein in ihrem Zufluchtsort. Man hörte im Baume kratzen und pfeifen. Auf einmal erschien oben eine schwarze Masse; aber ehe sie die Erde erreicht hatte, streckte sie meine Büchse nieder. So ging es fort, bis alle Inwohner vertilgt waren. An der Zahl sechs stiegen sie geistergleich aus dem Schlot, um ihr Leben unter meinen Schüssen zu lassen. Nur zwei von ihnen fanden ihren Tod durch Pompo: er erdrosselte sie gleichsam aus Zorn, daß sie ihm so viele unnöthige Mühe gemacht hatten.

Triumphierend schritten wir der Pflanzung zu, wo man uns jubelnd empfing.

Onkel Abe erklärte diese für die remarkabelste Raccoons-Jagd, die ihm noch vorgekommen[2].

Unser nächster Tag war blank, wir erbeuteten nichts; ein etwas beschämtes Gefühl mäßigte die Freuden unsers frugalen Abendmahles. Nichtsdestoweniger wollten wir diesen Abend nicht ohne eine abenteuerliche Erzählung vorübergehen lassen. Aller Augen wendeten sich auf den kräftigen Kentuckyer. Ein Mann wie er mußte Erfahrungen aller Art im Jägereifach gemacht haben. Er ließ sich heute nicht lange bitten und erzählte wie folgt:

Erlauben sie mir, meine Herren und Kameraden! Ihnen von Texas zu erzählen, der schönen Provinz, die wir Yankees der spanischen Race abgejagt haben. Die Jagd dort hat ihre besondern Reize, es gibt nämlich daselbst Wild, müssen sie wissen, das nur so weit geht, als ehemals die spanische Zunge reichte, z. B. das Peccari oder Wildschwein mit Halsband, von dem ich sie heute unterhalten will.

Ich war seit einigen Wochen Gast eines Farmers zu Trinity Bottom. Wir hatten bereits unterschiedliche Excursionen im Gehölze gemacht und zählten unsere Jagdbeute nach Hunderten: Bären, Hirsche, Federwild aller Art, nur kein Peccari war uns zum Schusse gekommen, obwol wir nicht selten seine Spur entdeckt hatten.

Diese Thiere sind schwer zu erreichen und haben ein so feines Geruchsorgan, daß sie den Jäger aus weiter Ferne wittern. Man kann, wie wir, wochenlange in den Waldungen umherstreifen, ohne eine dieser eben so schlauen als flüchtigen Creaturen zu erlegen.

Denken sie sich also meinen Stolz, daß ich so glücklich war, einmal vor dem Frühstück nicht mehr und nicht weniger als 19 Peccari's zu erlegen!

Hören sie, wie das zuging.

Es war im Herbste, wo der Wald sein buntfarbiges Gewand anzieht. Ich schlief einmal Nachts im Hause meines Gastfreundes, als ich durch das Geschrei von einer Heerde Truthühner erweckt wurde, die sich mit großem Lärm unter den Fenstern des Settlement's niederließen.

Wenn ich von Fenstern spreche, so ist diese Bezeichnung eigentlich nicht ganz richtig. Dieser Bestandtheil eines wohnlichen Hauses war in unserm Settlement unbekannt. Luft und Licht gelangte dahin durch die Spalten der aus Bambusrohr errichteten Riegelwand. Durch diese Spalten gelangte auch bewußtes Geschrei an meine Ohren, so wie ich durch sie die Identität der Puter verifizieren konnte.

Die ersten Lichtstreifen des erwachenden Tages begannen den Nachthimmel zu erhellen, als ich aufstand, meine Büchse um die Schulter warf, um meinem freundlichen Wirth einen guten Braten für seinen Mittagstisch zu verschaffen.

Kaum hatte ich den Fuß vor das Haus gesetzt, so bemerkte ich auch bereits den Trupp aus Kalikut. Die Betreffenden ließen sichs in einem Maisfeld gütlich geschehen, wo sie die reifen Kolben mit großer Virtuosität auskörnten. Die Entfernung war zu groß, als daß mein Schuß sie hätte erreichen können, ich näherte mich ihnen also langsam und vorsichtigen Schritts.

So wie ich ihnen nahe kam, marschierte die Bande weiter, gleichsam als ahnte sie das dräuende Verhängniß; sie nahm ihre Richtung gegen eine Lichtung im Gehölz, welche das Ziel ihrer etwas schiefen Marschlinie zu sein schien.

Konnte ich ihnen zuvorkommen und sie dort erwarten, so mußten sie mir schußgerecht werden. Ich konnte dies unbemerkt auf einem kleinen Umweg durch den Wald bewerkstelligen. Alles ging nach Wunsch, ich war so schnell gelaufen, daß ich hinter Gebüsche bereits auf der Lauer stand, als die feiste Heerde herannahte.

Letztere ließ sich nämlich Zeit, weil die schmackhafte Maiskost auf dem ausgedehnten Felde sie angenehm beschäftigte.

Während ich nun so in aller Stille auf einem Baumstamm saß und ihrer harrte, raschelte etwas hinter mir im Grase, es war ein Crotalus, eine Schlange aus dem Geschlechte der Klapperschlangen. sie wand sich langsam durch den Rasen und breitete wohlgefällig ihre Ringe vor den strahlen der aufgehenden Sonne aus.

Mein erster Gedanke war, das häßliche Reptil zu verfolgen und zu tödten, aber ich fürchtete durch das dabei entstehende Geräusch die Truthähne zu verscheuchen; deshalb ließ ich denn die Schlange ruhig ihres Weges ziehen und richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf jene, die eben in geschlossener Colonne dem Walde nahten.

Ich war im Begriff, auf die Masse Feuer zu geben, als ein neues aus dem Gebüsche kommendes Geräusch mich stutzen machte. Diesmal war es ein dumpfes Gegrunze, der Stimme eines Marcassin's ähnlich.

Alsbald kam aus dem Laub mit lustigen Sprüngen ein kleines possierliches Thier hervor. seine längliche Schnauze, sein kugelrunder Bauch, die völlige Abwesenheit eines Schwanzes, die Höhe seiner Croupe, der weiße Streif, der seine Schultern wie ein Halsband umgab, ließen mich in der Erscheinung sogleich ein Peccari erkennen.

Während ich dasselbe noch verdutzt und freudig ansah, kam ein zweites hervorgeraschelt, dann ein drittes, ein viertes, endlich eine ganze Heerde.

Die Schlange hatte kaum das erste Peccari bemerkt, als sie sich flach auf die Erde legte, um unbemerkt im Grase entwischen zu können. Klapperschlangen sind nämlich die Lieblings? Nahrung des Peccari's, und letzteres verzehrt den eklen Fraß ohne Nachtheil für seine Gesundheit.

Aber das Gras war kurz und dünn, das Peccari hatte die Schlange bemerkt. Es stellte sich fast aufrecht auf seine Hinterpfoten, sträubte jedes Haar gegen das Reptil, und gleichzeitig erfüllte ein starker unangenehmer Geruch die Luft umher. Er kam aus der Drüse, die beim Peccari an der stelle des Schwanzes befindlich ist.

Als die Schlange merkte, daß ein Entrinnen unmöglich sei, setzte sie sich ihrerseits in Vertheidigungsstand. sie zog ihre concentrischen Ringe, in deren Mitte die Klapper senkrecht in die Luft stehend, den bekannten schnarrenden Ton von sich gab, während der Kopf einer eingelegten Lanze gleich den Moment zu erlauschen schien, wo ein erfolgreicher Angriff statt finden könnte.

Diese beiderseitigen Demonstrationen hatten eine Weile gedauert, bis die ganze Heerde auf dem Kampfplatz angekommen war. Alsbald bildeten die Peccari's einen Kreis erbitterter Kämpfer um das Reptil, welches drohend und mit blutunterlaufenen Augen die Phalanx anstarrte.

Mit einem Schrei, wie der einer wüthenden Katze, sprang das erste Peccari mitten in die Schlangenringe hinein. Diesem Beispiele folgte die übrige Heerde und im Nu war die Schlange von den Füßen ihrer zahlreichen Gegner zertreten. Sie schien noch zu leben, als sich die Peccari's um die zerrissenen Stücke ihres Leibes balgten. Nach wenigen Augenblicken aber war jede Spur von der Schlange verschwunden.

Von dem Momente an, wo das seltsame Schauspiel begonnen hatte, dachte ich nicht mehr an die Puter, sondern an das viel seltnere Wild, das sich in so zahlreichen Exemplaren meiner Jägerlust zu Gebote stellte. Hinter meinem Baumstamme kniend und meine Büchse darauf legend, zielte ich auf den feistesten Gesellen. Der Schuß ging los. Das getroffene Schweinchen stieß einen Schrei aus, machte einen kurzen Luftsprung und fiel regungslos auf den Rücken.

Ob verwundet oder todt, dies zu entscheiden blieb mir keine Zeit. Denn kaum hatte sich der Rauch des Schusses verzogen, so sah ich die ganze Truppe, an keine Flucht denkend, gerade auf mich losgehen.

Im Augenblicke sah ich mich von den wüthenden Bestien umgeben, die an mich andrängten, meine glücklicherweise stichfesten Jagdstiefel mit ihren Hauern bedienten, dabei häßliches Geschrei erhebend und ihre Zähne gleich Castagnetten aneinander stoßend.

Ich sprang auf den Baumstamm, ohne daselbst in Sicherheit zu sein. Denn die Peccari's sprangen mir nach und drängten immer näher an mich heran.

Ich packte meinen Carabiner bei der Mündung des Laufs und drosch auf die ungestümen Dränger nach Kräften los. Aber die Bursche ließen sich dadurch nicht abschrecken, sondern kamen immer auf's Neue wieder auf mich los. Kaum war einer durch einen Kolbenschlag betäubt, so sprang einer seiner Kameraden auf den Baumstamm; und auch die Geschlagenen schienen sich rasch wieder zu erholen.

Ich schrie endlich aus vollem Halse, in der Hoffnung, daß man im nahen Settlement meine Stimme hören und mir zu Hülfe kommen würde. Aber diese Hoffnung blieb fruchtlos.

Schon war ich der Verzweiflung nahe, als ich mit dem Gewehrkolben zufällig über meinem Kopfe beim Ausholen an etwas Hartes stieß. Es war ein starker vorspringender Ast von einem benachbarten Baume.

Ich benützte diesen Wink des Schicksals und schwang mich mit meiner letzten Kraft auf den hohen Ast. so saß ich denn oben auf dem Ast, meine Büchse im Arm und blickte auf die tragigkomische Scene zu meinen Füßen.

Eine Zeitlang saß ich theilnahmslos gegen das widerliche Geschrei des unten drängenden Pöbels und gab mich blos dem wollüstigen Gefühle der Sicherheit hin, das ich auf meinem luftigen Throne in vollen Zügen schlürfte.

