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Busa. Humoristische Erzählung von
Robert Kraft.

   

(Nachdruck verboten.)

 

 

 

»Kennst du Busa?« fragte mich Ali Pascha, welcher mich in die Geheimnisse Kairo's einführte.

»Nein. Was für ein Femininum ist das?«

»Es ist arabisches Bier.«

»Nun will und muß ich Busa kennen lernen.« Um nicht in den Verdacht zu kommen, ein Aufschneider zu sein, bedarf es erst einer Erklärung. Lange bevor die Orientfahrten Mode wurden, hatte mich der Zug nach dem Osten erfaßt, und ich war gegangen, nicht als freier Passagier, sondern ich hatte mich verkauft, nicht als Christensklave, sondern als Matrose, der ich überhaupt war. In Port-Said musterte ich ab, ein junger Steuermann tat desgleichen, und wir beide pilgerten nach Kairo, um dort unsre silbergefüllten Taschen zu erleichtern. Vom Eskanderich-Platze kommend, bogen wir in der Muski die zweite, sich jäh absenkende Gasse rechts ein, welche direkt auf den Eingang des Hotel du Nil zuführt. Als der elegante Portier uns mit dem Bündel auf dem Rücken anmarschiert kommen sah, wollte er schnell das Thor schließen; allein sein Schreck, daß wir das vornehme Hotel mit unserm Besuche beehren würden, war unnötig gewesen, denn stolz bogen wir die erste und einzige Gasse abermals ein und stiegen im »Deutschen Gasthof« ab. Daselbst wohnen stellenlose Kaufleute, arbeitsscheue Handwerker, arbeitslustige Walfischfänger und Schneeschipper, die in Aegyten immer Beschäftigung auf ihre Profession suchen und keine finden, und ähnliche Leutchen, denen wir uns jetzt zugesellten. Die Lage ist so genau beschrieben, daß sich Jeder dahin zurechtfindet, der neben dem Hotel du Nil logieren will. Die Besitzerin heißt Frau Anastasia Lotze, Wienerin, in ganz Kairo, sogar Aegypten, allgemein als die »Eiserne« bekannt, weil sie eine »eiserne« Natur, eine »eiserne« Gesundheit, einen »eisernen« Charakter, ein »eisernes« Gottvertrauen u. s. w. hat, und sogar ein »eisernes« Goulasch kochen kann. Im Übrigen ist sie Patin sämtlicher deutschgeborener Kinder, von denen des Pastors an bis zu den Göhren des deutschen Bäckermeisters.

Von hier aus unternahmen wir unsre Ausflüge. Als geriebener Dragoman diente uns Ali Pascha, welcher diese Herberge ebenfalls sein Heim nannte. Eigentlich hieß er Alois Nagel und produzierte sich in den Cafés als Schwertverschlucker schon seit dreißig Jahren, ohne davon satt geworden zu sein, war äußerlich und innerlich bis auf seinen Wiener Dialekt und bis aufs Trinken zum Alttürken geworden und hatte den Namen Alt Pascha erhalten. Dieser hatte uns schon in alle Mysterien Kairo's eingeweiht, welche die Orientreisenden wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen; Busa hatten wir aber noch nicht getrunken.

Das Lokal, welches wir betraten, war eine Spelunke ersten Ranges; vier nackte Lehmwände, oben ein durchlöchertes Lattendach, unten Gottes Erdboden und eben führten die Gäste, nur Araber zweiter Güte, mit einigen Tänzerinnen dritter Güte eine, allerliebste Fantasia auf. Ausnahmsweise waren hier Holztische und Bänke aufgestellt. Zunächst wurde unsre Aufmerksamkeit durch etwas anderes gefesselt als von der Fantasia, die jetzt übrigens aufhörte. Es war ein Badeidyll, das sich uns bot, würdig für ein Sujet der modernen Malerei. In einem auf Beinen ruhenden Bottich, welcher mit einem weißen Brei angefüllt war, sprangen zwei kaffeebraune Araber herum, splitterfasernackt, selbst ohne Badehose, mit Wollust trampelten sie in dem Brei und wenn er an ihren Lenden hinaufspritzte, so wischten sie ihn ab, schlenkerten ihn zurück oder zogen die Finger durch den Mund. Unten floß das Zeug durch ein Sieb ab und tropfte in ein großes Gefäß.

Ehe wir Ali Pascha um Aufklärung bitten konnten, wurde dieser von einem nachgelaufenen Jungen geholt. Eine Gesellschaft wolle ihn das Schwert verschlucken sehen, wahrscheinlich zum Reizen ihres Appetits, denn es war Mittagszeit. So waren wir uns selbst überlassen.

Die Araber und Bajaderen umdrängten unsern Tisch, bewunderten uns und bettelten, der Wirth schob sie zur Seite und fragte nach unserm Begehr. »Busa.« Auf den Tischen stand hier und da eine Schale mit jener weißen Suppe, daneben Kaffeetäßchen, und wenn Jemand durstig war, so nahm er ein Täßchen, füllte es und trank es langsam aus. Der Wirth ließ eine Schale unter dem Troge voll laufen, gerade da, wo es unter den trampelnden Füßen hervorquoll, setzte sie zwischen uns und daneben zwei Täßchen. Kostete einen halben Piaster, zehn Pfennige. Ich drückte die Augen zu, um die nackten Brauer nicht zu sehen, und kostete aus dem Täßchen, ebenso der Steuermann, und »Ah!« sagten wir alle Beide.