Ich mußte endlich wieder Athem schöpfen, die angegriffene Lunge zur Ruhe kommen lassen.

Die Cohorte theilte sich in zwei Manipeln. Die einen blickten mich an, als wollten sie mir sagen: Du kannst nicht ewig da droben auf dem Baume bleiben, die andern (es waren dies die Ungeduldigen) attackierten mit ihren Hauern die Wurzeln meines Baumes, so daß die Rindenstücke des Stammes nach allen Richtungen dahin flogen. Dabei duftete es nach Moschus und Knoblauch — eine Mischung, die, gelinde gesagt, kein Parfüm zu nennen war.

So viel war gewiß, daß sie nicht gewillt waren den Angriff aufzugeben. Der Sturm hatte sich blos in eine Blokade verwandelt.

Von Zeit zu Zeit schnüffelten sie an der Leiche ihres dahingegangenen Gefährten, und dieser Akt schien jedesmal neue Gefühle von Zorn und Rache in ihnen wachzurufen.

So schwanden denn die Stunden der Belagerung, eine nach der andern. Hunger und Durst stellten sich bei mir ein, nicht so bei meinen Feinden, die das erzählte schmackhafte Frühstück gemacht hatten. Sie warteten mit einer über alles Lob erhabenen Beharrlichkeit, bis es mir gefällig wäre, vom Baume herabzusteigen und mich von ihnen in Stücke zerreißen zu lassen.

Es gehörte ein nicht geringer Grad von Eguilibrirkunst dazu, um von meinem hohen Sitze aus mein Gewehr zu laden. Es gelang aber doch unter Anwendung nie geahnter Voltigirkünste.

Ich ersah mir den kecksten Schreier in der Bande, der eine Art von oberhirtlichem Ansehen unter ihnen zu genießen schien. Meine Kugel traf ihn mitten in die Stirne, er fiel, ohne weiter einen Schrei auszustoßen.

Als tapfere Kriegsleute ließen sich aber die übrigen nicht beirren, sondern drängten sich nur um so näher aneinander, was mir gerade recht war, denn es begünstigte diesen Umstand meine Vernichtungspläne.

Ein zweites Peccari folgte dem Häuptling in die Unterwelt. Mit dem zuerst geschossenen sah ich also drei Leichen das Blachfeld bedecken.

Ich zählte nun meine Kugeln und revidierte den Stand meines Pulverhorns.

Ich besaß noch zwanzig Kugeln und hinlänglich Pulver. Da ich noch 16 lebende Peccari's wegzuschaffen hatte, so blieben mir 4 Kugeln auf Fehlschüsse.

Ich qualifizierte mich in der Balancirkunst bereits zu einer Art Akrobaten, so schnell und verhältnißmäßig gewandt nahm ich die Ladung meines Gewehres vor.

Daß ich's kurz mache, nach Verlauf von 2 Stunden war der Boden mit neunzehn Stück vierfüßiger Spartaner bedeckt, die im eigentlichen Sinne des Wortes in ihrem Blute schwammen.

Während ich mit gerechtem Stolze auf das Ergebniß meiner Thaten blickte, erblickte ich in einiger Entfernung meinen Freund, den Pflanzer, der die Arme über dem Kopf zusammenschlug mit einem Gesichtsausdruck des Staunens und der Bewunderung.

Bald wußte die ganze Umgegend von meinem Abenteuer. Es bildete den Gegenstand aller Gespräche und noch immer kennt man mich in Texas als den Jäger von Trinity-Bottom.


Am folgenden Tage begegnete unsere Reisegesellschaft wieder einer großen Schaar von Wandertauben, welcher Umstand zur Erneuerung der Mundvorräthe bestens benützt wurde. Eine Gunst des Zufalls fügte diesem Braten noch einiges Entenfleisch hinzu, natürlich von wilden Enten.

Das Abendgespräch drehte sich dieses Mal um die verschiedenen Entensorten, welche Nordamerika beherbergt. Es wurde erwähnt, daß die große Chesapeake-Bai an der Küste des atlantischen Oceans auf ihren Wogen eine große Anzahl jener Gattung von Enten beherbergt, welche die Zoologen Anas vallisneria nennen, die Amerikaner nennen sie Canvas-back.

Der lateinische Name rührt von der Pflanze Vallisneria her, einer Art weißer Sellerie, welche die Lieblingsnahrung der besagten Ente ausmacht. Von dieser weichen und duftigen Speise erlangt das Fleisch des Vogels jene Schmackhaftigkeit, die ihm auf den Märkten von New-York und Philadelphia einen Preis von 1 bis 2 Dollars sichert, während der schönste Truthahn um das Drittel dieses Betrages zu haben ist.

Die Wichtigkeit der Entenjagd in der Chesapeake-Bai veranlaßte eigene internationale Verträge zwischen den Staaten, die die Bai umgeben. Ein derlei Vertragsbruch erzeugte vor wenigen Jahren ein ernstes Zerwürfniß zwischen den Entenjägern von Baltimore und von Philadelphia. Es kam so weit, daß bewaffnete Schooner die Bai nach allen Richtungen durchkreuzten, und nur der Umstand, daß die General-Regierung sich in's Mittel legte, verhütete wirkliches Blutvergießen.

Mir selbst passierte einmal ein merkwürdiges Abenteuer bei einer Entenjagd in der Chesapeake-Bai. Ich erzähle es mit denselben Worten wie ich es an jenem Abend meinen Reisegefährten in der Prairie mittheilte.

Ich hatte einige Tage bei einem befreundeten Pflanzer zugebracht, der am Ufer eines in die Chesapeake-Bai mündenden Stromes wohnte. Ich hatte schon lange die Lust in mir verspürt, einmal auf die Entenjagd zu gehen, und die willkommene Gelegenheit, die sich hier mir bot, beschloß ich denn aufs Beste zu benützen.

Da mein Freund wegen anderweitiger Geschäfte mich nicht begleiten konnte, so hieß er mich allein gehen, und gab mir nur seinen ziemlich häßlichen Hund mit, von dem er behauptete, er sei für die Entenjagd wie geboren.

Die Sellerie, von der ich als von dem Hauptnahrungsmittel der Canvas-Backs gesprochen habe, wächst in den Morästen etwa 1 bis 1 1/2 engl. Meilen von der Küste. Ich hatte also den Fluß in einer landesüblichen Pirogue zu Berg zu befahren, ehe ich an den Schauplatz meiner Thaten gelangen sollte.

Wirklich war der Morast, als ich zur Stelle kam, mit Myriaden von Wasservögeln bevölkert, unter welchen ich ganz deutlich sowohl den Canvas-Back, als die Taschenente und die gewöhnliche amerikanische Kriechente unterschied.

Ich landete und befestigte meine Pirogue an dem schilfigen Gebüsche, womit die Ufer des Sumpfes bedeckt waren; zugleich sah ich mich nach einem Verstecke um, welchen ich auch an demselben Gebüsche fand. Meine Aufmerksamkeit begann sich nun dem Hunde zuzuwenden, als einem renommierten Gehülfen bei der so schwierigen Wasserjagd. Aber dieses merkwürdige Thier schien von meinen Gesten und Weisungen nicht die mindeste Notiz zu nehmen.

Es betrachtete mich im Gegentheile mit einer ängstlichen Miene, die ich Anfangs unserer noch so jungen Bekanntschaft zuschrieb; ich durfte also hoffen, daß sich dies mit der Zeit geben dürfte.

Aber ich wurde bald enttäuscht. Was ich auch reden und machen durfte, er setzte meinen Aufforderungen, ins Wasser zu gehen, den entschiedensten passiven Widerstand entgegen. Im Gegentheil er versteckte sich im Gebüsche ganz nahe an dem Orte, wo ich selbst mich auf dem Anstand befand und schien sich um die guten Enten so wenig als um den Dalai-Lama zu kümmern.

Dieses Verfahren oder vielmehr Nichtverfahren erboßte mich um so mehr, als Tausende von Enten in nicht zu großer Entfernung die einladendsten Evolutionen ausführten und bei einigem guten Willen von Seiten meines vierfüßigen Begleiters ein glänzendes Resultat in Aussicht stand.

Nach zwei fruchtlos verstrichenen Stunden verzichtete ich abwechselnd seufzend und fluchend auf den beabsichtigten Sport und schwang mich in den Kahn, fest entschlossen aus Rache das Hundsvieh im Stiche zu lassen, selbst auf die Gefahr hin, seinen Herrn dadurch Verdruß zu machen. Aber der Köter schien diese Absicht zu ahnen; ich war noch kaum im Kahne, so saß er mir bereits gegenüber.

Ich hatte einen Augenblick Lust, ihn ins Wasser zu schleudern, aber da dadurch die Sachlage nicht anders geworden wäre, so beschloß ich stolz, den Hund von nun an gänzlich zu ignorieren.

Mittlerweile flogen die Enten in unzãhlbaren Massen über dem Wasser, welcher Anblick so ziemlich an die Qualen des Tantalus erinnerte. Sie waren so zahlreich und dicht an einander gedrängt, daß ein Schuß aus gehöriger Nähe furchtbar unter ihnen hätte aufräumen müssen.

Wol zwanzig Mal fragte ich mich: Sollte es nicht möglich sein, dem scheuen Wildpret zu nahen?

Mir kam plötzlich eine Idee! Könnte man nicht die Barke mit Wasserpflanzen oder Zweigen bedecken, und darin auf dem Bauche liegend, sie von dem Strom gegen die Entenschaaren hintreiben lassen.

Gesagt, gethan! Die Enten befanden sich am Rande einer Gruppe von See-Tang, meine Pirogue bedeckte ich mit ähnlichen Gewächsen und verbarg mich unter dieser wie schwimmendes Gesträuch aussehenden Maschine. Die Zweige thaten ordentlich den Dienst von Segeln und sehr bald befand ich mich an der Stelle, wo der den Entengaumen so theure Leckerbissen wuchs.

Es war eine große Hitze. Wir waren freilich im November; aber unter diesen südlichen Breiten beginnt in diesem Monat der sogenannte indianische Sommer, der das Thermometer auf die Höhe von 90 Grad Fahrenheit hinauftreibt. Das Laubwerk, womit ich umgeben war, hinderte die frische Luft in meinen Versteck einzudringen, und ich litt außerordentlich unter diesem Umstande.

Unter gewöhnlichen Umständen hätte ich es nicht fünf Minuten unter diesem Backofen ausgehalten, aber meine Jägerpassion ließ mich auf alle Beschwerde vergessen.

Die Pirogue brauchte wol eine stunde, bis sie sich durch das Netz von Sumpfgewächsen durchgewunden hatte, zu Zeiten blieb sie ganz stehen, oder drehte sich im Kreise herum, wenn sie in einen Schwall kam. Endlich aber trieb sie eine etwas stärkere Brise vorwärts und ich bemerkte sogar, daß eine große Schaar Enten sich arglos gegen das Ding bewegte, was sie für losgerissenes Laubwerk halten mochten.

Bald konnte ich entscheiden, daß zwischen den Canvas-Backs sich eine große Anzahl von Kriechenten bewegten.

Das hat seine wohlbegründete Ursache.

Die Kriechente duckt nicht unters Wasser, während die Halsbandente ein Täucherlein comme il faut ist.

Beide aber hängen mit gleicher Leidenschaft an dem Genusse der Vallisneria. Da die Kriechente der schwächere Theil ist, so nimmt sie zur List die Zuflucht, um da zu ernten, wo sie nicht gesäet hat.

Wenn die Halsbandente untertaucht, um die Pflanze von ihrer Wurzel zu lösen, so wartet hart neben ihr die Kriechente. Da die Arbeit unter dem Wasser einige Zeit erfordert, so ist es natürlich, daß der kleine Pionier etwas betäubt und taumlig wieder an die Oberfläche kommt.

Diese augenblickliche Schwäche benützt die Kriechente, um die Ausbeute an sich zu reißen und so schnell als möglich davonzuschwimmen.

Der Canvas-Back weiß aus Erfahrung, daß er der langsamere Schwimmer ist, und taucht geduldig wieder unter, um vielleicht im nächsten Augenblicke wieder des Preises seiner Mühe verlustig zu gehen.

Endlich war ich in Schußnähe der Bande. Es blieb nichts mehr übrig, als durch eine Lücke des Laubwerks vorsichtig meinen Karabiner herauszustrecken, zu zielen und Feuer zu geben.

Ich beobachtete dabei das gewöhnliche Manöver. Der erste Schuß meiner Doppelflinte sollte die Enten zum Auffliegen veranlassen, der zweite erst treffen.

Es gelang nach Wunsch; 15 bis 20 Enten waren die Opfer meines Manövers; der Rest der Bande verschwand in den Lüften, indem sie durch das Aneinanderschlagen ihrer Schwingen ein donnerähnliches Gepolter veranlaßten.

Wenn ich sagte, daß etwa 15 bis 20 Enten gefallen seien, so bin ich auch heute nicht im Stande, genau die Zahl anzugeben, denn keines der Opfer gelangte in meine Hände. Ich hatte bald an ganz andere Dinge als an Halsband und Kriechenten zu denken.

Während sich mein Kahn durch das Geröhricht durcharbeitete, lag mein vierfüßiger Begleiter auf dessen Boden, sprang zeitweise auf, blickte ängstlich um sich und stieß manchmal ein klägliches Geschrei aus, gleich darauf aber legte er sich wieder nieder. Ich bemerkte ferner, daß er zu Zeiten zitterte, als ob ihn das Fieber schüttle.

Dies alles hatte ich gesehen, ohne es besonders zu beachten, da mir die Jägerlust zu sehr im Sinne lag; ich hielt diese Zustände überdem ganz einfach für Furcht vor dem Wasser. Aber kaum hatte ich meinen zweiten Lauf abgefeuert, so wurde meine Aufmerksamkeit unabweislich von dem Hunde in Anspruch genommen.

Er hatte sich erhoben und stand drei Schritte vor mir, indem er auf eine scheußliche Weise heulte. seine Augen schossen seltsame Blitze, seine Zunge hing aus dem Munde, welchem schäumender Geifer entquoll.

Kein Zweifel — der Hund war toll.

Es war die Wasserscheu in ihrer schönster Form!

Ein kalter Schweiß überkam mich; ich war wie erstarrt vor Schrecken. sonst keine furchtsame Natur, schauderte ich doch vor dem Gedanken, auf so gemeine Weise, durch den Biß eines wüthenden Hundes umzukommen.

Unwillkürlich griff ich nach meinem Gewehr. Ich hob dasselbe langsam und zog die beiden Hähne auf — ich vergaß, daß die Läufe leer waren!

Ich wollte sie aufs Neue laden, aber eine Bewegung der Bestie belehrte mich, daß dies nicht ohne Gefahr geschehen könne. Vorsichtig ließ ich also die Flinte zwischen meinen Händen hinabgleiten, um im Nothfall das Ende des Laufes zu fassen und mit dem Kolben meine Vertheidigung zu bewerkstelligen; fieberhaft preßte ich den Lauf zwischen meinen Fingern, als fürchtete ich, meine einzige Waffe könne mir entgleiten.

Dazu kam noch ein anderer, sehr beunruhigender Umstand.

Wer je in einer amerikanischen Pirogue gefahren ist, weiß, was das für ein Ding ist. So ein Ding, was keinen Kiel hat, und nur mit einiger Balancirkunst im Gleichgewicht erhalten werden kann. Nun hatte ich mich halb mechanisch ans äußerste Ende des Fahrzeugs gedrückt und diese ungleiche Vertheilung der Last bewirkte ein bedenkliches schwanken. Ich wußte, wie leicht eine solche Pirogue umkippt.

Fiel es dem Beest ein, auf mich loszuspringen und ich machte etwa einen Versuch, den Angriff zu parieren, so war zehn gegen eins zu wetten, daß ich ersaufen müsse. Denn unter den paar Schuhen durchsichtigen Wassers oben sah ich auf den morastigen Untergrund, der, wie ich wußte 4 bis 5 Schuh mächtig war; in solchen Fällen nützt die Schwimmkunst nichts.

Man male sich also die Reize unsers Tête-à-tête!

Während ich wie der vom Auge der Klapperschlange bezauberte Vogel dem Köter in die rothunterlaufenen Augen schaute, hatte ich doch Gelegenheit zu bemerken, daß die Barke in eine gewaltige Strömung gerathen sei, und sich eilends der Meeresküste zu bewegte, wo die neue Gefahr der Brandung an dem felsigen Gestade mir drohte.

Freilich kamen wir nun in die reine Flußströmung und ich konnte mich durch angestrengtes Schwimmen retten, aber dazu hätte ich mich entkleiden müssen und diese Operation war selbstredend Angesichts eines tollen Hundes nicht ohne bedeutende Gefahr.

In rascher Ueberlegung kam ich zur Einsicht, daß an den Felsen der Flußmündung mir ein gewisser Tod drohe, und mir kein Mittel bleibe, als auf alle Gefahr hin auf Vernichtung des gefährlichen Genossen bedacht zu sein.

Schon hörte ich das Brausen der Meereswogen an dem Riffe. Mein Leben hing an einem Haare!

Ohne das Auge von dem Hunde abzuwenden, ließ ich Pulver und Blei in einen der Flintenläufe gleiten, eben so leise ließ ich den Ladstock folgen; und schnell das Gewehr aufnehmend spannte ich den Hahn und setzte die Kapsel auf.

Dasselbe that ich mit dem zweiten Laufe, diesmal schon mit mehr Zuversicht. Die Zeit drängte; mein Carabiner war bereit, als ich etwa noch 100 Ellen zur Brandung hatte; schon tanzte meine Pirogue auf bedenkliche Weise. Ich wagte nicht zu zielen, ich senkte meine Waffe und drückte ab.

Die Bewegung des Meeres war so lärmend, daß ich den Knall des Schusses nicht vernahm; aber ich sah wie der Hund heftig zappelte, den Kopf gegen die Wand der Barke stemmend; mein Schuß hatte getroffen, soviel war offenbar. Ein breiter Blutstrom floß aus seiner Brust. Diese erste Kugel hätte vielleicht genügt, aber ich entsandte eine zweite, welche das Thier regungslos hinstreckte.

Mit einem Fußtritt schleuderte ich es ins Meer und in Folge verzweiflungsvoller Anstrengungen gelang es mir, die Barke mit den Rudern von dem schäumenden Gischt abzulenken, welches glänzend-weiß mich bereits von allen Seiten umgab.

Am Ufer angelangt, dachte ich nicht weiter an Entenfang, sondern gab mir nur das Gelöbniß, nie wieder mit einem Hunde auf die Jagd zu gehen, von dessen vollkommener Unschädlichkeit ich mich nicht vorher vergewissert hatte.


Das einzige merkwürdige Ereigniß des folgenden Tages war der Bruch einer Achse an unserm Karren. Kein Wildpret ließ sich sehen, das für uns Gegenstand eines frischen Bratens und einer frischen Erzählung hätte sein können.

Zur Abwechslung beschenkte Mr. Thomson an diesem Abend die Gesellschaft mit einem Bericht über das Vicunna oder das peruanische Lama. Er hatte sich lange in den Anden Peru's aufgehalten und oft auf das genannte Thier gejagt, welches für die dortigen Einwohner die Stelle eines Schafs und eines Dromedars vertritt, denn es kleidet sie mit seiner Wolle und trägt ihre Lasten.

Die Jagd auf das Lama ist nichts wenig als leicht. Vorab ist zu betonen, daß man sich zu diesem Ende nach den höchstgelegenen und kältesten Höhen der Anden begeben muß, ferne vom menschlichen Verkehr und jedes gewöhnlichen Comfort's entbehrend. Da heißt es unter freiem Himmel kampieren, in einer Felsenspalte oder unter einer elenden Erdhütte schlafen, die Strenge eines lappländischen Klima's ertragen u. s. w. Wenn seine Jagd nicht glücklich, so ist der Jäger oft der Gefahr des Hungertodes ausgesetzt, wenn ihn der Zufall nicht auf eines jener Hochplateau's führt, wo die einzige Pflanze dieser Einöden, die beerentragende Maca wächst.

Mr. Thompson erzählte die abenteuerlichsten Geschichten über diesen aufregenden Sport. Er erwähnte, wie die Indianer die Lama's zu fangen pflegen.

Einer der Eingebornen hüllt sich in Lamafelle, und schreitet auf die Heerde los, bewaffnet mit den Bollos (einer Art Schleuder mit 3 Kugeln an der Spitze), womit er das Männchen, d. i. den Führer der Heerde erlegt, worauf die Weibchen keinen Versuch mehr zur Flucht machen. Ein rührendes Beispiel von Anhänglichkeit bei einem in Polygamie lebenden Völkchen.

Und so schwanden noch manche Tage in ähnlicher Weise dahin, bis wir endlich den Ort erreichten, wo der Zweck unsers Jagdzuges: die Buffalos weilten.

Merkwürdigerweise war ich der erste, der einen Buffalo sah und erlegte. Die Umstände, die dies mein gutes Glück begleiteten, waren seltsam genug, und meine Eitelkeit kann es sich nicht versagen, mein Jagdabenteuer ausführlich zu berichten.

Schon seit einigen Tagen machten wir in einzelnen Gruppen Ausflüge nach allen Richtungen, um einen Buffalo zu erjagen, denn wir waren der Gegend nahe, wo diese Thiere ihre Lager hatten. Oft waren wir unser zwei oder drei; es traf sich aber wohl auch zu Zeiten, daß ein jeder einzeln sich dem Zufall überließ oder vielmehr dem Instinkte seines Pferdes. Diese Exkursionen fanden zumeist nach dem Abendessen statt und vertraten in dieser Zeit die Stelle des abendlichen Gesprächs.