Ehe ich mich versah, hatte der Steuermann die Schale zwischen den Händen und trank den halben Liter ohne abzusetzen aus.

Allgemeines Staunen bei den zusehenden Arabern, »Inschallah!« rief der eine, »Alschallah!« der andere, und die Weiber kreischten.

Schon stand eine neue Schale zwischen uns, und die leerte ich auf einen Zug. Dieses Busa schmeckte einfach köstlich, besonders wenn man beim Trinken die nackten Kerls nicht ansah: frisch, säuerlich, es prickelte auf der Zunge und noch lange im Magen, und die Dickflüssigkeit hinderte nicht am Trinken. Wir bestellten zwei andere Schalen.

Die Rufe der Zuschauer mehrten sich, das Staunen wuchs, die Weiber entsetzten sich vor uns, man schlug schon die Hände über den Kopf zusammen.

Ha, was wußten diese jämmerlichen Moslems, was ein Deutscher trinken kann, noch dazu ein Seemann! »Prost, Steuermann!« »Prost, Maat!«

Auch die zweite Schale verschwand, jedoch langsamer, denn dieses Bräu stopfte furchtbar. Wir gingen, und draußen merkten wir, daß wir auch ein kleines Räuschen gefangen hatten, aber nur ein ganz kleines, nicht der Rede wert.

Wir schlenderten gemütlich dem Gasthof zu. In der Nähe desselben blieb der Steuermann plötzlich stehen, ich sah ihn wie ein junges Mädchen erröten, als er sagte: »Du, mir wird so unheimlich dick zumute.«

»Mir auch.«

Und mit einem mal begann der Steuermann zu laufen, was er laufen konnte, ich hinterher, aber ich konnte kaum noch, es war mir, als hinge sich eine Tonne an meinen Leib, erreicht' den Hof mit Müh' und Not, und da lag schon mein Genosse am Boden und stöhnte und krümmte sich wie ein Wurm, und gleich darauf lag ich daneben und folgte seinem Beispiel. Um uns herum standen die Herbergisten, die »Eiserne« rang jammernd die Hände, aber wir vermochten die Ursache unsres Leidens nicht mehr anzugeben.

Etwa zehn Minuten wand ich mich in Todeskämpfen. Was ich dachte? Ich weiß es nicht mehr. An die himmlischen Freuden jedenfalls nicht. Nur etwa so viel: jetzt platzt du wie ein Frosch, der vom Professor vollgepumpt wird. Ich wurde dicker und dicker, ich, ein windhundschlanker Jüngling, bekam ein Embonpoint, daraus wurde ein stattliches Bäuchlein, ein Schmeerbauch - und ich sah im Geist die Bombe schon krepieren.

Da beugte sich das ehrwürdige Gesicht Ali Paschas über mich.

»Na, was wird's denn holt san? An Liter Busa hot a Jeder getrunken.«

»Jessas, Jessas, Jessas,« zeterte die Eiserne, »Kinder, sad's denn nun ganz und gar verruckt im Koppe? Schnell an Feder und's Schmieröl.«

Die Gänsefeder wurde in die Schmierölflasche getaucht, und mir in den Rachen. Und ich fand Erleichterung. Aber langsam, ganz langsam ging es. Ich trug mich noch immer mit Todesahnungen herum. Einen Liter Busa hatte mein Magen eingenommen und vier gab er zögernd wieder heraus. Das Zeug gärt mächtig nach. Nun wußte ich auch, warum die Araber so vorsichtig die Busa aus Kaffeetäßchen, Fingerhüten, tranken. Mit dem Steuermann war dieselbe Prozedur vorgenommen worden, und als wir uns als neugeborene, normal gebaute Menschen wieder gegenüberstanden, da reichten wir uns zum stummen Schwure die Hand: einmal und nicht wieder.

»Ich habe erfahren, wie man Busa braut. Ich weiß nicht allein, daß nackte Menschen den Brei im Gärbottich mit den Füßen durch ein Sieb quetschen müssen, ich weiß jetzt auch, wie man das Korn, Durrha, behandelt, wie man es röstet, malzt, mit Milch begießt u. s. w., aber ich verrate nichts, absolut nichts, denn ich bin ein gutmütiger Charakter.

Heutzutage, wo die orientalischen Caffees wie Pilze aus der Erde schießen, in denen man Sorbet, Mastika, Mokka, türkische Konfitüren und Tschibuk erhält, last not least, von Simili-Türkinnen präsentiert, könnte ein spekulanter Wirth leicht auf den Gedanken kommen, seinen Gästen auch arabisches Bier vorsetzen zu wollen, und - liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Nein, davor möcht' ich auch meinen ärgsten Feind bewahren.

 

-Ende-