Eines Abends nach Aufschlagung der Gezelte und Abfütterung der Pferde schwang ich mich in den Sattel und setzte mich in Marsch nach der Prairie.

Die Prairie, wo wir heute Halt gemacht hatten, war von kleinen Hügeln durchfurcht und da unser Lager an einem kleinen Flüßchen aufgeschlagen war, der zwischen zwei Hügelreihen dahin floß, so konnte man dasselbe von jenseits der Anhöhe nicht mehr wahrnehmen. So kam es, daß ich, nachdem ich aus dem Thalweg des Creek's nach der Anhöhe gekommen, weder mehr etwas von meinen Cameraden sah, noch von ihnen gesehen wurde. Ich traute aber meiner Kenntniß von der Lage der Sternbilder am Himmel und war wohlgemuth wie immer, wenn's auf Jagdabenteuer losging.

Kaum war ich eine Meile weit getrabt, so entdeckte ich spuren von Buffalo's. Diese Spuren bestehen in einer Anzahl kreisförmiger Löcher im Boden, wovon jedes etwa 5 bis 6 Fuß im Durchmesser hat. Die Jägersprache hat einen Ausdruck dafür, sie nennt sie: die Schaukeln. Die Spuren waren noch ganz frisch, wie der Augenschein lehrte, und zahlreich; auch waren Stiere unter der Herde gewesen, wie ich an gewissen Eindrücken im Sande ersah. Dieser Anblick regte meine Jägerlust mächtig auf, ich gab meinem Pferde ungeduldig die Sporen, in der Hoffnung einige jener Wiederkäuer zu ereilen, die sich hier im Sande geschaukelt hatten.

Bald gelangte ich auf ein Plateau, wo der Boden nach allen Richtungen so zerstampft und aufgewühlt war, als ob eine Schwadron Kavallerie daselbst manövriert hätte. Offenbar hatte da ein heftiger Kampf zwischen den Stieren gewüthet; es war eben Brunftzeit, um welche derlei Kämpfe nicht zu den Seltenheiten gehören.

Ich mochte ungefähr 5 englische Meilen von unserm Bivouac mich entfernt haben, als ein seltsamer Lärm meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Dieser Lärm kam von jener Seite her, die in der Richtung meines Weges lag.

Zwar hinderte mich das wellenförmige Terrain, die Natur dieses Geräusches zu ergründen, aber ich glaubte mich nicht zu irren, wenn ich es für das Gebrüll eines Buffalo's hielt.

Von Zeit zu Zeit mischte sich dazwischen ein Geräusch, als ob zwei harte Körper aneinander stießen.

Ich ritt mit Vorsicht den Abhang der kleinen Anhöhe hinan und blickte in die Tiefe, von wo eine dichte Staubwolke emporwirbelte. Ich unterschied endlich zwei schwarze, haarige Massen. Es waren zwei Stiere, die im heftigsten Kampfe gegen einander standen. sie waren allein, man bemerkte keinen andern, weder in der Thalsohle unten, noch auf der Prairie, so weit das Auge reichte.

Ein rascher Blick auf meinen Doppellauf überzeugte mich, daß er schußgerecht sei. Beschäftigt wie sie waren, glaubte ich nicht, daß sie mich bemerken wurden, und ich ritt getrost auf sie los.

Wider Crwarten hatten mich aber die Buffalo's sogleich bemerkt und ergriffen die Fluch. Ich verfolgte sie natürlich, und es schien mir, als wenn sie weniger von Furcht als von Verdruß über die Störung ihres Zweikampfes beseelt seien; wenigstens hielten sie von Zeit zu Zeit stille, blickten um sich, stampften den Boden mit ihren ungeduldigen Hufen, so daß der Staub in großen Massen um sie aufflog.

Zwei—? oder dreimal glaubte ich sogar, sie würden Kehrt machen und auf mich losstürzen; wäre ich weniger gut beritten gewesen, so wäre die Aussicht auf eine derlei Scene nicht sehr angenehm gewesen.

Es wäre schwer, sich ein paar stattlichere Gegner zu denken, als ich hier vor mir hatte. Ihre ungeheure Taille, ihre breiten mit riesigen Hörnern gezierten Stirnen, ihr schiefer, drohender Blick, ihr wüthendes Gebrüll, endlich ihre ganze drohende Stellung war wohl geeignet in Furcht zu setzen.

Aber da ich mich fest im Sattel fühlte, so sprengte ich mein Roß im Galopp gegen den nächsten der beiden Buffalo's und schickte ihm eine Kugel meiner Büchse in die Rippen.

Der Schuß ging los. Das Thier sank in seine Knie, sprang wieder auf, streckte die Beine, gleichsam um einem zweiten Falle zu begegnen, schaukelte sich einen Augenblick wie ein Schiff im Sturme und fiel endlich aufs Neue auf seine Knie. Es blieb einige Minuten lang in dieser Stellung, das Blut floß in Strömen aus seinen Nasenlöchern; darauf machte es eine neue Anstrengung sich zu erheben, welche aber fruchtlos blieb; endlich fiel es mit schwerer Wucht in den Sand, um nicht wieder aufzustehen — es war todt.

Alle diese Bewegungen hatte ich mit größtem Interesse verfolgt, ohne den zweiten Buffalo zu beachten. Dieser hatte unterdessen die Gunst der Umstände benützt, um sich unbelauscht zu entfernen. Ich sah ihn eben noch, wie er hinter dem Gipfel einer fernen Anhöhe verschwand.

Ich dachte nicht daran, ihn zu verfolgen, denn mein Pferd war heute weit genug gerannt, und ich wußte, daß es schwer sei, es mit einem Buffalo an Geschwindigkeit aufzunehmen. Ich stieg ab, band mein Pferd an einen vereinzelt dastehenden Baum — es war eine Baumwollstaude — und zog dann mein Waidmesser, um meine Jagdbeute zu zerstücken.

Ich war noch nicht lange damit beschäßftigt, als ein lautes Geräusch mich den Kopf erheben hieß. Ueber die Natur dieser Unterbrechung konnte ich keinen Augenblick im Zweifel sein. Eine ungeheure schwarze Masse erschien auf dem Gipfel einer Anhöhe, es war der andere Buffalo, der zurückkehrte.

Im ersten Augenblicke verursachte mir seine Erscheinung mehr Vergnügen, als Unruhe. Mein leichter Sieg hatte mich in kriegerische Aufwallung versetzt, schon hoffte ich, ins Lager als fette Spolien zwei Büffelzungen statt einer bringen zu können.

Ich steckte also rasch mein Messer wieder in den Gürtel, und ergriff die Büchse, deren abgeschossenen Lauf ich einer alten löblichen Gewohnheit getreu sogleich wieder geladen hatte.

Einen Augenblick war ich unschlüssig, ob ich mein Pferd losbinden und besteigen, oder zu Fuß meinen Buffalo erwarten solle. Der Buffalo übernahm es selbst, meinen Zweifel zu lösen. Das Gewieher des Pferdes mochte der Edle für eine Herausforderung gehalten haben, genug, er stürzte mit vorgehaltenen Hörnern auf dasselbe los. Der arme Gaul, sein Schicksal ahnend, zerbrach mit einem gewaltigen Ruck die Bande, die ihn festhielten und flüchtete eilends quer über die Prairie. Es war das am Ende kein Unglück, denn das kluge Thier mußte, wie ich wol wußte, mit Leichtigkeit durch seine eigene Spur das Bivouac wieder finden, nur erwuchs mir dadurch die Aussicht auf einen mehrstündigen Marsch zu Fuß, auf den ich nicht gefaßt war.

Zornig wandte ich mich nun gegen den Buffalo, der sehr bald die Verfolgung meines Pferdes aufgegeben hatte und nun ganz wüthend auf mich losrannte. Ein Umstand, der nicht geeignet war, mich in gute Laune zu versetzen!

Ich hatte nicht lange Zeit, über diesen neuen und unerwarteten Zwischenfall nachzudenken, denn zwischen meinem Feinde und mir waren bald nur mehr zehn Schritte. Auf gut Glück drückte ich meine beiden Läufe hart nacheinander auf den Buffalo los.

Ich sah ihn einen Augenblick wanken, ich hatte ihn offenbar getroffen, aber nicht tödtlich, denn er raffte sich auf und begann schnaubend seine Verfolgung fortzusetzen.

Mein Gewehr wieder zu laden, war durch die Kürze der Zeit verboten; meine Pistolen steckten in der Halfter auf dem entlaufenen Pferde, der isolierte Baum stand hinter dem Buffalo.

Es blieb also nichts übrig, als die Füße über die Achseln zu nehmen.

Ich habe in meinem Leben es oft mit den besten Wettläufern aufgenommen, hier aber erwies sich meine Schnelligkeit als ungenügend. Ich hörte ihn hinter mir schnauben, ich sage: ich hörte ihn, denn nach ihm sich umzuschauen, wäre unter den gegebenen Verhältnissen ein Zeitverlust gewesen, gleichbedeutend mit dem sicheren Verderben.

Da gelangte ich in meiner angstvollen Flucht an eine Erdspalte, die mir entgegen gähnte. Sie war ungeheuer breit, fast zu breit für die Sprungkraft eines Mannes, aber die Todesangst stählte meine Muskeln — ein gewaltiger Satz, und ich war drüben — ich war gerettet!

So bildete ich mir wenigstens ein, als ich das Unthier jenseits der Kluft schnauben sah und hörte, als ich sah, wie es sich einigemal vergeblich zum Sprunge beugte und endlich den Versuch aufgab. Ein herzliches: Gott sei gelobt! entrang sich meiner Brust.

Ein rascher Blick um mich hieß meine Angst allsogleich wiederkehren.

Die Erdspalte zog sich nur etwa 50 Schritte hin, jenseits dieser Grenze war das Erdreich glatt wie eine wohlerhaltene Chaussee. Auf einem kleinen Umweg war also mein jetziger Standpunkt von jenseits her leicht zu erreichen.

Der Buffalo schien diese Ansicht zu theilen, denn er lief längs des Schrundes hin, bis derselbe ein Ende hatte.

Es blieb mir nichts übrig als den Salto mortale von Neuem zu wagen und nach ein paar Sekunden hatten wir unsere Standpunkte gewechselt.

Dies schien den guten Buffalo gewaltig zu verdrießen, er kehrte um, woher er gekommen. Und ich mußte zum drittenmale springen.

Dieses neckische Spiel wiederholte sich, wenn ich mich recht entsinne, mehr als zwanzig Male und begann endlich nachgerade nicht wenig lästig zu werden.

Da galt es einen verzweifelten Entschluß fassen und ausführen. Er bestand darin, jenem Baume bei schicklicher Gelegenheit zuzulaufen, an dem ich seiner Zeit das Pferd angebunden hatte. Ich ersah den Moment, wo mein Kamerad jenseits des Abgrundes war, und lief gegen den Baum — er natürlich hinter mir und zwar so schnell, daß ich kaum auf dem Baume war, als sich bereits seine Hörner so heftig in den Stamm bohrten, daß er dröhnend bis in seine Grundfesten erzitterte.

Der Büffel faßte Posto am Fuße des Baumes und schien entschieden Lust zu haben, mein Herabkommen zu erwarten und sollte sich dies auch mehrere Tage verziehen.

Wir betrachteten einander ziemlich stupid, wie ich glaube (von mir weiß ich es gewiß), dazu kam Müdigkeit, Hunger und Durst.

Eine Hoffnung blieb mir, daß nämlich meine Gefährten mich aufsuchen würden, zumal wenn mein Pferd allein zurückkehrte. Ob sie mich aber sobald finden würden, war eine andere Frage, denn im beweglichen Sande mußten die Spuren meines Pferdes und meine eigenen Tritte längst verweht sein.

Das war wenig tröstlich für den Mann, der oben im Baume hing und vergebens grübelte, wie er sein armes Leben retten sollte.

Da erblickte ich auf dem Boden den Zaum meines Pferdes.

Das eine Ende war durch einen soliden Knoten am Baume befestigt, das andere schleifte am Boden der Prairie.

Der Büffel selbst hatte meine Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand geleitet, indem er von Zeit zu Zeit mit dem Fuße darnach stieß.

An dem Zaum war noch ein langer Strick befestigt, der mir als Peitsche und Halfter diente. Meine erste Aufgabe war also diesen Strick an mich zu ziehen, der am Fuße des Baumes lag. Aus zureichenden Gründen wagte ich nicht hinabzusteigen um ihn zu holen.

Aber die Noth macht erfinderisch.

An einem der Knöpfe meines Wammses hing ein messingener Stift, der in gewöhnlichen Zeitläuften mir zum Reinigen der Pfeife diente. Diesmal sollte er andere Dienste leisten; ich bog ihn, daß er aussah, wie ein Angelhaken. Ich beabsichtigte nämlich mit dieser improvisierten Angel den Strick von der Erde aufzufischen. Mit meinem Waidmesser schnitt ich hierauf Riemen aus meinem Jagdbandelier (er war aus Büffelleder); diese Streifen an einander gefügt und an der Spitze den Stift befestigt, so war der Apparat beschaffen, womit ich nach langen vergeblichen Versuchen endlich Strick und Zaum auffischte.

Dann machte ich eine Schleife in den Strick, und gedachte ihn als Lasso zu benützen; da mich aber die Zweige des Baumes hinderten, den Lasso um meinen Kopf zu schwingen, so mußte ich das Thier erst durch Geschrei und andere Reizung mir so nahe bringen, daß meine Absicht gelingen konnte.

Alles fügte sich nach Wunsch. Zu meiner großen Freude sah ich, wie die Schlinge den Hals des Stiers umgürtete, rasch zog ich an und zwar nach Leibeskräften.

Sobald der Buffalo die Einschnürung am Halse spürte, begann er wie verrückt um den Baum herumzulaufen.

Aber das Ende des Zaumes haftete fest am Baumstamme, und war, wie ich aus Erfahrung wußte, von solider Arbeit.

Der Büffel war ein Gefangener am Fuße des Baumes. Ich hatte nur noch einen günstigen Moment zu erschauen, um herabzuspringen und die Flucht zu ergreifen. Ich wußte, daß Strick und Zaum etwa 20 Schuh lang sein mochten, nichts desto weniger lief ich 100 Schritte weit. Der Büffel war von gigantischer Größe, ein verzweifelter Ruck konnte ihn vielleicht von seinen Banden befreien und dann . . . ?

Ich drehte mich um, als ich mein Gewehr erfaßt hatte, das unweit der Stelle, wo ich stand, auf der Erde gelegen hatte. Der Buffalo lag am Boden; die Bande, die ihn am Baume festhielten, waren aufs äußerste gespannt. In seiner Wuth mich zu verfolgen, trug er demnach noch bei, seine Erdroßlung herbeizuführen. Blutroth hing ihm die Zunge beim Rachen heraus.

Beim Anblick dieser Zunge kam mir, dem kaum Geretteten, die Lust, diese Zunge zu besitzen. Ich lud mein Gewehr, und fast konnte ich dem röchelnden Thier den Lauf an die Schläfe setzen, der ihm die todbringende Kugel sandte.

Der Büffel war todt. Ich war zu müde, um eine andere Jagdbeute mitzunehmen als eben seine Zunge und die seines vorangegangenen Gefährten.

Mittlerweile zog das Nachtgestirn strahlend und glanzvoll am Himmel auf und wies mir den Weg zurück zu den Kameraden. Sie kamen mir auf halbem Wege entgegen, unter unaufhörlichen Pistolenschüssen, die mir als Signale dienen sollten, daß sie nahten.

Mein Pferd war vor einer Stunde in der Beiwacht angekommen und sein Erscheinen hatte die lebhaftesten Besorgnisse um mein Schicksal bei ihnen erregt.

Als ich meine Erlebnisse zum Besten gegeben hatte, drangen einige von ihnen, gierig nach frischem Fleisch, bis zu den erlegten Buffalo's vor und zerstückten sie mit ihren Jagdmessern. Aber vor Mitternacht war alles wieder beisammen und bis tief in die Nacht hinein mußte ich die einzelnen Umstände meines Abenteuers wiederholen.

Das halb tragische, halb komische Abenteuer war bald vergessen, man überließ sich vollkommen der Freude, endlich nach wochenlangen Wanderungen ans Ziel des Jagdausflugs gelangt zu sein. Wie dem freundlichen Leser noch erinnerlich sein dürfte, war der Zweck unserer Excursion die Aufsuchung eben jener Büffelregionen, in deren Mitte wir uns in diesem Augenblicke befanden.

Was war natürlicher, als daß eine freudige Aufregung, wie sie nur der Waidmann kennt, sich Aller Gemüther bemächtigte, daß die Hoffnung auf reichliche Jagdbeute aller Herzen erfüllte. Versehen mit reichlichem Mundvorrath, den das zu erlegende Wild noch vermehren sollte, angethan mit erprobten Jagdgewändern, um jeder Unbill der nahenden unwirthlichen Jahreszeit mit frohem Muthe entgegenzugehen, vor Allem aber jeder Einzelne bewaffnet mit einem Gewehr, das er kannte und trefflich zu nützen verstand — nichts war gerechtfertigter, als der Wunsch und die Erwartung, die nächsten Tage in fröhlichster Waidmannslust zu verleben, dann heimwärts zu ziehen, stolz auf die vollbrachten Thaten, beneidet von Allen, denen man sie erzählen konnte. Wer die nächste Zukunft mit andern Augen geschaut hätte, wäre ausgelacht oder ein Thor gescholten worden.

Wie ganz anders aber sollte sich die Wirklichkeit gestalten!

Das war keine stolze Caravane, die einige Wochen später zu Fuße in St. Louis einzog, auf diesen blassen abgehärmten Gesichtern malte sich keine Siegesfreude, diese zerlumpten Gewänder waren nicht zerfetzt im Kampfe mit wilden Thieren.

Doch wir greifen unserer Erzählung vor, und haben noch ein kleines Stück Weges zu wandern, ehe wir an diese traurige Wendung unseres Schicksales gelangen. —

Alles war also in fröhlichster Stimmung am Tage nach meinem Abenteuer. Ike und Redwood, unsere beiden Führer und Jäger von Profession, erhöhten unsere Erregung durch die Erzählung von mancherlei Begebenheiten, die ihnen bei ihren zahlreichen Excursionen behufs der Büffeljagd vorgekommen.

Wir erfuhren beispielsweise von ihnen, daß die Buffalo's einen wunderbaren Instinkt in Aufsuchung der Gewässer zeigen. Alle Wege in den Prairien, die der Wanderung großer Heerden dieser Thiere ihren Ursprung verdanken, führen in geradester Linie an die großen Flüsse, so daß sie dem Wanderer sehr oft die Richtung weisen, in der ihm die ersehnte Labung zu Theil wird. Der Buffalo sucht das Wasser auf, um zu saufen und um zu baden.

Unsere Buffalo's oder Bison's hatten eine Tagereise vor uns voraus, aber wir waren fest entschlossen, durch einen forcirten Ritt diesen Unterschied auszugleichen. Ueberdem versicherten unsere Führer, es würde uns mittlerweile nicht an Beute fehlen. Die Bison's ziehen nicht in geschlossenen Colonnen, es bleiben vielmehr immer mehrere zurück, deren Durst oder Badelust minder heftig ist, oder die durch Alter und geringere Körperkraft verhindert, den rüstigeren zu folgen nicht im Stande sind. Wir verfolgten also gutes Muthes ihre Spuren in der Prairie.

Kaum hatten wir einige hundert Schritte zurückgelegt, als sich ein seltsames Schauspiel unsern Blicken darbot,

Wir befanden uns auf dem Kamme einer Anhöhe und blickten in eine nicht große Vertiefung, von welcher der Staub in dichten Wolken aufwirbelte. Und doch regte sich weit und breit kein Lüftchen.

Es bedurfte einiger Augenblicke, ehe wir zu der Wirkung die Ursache fanden.

Wir bemerkten einen Wolf, der zwei- oder, dreimal sich im Kreise um einen Gegenstand drehte, bald gewahrten wir einen zweiten und dritten Wolf. Alle hatten den Rachen weit offen, ihre Augen glänzten, ihr Haar sträubte sich, die Ruthe hielten sie wagrecht und peitschten damit ihre Weichen in wüthender Weise. Ihr unaufhörliches widerliches Heulen bewies, daß sie im Kampfe unter sich oder mit einem Feinde begriffen waren.

Ike und Redwood erriethen zuerst, um was es sich handle. Wahrscheinlich, so sagten sie, fallen sie einen alten Büffelstier an; und alsbald setzten sie ihre Pferde in Galopp und sprengten hinab.

Ike war nicht faul, auf seine alten Freunde oder Feinde, die Prairiewölfe, Jagd zu machen; einige von uns, diesem schlechten Beispiele folgend, entluden ihre Carabiner auf dieses werthlose Wild und erlegten eine große Anzahl; bald aber floh der Rest in der ungefähren Anzahl von zwölf Stücken nach allen Richtungen und verschwand hinter der Anhöhe.

Der Staub zerfloß gar bald und es ward uns Gelegenheit gegeben, den Gegenstand des Angriffs zu betrachten.

Im Mittelpunkte einer Grube, die er sich selbst durch seine rotierenden Bewegungen während der Vertheidigung gegraben, sahen wir einen Buffalo von riesigen Dimensionen. Alles kündigte bei diesem Thiere ein außerordentliches Alter an, es war mager und dünnbäuchig, sein Rücken war kaum mit einigen langen Haarsträhnen bedeckt, sein Fell war staubfarben und reichlich floß das Blut von seinen Weichen, seinen Naslöchern, seinem Maul. Der Nasenknorpel war von den Bissen seiner wüthenden Angreifer zerrissen, an Stelle der Augen gähnten zwei leere Oeffnungen den Beschauer an.

Es war ein grauser Anblick.

Trotz seiner Wunden verharrte aber das arme Thier noch immer in aufrechter Stellung, und 5 todte Wölfe, die zu seinen Füßen lagen, gaben den Beweis, daß es sich ritterlich vertheidigt habe.

Es war nur ein Akt des Erbarmens, daß ihm einer von uns die Kugel seiner Büchse in den Kopf sandte, um seinem kläglichen Leiden ein Ende zu machen.

Das Fleisch dieses alten Bison's war zu hart, um es zu Nahrungszwecken mitzunehmen. Wir verließen also die Stelle, nicht ohne Mitgefühl für das wahrhaft tragische Schicksal des hochbetagten Ungeheuers.

Kaum waren wir auf ein paar Büchsenschußweiten von dem Orte entfernt, als eine noch weit interessantere Scene uns zu Theil werden sollte. Die Akteurs waren wieder Prairiewölfe und Bison's, diesmal gab's aber keinen Staub, denn die Handlung ging auf grünem Rasen vor und wir konnten in aller Gemächlichkeit ihre Entwicklung verfolgen.

Einer Büffelkuh mit ihrem Kalbe nebst einem schönen Stiere als deren Beschützer waren die Hauptrollen zugedacht. Das Kleeblatt war umgeben von einer Schaar gieriger Wölfe, welche mit einer unsäglichen Heftigkeit das arme Büffelkalb zum Ziele ihrer Bemühungen erkoren hatte, vielleicht auch dessen Mutter! Aber der Stier suchte dieses Bemühen auf alle Weise fruchtlos zu machen. Mehrere Wölfe lagen schon ausgestreckt in Folge der Stöße mit den Hörnern, die er ausgetheilt hatte, andere suchten vor Schmerz heulend das Weite. Dennoch konnte über den Ausgang des Gefechtes kaum ein Zweifel aufkommen, denn immer größere Schaaren von Wölfen kamen im Galopp herbei, um die Gefallenen zu ersetzen.

Es war ein wahrhaft merkwürdiges Schauspiel, zu sehen, welche List die Wölfe anwendeten, um das Kalb von seinen natürlichen Beschützern zu trennen. Manchmal zogen sie es ein wenig zur Seite und warfen es nieder, aber ehe sie Zeit hatten, es mit ihren Bissen zu verwunden, eilten die Eltern herbei und warfen sich unerschrocken auf die feige Bande, die wie eine Schaar Aasvögel auseinanderstiebte. Dann nahm das Kalb seinen Platz zwischen den beiden Alten ein, bis die Wölfe einen neuen Angriffsplan ersonnen und ausgeführt hatten.

Einen Augenblick schien es fast, als ob die Bison's die Oberhand gewinnen sollten. Ihre Taktik, die man in der Hitze des Kampfes für eine Folge des Zufalls hätte ansehen können, zeigte sich aber dem aufmerksamen Beobachter als ein Resultat scharfsinniger Combinationen. Das Bedenkliche bei der Sache waren nur die Hindernisse, welche die Stupidität ihres Jungen einem geregelten Vertheidigungsplane entgegenstellte. seine Bewegungen waren nämlich, sobald es sich etwas sicher wähnte, so unvorsichtiger Natur, daß Stier und Kuh jeden Augenblick ihre Stellung verändern mußten, welches sie wol unverdrossen thaten, jedoch nicht ohne endlich sichtliche Spuren von Ermüdung zu zeigen.

Dieses rührende Beispiel elterlicher Zärtlichkeit verfehlte seine Wirkung auf uns nicht, zumal da bei der Entfernung der drei von der Hauptheerde kaum eine Aussicht für sie war, dem grausen Verhängniß zu entrinnen.

War es dieses Gefühl, oder vielleicht auch der Wunsch, die Beute für uns zu behalten — genug, wir gaben fast gleichzeitig unseren Pferden die Sporen und sprengten nach dem Schauplatz des Kampfes.

Weder Angreifer noch Vertheidiger bemerkten uns früher, als bis wir fast auf einige Schritte ihnen nahe gekommen waren. Dann aber entflohen die Wölfe nach allen Richtungen und eine Zeit lang knallten unsere Büchsen lustig durcheinander. Der Stier warf einen zornigen Blick auf seine neuen Feinde, bald aber schien er die Fruchtlosigkeit jedes Widerstandes einzusehen, er forcierte die Reihen der Jäger und rannte davon.

Dieser Umstand gab Gelegenheit zu einer wahrhaften Parforcejagd von unserer Seite.

Das Terrain zu einem solchen Sport konnte nicht glücklicher gewählt sein. so weit das Auge reichte, dehnte sich endlos ohne sichtbare Grenze die Prairie aus, kein Baum, nicht einmal ein Busch hinderte die rascheste Bewegung unserer Pferde.

Bald wurden wir inne, daß unser Bison zu den schnellfüßigsten Kumpanen gehöre. Eine halbe Meile folgten wir ihm mit der äußersten Anstrengung unserer Pferde, zu unserer großen Freude sahen wir den Raum zwischen uns und ihm immer kleiner werden, als das Thier plötzlich, ohne daß ein Schuß gefallen, zusammenbrach und regungslos liegen blieb.

Anfangs glaubten wir, er habe sich blos den Fuß verstaucht und würde sich alsbald wieder erheben.

Aber das Thier war und blieb todt; eine Kugel hatte ihn gleich bei unserer Ankunft am Gefechtsorte an edlen Theilen verwundet, und dieser rapide Wettlauf war nur Folge der letzten konvulsivischen Anstrengung, die das scheidende Leben machte.

Zwei oder drei von uns blieben zurück um sich der Haut und der Kernstücke vom Fleische zu versichern, wir andern eilten zum Orte zurück, wo wir Mutter und Kind verlassen, deren Fleisch wir uns nicht ohne Grund als einen bessern Leckerbissen für unsere Tafel dachten.

Wie groß war aber unsere Wuth, als wir bemerkten, daß mittlerweile die Wölfe sich unsere Abwesenheit bestens zu Nutze gemacht hatten. Sie hatten sich eines lecken Mahles erfreut, so daß einige Fetzen von der Haut die einzigen Reste eines zarten, saftfleischigen Kalbes und seiner zärtlichen Mutter waren. Sogar den eigentlichen Leckerbissen, die Zunge, hatten die Schlemmer nicht vergessen, so wie sie nach vollendeter Mahlzeit nicht gesäumt hatten, sich in aller Stille zu entfernen.

Wollend oder nicht wollend kehrten wir zum Stier zurück, und ließen uns sein minder anlockendes Fleisch diesen Abend schmecken.

Gerne würde ich nun die folgenden Tage und ihre Vorfälle beschreiben, wenn ich nicht die Geduld der Leser zu ermüden fürchtete. Es waren sieben Tage, wo wir im Vollgenuß echter Waidmannslust schwelgten und in der Erinnerung erscheinen mir diese sieben fetten Tage in um so rosigerem Lichte, weil die darauf folgenden Ereignisse ein so schauerliches Gegenbild gaben. Dennoch ist der Mensch von einer gütigen Natur so wunderbar konstruiert, daß er, wie allbekannt, erlittenes Ungemach leichter vergißt, als genossene Freuden. Und so denke ich denn an das Jägerfest, das ich beschrieben, nach so viel Jahren mit ungetrübter Freude zurück, mag auch das, was ich noch zu erzählen habe, ganz geeignet sein, düstere Schleier vor eine inhaltschwere Epoche meines Daseins zu werfen.

Wer, der einen gesunden Körper beseelt von frischem Jägermuth sein Eigen nennt, hatte nicht mit Freuden Theil genommen an den bunten Ereignissen, die ich bemüht war, in möglichst anschaulicher Aufeinanderfolge vor dem Auge des Lesers vorübergleiten zu lassen? Hatte doch mancherlei Jagdsegen reichlich gelohnt für allerhand Anstrengungen und Entbehrungen, selbst für kleine Enttäuschungen, wie sie das Leben des Waidmanns mit sich führt. Die Stimmung war eine beständig gehobene unter uns, kein Zwiespalt trübte den gemeinsamen Genuß.

Eine einzige Nacht sollte unsere Lage ändern, und von dieser Nacht an sollte sich mit unheimlicher Consequenz Widriges an Widriges reihen und Anforderungen sollten an ein Dutzend Männer gestellt werden, denen oft die energischeste Willenskraft nicht gewachsen sein dürfte.

Mit diesem Nachtstücke schließt unsere Erzählung ab, und wir sind gewiß, daß keiner derjenigen Leser, die uns bis hierher treu geblieben, uns seine Theilnahme versagen wird.

Eines Abends hatten wir unsere Zelte am Rande eines kleinen Baches aufgestellt, der einer aus dem Boden aufsprudelnden Quelle seinen Ursprung verdankte und von der gedachten Stelle weg sich durch die Prairie schlängelte, um später wahrscheinlich sich in einen der Seitenarme des Arkansas zu ergießen. Wo unsere Zelte standen, waren die Ufer nicht hoch, aber etwa zweihundert Schritte weiter floß der Bach zwischen zwei ziemlich hohen Hügelreihen, so daß ein Mann, der in der Thalsohle des Baches stand, nicht sehen konnte, was auf der Prairie vor ging.

Diese Thalsohle war mit einem dichten Grase besetzt, aber oben auf der Prairie fanden unsere Reitthiere offenbar schmackhaftere Nahrung. Dort wuchs nämlich das sogenannte Bisonkraut, welchem die Natur einen für alle Vierfüßler gleich angenehmen Geschmack verliehen zu haben scheint. Wir beeilten uns sofort, sie auf jene Weide zu führen, von wo wir sie beim Einbruch der Nacht oder wenigstens so bald die Schlaflust sich zu regen beginne, näher zu unseren Lager geleiten wollten. Während wir also unten unser Nachtquartier bereiteten, ließen wir unsere Gäule auf der Prairie grasen.

Noch hatten wir zwei Stunden Tag vor uns, ehe die Sonne zur Ruhe ging. Unser Mahl, aus saftigem Büffelfleisch bestehend, war zu Ende; und zufrieden mit unserer Morgenjagd, ergingen wir uns rauchend in fröhlichen Gesprächen, welche wir zuweilen durch einen Schluck Branntwein würzten.

Der Abend kam, und seine täglich zunehmende Frische mahnte uns deutlich genug, daß die rauhe Jahreszeit im Anzuge sei. So wurde denn nach längerem Berathen beschlossen, nur noch eine Woche der Waidmannslust zu pflegen und dann fürsorglich die Schritte heimwärts zu lenken. So viel gebot die Klugheit, obwol die Jagdlust aller Theilnehmer nichts weniger als erschöpft war; indeß war es uns bekannt, daß der Uebergang vom Sommer in den Herbst in den Prairien ein sehr plötzlicher sei, daß auf mildes Nachsommerwetter mit einem Male eine sehr empfindliche Kälte zu folgen pflege.

Die ältesten und erfahrensten Jäger waren daher der Meinung, unsere Rückkehr nach St. Louis nur höchstens um eine Woche zu verzögern, welcher Meinung sich endlich auch die Uebrigen, wie unsere Führer beigesellten. Außerdem wußten wir, daß die Mühen und Entbehrungen nicht dem Geschmacke Einzelner unter uns angemessen seien, und so schien es uns besser, den Rückweg nach St. Louis einzuschlagen, noch ehe der Winter mit seiner ganzen Strenge eingetreten. Man beschloß die acht Jagdtage, die man sich noch gönnen wollte, aufs Beste zu benützen. Es konnte uns nicht fehlen, eine große Anzahl Büffel, theils durch Anschleichen, Hetzen oder Umkreisen zu erlegen.

Dadurch hofften wir einen ziemlichen Vorrath an frischem Fleische zu gewinnen, den wir am Feuer trocknen und womit wir unsern Karren beladen wollten. Dann wollten wir mit unseren Trophäen, nämlich mit Büffelhäuten und Hörnern wohl beladen, einen triumphierenden Einzug in die zivilisierte Welt halten.

Indeß der Mensch denkt, Gott lenkt! Keiner unserer schönen Träume sollte in Erfüllung gehen.

Wir saßen also um das knisternde Feuer, künftige Schlachtpläne entwerfend und von allerlei Jagdglück träumend. Schnell entschwanden im traulichen Gespräche die Stunden, und es war schon dunkle Nacht, als einer von uns den Vorschlag machte, unsere Pferde von der Prairie herabzuholen. Andere lachten über diese Vorsicht und meinten, man könne den armen Thieren wol einmal eine fette Mahlzeit gönnen, und sie ruhig grasen lassen. Es sei keine Gefahr für sie. Noch hätten wir deine Spur von Indianern erblickt; wolle man aber übergroße Vorsicht walten lassen, so könne ja einer der beiden Führer die Anhöhe hinaufsteigen und bei den Pferden Wache halten.

Gesagt, gethan! Redwood wurde auserlesen, dieses Wächteramt zu versehen; wir blieben beim Feuer ausgestreckt und setzten unser Gespräch fort.

Kaum konnte der Mann auf seinem Posten sein, so schlug ein verworrenes Geräusch, wie von vielen Stimmen, an unser Ohr. Alles sprang auf und griff nach den Gewehren.

Das sind die Indianer, schrie Ike, indem er rasch der Erste die Anhöhe hinanklomm. Die Uebrigen folgten.

Da lief uns bereits Redwood heulend und wehklagend entgegen: »Meine Herren, welches Unglück! es sind mehr als tausend; weh' mir — diese Schurken! . . . Sie haben alle unsere Pferde mitgenommen, auch die Maulthiere..«

Eisiger Schreck machte das Blut in unsern Adern erstarren. Diese Nachricht war fürchterlich. An dem Orte angelangt, wo wir unsere Cavallada gelassen, war nicht der Schatten eines Pferdes, eines Maulthieres zu sehen, nur in der Ferne war Pferdegetrappel zu hören, vermischt mit dem höhnischen Jubelgeschrei der Räuber.

Eine geraume Zeit standen wir alle da, unfähig ein Wort hervorzubringen. Endlich kam uns das Bewußtsein unseres Verlustes. Hunderte von (engl.) Meilen lagen zwischen uns und der Civilisation; dieser Raum war nun zu Fuß von uns zu durchschreiten; uns blieb nichts, als was wir auf dem Leibe hatten, und glücklicherweise unsere Flinten und der Wagen, der dort unten ohne Bespannung stand, an den wir uns also allenfalls anspannen konnten, wenn wir wollten.

Mit dem Schlaf war es unter solchen Umständen zu Ende; im Gegentheil standen wir die ganze übrige Nacht unter Waffen, eines zweiten Ueberfalles gewärtig.

Unter den traurigsten Gedanken sahen wir endlich im Osten die herbstliche Sonne sich langsam erheben. Mit dem beginnenden Tage sollte uns ein neues Unglück treffen.

Wir hatten in der nächtlichen Angst und Verwirrung ganz auf unsere Zelte unten und das dabei brennende Feuer vergessen. Das dichte Gras aber war, wie immer am Schluß der schönen Jahreszeit, trocken wie Zunder.

Ein knisterndes Geräusch ließ sich vernehmen und lenkte unsere Blicke auf das verlassene Lager. Da sahen wir eine mächtige Lohe aus der Tiefe aufsteigen, die an den Gebüschen hinaufzüngelte; sehr bald hatte sie Zelte und Karren ergriffen, und wie eine feurige Schlange wälzte es sich der Stelle zu, wo wir standen.

Unsere letzte Habe war vernichtet, und Gefahr für unser Leben vorhanden, falls wir nicht schleunigst die Flucht ergriffen.

Kaum hatten wir uns so weit von dem Herde des Feuers entfernt, als es die Rücksicht auf unsere Sicherheit gebot, so wurde großer Kriegsrath gehalten.

Die einstimmige Ansicht der Gesellschaft war, man solle so bald als möglich die nächste Ansiedlung zu erreichen suchen. Es war dies Fort Independance am Missouri. Bis dahin waren nicht weniger als dreihundert englische Meilen; wir hofften sie in 20 Tagen zu durchmessen. Bei dieser Berechnung hatten wir blos die gerade Entfernung im Auge und nahmen keine Rucksicht auf die Terrainhindernisse, z. B. reißende Ströme. In der That wurden auch aus zwanzig Tagen deren vierzig.

Den Indianern nacheilen zu wollen wäre Thorheit gewesen. Selbst den Fall gesetzt, daß wir die schnellfüßigen Rothhäute eingeholt hätten, erwartete uns mit ihnen ein sehr ungleicher Kampf, der nur zu unserem Nachtheile ausschlagen konnte.

Indessen mahnte bereits der Hunger. Wir erinnerten uns, daß unsere Führer Tags zuvor einen Büffelstier erlegt und blos das Cabinetsstück: die Zunge mitgenommen hatten. Wir suchten die Stelle wieder auf, aber die Wölfe hatten während der Nacht eine solche Entblößung des Gerippes von allem Fleische bewerkstelligt, daß unser Stier sich vollkommen zur Ausstellung in einem Museum für vergleichende Anatomie eignete. Nichts war übrig geblieben, als die Knochen und das darin vorhandene Mark. Wir aßen letzteres zum Frühstück, und zwar roh, weil dieses Gericht gekocht den meisten Mägen widersteht.

Nach diesem leckern Mahle ward die Berathung fortgesetzt. Wenn wir geraden Weges auf Fort Independance lossteuerten, so verließen wir die Region der Büffel; von was sollten wir leben? Freilich ein verirrter Hirsch, ein Kaninchen, ein Prairien-Hahn hätte genügt, einzelne von uns zu sättigen, aber kaum sichere tägliche Nahrung für zehn Menschen gewährt. Als wir noch unsere Pferde hatten, mit deren Hilfe wir das flüchtige Wild verfolgen konnten, hatten wir oft blanke Tage und mußten zu den Vorräthen unsere Zuflucht nehmen, die das Innere des Wagens barg; wie aber jetzt, wo wir zu Fuße waren?

Wir beschlossen zuletzt, noch ein paar Tage in der Büffelregion zu bleiben, und uns daher soviel Lebensmittel, als jeder einzelne von uns tragen konnte, zu verschaffen.

Wir begannen am andern Tage, diesen Beschluß ins Werk zu setzen. Um ein größeres Revier auszubeuten, zerstreuten wir uns nach allen Richtungen der Windrose.

Aber wie groß war die gegenseitige Bestürzung, als wir Abends an dem bestimmten Sammelplatze uns wiederfanden, alle — mit leeren Händen. Zwar hatten einige von uns ein paar Rudel gesehen; der Schwarm stob aber jedesmal auseinander, wenn man ihm nahen wollte. Wir vermißten schmerzlich unsere Pferde.

An diesem Abende stellte sich zum erstenmal das schreckbild des Hungers mit seinem abscheulichen Gefolge bei uns ein.

Zum ersten Male beleuchtete das Feuer, das uns die Kälte diesmal in reichlicherem Maße anzufachen zwang, nichts als durch Angst und Hunger abgehärmte Gesichter. Keine jener lustigen und abenteuerlichen Geschichten wollte sich vernehmen lassen, die so oft die Langeweile von unseren Abenden hinweggescheucht hatten. Alles saß dumpfen Sinnes um das Feuer und hatte seine eigenen, nicht eben auferbaulichen Gedanken. Nur Ike hatte sich fortgeschlichen und bald hörten wir den Knall seines Gewehres.

Hurrah! hieß es da, als die schwache Beleuchtung des Feuers den zurückkehrenden Schützen erkennen ließ, der etwas Monströses nach sich schleppte.

Ist's ein Dammhirsch, eine Antilope? rief alles durcheinander.

Nichts von alledem, näselte Ike, aber wenn der Teufel hungrig ist, frißt er Fliegen. — Und mit diesen Worten hob er den Arm, und zeigte uns einen schönen — Prairiewolf, den er eben geschossen hatte.

Mit melancholischem Lächeln ward das Raubzeug hingenommen, gebraten und verzehrt. Der Hunger würzte die Wolfskotelettes so trefflich, daß ein zweiter noch am selben Abende geschossener Wolf auch noch dran mußte.

Das war der Anfang des Endes unserer Reise.

Aber es sollte noch besser kommen!!!

Zwar waren wir die folgenden Tage glücklicher in den Versuchen, uns zu verproviantieren. Eine nicht unbeträchtliche Heerde Buffalo's lief uns so zu sagen in den Weg. Wir hatten drei volle Tage zu thun, um die Beute abzuhäuten, zu zerwirken und die Stücke am Feuer zu trocknen, mit welchem Verfahren unsere Führer allerdings prächtig Bescheid wußten. Das so präparierte Fleisch wurde auf die Schultern der einzelnen Reisegefährten geladen, und man erräth leicht, daß unter solchen Verhältnissen die Reise nur langsam vorwärts ging. Zwar hatte diese Last, wie einst schon Aesop bemerkte, die Eigenschaft, daß sie sich von Tag zu Tag verminderte, aber dafür nahm auch in Folge steigender Ermüdung die Tragfähigkeit jedes Einzelnen ab.

Mir hatten noch nicht fünfzig Meilen gemacht, als ein Zwischenfall eintrat, der uns von Neuem in ein Meer von Verzweiflung zurückstürzte und uns nebenbei in augenscheinliche Lebensgefahr versetzt.

Wir sahen uns nämlich plötzlich am Ufer eines Stromes, der zwar nur etwa 100 Fuß breit, dafür aber von ansehnlicher Tiefe war. Vergebens verfolgten wir ihn einige Meilen abwärts, in der Hoffnung, eine passierbare Furt zu finden, es blieb also blos der Ausweg, schwimmend das andere Ufer zu gewinnen. Es war das für keinen von uns eine schwierige Sache, wir alle waren gute Schwimmer. Nach wenigen Minuten war der größte Theil der Gesellschaft drüben; aber es handelte sich nun darum, unsern Proviant, unsere Mäntel, unsere Waffen und Munition herüberzuschaffen. Zu diesem Ende fertigten wir ein kleines Floß an, befestigten an selbem einen Strick, dessen Ende der kräftigste Schwimmer unter uns faßte, während die übrigen daneben schwimmend, ihm dadurch halfen, daß sie von Zeit zu Zeit das Floß vor sich hinstießen und ihm überhaupt die wahre Richtung zu geben sich bemühten.

Trotz der geringen Breite des Flusses war die Strömung keine geringe. Plötzlich gelangte das Floß an eine Stromschnelle und begann sich im Kreise zu drehen. Die Heftigkeit des Stromes war so bedenklicher Natur, daß die Leitung des Flosses bald eine Unmöglichkeit wurde und wir Schwimmer nur mit Händen und Füßen uns zu wehren hatten, daß sie nicht auch uns erfaßte. In tollkühner Sicherheit hatten wir die Ladung nicht einmal auf dem Flosse befestigt.

Kurz, wir mußten es sehen, wie das kleine Fahrzeug rasch einer jener Catarakten zuflog, wie sie an den amerikanischen Strömen so häufig sind. Unterhalb des Falles konnten wir freilich das Floß ans Land ziehen, aber alles, was es enthielt, war rettungslos in dem Flusse begraben.

Da waren wir also in einer sehr mißlichen Lage! Einiges wenige an Lebensmittel hatten wir bei uns, gerade so viel, als bei einer conuobitischen Diät für eine Woche hinreichte. Aber waren diese magern Quersäcke geleert, dann erwartete uns ein unseliges Schicksal. Pistolen ohne Pulver und Jagdmesser! — da mache man einmal Jagd auf Hirsche oder Elenns.

Einige machten den Vorschlag, an die Stelle zurückzukehren, wo wir die Buffalo's präpariert hatten, aber es wurde mit Recht eingeworfen, daß die Wölfe das Wenige, was wir zurückgelassen, wohl schon längst verzehrt hätten. Zurück gehen wäre Narrheit gewesen, das beste, was uns blieb, war vorwärts sich zu bewegen gegen die heißersehnten Wohnungen civilisirter Menschen.

Alles wurde demnach auf halbe Ration gesetzt, und für den Unbefangenen, Wohlgenährten mochte unsere Caravane schon jetzt einen trübseligen Anblick gewähren.

Jede Nacht schliefen wir ohne Feuer, denn es fehlte uns an Holz; wir sehnten uns also zunächst, die Waldregion zu erreichen, um wenigstens eine Entbehrung weniger zu haben.

Drei Tage waren so verflossen, als plötzlich die Temperatur merklich niedriger wurde und — ein dichter Schnee fiel.

Dies dauerte eine ganze Nacht. Am andern Morgen war die Erde überall mit einer mächtigen weißen Schichte bedeckt — ein kalter, feuchter Teppich, in den unsere Füße bis über die Knöchel versanken. Dann gab es Schneewehen, wo man bis an die Schenkel versank. Die Reise ging unsäglich langsam!

Plötzlich gewahrten wir auf den blanken, schneeigen Leilachen die Fährten von Hirschen. Bei der evidenten Unmöglichkeit, auf dieselben Jagd zu machen, es wäre denn, einen Wettlauf zu versuchen, welche Prätension Niemand von uns hatte, legten wir keinen Werth darauf.

Dennoch flüsterten die beiden Führer sich allerhand Projekte zu, die uns das Wasser in den Mund lockten; sie sprachen von Hirschbraten, den sie uns verschaffen wollten.

Den nächsten Tag thaute es ein wenig, die folgende Nacht aber gab es starken Frost, so daß des andern Tages Glatteis war.

Wir zerstreuten uns nach allen Richtungen, die Spuren der Hirsche verfolgend, und kamen Abends mit müden Gliedern und unverrichteter Dinge nach dem Lager zurück. Ike und Redwood waren allein ausgegangen und noch nicht zurückgekehrt. Endlich kamen sie — welche Freude, welches Erstaunen; jeder von ihnen trug die Hälfte eines Kapitalhirsches auf den Schultern.

Das Räthsel war bald gelöst. Sie hatten den Hirsch verfolgt, der durch die Eiskruste, welche den Schnee überzogen, an den Läufen so verletzt worden war, daß reichlicher Schweiß seine Fährte bezeichnete. sie fanden ihn verkümmert in der Prairie liegen.

Das war ein Jubel in Israel, daß wir wie der auf 2— 3 Tage frisches Fleisch hatten.

So schritten wir denn nach eingenommenem Frühstücke mit leichterem Herzen, freilich etwas mühselig auf dem gefrornen Schnee vorwärts. Wir nahmen uns vor, einen langen guten Marsch zu machen, damit wir noch vor dem Abend in die dichteren Wälder gelangen, wo uns das Wild nicht fehlen sollte. Wir waren eine lange Strecke gegangen, und der Tag neigte sich schon zu Ende, als wir plötzlich von einer kleinen Erhöhung des Erdreiches aus fünf immense Thiere vor unsern Augen hatten. In der Gegend, wo wir uns befanden, ist die Anwesenheit der Buffalo's eine der seltensten Ausnahmen. Wir trauten kaum unseren Augen. Es waren offenbar verirrte Flüchtlinge, aber Exemplare von riesigen Dimensionen. Lange Eiszapfen hingen an ihren schwarzen Haaren und gaben ihnen ein wunderbares Aussehen.

Sie blieben indeß nicht unbeweglich, sondern kamen langsam vorwärts. Es waren in der That Buffalo's. Kein Zweifel waltete mehr ob.

Dieser Umstand war ein wichtiger und es wurde sofort Kriegsrath gehalten.

Was sollten wir thun? — Ohne Pferd, ohne Büchse mit einem Buffalo anbinden, ist wahrhaftig eine der schwierigsten Aufgaben, die wol noch selten Jemand sehr befriedigend gelöst haben mochte.

Während wir so berathschlagten, mußten uns diese enormen Thiere bemerkt haben, denn sie wurden mit einemmale flüchtig.

— »Der gordische Knoten ist gelöst«, sagte einer von uns, — »es ist unnöthig, den Kriegsrath wegen der bevorstehenden Jagd zu verlängern.«

— O noch nicht, im Gegentheil — schrie eine Stimme hinter uns.

Wir blickten erstaunt uns um. Es war Redwood und Ike, die uns mittelst eines Zeichens verständigten, daß wir ihnen folgen sollten. so liefen wir ihnen nach, ohne zu ahnen, was sie eigentlich vorhatten. Wir sahen ein merkwürdiges Schauspiel.

Auf einer weiten Ebene, so vor uns lag, führten die fünf Buffalo's den merkwürdigsten Todtentanz auf. sie stürzten nach vorne, machten ein paar plumpe Sprünge, blieben dann stehen, die Knie vor sich spreizend, und fielen endlich, wie von der Tarantel gestochen, auf den Rücken.

Was wir — und die Büffel — für eine Ebene gehalten hatten, war ein gefrorner See, auf dessen glattem Spiegel die armen Thiere sich nicht aufrecht zu erhalten vermochten.

Nach einigen Minuten rötheten fünf Leichen mit ihrem Blute die weiße Schneedecke des Sees.

Diese ebenso wunderbare als providentielle Jagd lieferte uns Lebensmittel für den Rest unserer Odysseus-Fahrt bis dahin, wo die letzten Häuser der Ansiedler an der Grenze der unendlichen Prairie stehen.

Nach langen Tagen und schlaflosen Nächten nahm denn auch diese Robinsonade ein Ende.

In Fort Independance genossen wir in seligem Entzücken die Freude, unsere zermarterten Glieder in ein weiches Bette zu legen, nachdem wir früher ein Mahl genossen, welches wieder einmal von Fachleuten bereitet war. Wir waren aber so klug, uns auf Credit so viel Kleider zu verschaffen, daß wenigstens die Spötter in St. Louis nicht zu viel zu lachen bekamen. Unsere abgehärmten Gesichter, aufgedunsenen Hände und allerhand kleinen Wunden verschwanden freilich nicht so schnelle.

Aber als wir an jenes Pflanzers gastlicher Tafel saßen, wo wir den Plan zur Reise gefaßt hatten, da glänzten doch unserer aller Augen, wie wir von dem genossenen Jagdsport erzählten, und wir thaten unser Möglichstes, um eher beneidet als bemitleidet zu werden.

 

-Ende-

[1]Mastiff's sind jene großen Hunde, welche schon die alten Griechen kannten und als molossische bezeichneten, sie sind noch heutzutage die Landplage der in Griechenland Reisenden. Terriers sind sogenannte Dachsschliefer, Pointers sind Wachtelhunde.

[2]Ein berühmter Schriftsteller und langjähriger Reisender in Amerika beehrt uns so eben mit einer Zuschrift, worin er uns auf einige naturhistorische Böcke aufmerksam macht, die der Verfasser des »Jägerfestes« geschossen haben soll. Der Cuguar soll nicht nördlich von Mexico sich aufhalten, ein Känguruh in ganz Amerika höchstens in einer Menagerie zu sehen sein. Der Cuguar soll aber nach Cap. Maque's Versicherung auch im Mississipi-Thale vorfindig sein; was das Känguruh betrifft, so müssen wir seine Existenz-Berechtigung in Louisiana allerdings in Zweifel gestellt sein lassen. Weit entfernt, für die Wahrhaftigkeit des Verfassers einstehen zu wollen, hatten wir ihn im Gegentheil gleich beim Beginne seiner abenteuerlichen Erzählungen stark in Verdacht, daß er eine gewisse lateinische Schule mit Vorzugsklassen frequentierte. Nichtsdestoweniger hielten wir uns an den bekannten Gemeinplatz der Italiener: Si non b vero, e ben trovato. (Ja, es ist nicht wahr und gut gefunden) D. R.